L 1 SF 1/17 EK

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 SF 1/17 EK
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Verfahren um 26 Monate verzögert war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin ¾, die Beklagte trägt ¼. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand in dem zu Grunde liegenden Verfahren S 4 R 718/10 WA = L 3 R 129/11 war der Entzug einer Erwerbsminderungsrente, die dem im xxxxx 2007 verstorbenen Ehemann der Klägerin zunächst gewährt und im Jahr 2005 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entzogen und zurückgefordert worden war. Das Verfahren endete in der Berufungsinstanz durch am 7. März 2012 angenommenes Anerkenntnis der Beklagten vom 23. Februar 2012.

Am 7. März 2012 stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese einen "Antrag auf Kostenfestsetzung nach dem Gegenstandswert" für die Kosten des Berufungsverfahrens beim Sozialgericht (SG); am 26. Juni 2012 folgte ein "Antrag auf Feststellung des Gegenstandswertes" für die Berufung an das Landessozialgericht (LSG). Hierbei machte der Prozessbevollmächtigte stets geltend, die Klägerin sei nicht Sonderrechtsnachfolgerin, sondern Erbin und deshalb nicht nach § 183 SGG kostenprivilegiert. Im Juli und August 2012 (2 Monate) wurde das Verfahren nicht betrieben. Am 17. September 2012 erging der Beschluss der Kostenbeamtin; dieser richtete sich nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und legte wegen der Kostenprivilegierung eine Betragsrahmengebühr zu Grunde. Hiergegen wendete sich der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin am 16. Oktober 2012 mit der Erinnerung. Im November 2012 und im Januar 2013 gingen Stellungnahmen der Beklagten zum Erinnerungsverfahren ein und wurden weiter verfügt, während im Dezember 2012 (1 Monat) das Verfahren nicht betrieben wurde. Von Februar bis September 2013 (9 Monate) wurde das Verfahren erneut nicht betrieben, im Oktober wurden Schriftsätze der Beteiligten weiterverfügt. Von November 2013 bis November 2014 (13 Monate) wurde das Verfahren wiederum nicht betrieben.

Am 17. November 2014 erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in dem Erinnerungsverfahren gegen den Beschluss der Kostenbeamtin vom 17. September 2012 zum Aktenzeichen L 3 R 129/11 die Verzögerungsrüge, die zwar nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, die jedoch im Dezember 2014 Aktivitäten des Gerichts im Sinne gerichtlicher Verfügungen an die Beteiligten auslöste, die wegen des Sachzusammenhangs der aufgeworfenen Frage nach dem Status der Klägerin (Kostenprivilegierung) auch das vorliegende Verfahren betrafen. Von Januar bis Mai 2015 (5 Monate) war das Gericht erneut untätig, bevor am 4. Juni 2015 der die Erinnerung zurückweisende Beschluss des SG erging. Daraufhin erhob der Prozessbevollmächtigte am 20. Juli 2015 die hier streitgegenständliche Verzögerungsrüge wegen des Antrags auf Festsetzung des Streitwertes beim LSG und legte Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des SG ein. Eine Aktivität des Gerichts fand im Juli 2015 (1 Monat) nicht statt. Auf die Mitteilung des Berichterstatters vom 4. August 2015, die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 4. Juni 2015 sei nicht statthaft, teilte der Prozessbevollmächtigte mit, das wisse er, aber " das Ergebnis sei nicht schön". Am 20. August 2015 erfolgte ein Hinweis des Gerichts, dass eine Streitwertfestsetzung obsolet sei, weil die Klägerin, was inzwischen rechtskräftig feststehe, zu dem Personenkreis des § 183 SGG gehöre. Mit Schriftsatz vom 25. August 2015 antwortete der Prozessbevollmächtigte daraufhin, es erscheine ihm sinnvoll, das Gutachten der Rechtsanwaltskammer in dem Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Klägerin abzuwarten, damit die dort vertretene Auffassung abgewogen werden könne.

Mit Beschluss vom 31. August 2015 verwarf das LSG die Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des SG als unzulässig. Im September 2015 (1 Monat) fand keine gerichtliche Aktivität statt. Auf den Hinweis des Prozessbevollmächtigten, dass die Streitwertfestsetzung noch offen sei, erteilte das Gericht einen richterlichen Hinweis vom 16. Oktober 2015. Im November 2015 (1 Monat) folgte ein weiterer Monat der Untätigkeit, im Dezember 2015 wurde über ein zwischenzeitlich eingereichtes Ablehnungsgesuch der Klägerin entschieden. Die Monate Januar 2016 bis Juni 2016 (6 Monate) waren nicht durch Tätigkeiten des Gerichts belegt, am 14. Juli 2016 wurde sodann der Antrag auf Festsetzung des Streitwertes durch Beschluss als unzulässig verworfen; damit war dieses Verfahren beendet.

Am 23. Januar 2017 hat die Klägerin die Entschädigungsklage erhoben. Sie trägt vor, das LSG sei zu Unrecht über mehrere Jahre davon ausgegangen, trotz einer umstrittenen Rechtslage keine Entscheidung treffen zu müssen. Es handele sich um einen Routineantrag, für welchen eine Überlegungsfrist von 12 Monaten zu lang bemessen sei. Aus der Verzögerung resultierten spürbare Nachteile für die Klägerin. Von der Streitwertfestsetzung habe der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin in der Berufungsinstanz gegen die dortige Beklagte abgehangen. Aktuell sei beim Amtsgericht eine Klage gegen ihren Prozessbevollmächtigten wegen Rückzahlung des zuvor erhaltenen Gebührenvorschusses seitens der Rechtsschutzversicherung der Klägerin anhängig. Dort habe er, der Prozessbevollmächtigte, Gebühren nach dem Streitwert abgerechnet, die Rechtsschutzversicherung habe jedoch nur eine Eintrittspflicht in Höhe der gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens festgesetzten Gebühren anerkannt. Wenn das LSG indes zutreffend rechtzeitig den Streitwert festgesetzt hätte, wäre die Kostenfestsetzung des Sozialgerichts mit Sicherheit anders ausgefallen. Aus diesen Abläufen sei der Klägerin ein materieller Schaden entstanden, dessen Höhe noch offen sei, da das Verfahren vor dem Amtsgericht gegen ihn, den Prozessbevollmächtigten, noch nicht abgeschlossen sei. Die Klägerin sei nach wie vor einer unsicheren Rechtslage ausgesetzt, welche einen Ausgleich immaterieller Nachteile rechtfertige.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Höhe von 2.500 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Verzögerungsrüge wirke nicht unbegrenzt auf den bis dahin verstrichenen Zeitraum zurück, sondern nur rund sechs Monate und beruft sich hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urteil vom 6. April 2016 – X K 1/15 – Juris). Darüber hinaus sei auch zu beachten, dass der Rechtsbehelf auf dessen verzögerte Bearbeitung der Anspruch gestützt werde, bereits unzulässig gewesen sei. Die Frage, ob das Kostenregime des § 183 SGG oder dasjenige des § 197a SGG anzuwenden sei, sei bereits im Hauptsacheverfahren entschieden worden. Das Interesse an einem letztlich nutzlosen Rechtsbehelf sei erheblich geringer als vom Gesetzgeber im Regelfall des § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) angenommen. Ein konkreter Nachteil für die Klägerin sei darüber hinaus – da nur noch Kosten im Streit gestanden hätten – auch nicht ersichtlich.

Die Klägerin ist am xxxxx 2018 verstorben. Der Prozessbevollmächtigte hat auf Nachfrage mitgeteilt, das Verfahren solle fortgeführt werden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte des vorliegenden Verfahrens sowie auf die Prozessakten der Verfahren S 4 R 718/10 WA (= L 3 R 129/11 und S 32 SF 491/16 E) sowie S 4 SF 354/12 E (= L 3 R 85/15 B und L 3 SF 30/15 AB) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG i.d.F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24. November 2011 (BGBl. I 2302) maßgebend. Für die Entscheidung über die Klage ist das Landessozialgericht zuständig (§ 201 Abs. 1 S. 1 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG).

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 5 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 21.02.2013 – B 10 ÜG 1/12 KL) und – nach Abschluss des Ausgangsverfahrens – auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Einlegungsfrist des § 198 Abs. 5 S. 2 GVG, wonach die Klage spätestens sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, erhoben werden muss, hat die Klägerin eingehalten, wobei der Beschluss vom 14. Juli 2016, mit welchem der Antrag auf Feststellung des Streitwertes als unzulässig verworfen wurde, als verfahrensbeendigender Beschluss zu verstehen ist. Die Wartefrist des § 198 Abs. 5 S. 1 GVG, wonach eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann, wurde ebenfalls eingehalten.

Eine Unterbrechung des Verfahrens ist durch den Tod der Klägerin nicht eingetreten, § 246 Zivilprozessordnung. Über den Anspruch kann auch noch entschieden werden, denn er ist grundsätzlich vererblich, weil die Entschädigung einem Schadensersatzanspruch für immaterielle Schäden entspricht. Diese Vererblichkeit wird auch nicht durch die Regelung in § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG ausgeschlossen (BFH, Urteil vom 20. August 2014 – X K 9/13 – Juris).

Die Klage ist jedoch lediglich in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Insbesondere war die Beklagte nicht zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen.

Gemäß § 198 Abs. 1 S. 1 GVG wird entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 S. 2 GVG). Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge, § 198 Abs. 3 S. 1 GVG). Dies ist der Fall, denn die Klägerin hat am 20. Juli 2015 eine Verzögerungsrüge erhoben.

Die Verzögerungsrüge ist auch wirksam erhoben worden. Sie kann gemäß § 198 Abs. 3 S. 2 GVG erst dann erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird. Streitgegenstand ist dabei allein die Verzögerungsrüge wegen des Antrags auf Festsetzung des Streitwertes beim LSG, wie sich aus der Klagschrift im Entschädigungsverfahren vom 20. Januar 2017, bei Gericht eingegangen am 23. Januar 2017 ergibt. Dieser Antrag war am 26. Juni 2012 gestellt worden, Schriftverkehr konkret hinsichtlich dieses Antrags ist bis auf den nach Eingang der Verzögerungsrüge erfolgten Hinweis des Gerichts vom 20. August 2015, es halte den Antrag für obsolet, und die Antwort des Prozessbevollmächtigten des Klägers hierauf, bis zum Beschluss vom 31. August 2015 nicht erfolgt. Eine solche Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werde, ist daher hier zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge gerechtfertigt gewesen.

Verfahrensbeteiligt ist auch die Klägerin und nicht ihr Prozessbevollmächtigter. Zwar heißt es in dem Antrag vom 26. Juni 2012: "nehme ich Bezug und bitte um Festsetzung des Gegenstandswertes". Aus dieser Formulierung könnte man schließen, dass der Prozessbevollmächtigte hier von der in § 197 SGG möglicherweise vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, in eigenem Namen Kostenfestsetzung zu beantragen. Ob dies überhaupt zulässig ist (verneinend: B. Schmidt in: Meyer/Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 197 Rn. 4) und wenn ja, mit welcher Folge (Wirkung nur zwischen den Beteiligten des Ausgangsrechtsstreits und dem Gericht: Breitkreuz in: Breitkreuz/ Fichte, 2. Aufl. 2014, § 197 Rn. 3; unklar insoweit BSG, Urteil vom 20.7.2014 – B 10 ÜG 8/13 R – Juris Rn. 28), kann hier dahinstehen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nämlich in seinem Antrag weiter ausgeführt, dass auch die Klägerin davon ausgehe, es handele sich um ein Verfahren nach § 197a SGG. Des Weiteren ist der Beschluss in der Sache vom 14. Juli 2016 gegenüber der Klägerin und nicht gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten ergangen. Und schließlich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nunmehr einen weiteren Antrag auf Streitwertfestsetzung gegen die Klägerin gestellt. Aus diesen Umständen ergibt sich, dass Verfahrensbeteiligte hinsichtlich des Antrags auf Streitwertfestsetzung vom 26. Juni 2012 die Klägerin und nicht ihr Bevollmächtigter war. So führt der Prozessbevollmächtigte nunmehr auch das vorliegende Verfahren ausdrücklich im Namen der Klägerin und begehrt die Zahlung einer Entschädigung an diese, bzw. an ihre Erben.

Das Verfahren ist auch verzögert. Der Senat hat sich zu diesem Tatbestandsmerkmal in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2014 (L 1 SF 16/13 ESV) der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeschlossen und Folgendes ausgeführt:

"Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die Gesamtverfahrensdauer, wie sie § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definiert. Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, bewirken daher nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung insbesondere zu überprüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden. Maßgeblich ist, ob am Ende des Verfahrens die Angemessenheitsgrenze überschritten worden ist. Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen, auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der EMRK nicht verlangt. Erst wenn die Verfahrenslaufzeit in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung dieses Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor (BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13 – Juris).

Das Bundessozialgericht hat für dies für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit dahin gehend konkretisiert, dass dem Ausgangsgericht bei Verfahren mit etwa durchschnittlicher Schwierigkeit und Bedeutung eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten eingeräumt werden könne, sodass insoweit inaktive Zeiten unschädlich seien und nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer beitragen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden könnten (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R, B 10 ÜG 9/13 R, B 10 ÜG 2/13 R, zit. nach Terminbericht Nr. 40/14). Die zeitliche Lage dieser Vorbereitungs- und Bedenkzeit müsse und werde sich in der Regel nicht vollständig direkt an die Erhebung der Klage bzw. die Einlegung der Berufung anschließen, denn in dieser "Frühphase" sorge das Gericht normalerweise für einen Schriftsatzwechsel und ziehe Entscheidungsunterlagen bei. Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit könne vielmehr auch am Ende der jeweiligen Instanz liegen und in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Angemessen bleibe die Gesamt-Verfahrensdauer regelmäßig zudem dann, wenn sie zwölf Monate überschreite, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruhe oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht werde, die das Gericht nicht zu vertreten habe (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R, zit. nach Terminbericht Nr. 40/14).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung grundsätzlich an und hält die Anwendung dieser Kriterien auch im vorliegenden Fall für sachgerecht.

Für die Ermittlung des im Einzelfall tatsächlich vorliegenden inaktiven Gesamtzeitraums sind nach Auffassung des Senats die inaktiven Phasen sowohl vor als auch nach Erhebung der Verzögerungsrüge von Belang. Denn der Sinn der Verzögerungsrüge besteht – wie bereits ausgeführt – darin, dass dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden soll, das Verfahren zu fördern und eine weitere Verzögerung zu verhindern (BT-Drs. 17/3802 S. 20). Da das Gericht aber der bereits eingetretenen Verzögerung nicht mehr abhelfen kann, darf dem Betroffenen insoweit auch der Rechtsschutz nicht abgeschnitten werden. Im Übrigen würde die gegenteilige Sichtweise dazu führen, dass die Geduld eines Beteiligten bestraft und die frühzeitige Erhebung von Verzögerungsrügen gefördert würde, was vom Gesetzgeber aber ausdrücklich nicht gewollt ist (BT-Drs. 17/3802 S. 21)."

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Nach diesen Maßgaben ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes Bild:

Von dem Antrag auf Festsetzung des Streitwertes im Juni 2012 bis zur Verwerfung dieses Antrags als unzulässig durch Beschluss vom 14. Juli 2016 sind 49 volle Monate vergangen. Mit Tätigkeiten des Gerichts belegt waren dabei wie ausgeführt nur die Monate Juni 2012 (1 Monat), September bis November 2012 (3 Monate), Januar 2013 (1 Monat), Oktober 2013 (1 Monat), Dezember 2014 (1 Monat), Juni 2015 (1 Monat), August 2015 (1 Monat) Oktober 2015 (1 Monat) und schließlich Juli 2016 (1 Monat), in welchem die abschließende Entscheidung erging. Es verbleiben 38 Monate der Untätigkeit. Von diesen sind zwölf Monate Vorbereitungs- und Bedenkzeit abzuziehen, so dass eine Verzögerung von 26 Monaten verbleibt. Zwar war das Verfahren um Streitwertfestsetzung grundsätzlich von eher unterdurchschnittlicher Schwierigkeit und Bedeutung. Die zugrunde liegende Rechtsfrage war nicht besonders komplex, umfangreicher Ermittlungen bedurfte es ebenfalls nicht. Jedoch war durch die Vielzahl der Anträge, das teilweise widersprüchliche Verhalten und durch teilweise auch unzulässige prozessuale Versuche des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, seiner Rechtsauffassung zum Durchbruch zu verhelfen, die Aktenlage unübersichtlich und das Begehren in mancher Hinsicht verworren. Insofern hält der Senat auch im hier betroffenen Ausgangsfall Vorbereitungs- und Bedenkzeiten von insgesamt zwölf Monaten noch für gerechtfertigt. Dass ein Antrag, selbst wenn man ihn für unsinnig oder "obsolet" hält zu bescheiden ist und dies in angemessener Zeit, bedarf dagegen keiner weiteren Erörterung.

Nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ist die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer allerdings ausreichend für die erforderliche Wiedergutmachung; ein Entschädigungsanspruch in Geld steht der Klägerin nicht zu.

Gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Dies beruht auf der Rechtsprechung des EGMR, der "eine starke, aber widerlegbare Vermutung" dafür annimmt, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat (Urteil vom 29.3.2006 - 36813/97 - Juris). Vorliegend ist diese gesetzliche Vermutung als solche nicht widerlegt.

Ist die Vermutungsregel nicht widerlegt, ordnet § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG hinsichtlich der Rechtsfolgen bei Erleiden eines solchen Nichtvermögensnachteils an, dass eine Geldentschädigung "nur beansprucht werden [kann], soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist". Die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht ist im Gesetz ausdrücklich als eine der Möglichkeiten bezeichnet, Wiedergutmachung auf andere Weise als durch Zuerkennung eines Geldanspruchs zu leisten (§ 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

Für das Verhältnis zwischen den Rechtsfolgen "Geldentschädigung" einerseits und "Feststellungsausspruch" andererseits gilt danach jedenfalls kein Vorrang der Geldentschädigung und auch keine anderweitige Vermutungsregel. Damit ist jedenfalls nach dem Gesetzeswortlaut vor der Zuerkennung einer Geldentschädigung jeweils konkret zu prüfen, ob Wiedergutmachung durch einen bloßen Feststellungsausspruch möglich ist. Soweit demgegenüber in der Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, ein Feststellungsausspruch müsse sich auf diejenigen Ausnahmefälle beschränken, in denen sich der Entschädigungskläger im Ausgangsverfahren rechtsmissbräuchlich verhalten habe (so Böcker, Deutsches Steuerrecht 2011, 2173, 2177), folgt der Senat dieser Auffassung nicht, sondern folgt stattdessen derjenigen des Bundesfinanzhofes, der im Urteil vom 17. April 2013 (Az: X K 3/12 - Juris Rz. 64 ff.) ausgeführt hat:

"In einem solchen Fall hat das verzögerte Verfahren -jedenfalls bei konkreter Betrachtung- für den Entschädigungskläger objektiv keine besondere Bedeutung. Denn dann ist für jeden Rechtskundigen von Anfang an klar, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben kann.

Selbst wenn sich -was der Senat vorliegend nicht zu entscheiden braucht- aus einer EMRK-konformen Auslegung des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ein gewisser Vorrang der Geldentschädigung ergeben könnte, zeigt die Rechtsprechung des EGMR, dass auch dieser in vielen Fällen lediglich einen Feststellungsausspruch als Wiedergutmachung ausreichen lässt (vgl. die umfassende Zusammenstellung dieser Rechtsprechung bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Kommentar, Anhang 2). Die Betroffenheit durch die Verzögerung beschränkt sich in diesen Fällen auf den Umstand, dass der Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens lange auf sich hat warten lassen. Angesichts der von Beginn an feststehenden Unschlüssigkeit der Klage sind mit der Verzögerung aber keine weiteren Risiken oder Nachteile für die prozessuale oder sonstige Situation des Klägers verbunden.

Betrachtet man die Rechtsprechung des EGMR bis zum Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG, ist zwar festzustellen, dass der EGMR Deutschland in Fällen überlanger Verfahrensdauer zunehmend zur Zahlung von Geldentschädigungen verurteilt und sich nicht auf die -gemäß Art. 41 EMRK ebenfalls mögliche- bloße Feststellung einer Verletzung der EMRK beschränkt hat. Bei genauer Betrachtung liegt dies aber daran, dass der EGMR im Zeitablauf zu der Erkenntnis gelangt ist, dass in Deutschland seinerzeit ein strukturelles Problem vorhanden gewesen sei. Deutschland wurde daher in den jüngeren Entscheidungen nicht allein wegen einer Verletzung des Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren innerhalb angemessener Frist) verurteilt, sondern vor allem auch wegen einer Verletzung des in Art. 13 EMRK garantierten Rechts auf eine wirksame Beschwerde gegen Verletzungen der EMRK bei einer innerstaatlichen Instanz (vgl. EGMR-Urteil vom 8. Juni 2006 75529/01 -Sürmeli/ Deutschland-, NJW 2006, 2389). Eine solche Beschwerdemöglichkeit in Fällen überlanger Gerichtsverfahren (Untätigkeitsbeschwerde, Verzögerungsrüge) fehlte in Deutschland bis zum Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG; dieses strukturelle Problem der deutschen Gesetzgebung -und nicht nur die tatsächliche Verzögerung eines gerichtlichen Verfahrens im Einzelfall- hat der EGMR mit der Zuerkennung von Geldentschädigungen sanktionieren wollen (vgl. EGMR-Urteil in NJW 2006, 2389, Rz 136 ff.)

Mit dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG ist das strukturelle Problem beseitigt worden. Im Vordergrund steht nunmehr wieder die Einzelfallbetrachtung der Umstände des konkreten Verfahrens. Damit würde -hätte der EGMR über einen derartigen Fall zu entscheiden- wieder die Grundregel des Art. 41 EMRK zur Anwendung kommen, wonach der EGMR nur dann über die bloße Feststellung einer Konventionsverletzung hinaus eine "gerechte Entschädigung" (Geldentschädigung für Nichtvermögensschäden) zuspricht, wenn das innerstaatliche Recht "nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung" gestattet. Die Hauptsacheentscheidung des EGMR liegt in der Feststellung einer Konventionsverletzung; die darüber hinausgehende Zuerkennung einer Geldentschädigung ist nur eine unselbständige Nebenentscheidung (so Dörr, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2006, Kap. 33 Rz 10). Der EGMR spricht nur dann eine Geldentschädigung zu, wenn der Betroffene aufgrund der Rechtsverletzung nachweislich einen "spürbaren Nachteil" erlitten hat (Dörr, in: Grote/Marauhn, a.a.O., Kap. 33 Rz 18).

Dem schließt sich der Senat auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zu § 198 GVG an. Dort heißt es (BTDrucks 17/3802, 20) diesbezüglich: "In den übrigen Verfahrensordnungen kann man sich bei der Frage, ob eine Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere in Gestalt einer schlichten Feststellung der unangemessenen Verzögerung ausreicht, an der Rechtsprechung des EGMR orientieren. Dieser hat in Längeverfahren zum Teil entschieden, dass es nicht angezeigt sei, über die Feststellung einer Konventionsverletzung hinausgehend eine Entschädigung zu gewähren. Ausreichen kann eine schlichte Feststellung danach beispielsweise in Verfahren, die für einen Verfahrensbeteiligten keine besondere Bedeutung hatten oder in denen ein Verfahrensbeteiligter durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat. Die schlichte Feststellung kann als Wiedergutmachung auch genügen, wenn ein Verfahrensbeteiligter keinen weitergehenden immateriellen Schaden erlitten hat und die Überlänge des Verfahrens den einzigen Nachteil darstellt; dies muss vom Beklagten im Entschädigungsprozess dargetan werden. Insgesamt kann die für die Entschädigung maßgebliche Frage, ob eine Wiedergutmachung auf andere Weise tatsächlich ausreichend ist, nicht pauschal beantwortet, sondern nur unter Abwägung aller Belange im Einzelfall entschieden werden. Wird vom Entschädigungsgericht ein Entschädigungsbegehren abgelehnt, weil es die bloße Feststellung für ausreichend hält, ist bei der Urteilsabfassung neben § 313a der Zivilprozessordnung (ZPO) und den entsprechenden Vorschriften in den übrigen Verfahrensordnungen zu berücksichtigen, dass sich insoweit eine Begründungspflicht auch aus konventionsrechtlichem Gesichtspunkt ergibt (vgl. EGMR Urteil vom 29. März 2006, Nr. 62361/00, Rn. 94)."

In Würdigung der das gerichtliche Ausgangsverfahren prägenden Fallumstände kommt der Senat zu der Überzeugung, dass vorliegend die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer als Wiedergutmachung ausreichend ist.

Der Klägerin ist durch die unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens allenfalls ein sehr geringer Schaden entstanden. Dies folgt daraus, dass das Verfahren um die Festsetzung eines Streitwertes als Ausgangsverfahren für die Klägerin selbst ohne Bedeutung gewesen bzw. dieses sogar entgegen ihrer Interessen durchgeführt worden ist. Daraus folgt auch die Entschädigung durch die tenorierte Feststellung und nicht in Form einer Geldzahlung.

Erkennbar sind alle prozessualen Schritte des Prozessbevollmächtigten der Klägerin seit der Erledigung des Verfahrens gegen den Rentenversicherungsträger davon gekennzeichnet, die Feststellung zu erlangen, dass es sich um ein Verfahren nach § 197a SGG handelte. Diese Feststellung war – nur – für ihn selbst vorteilhaft, um nach dem Streitwert statt nach Betragsrahmengebühren abrechnen zu können. Für die Klägerin wäre sie indes mit höheren Gebühren verbunden und damit zunächst einmal nachteilig gewesen. Bedenkt man indes, dass die Beklagte im Ausgangsverfahren ein Kostenanerkenntnis abgegeben hatte, war der Ausgang des Verfahrens um Streitwertfestsetzung für die Klägerin irrelevant. Bis nach dem Zugang des Beschlusses des SG im Erinnerungsverfahren – und damit drei Jahre lang, nämlich von Juni 2012 bis Juni 2015 – hat darüber hinaus nicht nur das Gericht, sondern auch der Bevollmächtigte der Klägerin dem Antrag auf Streitwertfestsetzung keine Bedeutung mehr beigemessen, sondern sich ausschließlich um das Erinnerungsverfahren bemüht. Insbesondere hat der Prozessbevollmächtigte nicht an die Festsetzung des Streitwertes erinnert oder sich nach dem Verbleib dieses Antrags erkundigt. Unmittelbar nach Abschluss des Erinnerungsverfahrens im Juli 2015 wurde dann jedoch die Verzögerungsrüge zu dem Antrag auf Streitwertfestsetzung erhoben. Dies auch in dem vollen Bewusstsein und Wissen, dass das gegen den SG-Beschluss eingelegte Rechtmittel unzulässig war. Unmittelbar nach dem Beschluss des LSG, dass auch der Antrag auf Streitwertfestsetzung unzulässig ist, wurde dann Streitwertfestsetzung gegen die Klägerin von Seiten ihres Bevollmächtigten beantragt.

Hieraus wird deutlich, dass es dem Bevollmächtigten der Klägerin im Ergebnis ausschließlich um die – für die Klägerin eher nachteilige, mindestens aber unbedeutende - Feststellung ging, dass diese nicht zum gerichtskostenbefreiten Personenkreis des § 183 SGG gehört. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorträgt, dass, wenn das LSG über den Antrag auf Streitwertfestsetzung rechtszeitig in seinem Sinne - nicht aber im Sinne der Klägerin - entschieden hätte, dieser ein materieller Schaden erspart geblieben wäre, weil er dann seine Kosten von der Beklagten statt von der Klägerin hätte fordern können, kommt es hierauf nicht an. Die Frage, ob das erstinstanzliche oder ein anderes Gericht inhaltlich richtig entschieden hat, ist nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 198 GVG, der Senat hat die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und -gestaltung zugrunde gelegt hat, nicht in Frage zu stellen (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16.12.2015 – L 12 SF 1/15 EK VE WA, bestätigt durch BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 Ü 1/16 R – juris Rn 39). Es stellt sich bereits die Frage, ob dieses Vorgehen des Prozessbevollmächtigten, welches zu jeder Zeit vorrangig darauf gerichtet war, die kostenrechtliche Behandlung des Verfahrens nach der die Gerichtskostenpflicht für seine Mandantin auslösenden Vorschrift des § 197a SGG zu erreichen, sich nicht jedenfalls mit Blick auf die vorliegende Entschädigungsklage als rechtsmissbräuchlich erweist. Denn die mit dem Verfahren – wie sich aus der oben genannten Argumentation des Prozessbevollmächtigten ergibt – weiterhin erstrebte Feststellung, das Kostenregime des § 183 SGG sei auf die Klägerin nicht anwendbar, stellt jedenfalls einen verfahrensfremden Zweck dar (vgl. zum Rechtsmissbrauch bei Befangenheitsanträgen aus verfahrensfremden Gründen: BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2010 – B 4 AS 97/19 B –Juris)

Gegen einen immateriellen Schaden in der Person der Klägerin spricht weiter das Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten im Ausgangsverfahren, welches die Klägerin sich zurechnen lassen muss. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte gegen den Streitwertbeschluss des Sozialgerichts in vollem Wissen über die Unzulässigkeit des Rechtmittels Beschwerde eingelegt hat, allein weil er, wie er es selbst formuliert hat, das Ergebnis "unschön" fand. Damit hat er mutwillig das eigentlich beendete Annexverfahren weiter betrieben, verlängert, das Gericht unnötig beschäftigt und die Übersichtlichkeit der Aktenlage beeinträchtigt. Auf den Hinweis des Gerichts vom 20. August 2015, es halte eine Streitwertfestsetzung für obsolet, hat der Prozessbevollmächtigte zudem mitgeteilt, es erscheine ihm sinnvoll, das Gutachten der Rechtsanwaltskammer in dem Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Klägerin abzuwarten, damit die dort vertretene Auffassung abgewogen werden könne. Dieses Verhalten kann, nachdem einen Monat zuvor in demselben Verfahren eine Verzögerungsrüge erhoben worden war, nur als widersprüchlich gewertet werden. Es ergibt sich hieraus nämlich, dass tatsächlich kein Interesse an einem zügigen Fortgang des Verfahrens, sondern vielmehr an einem Abwarten bestand. Wenn sich nicht bereits aufgrund dieses widersprüchlichen Verhaltens die Erhebung der Verzögerungsrüge überhaupt als rechtsmissbräuchlich darstellt, so weckt es indes weitere Zweifel am Eintritt eines immateriellen Schadens aufgrund der Verfahrensdauer, weil eine zügige Bearbeitung des Verfahrens ersichtlich nicht im Interesse des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - damit zurechenbar der Klägerin – lag.

Auch das Bundessozialgericht hat besonders im Hinblick auf Kostenfestsetzungsverfahren bereits ausgeführt, eine Entschädigungszahlung könne nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend sei, insbesondere durch die Feststellung einer unangemessen langen Verfahrensdauer. Im Hinblick auf eine mögliche Verursachung immaterieller Nachteile sei ein Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für dessen Beteiligte im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung. Im Mittelpunkt dürften finanzielle Interessen des Prozessbevollmächtigten stehen, der jedoch möglicherweise nicht Beteiligter des Kostenfestsetzungsverfahrens gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei eine genaue Differenzierung geboten, in wessen Person welche immateriellen Nachteile eingetreten sind, die eine Entschädigungszahlung rechtfertigen könnten (BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R - Juris). In der Person der Klägerin sieht der Senat hier jedenfalls keine derartigen Nachteile.

Anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend abweichend von der Erwägung, dass Kostenverfahren im Nachgang zum Hauptsacheverfahren für dessen Beteiligte von untergeordneter Bedeutung sind, immaterielle Nachteile in der Person der Klägerin eingetreten seien könnten, sind nicht ersichtlich.

Auf die Frage, ob nicht – wie die Beklagte meint – dem Bundesfinanzhof darin zu folgen sei, dass die Verzögerungsrüge nicht unbeschränkt, sondern nur für einen Zeitraum von gut sechs Monaten zurückwirke (zuletzt Urteil vom 29. November 2017 – X K 1/ 16 – Juris mwN) kommt es daher, da eine Entschädigung in Geld nicht zuzusprechen war, nicht mehr an. Überdies hat der Senat sich im Ergebnis mit dieser Frage in seiner Entscheidung vom 31. Oktober 2014 (L 1 SF 15/13 – Juris, Rn. 24) bereits befasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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