L 5 R 256/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3 R 103/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 256/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 26. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rücknahme seiner Erwerbsminderungsrente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze nach § 96a Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) und gegen die Erstattungsforderung der Beklagten in Höhe von 1.081,28 Euro aufgrund überzahlter Rentenleistungen.

Die Beklagte gewährte dem Kläger, geboren 1951, mit Bescheid vom 31. März 2010 wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis zum 31. Mai 2013. Dem Bescheid war als Anlage 19 eine Übersicht über die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen voller Erwerbsminderung beigefügt.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2013 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unbefristet als Dauerrente fort.

Der Kläger erzielt bereits seit dem Jahr 2009 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Form von Pachteinnahmen. In den Jahren 2009, 2010 und 2011 überschritten diese Einnahmen die Hinzuverdienstgrenzen nicht. Der vorläufige Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom 12. Februar 2014 wies sodann Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe 8.144,00 Euro aus, wobei der Kläger gleichwohl keine Steuern zu entrichten hatte.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2014 hörte die Beklagte den Kläger dahingehend an, dass für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 31. Dezember 2012 lediglich Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln der Vollrente bestehe und die eingetretene Überzahlung in Höhe von 1.081,28 Euro zurück zu zahlen sei.

Der Kläger erklärte daraufhin, dass er weiterhin - wie auch in den Vorjahren - Pachteinnahmen in Höhe von jährlich 3.612,02 Euro habe. Der im Einkommenssteuerbescheid 2012 ausgewiesene Betrag in Höhe von 8.144,00 Euro komme durch die Überführung des Rinderstalls aus seinem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen zustande. Hierbei sei kein Erlös erzielt worden und somit lägen auch keine gewerblichen Einkünfte vor. Ein entsprechendes Entnahmegutachten, das einen Ertragswert in Höhe von 15.875,63 Euro ermittelte, reichte der Kläger zur Akte. Da der Gewerbebetrieb des Klägers nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr abrechnet, wurde dieser Wert auf die Jahre 2012 und 2013 aufgeteilt.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2014 hob die Beklagte sodann den Bescheid vom 31. März 2010 bezüglich der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. März 2012 bis zum 31. Dezember 2012 gemäß § 48 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) teilweise auf und forderte die für diese Zeit entstandene Überzahlung in Höhe von insgesamt 1.081,28 Euro gemäß § 50 SGB X zurück. Der Kläger habe aufgrund der Hinweise im Rentenbescheid wissen müssen, dass der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung wegen des Hinzuverdienstes wegfallen könne. Daher seien die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X erfüllt. Es sei nicht ersichtlich, dass durch die Aufhebung des Bescheides und die damit verbundene Rückforderung erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstünden.

Nachdem der Kläger mit seinem Widerspruch vom 30. Juni 2014 seine Einwände aus dem Anhörungsverfahren wiederholt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2015 zurück. Sie sei an die Feststellungen der Finanzbehörde gebunden. Folglich seien die im Einkommensteuerbescheid dargestellten Einkommensverhältnisse bei der Prüfung, ob die Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a SGB VI eingehalten worden seien, zugrunde zu legen. Eine andere Verfahrensweise sei nicht möglich. Durch die Anrechnung des steuerlich berücksichtigten Einkommens seien auf die Erwerbsminderungsrente monatlich 678,67 Euro anzurechnen. Dieser Betrag überschreite die Hinzuverdienstgrenze für die Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe von 400,00 Euro um 278,67 Euro. Aufgrund dessen habe nur noch ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln der Vollrente bestanden. Der Kläger habe dadurch lediglich 106,73 Euro (bis 30. Juni 2012) und 106,06 Euro (ab 1. Juli 2012) an Rente verloren. Damit sei der schädliche Mehrverdienst (278,67 Euro) höher als der zurückzufordernde überzahlte Rentenbetrag. Die Rechtsfolge bestimme sich nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. In der Regel sei der Verwaltungsakt rückwirkend aufzuheben. Ein atypischer Fall liege nicht vor. Jedenfalls führe auch eine pflichtgemäße Ermessensausübung zu einer Aufhebung für die Vergangenheit.

Mit seiner Klage vom 28. Mai 2015 vor dem Sozialgericht Fulda machte der Kläger geltend, dass es sich bei der Entnahme des Rinderstalls aus dem steuerlichen Betriebsvermögen in das Privatvermögen nicht um eine Einkunft im Sinne von § 27a des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) handele, so dass die Privatentnahme nicht anrechenbar sei. Es sei für die Entnahme auch kein Arbeitseinkommen bzw. eine vergleichbare Einnahme generiert worden, sondern lediglich ein Gebäudeteil aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt worden. Der Rinderstall sei in eine altersgerechte Wohnung umgebaut worden.

Dem entgegnete die Beklagte, dass sich die Beurteilung, ob Einkommen aus selbständiger Tätigkeit vorliege, nach § 15 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) richte. Hinzuverdienst in Form von Einkommen sei danach der nach den Allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte (positive) Gewinn aus selbständiger Tätigkeit. Dazu gehörten auch die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Unerheblich sei, ob eine selbständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werde. Die Privatentnahme aus dem landwirtschaftlichen Betrieb führe zu einem fiktiven Veräußerungsgewinn aus landwirtschaftlicher Tätigkeit nach § 14 Einkommensteuergesetz (EStG). An die Feststellungen der Finanzbehörde sei sie gebunden.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2016 wies das Sozialgericht die Klage ab, wobei es zwar nicht von einer absoluten Feststellungswirkung des Einkommensteuerbescheides ausging, jedoch einen seltenen Ausnahmefall hiervon nicht zu erkennen vermochte. Die einkommensteuerrechtlichen Feststellungen seien nicht beanstandet worden.

Gegen das ihm am 20. Juli 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. August 2016 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen auf seine bisherigen Ausführungen Bezug nimmt. Zudem hat er eine Stellungnahme seines Steuerberaters vom 28. April 2017 und den endgültigen Steuerbescheid für das Jahr 2012 vom 4. Oktober 2016 überreicht, der im Hinblick auf die streitgegenständliche Frage keine Änderungen gegenüber dem vorläufigen Bescheid enthielt.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Steuerberater erläutert, dass der Kläger seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht nach § 13a EStG erklärt, sondern nach § 4 Abs. 3 EStG.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 26. Juli 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakte, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz, SGG) ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 26. Juli 2016 ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2015 ist zu Recht ergangen. Der ursprüngliche Rentenbescheid vom 31. März 2010 durfte wegen einer nach dessen Erlass eingetretenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse seitens der Beklagten hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. März 2012 bis zum 31. Dezember 2012 rückwirkend aufgehoben werden mit der Folge, dass der Kläger zur Erstattung der in diesem Zeitraum zu Unrecht empfangenen Rentenleistungen in der geforderten Höhe von insgesamt 1.081,28 Euro nach § 50 SGB X verpflichtet ist.

Unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der Bescheid über die Bewilligung von Erwerbsminderungsrente vom 31. März 2010 - grundsätzlich aufgehoben werden kann, ist u.a. in § 48 SGB X geregelt:

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,

2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgegebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde oder

4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt - hier der Rentenbewilligungsbescheid vom 31. März 2010 hinsichtlich der Rentenhöhe - rechtmäßig war, ist eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X regelmäßig "wesentlich", wenn durch sie dem ursprünglich erlassenen Verwaltungsakt nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Behörde den Verwaltungsakt auch unter geänderten Verhältnissen noch mit unverändertem Inhalt erlassen dürfte oder nicht. Ist dies nicht der Fall, so ist die Änderung der Verhältnisse "wesentlich" im Sinne des § 48 SGB X. Dementsprechend heißt es bereits in der Begründung zum Entwurf des SGB X (BT-Drucks. 8/2034, S. 35 zu § 46), ob eine wesentliche Änderung vorliegt, bestimmt sich nach dem materiellen Recht.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sind erfüllt.

Der Kläger hat seit 1. Juni 2010 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nach § 96a Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit jedoch nur geleistet, wenn die jeweils gültige Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das für denselben Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit die in Absatz 2 genannten, auf einen Monat bezogenen Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Dies hat die Beklagte für die Monate Januar und Februar anteilig zutreffend berücksichtigt.

Nach § 96a Abs. 1a SGB VI wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, der Hälfte oder einem Viertel bewilligt (§ 96a Abs. 1a Nr. 2 SGB VI).

Das Einkommen des Klägers stellt sich für das Jahr 2012 ausweislich des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides so dar, dass die monatliche Hinzuverdienstgrenze durchschnittlich überschritten worden ist.

Die Entnahme des Rinderstalls aus dem Betriebs- in das Privatvermögen gilt als Arbeitseinkommen des Klägers im Sinne des § 15 SGB IV, so dass dieser Umstand bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen ist. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Das Arbeitseinkommen eines Selbständigen ist für alle Sozialversicherungszweige der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit. Damit entspricht das Arbeitseinkommen dem Betrag, der im Einkommensteuerbescheid als Summe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit nach Abzug der Betriebsausgaben, aber vor Abzug der Sonderausgaben und Freibeträge festgestellt ist. Dies zugrunde gelegt konnte die Beklagte den in dem endgültigen Einkommensteuerbescheid 2012 ausgewiesenen Gewinn als Einkommen für den streitigen Zeitraum ansetzen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2016 - L 19 R 276/16 -).

Durch den Gesetzgeber ist bereits ausweislich des Wortlauts ein weitgehender Gleichlauf zwischen § 15 SGB IV und dem Einkommensteuerrecht beabsichtigt, worauf schon in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend hingewiesen wurde (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2004 - B 13 RJ 13/04 R). Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine Abweichung von der Übernahme der Feststellungen des Einkommensteuerbescheides durch Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte in Betracht, nämlich dann, wenn der Versicherte/Steuerpflichtige gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder die steuerrechtliche Bewertung des Finanzamtes schlüssige und erhebliche Einwendungen erhebt (BSG, Urteil vom 30. September 1997 - 4 RA 122/95). Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.

Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus § 27a ALG. Da für die Bemessung der Rente des Klägers die Vorschriften des SGB VI Anwendung finden, verbleibt kein Anwendungsbereich für Vorschriften des ALG.

Nach welchen Gewinnermittlungsvorschriften des EStG - § 4 EStG oder § 13a EStG - diese Einkünfte ermittelt werden, ist unerheblich. Auch aus der im Berufungsverfahren eingereichten Stellungnahme des Steuerberaters des Klägers vom 28. April 2017 folgt deshalb nichts anderes.

Nicht zuletzt ist eine tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit im Sinne des Einsatzes von eigener Arbeitskraft durch den Versicherten nicht entscheidend, wenn die Einkünfte steuerrechtlich als Einkünfte behandelt werden (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2004 B 13 RJ 13/04 R). Sie stellen gleichwohl anrechenbaren Hinzuverdienst bei der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung dar. (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 6. September 2016, L 2 R 70/16).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X "soll" ein wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Rücknahme des Verwaltungsaktes durch den zuständigen Versicherungsträger ist nach ständiger Rechtsprechung somit der "typische" Regelfall (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 B 13 R 77/09 R). Allerdings kann der Versicherungsträger bei Vorliegen besonderer Verhältnisse, d.h. bei einem "atypischen" Fall, von der Aufhebung ganz oder teilweise absehen. Hier hätte der Versicherungsträger ein Ermessen.

Wann ein "atypischer" Fall vorliegt, in dem die Behörde eine Ermessenentscheidung darüber treffen muss, ob rückwirkend aufgehoben wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, d.h. der Fall muss von dem typischen Regelfall zum Nachteil des Betroffenen signifikant abweichen. Dies kann der Fall sein bei einem Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers oder wenn die Aufhebung einen unbilligen Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen darstellen würde.

Unter allen Gesichtspunkten ist im vorliegenden Fall kein "atypischer" Fall gegeben, denn die finanzielle Belastung durch eine Rückforderung der überzahlten Rente ist gerade typisch für diese Sachlage und begründet gerade keinen "atypischen" Fall. Ein Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers ist ersichtlich auch nicht gegeben. Im Rahmen der Prüfung, ob ein "unbilliger Eingriff" vorliegt, sind im vorliegenden Fall gerade keine Umstände erkennbar, die einen "atypischen" Fall rechtfertigen würde. Es bestehen im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände, die zur Annahme eines "atypischen" Falles im Sinne der Rechtsprechung berechtigen würden. Damit brauchte die Beklagte kein Ermessen auszuüben und es kann dahinstehen, ob die Beklagte ein ihr zustehendes Ermessen erkannt und richtig im Sinne von § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) ausgeübt hat.

Die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Rentenzahlungen findet ihre rechtliche Grundlage in § 50 Abs. 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt - nach Maßgabe der §§ 45, 48 SGB X - aufgehoben worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sein könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Die Berufung konnte deshalb im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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