S 12 KA 505/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 505/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Verordnungsausschluss von Reboxetin (Solvex) (Anlage III Nr. 51 der Arzneimittel-Richtlinie) ist nicht zu beanstanden. Er gilt auch für Langzeitverordnungen, die bereits vor dem Ausschluss zum 01.04.2011 begonnen wurden.
2. Es besteht eine besondere sozialrechtliche Dokumentationspflicht, nicht aber eine besondere Pflicht zur Bekanntgabe der Begründung. Die Behandlungsdokumentation kann in Verfahren, in denen die Prüfungsstelle abschließend entscheidet, im Gerichtsverfahren nachgereicht werden (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 13.09.2017 - S 12 KA 349/16 - und S 12 KA 810/16 -, beide juris).
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Arzneikostenregress für die 11 Quartale I/13 bis III/16 mit Ausnahme der Quartale II/13, II/14, I/15 und IV/15 wegen der Verordnung des Arzneimittels Solvex Tabletten mit dem Wirkstoff Reboxetin in einem Behandlungsfall in Höhe von insgesamt 1.032,84 EUR netto.

Der Kläger ist als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Die Beigeladene stellte für die streitbefangenen Quartale am 13.02.2017 wegen der Verordnung des strittigen Arzneimittels im Behandlungsfall ihrer Versicherten C. C., geb. 1944, mit insgesamt 12 Verordnungen bei der Beklagten einen Antrag auf Festsetzung eines Regresses, weil für das Arzneimittel gem. Anlage III Nr. 51 der Arzneimittel-Richtlinie ein Verordnungsausschluss bestehe.

Die Beklagte übersandte dem Kläger den Prüfantrag mit Schreiben vom 06.03.2017.

Der Kläger äußerte sich zum Prüfantrag mit Schreiben vom 21.03.2017. Die Versicherte sei seit 22.02.2000 in seiner psychiatrischen Behandlung wegen einer rez. depressiven Störung endoreaktiv auf dem Hintergrund familiärer Probleme mit einer schwer alkoholkranken Tochter. Durch Stützung in vielen Krisen und medikamentöser Behandlung habe er mehrfach stationäre Behandlungen vermieden und Folgekosten erspart. Wegen unzureichender Wirksamkeit mit Mirtazapin und Nebenwirkungen wie Tagesmüdigkeit und Gewichtszunahme habe er 2008 die Medikation auf Reboxetin umgestellt. Diesen Wirkstoff habe die Versicherte nebenwirkungsfrei vertragen mit ausreichender Wirkung auf die Symptome. Im weiteren Verlauf sei die Versicherte nicht zu motivieren gewesen, eine erneute Medikamentenumstellung zu versuchen. Die medikamentöse Alternative "Agomelatin" (Valdoxan) wäre für die Krankenkasse um ein Vielfaches teurer geworden. Erst nach einer Prüfung seitens der AOK im November 2016 bei einem anderen Patienten habe er die Versicherte zu einer Medikamentenumstellung genötigt unter der Vorgabe, dass sie die Kosten für Reboxetin als Privatrezept dann selber übernehmen müsste. Die Umstellung auf Venlaxafin habe die Versicherte dann einigermaßen toleriert. Wenn auch ein Zusatznutzen für das für Depressionen zugelassene Arzneimittel angezweifelt werde, habe eine Studie durchaus einen Nutzen festgestellt. Es gelte ferner das Prinzip der ärztlichen Therapiefreiheit. Die AOK-Hessen habe nach seinem Einspruch die Rückforderung zurückgezogen. Fairerweise müssten alternative Behandlungskosten von einer Rückforderung abgezogen werden.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 22.06.2017, zugestellt am 23.06.2017, für die streitbefangenen Quartale den strittigen Regress in Höhe von 1.032,84 EUR (netto) fest, und zwar für die einzelnen Quartale wie folgt:
Quartal Regress in EUR
I/13 134,03
III/13 81,22
IV/13 91,41
I/14 88,91
III/14 98,16
IV/14 98,16
II/15 88,19
III/15 88,19
I/16 88,19
II/16 88,19
III/16 88,19
Gesamt 1.032,84

Zur Begründung führte sie aus, aufgrund der späten Antragstellung sei es ihr nicht möglich gewesen, vor Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist eine Entscheidung zu treffen, da noch Sachverhaltsermittlungen hätten angestellt werden müssen. Die Frist werde jedoch durch die Antragstellung seitens der Beigeladenen unterbrochen bzw. gehemmt. Dies sei nach der Auffassung des Bundessozialgerichts zumindest dann der Fall, wenn der Vertragsarzt - wie hier durch die Antragsmitteilung geschehen - über die Gründe informiert werde, die einer zügigen Entscheidung über den gestellten Prüfantrag entgegenstünden (BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R). Die Verordnung von Solvex zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung sei unzulässig. Es handele sich um ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Reboxetin. Nach Anlage III Nr. 51 der Arzneimittel-Richtlinie bestehe ein Verordnungsausschluss gem. § 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGB V i. V. m. § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL. Der Ausschluss werde damit begründet, dass die Behandlung keinen Nutzen gegenüber einem Placebo in der Behandlung von Depressionen habe. In Studien sei sogar eine Unterlegenheit von Reboxetin gegenüber anderen Arzneimitteln belegt worden. Es hätten sich auch Belege für Gesundheitsschädigungen von Patienten durch die Nebenwirkungen ergeben. Aufgrund dieses eindeutigen Ergebnisses der Nutzenbewertung habe der GBA beschlossen, reboxetinhaltige Arzneimittel von der Versorgung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung rauszunehmen. Patienten würden damit von einer potentiell schädlichen Behandlung ohne Nutzen geschützt. Zur medikamentösen Behandlung von Depressionen stehe eine Vielzahl anderer Wirkstoffe zur Verfügung, deren Nutzen besser belegt sei und deshalb in der Versorgung Vorrang haben müsse. Eine Ausnahmeregelung habe der Gemeinsame Bundesausschuss nicht festgelegt. Es gelte der Verordnungsausschluss nach der Arzneimittel-Richtlinie unabhängig von der Arzneimittelzulassung. Ein Vorteilsausgleich finde nicht statt. Es hätte eine Vielzahl anderer Wirkstoffe zur Verfügung gestanden. Nach der eigenen Schilderung des Klägers habe die Versicherte die Umstellung auf Venlaxafin toleriert.

Hiergegen hat der Kläger am 21.07.2017 die Klage erhoben. Er trägt vor, wegen unzureichender Wirksamkeit des Wirkstoffs Doxepin und Mirtazapin und der Nebenwirkungen habe er im Jahr 2008 auf Reboxetin umgestellt. Dies habe er ausreichend dokumentiert. Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit sei erst zum 01.04.2011 erfolgt. Es liege ein Ausnahmefall vor. Mit Reboxetin habe sich der Gesundheitszustand deutlich verbessert. Die Patientin habe 2009 einen Lebensgefährten kennengelernt, mit dem Ergebnis einer weiteren deutlichen psychischen Stabilisierung und Entlastung, trotz weiter bestehender krisenhafter Probleme mit der Tochter. Die Beziehung und die emotionale Stabilität hielten bis heute an. Diese Entwicklung sei durch die rein adrenerge Wirkung des Wirkstoffs Reboxetin zu erklären. Er hat ferner im Einzelnen weiter erläutert, weshalb verschiedene Alternativen nicht in Betracht gekommen seien. Die vom GBA genannten selektiven Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRI) seien bei einzelnen Patienten untauglich. Maßgeblich sei allein die Dokumentation. Die anfängliche Wirksamkeit und Verträglichkeit von Venlafaxin habe sich nicht im Behandlungsverlauf bestätigt. Aus einem Arztbrief aus dem Sana Klinikum Offenbach ergebe sich, dass der Behandlungsverlauf zwischenzeitlich eine deutlich negative Entwicklung genommen habe. Nach einer Notfalleinweisung am 25.01.2018 sei die Patientin nach sechs Wochen am 08.03.2018 in eine stationäre Sucht- und psychotherapeutische Reha-Maßnahme verlegt worden. Der Kläger hat im Klageverfahren die Patientendokumentation vorgelegt.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.06.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, die Verordnung von Solvex sei nach der Arzneimittel-Richtlinie mit nachvollziehbarer Begründung des GBA ausgeschlossen. Es liege keine Arzneimittelverordnung "mit Begründung" vor. Diese müsse in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang abgegeben werden. Die Therapieentscheidung müsse auch dokumentiert werden. Die im Klageverfahren vorgelegte Patientendokumentation erfülle nicht die Voraussetzungen an eine Begründung. Zur Behandlung einer depressiven Störung stünden eine Reihe unterschiedlicher Wirkstoffe aus den Arzneimittelgruppen NSMRI (Nichtselektive Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren), SSRI (Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren), NaRI (Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren) sowie Mirtazapin zur Verfügung. Laut Behandlungsdokumentation sei vor der Verordnung von Reboxetin lediglich ein Therapieversuch mit den Wirkstoffen Doxapin (NSMRI), Sertralin (SSRI) sowie Mirtazapin durchgeführt worden. Es sei nicht dokumentiert worden, aus welchen Gründen die genannten Wirkstoffe nicht vorrangig verordnet worden seien. Der Kläger habe nicht die Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen einschließlich des Bestehens von zusätzlichen Komplikationen und Risiken, nicht andere verfügbare Arzneimittel zu verordnen, dokumentiert. Nach der Dokumentation sei es der Patientin auch nach der Umstellung auf Venlafaxin gut gegangen. Im Übrigen verweist sie auf ihren angefochtenen Bescheid.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache schriftsätzlich nicht geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 27.07.2017 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG). Sie konnte dies trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Der Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss bedurfte es nicht. Die Prüfungsstelle war abschließend zuständig.

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung (a. F.) bzw. §§ 106 ff. SGB V in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung (n. F.). § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V a. F. bzw. § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V a. F. bzw. § 106c Abs. 3 Satz 1 SGB V n. F. bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V bzw. § 106c Abs. 3 Satz 4 SGB V n. F. gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG). Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt. Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V a. F. (in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG)) bzw. § 106c Abs. 3 Satz 6 SGB V n. F. geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V a. F. bzw. § 106c Abs. 3 Satz 1 SGB V n. F. - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt. Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben. Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind" (vgl. BSG, Urt. v. 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R - BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 32, juris Rdnr. 18 ff.).

Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit folgt aus den Vorschriften des SGB V und aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (s. im Einzelnen nachfolgend).

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 22.06.2017 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt.

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung nicht erbringen.

Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festzusetzen. Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Verordnungsregressen ist § 106 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 SGB V a. F. Danach können die Landesverbände der Krankenkasse und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V a. F. vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Hessen Gebrauch gemacht. Nach der hier maßgeblichen Prüfvereinbarung (im Folgenden: PV) vom 12.06.2008, mit Wirkung ab 01.01.2008 in Kraft getreten, prüft die Prüfungsstelle auf Antrag, ob der Arzt im Einzelfall mit seinen Arzneiverordnungen oder Verordnungen über Heilmittel gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat (§ 13 Abs. 1 PV). Anträge müssen innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals vorliegen (§ 13 Abs. 2 S. 1 PV). § 106b Abs. 1 SGB V n. F. gilt erst für Leistungen, die ab dem 1. Januar 2017 verordnet werden.

Prüfgegenstand ist die Arznei- bzw. verordnungsbezogene Überprüfung der Verordnungsweise nach den gesetzlichen Bestimmungen bzw. nach den Arzneimittel-Richtlinien oder Heilmittel-Richtlinien, insbesondere hinsichtlich
- Preiswürdigkeit der verordneten Arzneimittel/Heilmittel unter Berücksichtigung des therapeutischen Nutzens
- Mehrfachverordnungen für pharmakologisch oder therapeutisch gleichsinnig wirkende Arzneimittel
- Verordnung von Arzneimitteln und Arzneimittelgruppen mit umstrittener Wirksamkeit
- Mehrfachverordnung bei med. therap. gleichsinnig wirkenden Heilmitteln und deren Zielsetzung
- Verordnungsmengen, Verordnungsabständen, Verordnungsumfang - Durchführung bzw. Veranlassung der weiterführenden Diagnostik
- Beachtung der Vorschriften innerhalb/außerhalb des Regelfalls
- Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots hinsichtlich der Verordnung von Hausbesuchen
- Wirtschaftlichkeit der Verordnungen im Einzelfall (§ 13 Abs. 4 PV)

Soweit die Prüfungsstelle im Einzelfall eine Unwirtschaftlichkeit festgestellt hat, setzt sie den vom Arzt erstatteten Regressbetrag fest. Es scheint eine gezielte schriftliche oder persönliche Beratung ausreichend, ist diese nur zulässig, wenn innerhalb von 24 Monaten vor dem Quartal für das der Prüfantrag gestellt wurde, keine derartige Maßnahme verfügt wurde (§ 13 Abs. 5 PV). Ein Verfahren ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Regressbetrag je Arzt im Quartal nicht mehr als 50,00 Euro beträgt (§ 13 Abs. 6 S. 1 PV).

Die erfolgte Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw. rechtswidriger Verordnungen an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V a. F., mit den Bestimmungen der §§ 48 ff. BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung sowie mit der langjährigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu eingehend BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 52, juris Rdnr. 11 ff., s. a. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2005 - L 12 KA 107/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).

Unter Beachtung der PV ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Eine mündliche Verhandlung des Beklagten war nicht notwendig. Das Verfahren vor den Prüfgremien ist grundsätzlich schriftlich (§ 18 Abs. 1 Satz 1 PV). Soweit der Antrag auf Prüfung bzgl. der Verordnungen im Quartal II/14 nicht innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals und damit nicht innerhalb der Prüfantragsfrist nach § 13 Abs. 2 S. 1 PV gestellt worden ist, ist dies unerheblich. Die Prüfantragsfrist dient (nur) dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist. Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt dieser Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 14/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, juris Rdnr. 21 m.w.N.).

Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt. Das strittige Arzneimittel durfte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden.

Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit folgt aus den Vorschriften des SGB V und aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Er soll insbesondere u. a. Richtlinien beschließen über die Verordnung von Arzneimitteln (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V).

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Rechtsgrundlage des §§ 31 Abs. 1 Satz 1 und 4, 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) erlassen. Die nach den Absätzen 1 und 2 des § 16 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel sind in einer Übersicht als Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt (§ 16 Abs. 3 AM-RL). Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 16 Abs. 5 AM-RL). Soweit die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist, ist die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL). Die Dokumentation erfolgt im Sinne von § 10 (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte. Im Regelfall genügt die Angabe der Indikation und ggf. die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen, soweit sich aus den Bestimmungen der Richtlinie nichts anderes ergibt (§ 10 Abs. 2 AM-RL). Nach Nr. 51 Anlage III AM-RL besteht für "Reboxetin" ein Verordnungsausschluss.

Nr. 51 Anlage III AM-RL wurde mit Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16.09.2010, BAnz Nr. 185 (S. 4059) vom 07.12.2010, in die AM-RL eingefügt. Nach den Tragenden Gründen zum Beschluss ist der Unterausschuss "Arzneimittel" nach Würdigung des Abschlussberichts des IQWiG und der Beratungen der Arbeitsgruppe "Nutzenbewertung" zu dem Ergebnis gekommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Verordnungsausschluss von Reboxetin gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB V erfüllt sind. Der Unterausschuss habe in seiner Sitzung am 12. Januar 2010 die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens zur Änderung der Anlage III beschlossen. Aus der Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen haben sich keine Änderungen des Richtlinienentwurfes ergeben. In der Reboxetin betreffenden Zusammenfassenden Dokumentation über die Änderung der Arzneimittel-Richtlinie heißt es unter B. Bewertungsverfahren, 2. Bewertungsentscheidung und Umsetzung, die Bewertung durch das IQWiG habe für Reboxetin keine Belege für einen Nutzen in der Behandlung von Patienten mit Depressionen im Vergleich zu Placebo sowohl in der Kurzzeitakuttherapie als auch in der Rückfallprävention ergeben. Demgegenüber gebe es einen Beleg für einen geringeren Nutzen von Reboxetin im Vergleich zu selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) für die Remission und die Response in der Kurzzeitakuttherapie. Dieser sei auf Ebene der Einzelwirkstoffe für Paroxetin bezüglich der Response belegt. Darüber hinaus seien Belege und Hinweise für Schäden unter Reboxetin im Vergleich zu Placebo und anderen Antidepressiva gefunden worden. Daraus folge, dass die Behandlung von Depressionen mit Reboxetin sowohl wegen des fehlenden Nutzenbelegs gegenüber Placebo und des geringeren Nutzens gegenüber SSRI als auch aufgrund der vorhandenen Belege für Schäden als therapierelevant unterlegen und damit als unzweckmäßig einzustufen sei. Da zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, deren Nutzen im Unterschied zu der Behandlung mit Reboxetin dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, sei die Behandlung mit Reboxetin auch nicht medizinisch notwendig. Zusammenfassend sehe der Unterausschuss "Arzneimittel" die zitierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Verordnungsausschluss von Reboxetin als erfüllt an (vgl. S. 10 f.). Es stünden zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, deren Nutzen im Unterschied zu der Behandlung mit Reboxetin dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, weshalb die Behandlung mit Reboxetin auch nicht medizinisch notwendig sei.

Der Ausschluss von Reboxetin ist nicht zu beanstanden. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss kommt als Normgeber ein Gestaltungsspielraum zu. Daher beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle untergesetzlicher Normen regelmäßig darauf, ob die äußersten Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten; dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und die maßgeblichen Verfahrensvorschriften sowie die Grenzen des dem Normgeber ggf. zukommenden Gestaltungsspielraums beachtet worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 13.05.2015 - B 6 KA 14/14 R - BSGE 119, 57= SozR 4-2500 § 34 Nr. 17, juris Rdnr. 53 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist der Ausschluss von Reboxetin nicht zu beanstanden. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die bestehende Studienlage ausgewertet und keine Belege für einen Nutzen in der Behandlung von Patienten mit Depressionen gefunden. Er weist auf Belege für Schäden und auf zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeiten hin.

Die Voraussetzungen für einen Ausnahmetatbestand liegen nicht vor. Es besteht eine besondere sozialrechtliche Dokumentationspflicht, nicht aber eine besondere Pflicht zur Bekanntgabe der Begründung.

Soweit nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, dessen Inhalt § 16 Abs. 5 AM-RL wiederholt, der Vertragsarzt Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen kann, liegt eine Arzneimittelverordnung "mit Begründung" nicht vor. Weil der Gesetzgeber die Durchbrechung des vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorgenommenen Verordnungsausschlusses nur unter sehr engen Voraussetzungen zulassen will ("ausnahmsweise", "in medizinisch begründeten Einzelfällen", "mit Begründung"), ist davon auszugehen, dass die Begründung i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 4 SGB V in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung abgegeben werden muss. Eine Kundgabe nach außen war auch vor Änderung der Arzneimittelrichtlinie durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 24.11.2016 (BAnz AT 27.01.2017 B3, in Kraft getreten am 28.01.2017) nicht erforderlich. Mit dem Beschluss hat der Gemeinsame Bundesausschuss klargestellt, dass die Begründung für die ausnahmsweise Therapieentscheidung in der Patientenakte zu dokumentieren ist (§§ 10 Abs. 1 Satz 3, 16 Abs. 5 Satz 2 AM-RL in der Neufassung). Damit reagiert der Gemeinsame Bundesausschuss auf unterschiedliche Auffassungen zu den Anforderungen an die Dokumentation der Therapieentscheidung eines Arzneimittels in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Insb. das LSG Berlin-Brandenburg hatte in einer Entscheidung die Auffassung vertreten, die Begründung müsse auch nach außen kundgetan werden, z. B. indem sie auf dem Verordnungsvordruck selbst enthalten ist oder diesem beigefügt oder zeitnah der betroffenen Krankenkasse übermittelt wird. Würde es hingegen genügen, dass bei einer auf § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V gestützten vertragsärztlichen Verordnung die gesetzlich vorgeschriebene Begründung z. B. erstmals in einem viel später durchgeführten Regressverfahren gegeben wird, unterschiede sich der Fall nicht von anderen Einzelverordnungsregressen, in denen typischerweise die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels erstmals im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) geklärt wird. Das Tatbestandsmerkmal "mit Begründung" liefe dann leer (so LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.02.2012 - L 9 KR 292/10 - juris Rdnr. 41). Soweit die Kammer diese Ausführungen in vergangenen Entscheidungen aufgenommen hat, war die Frage einer Kundgabe nicht streiterheblich. Die Kammer stellt jedoch jetzt klar, dass sie der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg nicht folgt.

Die allgemeine medizinische Dokumentationspflicht ist eine dem Arzt dem Patienten gegenüber obliegende Pflicht. Die weitere Behandlung des Patienten sowohl durch den selben Arzt als auch durch dessen zwangsläufigen oder frei gewählten Nachfolger kann durch unzulängliche Dokumentation entscheidend erschwert werden (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1978 - VI ZR 183/76 - BGHZ 72, 132, juris Rdnr. 27; OLG München, Urt. v. 18.01.2017 - 3 U 5039/13 - juris Rdnr. 33, Nichtzulassungsbeschwerde anhängig: BGH VI ZR 49/17 -; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.11.2015 - 4 U 82/15 - GesR 2016, 492 = KHE 2015/156, juris Rdnr. 22; OLG Köln, Urt. v. 06.08.2014 - I-5 U 137/13 - juris Rdnr. 28). Daraus folgt eine Bedeutung der ärztlichen Dokumentation für die Beweislastverteilung im Arztfehlerprozess (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1978, a.a.O., Rdnr. 28; BGH, Urt. v. 18.03.1986 - VI ZR 215/84 - NJW 1986, 2365, juris Rdnr. 10; BGH, Urt. v. 02.06.1987 - VI ZR 174/86 - NJW 1986, 2365, juris Rdnr. 12). Die Dokumentation bestimmt sich nach rein medizinischen Notwendigkeiten, die ihrerseits sachverständiger Überprüfung zugänglich sind. Auf die Dokumentation können sich sowohl Patient als auch Behandler zu ihren Gunsten berufen: was nicht dokumentiert ist, aber hätte dokumentiert werden müssen, gilt als nicht geschehen; umgekehrt ist einer zeitnahen und vollständigen, äußerlich unverdächtigen ärztlichen Dokumentation grundsätzlich Glauben zu schenken (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.08.2014 - 5 U 57/14 - juris Rdnr. 2).

Der durch das Patientenrechtegesetz eingeführte § 630f BGB verpflichtet den Behandelnden, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen. Aus § 630f Abs. 1 Satz 1 BGB folgt, dass die Eintragungen jeweils in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung vorgenommen werden. Aus der Formulierung ist ersichtlich, dass es keiner "unverzüglichen" oder "sofortigen" Eintragung bedarf, sondern dass sich der Zeitrahmen nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insb. der Art und des Umfangs der Maßnahme bestimmt (vgl. K. Schmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 630f BGB, Rdnr. 9 unter Hinweis auf Rehborn, GesR 2013, 257, 266; M. Rehborn/S. Gescher in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 630f BGB, Rdnr. 6).

Entsprechend sieht § 23 Nr. 4 hessisches Heilberufsgesetz und § 10 Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (v. 02.09.1998, zuletzt geändert am 07.10.2015, zitiert nach www.laekh.de) eine Dokumentationspflicht vor. Die berufsrechtliche Norm statuiert eine Pflicht zur ausführlichen und sorgfältigen Dokumentation der ärztlichen Behandlung. Sie obliegt demjenigen Arzt, der die Behandlung des Patienten verantwortlich übernommen hat. Jeder Arzt, der eine dokumentationspflichtige Maßnahme durchführt, trägt demnach auch die Verantwortung für deren Dokumentation. Zweck der Dokumentationspflicht ist die Therapiesicherung, daneben auch die Beweissicherung und Rechenschaftslegung. Die Dokumentation soll insb. eine sachgerechte (Weiter-)Behandlung des Patienten gewährleisten, indem sie jeden mit- und nachbehandelnden Arzt in die Lage versetzt, sich über durchgeführte Maßnahmen und die angewandte Therapie kundig zu machen. Dies gilt in besonderer Weise für Berichte über durchgeführte Operationen, die wichtige Informationen über das gebotene postoperative Vorgehen vermitteln. In zeitlicher Hinsicht hat die Dokumentation in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung oder dem Eingriff zu erfolgen, jedenfalls aber in einem Zeitraum, in dem dem Arzt die Einzelheiten der Behandlung noch präsent sind (vgl. LandesberufsG für Heilberufe Münster, Urt. v. 25.11.2015 - 6t A 2679/13.T - juris Rdnr. 39 ff.). Eine inhaltlich unrichtige Darstellung der (zahn-)ärztlichen Maßnahmen verletzt die Dokumentationspflicht. Die Aufzeichnungen haben Urkundencharakter und müssen oftmals noch nach Jahren nachvollziehbar und beweiskräftig sein (vgl. Berufsgericht für Heilberufe Berlin, Urt. v. 25.06.2014 - 90 K 2.12 T - juris Rdnr. 20). Eine Dokumentation ist berufsrechtlich unzureichend, wenn sie ohne Erläuterungen des Arztes aus sich heraus für einen anderen Arzt (hier: den Gutachter) nicht verständlich ist (vgl. VG Berlin, Urt. v. 23.05.2012 - 90 K 1.10 T - juris Rdnr. 41).

Das Vertragsarztrecht baut auf den allgemeinen Dokumentationspflichten auf und begründet weitere Dokumentationspflichten. Insofern kann insb. das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2, 92. Abs. 1 Satz 1, 106 SGB V) und die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung (§§ 2 Abs. 1 Satz 3, 135 SGB V ff.) Grundlage weitergehender Dokumentationspflichten sein. Allgemein bestimmt § 294 SGB V als Pflichten der Leistungserbringer: Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und die übrigen Leistungserbringer sind verpflichtet, die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen notwendigen Angaben, die aus der Erbringung, der Verordnung sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachstehenden Vorschriften den Krankenkassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen oder den mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen mitzuteilen.

Der Umfang der Aufzeichnungsflicht nach § 294 ist zu unterscheiden und kann wegen der unterschiedlichen Regelungszwecke (einerseits versicherungsrechtliche Zwecke wie Abrechnung, Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung - anderseits berufsrechtliche Zwecke der fachlich qualifizierten Behandlung der Patienten) abweichen von berufsrechtlich vorgeschriebenen Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflichten (vgl. Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 12/07, § 294 SGB V, Rdnr. 7; Didong in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 294 SGB V, Rdnr. 10; Hess in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 92. EL Dezember 2016, Rdnr. 3). Bei den in § 294 SGB V genannten "Angaben" handelt es sich u. a. um Sozialdaten i. S. v. § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X, die im Zusammenhang mit der Erbringung, der Verordnung oder der Abgabe von Versicherungsleistungen anfallen. Hierbei handelt es sich um die Angaben, die von den Krankenkassen zur Erfüllung der in § 284 SGB V genannten Aufgaben oder von den Kassenärztlichen Vereinigungen für die in § 285 SGB V genannten Aufgaben benötigt werden. Konkretisiert werden die notwendigen Angaben für die jeweiligen Leistungserbringer in den §§ 295 ff. SGB V (vgl. Didong in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 294 SGB V, Rdnr. 8). Nach § 284 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen die Krankenkassen Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung nur erheben und speichern, soweit diese erforderlich sind u. a. für die Prüfung der Leistungspflicht und der Erbringung von Leistungen an Versicherte einschließlich der Voraussetzungen von Leistungsbeschränkungen, die Bestimmung des Zuzahlungsstatus und die Durchführung der Verfahren bei Kostenerstattung, Beitragsrückzahlung und der Ermittlung der Belastungsgrenze (Nr. 4) und die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (Nr. 9).

Nach § 295 Abs. 1 SGB V gilt für die Abrechnung ärztlicher Leistungen eine Verpflichtung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen aufzuzeichnen und zu übermitteln, u. a.
2. in den Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen die von ihnen erbrachten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung, bei ärztlicher Behandlung mit Diagnosen, bei zahnärztlicher Behandlung mit Zahnbezug und Befunden,
3. in den Abrechnungsunterlagen sowie auf den Vordrucken für die vertragsärztliche Versorgung ihre Arztnummer, in Überweisungsfällen die Arztnummer des überweisenden Arztes sowie die Angaben nach § 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 maschinenlesbar.

§ 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGB V bezieht sich auf die elektronische Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis und die darin normierten - hier unerheblichen - personenbezogenen Daten des Versicherten. § 295 Abs. 3 SGB V ermächtigt die Bundesmantelvertragsparteien und den Bewertungsausschuss zu weitergehenden Regelungen. Danach vereinbaren die Vertragsparteien der Verträge nach § 82 Abs. 1 und § 87 Abs. 1 als Bestandteil dieser Verträge das Nähere über
1. Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen,
2. Form und Inhalt der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Vordrucke,
3. die Erfüllung der Pflichten der Vertragsärzte nach Absatz 1,
4. die Erfüllung der Pflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen nach Absatz 2, insbesondere auch Form, Frist und Umfang der Weiterleitung der Abrechnungsunterlagen an die Krankenkassen oder deren Verbände,
5. Einzelheiten der Datenübermittlung einschließlich einer einheitlichen Datensatzstruktur und der Aufbereitung von Abrechnungsunterlagen nach den §§ 296 und 297.

Nach § 57 Abs. 1 Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) hat der Vertragsarzt die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise zu dokumentieren. Besondere Dokumentationsanforderungen für Verordnung von veranlassten Leistungen bestimmt § 25a BMV-Ä:
(1) Näheres über die Verordnung von Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, spezialisierter ambulanter Palliativversorgung, Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln, medizinischer Rehabilitation, Soziotherapie und Krankentransport (veranlasste Leistungen) bestimmen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses.
(2) Die Verordnung von veranlassten Leistungen ist auf den jeweils dafür vorgesehenen Vordrucken gemäß der Vordruckvereinbarung (Anlage 2 dieses Vertrages) vorzunehmen. Die gilt auch, wenn der Versicherte die ärztlichen Leistungen im Wege der Kostenerstattung erhält.

§ 34 Abs. 1 BMV-Ä bestimmt für Vordrucke:
(1) Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Informationen werden als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage 2) festgelegt. Gegenstand der Vordruckvereinbarung sind auch die Erläuterungen zur Ausstellung der Vordrucke. Die Vordrucke können gemäß der Vereinbarung über den Einsatz des Blankoformularbedruckungs-Verfahrens zur Herstellung und Bedruckung von Vordrucken für die vertragsärztliche Versorgung (Anlage 2a) mittels zertifizierter Software und eines Laserdruckers vom Vertragsarzt selbst in der Praxis erzeugt werden.

Nach Abschnitt 2.16 Muster 16: Arzneiverordnungsblatt der Vordruck-Vb (Anl. 2 zum BMV-Ä) ist für die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln sowie Hilfsmitteln mit Ausnahme von Sehhilfen und Hörhilfen das anliegende Muster 16 zu verwenden. Muster 16 sieht keine besonderen Angaben oder Begründungen vor. Dies folgt auch aus den gleichfalls verbindlichen Erläuterungen. Die Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung, Stand: Januar 2017, die insofern unverändert im hier strittigen Zeitraum formuliert waren, bestimmen zu Muster 16: Arzneiverordnungsblatt unter Nr. 17: Das Feld "Begründungspflicht" ist zurzeit nicht besetzt und wird vorerst zur Kennzeichnung von zahnärztlichen Verordnungen verwendet.

Damit fehlte es auch bereits vor der Änderung der Arzneimittelrichtlinie an einer Pflicht zur Kundgabe der Begründung nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V (so auch SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 49; LSG Sachsen, Urt. v. 10.12.2014 L 8 KA 15/13 - juris Rdnr. 49). Weder das Gesetz noch der Bundesmantelvertrag noch die Vordruckvereinbarung sahen (und sehen) eine solche Verpflichtung vor. Maßgebend ist allein, dass der Vertragsarzt aufgrund der gesetzlichen und bundesmantelvertraglichen Anforderungen, zu denen auch die Vorgaben der Arzneimittelrichtlinie gehören, seine ausnahmsweise Therapieentscheidung begründet und dies in seinen Aufzeichnungen, d. h. der Patientendokumentation, festhält.

Bereits die gesetzliche Vorgabe einer Begründung in § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V bedeutet, dass die Angabe der bloßen Diagnose und der Verordnungsentscheidung selbst nicht ausreichen. So verlangt § 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL, dass die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren ist, soweit die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist. Nach § 16 Abs. 5 AM-RL kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Damit verlangt die Arzneimittelrichtlinie, anders als z. B. für die in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete, bei denen zur Begründung der Verordnung lediglich die zugrunde liegende Diagnose in der Patientendokumentation aufzuzeichnen ist (§ 12 Abs. 6 Satz 2 AM-RL; siehe auch § 12 Abs. 9 AM-RL), eine über die Angabe der Diagnose hinausgehende Begründung für die Verordnungsentscheidung in der Dokumentation.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betrifft § 10 AM-RL nicht allgemeine Dokumentationspflichten des Vertragsarztes, sondern regelt speziell die Dokumentation in den Ausnahmefällen. Für diese gilt, dass ein medizinisch begründeter "Einzelfall" nicht nur objektiv gegeben sein, sondern auch dokumentiert sein muss. Bei der Dokumentation handelt es sich um eine formelle Anforderung hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Ausnahmefalls (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 24 und 29). Nach dem Bundessozialgericht soll es nicht darauf ankommen, ob der Vertragsarzt sich selbst gegenüber der Prüfungsstelle auf die Ausnahmebestimmung beruft. Maßgeblich ist allein, ob er die erforderliche Begründung seiner Verordnungen gegeben hat. Wenn die umstrittenen Verordnungen objektiv von einem Ausnahmetatbestand erfasst werden und der Vertragsarzt - gleichgültig aus welchen Gründen - auch den formellen Anforderungen dieses Tatbestandes - insb. im Hinblick auf die Begründung seiner Verordnungen - entsprochen hat, scheitert die Berücksichtigung dieses Umstandes im gerichtlichen Verfahren nicht von vornherein daran, dass der Vertragsarzt den Ausnahmetatbestand nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren gar nicht gekannt hat (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 28 f.; vgl. auch SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 33).

Eine nachträglich angefertigte Einzelfallbegründung genügt dem Begründungserfordernis nicht. Bei der Begründungspflicht handelt es sich um eine Dokumentationsobliegenheit. Die Dokumentation der medizinischen Begründung soll zum einen den Prüfgremien ermöglichen, die Einhaltung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V zu kontrollieren und so einer Umgehung des grundsätzlichen Verordnungsausschlusses in der Arzneimittelrichtlinie entgegenzuwirken. Zum anderen dient die Begründung der Verordnung aber auch der Selbstkontrolle des behandelnden Arztes, um in den zugelassenen Ausnahmefällen eine strenge Indikationsstellung zu gewährleisten (vgl. SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 48 f.; SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 24;

Wegen der Beweis- und Warnfunktion der Begründung muss diese jedoch im zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung dokumentiert sein, eine erst mit erheblichem zeitlichem Abstand im Nachhinein angefertigte Begründung genügt nicht. Zu dokumentieren sind die Umstände, aus denen der Arzt den Schluss zieht, dass die für den Verordnungsausschluss in der Arzneimittelrichtlinie tragenden Erwägungen im konkreten Einzelfall nicht eingreifen. Formeller Maßstab für eine ausreichende Dokumentation ist der Verständnishorizont eines Fachkollegen. Spätere Erläuterungen oder Zusammenfassungen, um die Nachvollziehbarkeit der Dokumentation in der Patientenakte für die fachkundigen Prüfgremien zu erleichtern, können zwar auch noch nachträglich angefertigt und im Prüfungsverfahren vorgelegt werden. Sie können die zeitnahe und vollständige Dokumentation der für die Anerkennung einer Einzelfallindikation ausschlaggebenden Gründe jedoch nicht ersetzen. Es müssen sich die für die medizinische Begründung der Verordnung im Einzelfall ausreichenden Angaben zum bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlauf sowie den Behandlungsalternativen ergeben (vgl. SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 52 f.; SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 24; LSG Sachsen, Urt. v. 10.12.2014 - L 8 KA 15/13 - juris Rdnr. 49; LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 23 f.). Bei einem auf Dauer verschriebenen Arzneimittel genügt die Dokumentation der Gründe zu Beginn der Behandlung, wenn diese Gründe im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verordnungen noch fortwirkten (vgl. SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 38). Die Begründung muss sich insb. auf die Auswahl des grundsätzlich ausgeschlossenen Arzneimittels unter den in Betracht kommenden Behandlungsalternativen erstrecken, wenn auch verordnungsfähige oder von vornherein nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in Betracht kommen (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 23 f.). Aus der Dokumentation muss hervorgehen, welche zusätzlichen Komplikationen und Risiken bestehen, die Anlass sind, nicht andere verfügbare Arzneimittel zu verordnen (vgl. Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106, Rdnr. 124).

Eine zeitnah angelegte Dokumentation wurde im Prüfverfahren nicht vorgelegt. Zu berücksichtigen sind aber die im Gerichtsverfahren nachgereichten Dokumentationen.

Soweit die Kammer bisher die Auffassung vertreten hat, es komme wesentlich auf die Angaben bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens an (vgl. zuletzt Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 188/16 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 59/16 -; Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 167/16 -), so hält sie an dieser Auffassung nicht mehr fest (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 13.09.2017 - S 12 KA 810/16 - juris Rdnr. 57; 13.09.2017 S 12 KA 349/16, juris Rdnr. 80).

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren vor dem Beschwerdeausschuss begründet das Bundessozialgericht den Einwendungsausschluss des Vertragsarztes im gerichtlichen Verfahren damit, dass die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes sachverständigen Ausschüssen übertragen wird. Den Gerichten ist es zudem grundsätzlich verwehrt, eine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen; ihnen obliegt lediglich die Kontrolle, ob die - im Rahmen des Beurteilungs- und Ermessensspielraums getroffenen - Entscheidungen der Prüfungsausschüsse mit Gesetz und Recht in Einklang stehen. Den Prüfungsausschüssen kann aber eine unvollständige Berücksichtigung des Sachverhalts nicht vorgeworfen werden, soweit entscheidungserhebliche Umstände nur dem Vertragsarzt bekannt sind, von diesem aber nicht im Prüfverfahren geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urt. v. 20.09.1988 - 6 RKa 22/87 - SozR 2200 § 368n Nr. 57, juris Rdnr. 33).

Für die Verfahren, in denen die Prüfungsstelle abschließend zuständig ist, kommt ihr weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum zu, auch handelt es sich nicht um ein fachlich besetztes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung, das zudem mit unterschiedlichen Interessenvertretern besetzt ist. Die Prüfungsstelle ist eine monokratische Behörde (§ 106c Abs. 3 SGB V n. F. bzw. § 106 Abs. 4a SGB V a. F.). Die Prüfungsstelle hat in diesen Verfahren keinen Beurteilungsspielraum. Sie entscheidet nur bei Leistungen, die aufgrund rechtlicher Vorschriften ausgeschlossen sind (§ 106c Abs. 3 Satz 6 SGB V n. F. bzw. § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V a. F.). Die abschließende Entscheidungskompetenz der Prüfungsstelle ist auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt (BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 16). Von daher ist kein Grund ersichtlich, abweichend von allgemeinen Verfahrensanforderungen den Vertragsarzt auf seinen Sachvortrag vor der Prüfungsstelle zu beschränken (vgl. zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung LSG Hessen, Urt. v. 20.03.2013 - L 4 KA 60/10 - juris Rdnr. 30 f.; LSG Hessen, Urt. v. 27.05.2015 - L 4 KA 50/12 - juris Rdnr. 174, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.03.2016 - B 6 KA 60/15 B - BeckRS 2016, 68302; SG Marburg, Urt. v. 18.03.2015 - S 12 KA 616/14 - juris Rdnr. 30 f.).

Soweit das Bundessozialgericht in Bezug auf Mitwirkungspflichten des Vertragsarztes in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht zwischen der Prüfungsstelle und dem Beschwerdeausschuss unterscheidet, sondern hinsichtlich der Darlegungsobliegenheiten des Vertragsarztes davon ausgeht, dass die erforderlichen Darlegungen grundsätzlich "gegenüber den Prüfgremien" (und nicht erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren) zu erfolgen haben (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 46/12 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 42 juris Rdnr. Rdnr. 32 mit Hinweis auf BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3, juris Rdnr. 41, zu Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht vgl. Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 08/14, § 106 SGB V, Rdnr. 543 ff.), beziehen sich diese Ausführungen nicht auf das einstufige Verwaltungsverfahren. Der Einwendungsausschluss für das gerichtliche Verfahren gilt auch nur für solche Umstände, die sich aus der Atypik der Praxis ergeben, aus der Sicht des Arztes auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen. Nicht gefordert werden können von einem Arzt hingegen Einwände, die das Prüfungsverfahren selbst betreffen, also etwa Bedenken gegen die Größe und richtige Zusammensetzung der Vergleichsgruppe. Dasselbe gilt für Aspekte, die auf der Basis der im Prüfverfahren vorliegenden Unterlagen so offenkundig sind, dass die Gremien dem schon von Amts wegen nachgehen müssen bzw. die anhand der bei der Kassenärztlichen Vereinigung vorhandenen Unterlagen oder den Angaben des Arztes zumindest erkennbar sind. So muss ein Arzt im Rahmen einer statistischen Vergleichsprüfung der veranlassten Leistungen der physikalischen Therapie nicht um den Preis einer Präklusion von sich aus darauf hinweisen, wenn in seiner Praxis physikalisch-medizinische Leistungen nicht oder nur unterdurchschnittlich erbracht werden (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3, juris Rdnr. 42 f.). Liegen besondere offenkundige Anhaltspunkte vor, so müssen die Prüfgremien diese auch ohne besonderen Hinweis aufgreifen (BSG, Urt. v. 27.06.2001 - B 6 KA 66/00 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 53, juris Rdnr. 28). Besteht allerdings Anlass zu der Annahme, dass der Vertragsarzt seinen bisherigen Vortrag ergänzen kann, so müssen die Prüfgremien ihm dazu Gelegenheit geben. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, dem Kassenarzt zur Ergänzung seines Vortrages eine Frist zu setzen und ihn darauf hinzuweisen, dass nach Ablauf der Frist entschieden wird und ein späteres Vorbringen keine Berücksichtigung mehr findet (vgl. BSG, Urt. v. 20.09.1988 - 6 RKa 22/87 - SozR 2200 § 368n Nr. 57, juris Rdnr. 34).

Für den Nachweis der Begründung kann die maßgebliche Dokumentation in den Krankenunterlagen auch noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgelegt werden, ohne mit diesem Sachvortrag präkludiert zu sein. Zu unterscheiden ist der Zeitpunkt der Anfertigung der Dokumentation vom Zeitpunkt der Vorlage (vgl. SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 30 f.; siehe auch LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 25). Hinsichtlich der Begründungspflicht kommt es wesentlich auf die ausreichende Niederlegung in der Dokumentation an. Dies hat die Prüfungsstelle grundsätzlich im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht zu überprüfen. Reicht der Vertragsarzt trotz Anfrage der Prüfungsstelle die Dokumentation nicht ein, so läuft er Gefahr, mit einem Verordnungsregress belastet zu werden. Reicht der Vertragsarzt die Dokumentation erst im anschließenden Gerichtsverfahren ein, so kann er mit den Verfahrenskosten belastet werden (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 156 VwGO).

Der Kläger hat im Gerichtsverfahren die Patientendokumentation vorgelegt. Diese reicht aber nicht aus, einen Ausnahmefall hinreichend zu belegen.

Nach der Patientendokumentation wurde der Patientin seit Anfang 2000 Doxepinneuraxpharm verordnet, kurzzeitig auch Gladem 50 mg, ab 02.08.2000 wurde auf Remergil 30 mg wegen Durchfalls umgestellt und die Dosierung in der Folgezeit z. T. variiert, am 21.06.2004 wurde erstmals das Generikum Mirtazapin verordnet, zuletzt am 07.05.2007 und 05.11.2007. Am 07.05.2007 ist vermerkt, dass es der Patientin unverändert gehe, mit dem Medikament komme sie gut zurecht. Am 22.11.2007 erfolgte die Medikamentenumstellung auf Solvex. Eine Begründung hierfür wird nicht ausdrücklich dokumentiert. Insoweit wird aber am 22.11.2007 vermerkt, der Patientin gehe es weiter wechselhaft, zur Zeit sei sie wieder depressiver, immer müde, habe wenig Kraft und wenig Energie. Solvex wird zuletzt am 25.08.2016 verordnet. Für das Jahr 2011 finden sich Einträge am 01.01., 27.01., 22.02., 01.04., 12.04., 01.06., 16.08. und 16.11. Eine Begründung für das Festhalten an Solvex wird nicht gegeben, auch nicht in der Folgezeit. Erst bei der Umstellung auf Venlafaxin am 30.11.2016 wird vermerkt, dass die Patientin aufgeklärt worden sei, dass Solvex nicht weiter verordnet werden könne, da die Krankenkasse die Kosten nicht mehr übernehmen würde. die Patientin wolle das Medikament weiter nehmen, "schließlich gehe es ihr gut damit und sie habe keine Nebenwirkungen". Erst nach der Mitteilung, dass sie das Medikament dann selber bezahlen müsse, habe sie in die Medikamentenumstellung eingewilligt. In der Folgezeit werden Arztkontakte für den 16.02., 30.05. und 02.11.2017 dokumentiert, wonach es der Patientin soweit gut, weiter einigermaßen gut bzw. weiter einigermaßen gut gehe.

Aus der vorgelegten Dokumentation ergeben sich zwar Vorbehandlungen, es wird aber nicht ersichtlich, weshalb 2007 auf Solvex umgestellt wird. Jedenfalls nach Ausschluss von Reboxetin zum 01.04.2011 hätte der Kläger dokumentieren müssen, weshalb er an der Medikation mit Reboxetin festhält, weshalb Therapiealternativen nicht in Betracht kämen, wegen z. B. früherer oder zu erwartender Nebenwirkungen oder fehlender Wirksamkeit bei der Patientin. Dies gilt insb. für die später in Betracht gezogene Therapiealternative mit Venlafaxin. Jedenfalls ergibt sich aus der Dokumentation nicht ansatzweise, weshalb der Kläger an der Medikation mit Reboxetin auch nach dem 01.04.2011 festgehalten hat. Allein der Umstand, nach - im April 2011 - über zehnjähriger Gabe die Medikation zu einem befriedigenden Ergebnis geführt hatte, vermag eine Ausnahmeregelung für sich allein nicht zu begründen. Eine entsprechende Einschränkung hat der GBA in seinem Beschluss nicht vorgenommen. Aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichten Auszug aus einer zusammenfassenden Dokumentation der Arzneimittelrichtlinie Anlage XII – Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V zu Vortioxetin vom 15.10.2015, Seite 360 bis 361 und 363 folgt ebf. keine entsprechende Einschränkung. Eine unmittelbare rechtliche Wirkung kann der darin enthaltenen Aussage: "Reboxetin ist für die Behandlung akuter depressiver Erkrankungen/Episoden einer Major Depression bestimmt. Die Behandlung sollte bei Patienten, die initial auf Solvex 4 mg angesprochen haben, zur Aufrechterhaltung der klinischen Besserung fortgeführt werden." Betrachtet man die Aussage als - auch bereits in der Vergangenheit gültigen medizinischen Erfahrungssatz, dann hätte es aber nach Einführung des Verordnungsausschlusses eines Hinweises in der Dokumentation bedurft. Im Übrigen zeigt aber die, wenn auch wesentlich später erfolgte Umstellung der Medikation, dass zumutbare Behandlungsalternativen bestanden.

Eine verpflichtende vorherige Beratung vor Festsetzung eines Regresses war nicht erforderlich.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, ist die Festsetzung eines Regresses nicht davon abhängig, dass die Prüfgremien die Klägerin zuvor über die Unwirtschaftlichkeit ihrer Verordnungsweise beraten haben (vgl. BSG, Urt. v. 15.08.2012 - B 6 KA 45/11 R - juris Rdnr. 12). Soweit in § 106 Abs. 5e Satz 2 SGB V a. F. in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) bestimmt ist - nunmehr für alle Verfahren, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (Gesetz v. 19.10.2012, BGBl. I 2192) -, die Festsetzung von Erstattungsbeträgen bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens (§ 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V a. F.) könne erst für Zeiträume nach einer individuellen Beratung erfolgen, findet diese Regelung hier bereits aus sachlichen Gründen keine Anwendung. Die Abs. 5a und 5c bis 5e des § 106 SGB V a. F. befassen sich allein mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Überschreitung von Richtgrößenvolumina i. S. des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V a. F. und finden auf andere Prüfungen keine Anwendung. Auch nach der Neufassung der §§ 106 ff. SGB V zum 01.01.2017 durch Art. 2 Nr. 6 bis 8 GKV-VSG, gilt der Grundsatz "Beratung vor Regress" nur bei statistischen Prüfungsmethoden (§ 106b Abs. 2 S. 3 SGB V).

Weitergehende Ausnahmeregelungen sind nicht ersichtlich. Auf Vertrauensschutz kann der Kläger sich nicht berufen, da weder die Prüfungsstelle noch die Beigeladene in der Vergangenheit die strittige Verordnungsweise gutgeheißen haben. Ein Verstoß gegen die vierjährige Ausschlussfrist liegt nicht vor.

Die Beklagte hat die vierjährige Ausschlussfrist für Festsetzung des Arzneikostenregresses (vgl. BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 28, juris Rdnr. 28 f.) nicht für alle Quartale eingehalten. Die Frist für Verordnungsregresse beginnt im Regelfall unmittelbar nach Ablauf des Quartals, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist, zu laufen (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 14/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, juris Rdnr. 28) und wird erst durch den Festsetzungsbescheid vom 22.06.2017 unterbrochen. Damit lag das Quartal I/13 bereits außerhalb der Ausschlussfrist. Allerdings wird in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 12 Halbsatz 1 BGB und § 45 Abs. 3 SGB I die vierjährige Ausschlussfrist unterbrochen bzw. gehemmt, wenn dem betroffenen Vertragsarzt vor Ablauf der Frist der Prüfantrag der Krankenkasse zugeht bzw. er hiervon Kenntnis erlangt (vgl. BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 28, juris Rdnr. 40 ff.; BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 14/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, juris Rdnr. 39; BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 14/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 29; BSG, Urt. v. 14.05.2014 B 6 KA 13/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 44, juris Rdnr. 28). Die Fristwahrung durch einen Prüfantrag der Krankenkasse gilt aber nur für solche Prüfanträge, die vorgeschrieben sind, dergestalt, dass sie eine unerlässliche Voraussetzung für die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind (vgl. BSG, Urt. v. 14.05.2014 - B 6 KA 13/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 44, juris Rdnr. 27; Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106 SGB V, Rdnr. 242). Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Hessen Gebrauch gemacht. Nach der hier maßgeblichen Prüfvereinbarung prüft die Prüfungsstelle nur auf Antrag, ob der Arzt im Einzelfall mit seinen Arzneiverordnungen oder Verordnungen über Heilmittel gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat (§ 13 Abs. 1 PV), ist der Prüfantrag also Voraussetzung für die Regressfestsetzung. Von daher war durch die Mitteilung der Beklagten vom 06.03.2017 und die Übersendung des Prüfantrags die Ausschlussfrist auch bzgl. der im Quartal I/13 erfolgten Verordnung gehemmt bzw. unterbrochen.

Auf ein Verschulden des Klägers kommt es nicht an.

Das Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es auf ein "Verschulden" des betroffenen Arztes bzw. auf eine besondere Vorwerfbarkeit für die festgestellte unwirtschaftliche Behandlungsweise - anders als z. B. im Falle eines echten Schadensregresses - nicht ankommt. So führt selbst die fehlerhafte ärztliche Verordnung von Mitteln, die nicht der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu Ersatzansprüchen gegen den Vertragsarzt, und zwar auch dann, wenn er in "gutem Glauben" von ihrer Verordnungsfähigkeit ausging (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -SozR 4-2500 § 106 Nr. 1, juris Rdnr. 36; BSG, Urt. v. 14.03.2001 -B 6 KA 19/00 R - a.a.O., juris Rdnr. 15). Ist einem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten, so ist ein Regress gegen ihn berechtigt, wobei dieser in Höhe des der Krankenkasse entstandenen Schadens festzusetzen ist. Ein Verschuldenserfordernis besteht im Rahmen von Honorarkürzungen oder Verordnungsregressen gemäß § 106 SGB V nicht (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, juris Rdnr. 28 m. w. N.). Im Übrigen schließt eine Unkenntnis vom Verordnungsausschluss ein Verschulden nicht aus. Jeder Arzt ist für seine Verordnungen selbst verantwortlich. Von daher ist es unerheblich, ob er lediglich eine von anderen Ärzten vorgeschlagene oder verordnete Medikation fortführt.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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