Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 2968/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 314/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 22. Dezember 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.
Bei dem 1956 geborenen Kläger stellte das Landratsamt H. mit Bescheid vom 10. Juni 2013 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest unter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen: "Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche (Tinnitus), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizungerscheinungen, Bandscheibenschaden, Spinalkanalstenose, Schulter-Arm-Syndrom und Gewebserkrankung des Gehirns".
Am 20. September 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Er führte hierzu an, er sei seit 1986 als Hausmeister bei der Stadt H. beschäftigt, derzeit krank und seit Ende Mai, nach Ende des Krankengeldes, arbeitslos. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sei vom Arbeits- und vom Landesarbeitsgericht aufgehoben worden. Der Arbeitgeber habe ihm eine Umsetzung von der Hausmeistertätigkeit auf eine Stelle als "Straßenfeger" angedroht und er beabsichtige eine Klage vor dem Arbeitsgericht.
Die Beklagte holte eine Auskunft der Stadt H. sowie des Personalrates ein und lehnte den Antrag auf Gleichstellung mit Bescheid vom 13. Februar 2014 ab. Der Kläger werde nicht auf einem seinen gesundheitlichen Einschränkungen entsprechenden Arbeitsplatz beschäftigt und nach Angaben des Arbeitgebers sei derzeit kein anderer geeigneter Arbeitsplatz vorhanden, da die Frage der Erwerbsfähigkeit bzw. Leistungsfähigkeit erst noch festgestellt werden müsse.
Zur Begründung des hiergegen am 19. Februar 2014 eingelegten Widerspruchs wurde vorgetragen, der Kläger sei zunächst als Hausmeister in einer Veranstaltungshalle der Stadt H. beschäftigt gewesen. Die zum 15. August 2011 ausgesprochene Arbeitgeberkündigung sei laut Urteil des Landesarbeitsgerichts Stuttgart vom 1. Februar 2013 zu Unrecht erfolgt. Die Stadt H. habe sich geweigert, dem Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit zuzuweisen und ihn aufgefordert, als Straßenreiniger zu arbeiten. Diese Tätigkeit könne der Kläger nicht ausüben und es sei nicht nachvollziehbar, dass bei der Stadt H. keine den gesundheitlichen Verhältnissen entsprechende geeignete Stelle vorhanden sein solle.
Auf telefonische Nachfrage teilte ein Mitarbeiter des Personalbüros der Stadt H. der Beklagten am 15. April 2014 mit, der Kläger sei zunächst nach der Entgeltgruppe IV in der mobilen Straßenreinigung beschäftigt gewesen, könne diese Tätigkeit nicht mehr ausüben und sei seit dem 2. Dezember 2011 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. In der Entgeltgruppe IV könne ihm aufgrund der fehlenden Berufsausbildung keine andere Tätigkeit angeboten werden. Eine Weiterbeschäftigung als Hausmeister in der Veranstaltungshalle sei aufgrund von Vorkommnissen in der Vergangenheit nicht mehr möglich. Nach der geringer entlohnten Entgeltgruppe II könne er nicht eingesetzt werden. Andere Möglichkeiten des Arbeitseinsatzes gebe es nicht. Für den Kläger gelte der Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD).
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten bei der Regionaldirektion Baden-Württemberg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2014 als unbegründet zurück. Der Kläger habe nach wie vor einen Arbeitsplatz bei der Stadt H inne, so dass eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 2. Alt. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Betracht komme. Voraussetzung hierfür sei, dass der Arbeitsplatz in der mobilen Straßenreinigung für den Kläger geeignet im Sinne des § 73 SGB IX und behinderungsbedingt gefährdet sei. Nach den Auskünften des Arbeitgebers sei der derzeitige Arbeitsplatz nicht geeignet in diesem Sinne. Eine Gleichstellung könne nicht zur Erhaltung eines nicht leidensgerechten und damit ungeeigneten Arbeitsplatzes dienen. Auch eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes nach § 2 Abs. 3 1. Alt. SGB IX sei vorliegend nicht möglich. Sofern der Kläger anlässlich einer Arbeitsaufnahme eine Gleichstellung benötigen sollte, könne dies grundsätzlich erfolgen. Unabhängig davon unterliege der Kläger dem tariflichen Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 TVöD und sei aufgrund tarifvertraglicher Regelung nicht mehr ordentlich kündbar.
Hiergegen hat der Kläger am 26. August 2014 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben (S 4 AL 2968/14).
Im Verlauf eines weiteren beim SG anhängigen Verfahrens (S 14 SB 2381/14), in dem der Kläger die Feststellung eines GdB von 50 begehrte, hat das beklagte Regierungspräsidium Stuttgart (Landesversorgungsamt) dem Kläger im Wege eines Vergleichs angeboten, einen GdB von 40 ab 18. September 2013 sowie die dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen, was der Kläger unter Erledigungserklärung annahm.
Das SG hat sodann eine Auskunft der Stadt H. eingeholt. Diese hat am 20. Juni 2016 mitgeteilt, der seit 1. März 1991 beschäftigte Kläger sei ab 1. Januar 2000 bei der H. Marketing GmbH (HMG) als Arbeiter in einer Veranstaltungshalle tätig gewesen, wo nach Beendigung des Arbeitsrechtsstreits eine Weiterbeschäftigung nicht mehr möglich gewesen sei. Der ab 1. Januar 2012 vorgesehene Einsatz des Klägers als motorisierter Straßenreiniger beim Betriebsamt habe aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen jedoch nicht erfolgen können. Inzwischen sei der Kläger seit 10. März 2015 bei der Feuerwehr der Stadt H. tätig, zunächst im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung bis 29. März 2015 und ab 30. März 2015 vollumfänglich. Zu seinen Aufgaben gehörten die Fahrzeugpflege auf der Hauptfeuerwache, Wartung und Pflegearbeiten in kleinem Umfang (z.B. Ölstand messen, Birnenwechsel, Scheiben putzen), Reinigung der Fahrzeughallen, Überprüfung der Luft in den Reifen an den Einsatzfahrzeugen, Reinigung der Werkstätten (z.B. Boden fegen und wischen, Maschinen und Werkzeuge reinigen) sowie Besorgungsfahrten. Bei der Ausübung bzw. bei der Zuweisung dieser Tätigkeiten seien folgende gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers beachtet worden: Kein häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine Zwangshaltungen, keine Tätigkeiten mit Anforderungen an gutes Hören (Hörgeräteträger beidseits), keine Tätigkeiten im Freien (neurologische Erkrankung), keine Tätigkeiten, bei denen Gefährdungen wie Nässe, Kälte und Staubbelastung vorhanden seien, kein Winterdienst und keine Belastung durch Arbeitsstoffe, die zur Atemwegreizung führten. Der Kläger übe die ihm zugewiesenen Tätigkeiten vollwertig aus. Die gesundheitlichen Einschränkungen hätten bislang keine Auswirkungen auf die Aufgabenerledigung. Eine Gefährdung des Arbeitsplatzes bestehe nicht. Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung habe sich auf die Tätigkeit bei der HMG bezogen und sei durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 2013 für unwirksam erklärt worden.
Das SG hat Dr. A., vom Zentrum für Anästhesie, operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie der SLK Kliniken H. GmbH, schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat angegeben, der Kläger habe sich am 4. September 2013 ambulant vorgestellt und vom 11. Februar 2014 bis 25. Februar 2014 eine multimodale stationäre Schmerztherapie erhalten. Zuletzt sei er am 4. Januar 2016 in der Sprechstunde gewesen. Zu Beginn der Schmerztherapie seien folgende Diagnosen bekannt gewesen: Wirbelsäulensyndrom, chronisches LWS-Syndrom, degenerative Veränderungen, chronisches BWS-Syndrom, re SKS C6/7, Hemiparästhesie rechts seit 28. November 2011, Raynaud-Syndrom, Hypakusis mit Geräten beidseits, Barett-Oesophagus, Z.n. Gastro und Colo wg. Blut im Stuhl (Polypen, Rectum), Opiatdauermedikation, Nikotinabusus 20/die, mittelgradige depressive Episode. Hinzu gekommen seien seit April 2014 eine ISG-Arthrose, eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren sowie eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung anderer Gefühle (posttraumatische Verbitterungsstörung), Beinödeme und gestörter Nachtschlaf. Eine leichte körperliche Tätigkeit in einem anderen Arbeitsumfeld als der bisherigen Hausmeistertätigkeit sei beginnend für 3 Stunden möglich. Genaue Angaben zu qualitativen oder quantitativen Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers hat Dr. Arstah nicht formuliert.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2016 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2014 verpflichtet, den Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Der Kläger sei infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht in der Lage, einen geeigneten Arbeitsplatz zu behalten und eine für die begehrte Gleichstellung ausreichende Gefährdung seines innegehaltenen und im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB IX geeigneten Arbeitsplatzes liege vor. Dass der Kläger die für die nunmehr eigens für ihn geschaffene Stelle als Arbeiter bei der Feuerwehr der Stadt H. erforderlichen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten besitze, um diesen Arbeitsplatz vollwertig ausfüllen zu können, stehe fest, nachdem der Kläger diese Tätigkeit ohne Beanstandungen seit März 2015 ausübe. Dies habe die Stadt H. mit Schreiben vom 20. Juni 2016 bestätigt. Da der Kläger angesichts der Anforderungen seines Arbeitsplatzes und der durch seine Behinderung bedingten qualitativen Leistungseinschränkungen gegenüber Nichtbehinderten nicht mehr konkurrenzfähig sei, werde diese ungünstige Konkurrenzsituation durch eine Gleichstellung verbessert und somit der Arbeitsplatz sicherer gemacht. Den gesetzlichen Anforderungen des "Nichtbehaltenkönnens" eines geeigneten Arbeitsplatzes ohne Gleichstellung" sei damit genügt. Eine darüber hinausgehende konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes durch eine bereits im Raum stehende oder zumindest angedrohte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sei demgegenüber nicht zu fordern, da ein solches Erfordernis dem Zweck der Gleichstellung zuwiderlaufen würde. Wenn man das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine beabsichtigte arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses fordern würde, nehme man letzten Endes billigend in Kauf, dass eine (erfolgversprechende) Antragstellung in vielen Fällen nicht mehr rechtzeitig erfolgen und der Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX nicht mehr rechtzeitig erlangt werden könne.
Gegen den am 29. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 25. Januar 2017 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass der derzeitige Arbeitsplatz des Klägers bei der Feuerwehr der Stadt H. nach den Feststellungen im Klageverfahren geeignet sei. Der aktuelle Arbeitsplatz sei auch nicht gefährdet, weshalb es einer Gleichstellung nicht bedürfe. Nach der Aussage des Arbeitgebers vom 20. Juni 2016 bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers gefährdet sein könnte. Der Kläger habe hierzu auch nichts weiter vorgetragen. Eine rein abstrakte Gefährdung reiche jedoch für eine Gleichstellung nicht aus. Mit der Schaffung des behinderungsgerechten Arbeitsplatzes im Zuge der Wiedereingliederung des Klägers sei vielmehr der Nachweis erbracht, dass der Arbeitgeber auch tatsächlich das Arbeitsverhältnis fortzuführen beabsichtige. Das SG habe schließlich gänzlich unbeachtet gelassen, dass das Arbeitsverhältnis dem besonderen Kündigungsschutz unterliege. Nach der Rechtsprechung des BSG bedürften behinderte Menschen zur weiteren Teilhabe am Arbeitsleben in der Regel dann keiner Gleichstellung, wenn sie solchermaßen geschützte Arbeitsplätze innehätten.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 22. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
In der nichtöffentlichen Sitzung des Senats hat der Bevollmächtigte des Klägers am 28. September 2017 angegeben, es bestünden abgesehen von einer fiebrigen Erkältung keine wesentlichen Krankheitszeiten und es sei auch keine Abmahnung aufgrund der Behinderung des Klägers erfolgt. Er benötige unregelmäßig Hilfe beim Batteriewechsel an den Feuerwehrfahrzeugen. Zur Frage, ob der Kläger in der Lage sei, die Autoreifen (mit technischen Hilfsmitteln) aufzupumpen, konnte sein Bevollmächtigter keine näheren Angaben machen. Er hat noch darauf hingewiesen, dass der besondere Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 TVöD den Kläger nicht vor eine Änderungskündigung schütze.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2014, gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, § 56 SGG) wendet. Dieser Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat weder bezogen auf den Zeitpunkt seiner Antragstellung (20. September 2013) noch derzeit Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Gleichstellungsbegehrens ist wegen der Rückwirkung auf die Antragstellung in erster Linie deren Zeitpunkt. Allerdings müssen wegen des Zwecks der Regelung auch wesentliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung Berücksichtigung finden (BSG, Urteil vom 2. März 2000 – B 7 AL 46/99 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2015 – L 8 AL 4146/14; Hessisches LSG, Urteil vom 19. Juni 2013 – L 6 AL 116/12; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 2 SGB IX, Rn.186).
Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs. 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der Beklagten ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern solche - wie hier - nicht vorliegen, ist die Beklagte zur Gleichstellung verpflichtet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BSG 6. August 2014 – B 11 AL 5/14 R - juris; BSG 2. März 2000 - B 7 AL 46/99 R - juris; BSG 1. März 2011 - B 7 AL 6/10 R - juris).
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Gleichstellung erfolgt gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch feststellenden Verwaltungsakt nach § 69 SGB IX. (BSG 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R – juris).
Der Kläger, der sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt er nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 1. März 2011 - B 7 AL 6/10 R). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 1. März 2011 - B 7 AL 6/10 R - juris; BSG 06. August 2014 – B 11 AL 16/13 R – juris).
Vorliegend wird eine Gleichstellung zum Zwecke der Erhaltung des konkreten Arbeitsplatzes geltend gemacht. Einen Anspruch auf Gleichstellung zu diesem Zweck hat der Kläger bezogen auf den ab 1. Januar 2000 und zum Zeitpunkt der Antragstellung noch innegehabten Arbeitsplatz als Arbeiter in einer Veranstaltungshalle nicht, da die dort angefallenen Tätigkeiten ihm aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht zumutbar waren und dieser Arbeitsplatz somit nicht "geeignet" im Sinne von § 2 Abs.3 SGB IX war. Auch bezogen auf den für die aktuelle Beurteilung maßgeblichen Arbeitsplatz bei der Feuerwehr der Stadt H., den er seit 30. März 2015 innehat, hat der Kläger keinen Anspruch auf Gleichstellung.
Der zu schützende Arbeitsplatz muss für den behinderten Menschen geeignet sein (BSG 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R – juris). Der behinderte Mensch darf grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert werden (LSG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rn. 38, 39). Auf der anderen Seite führt das Auftreten oder Hinzutreten einer behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes. Die Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen (BSG 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R – juris RdNr. 19; BSG 2. März 2000 - B 7 AL 46/99 R - juris RdNr. 16). Im vorliegenden Fall leidet der Kläger an behinderungsbedingten Einschränkungen (Wirbelsäulensyndrom, chronisches LWS-Syndrom, degenerative Veränderungen, chronisches BWS-Syndrom, re SKS C6/7, Hemiparästhesie rechts seit 28.11.2011, Raynaud-Syndrom, Hypakusis mit Geräten beidseits, Barett-Oesophagus, mittelgradige depressive Episode, ISG-Arthrose, chronische Schmerzstörung, Anpassungsstörung, Beinödeme und gestörter Nachtschlaf). Er erhält laut Auskunft des Dr. Arstha eine Opiatdauermedikation. Die Stadt H. hat laut Auskunft an das SG vom 20. Juni 2016 bei der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes bzw. bei der Zuweisung des Klägers auf die neue Tätigkeit bei der Feuerwehr seit 30. März 2015 diesen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers insofern Rechnung getragen, als bei diesen Arbeiten kein häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine Zwangshaltungen, keine Tätigkeiten mit Anforderungen an gutes Hören (Hörgeräteträger beidseits), keine Tätigkeiten im Freien (neurologische Erkrankung), keine Tätigkeiten, bei denen Gefährdungen wie Nässe, Kälte und Staubbelastung vorhanden sind, kein Winterdienst und keine Belastung durch Arbeitsstoffe, die zur Atemwegreizung führen, anfallen. Nach übereinstimmenden Angaben der Stadt H. und des Klägers selbst ist er trotz seiner Behinderungen den Anforderungen dieses Arbeitsplatzes von Beginn der Tätigkeit an gewachsen und er füllt diesen vollumfänglich aus – abgesehen von hier nicht relevanten vorübergehenden Zeiten von Arbeitsunfähigkeit (z.B. wegen eines akuten Infekts) und abgesehen davon, dass er für einzelne Tätigkeiten (z.B. Batteriewechsel an Feuerwehrfahrzeugen) gelegentlich Hilfe von Kollegen benötigt. Da es nach Angaben des Klägers auch seit März 2015 nicht zu einer behinderungsbedingten Abmahnung gekommen ist, geht der Senat ebenso wie die Beteiligten und auch das SG davon aus, dass der derzeit innegehaltene Arbeitsplatz für den Kläger geeignet im oben genannten Sinne ist.
Zwischen der Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB IX muss ein Ursachenzusammenhang bestehen ("infolge"). Ein solcher liegt vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Art und Schwere der Behinderung die Schwierigkeit begründet ist, den geeigneten Arbeitsplatz zu behalten. Die Kausalitätsprüfung hat nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu erfolgen. Um den Kausalzusammenhang zwischen Behinderung und Erforderlichkeit der Gleichstellung annehmen zu können, ist jedoch keine absolute Sicherheit im Sinne des Vollbeweises erforderlich. Vielmehr genügt – wie auch sonst bei sozialrechtlichen Kausalitätsprüfung –, dass der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden kann (vergleiche BSG Urteil vom 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R, Rn. 22 ff., juris). Nach Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 SGB IX soll der behinderte Mensch in das Arbeitsleben integriert bleiben. Er kann deshalb einerseits nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, bis der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielen. In einer solchen Situation käme eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX in aller Regel zu spät. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die besonderen Pflichten nach dem SGB IX gegenüber Personen zu erfüllen, deren Schwerbehinderung der Gleichstellung ihm (noch) nicht bekannt ist (BAG, Urteil vom 18. November 2008, 9 AZR 643/07). Andererseits reicht nach der Rechtsprechung des BSG eine rein abstrakte Gefährdung nicht aus, weil – "abstrakt" betrachtet – das Arbeitsverhältnis leistungsgeminderter behinderter Menschen stets gefährdet sein kann. Insoweit ist ein wesentlicher bei der Kausalitätsprüfung zu berücksichtigender Umstand die arbeitsrechtliche Sicherung, die der behinderte Mensch auf dem konkreten Arbeitsplatz erlangt hat. Hat etwa ein behinderter Mensch als tariflich unkündbarer Arbeitnehmer ein bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis inne, das er nur unter qualifizierten Voraussetzungen verlieren könnte oder selbst aufgeben müsste, bedarf er zur weiteren Teilhabe am Arbeitsleben in der Regel keiner Gleichstellung (BSG, Urteil vom 6. August 2014, B 11 AL 16/13 R, Rn.26ff. – zitiert nach juris). In Anwendung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Fall zwischen der Behinderung des Klägers und der begehrten Gleichstellung kein Ursachenzusammenhang im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB IX festgestellt werden. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Arbeitgeber ab 30. März 2015 den Arbeitsplatz bei der Feuerwehr der Stadt H. für den Kläger unter Berücksichtigung dessen behinderungsbedingter Einschränkungen eingerichtet hat. Überdies unterliegt der Kläger dem Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 TVöD. Nach dieser Vorschrift können Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Gilt – wie hier – dieser besondere Kündigungsschutz, kommt eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wobei in der Regel eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten ist: Erforderlich ist erstens eine negative Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers. Zweitens muss aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen in Zukunft mit einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers zu rechnen sein. Drittens ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber nach leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer zu suchen; an seine Bemühungen sind dabei hohe Anforderungen zu stellen. Die Unfähigkeit des Arbeitnehmers, einen Teil der geschuldeten Arbeitsleistung zu erbringen, reicht in der Regel nicht aus, um eine krankheitsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Erst wenn das Arbeitsverhältnis auf Dauer umfassend gestört ist, weil aufgrund der Erkrankung des Arbeitnehmers auf nicht absehbare Zeit kein Leistungsaustausch mehr erfolgen wird, ist eine Kündigung zulässig (Linck in Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, 17. Auflage, § 128, Rn. 38). Im vorliegenden Fall ist der Kläger seit 30. März 2015 bis heute trotz seiner Behinderung uneingeschränkt in der Lage, seine Beschäftigung zu verrichten, so dass das Austauschverhältnis von Arbeit und Vergütung hier nicht wesentlich gestört ist. Im Übrigen müsste die Stadt H. im Falle einer etwaigen Kündigung – für die sich derzeit keinerlei Anhaltspunkte ergeben – den Nachweis erbringen, dass eine andere, den behinderungsbedingten Einschränkungen des Klägers Rechnung tragende Beschäftigung für die Stadt nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist derzeit keine Gefahr ersichtlich, dass der Kläger aus Gründen seiner Behinderung entlassen werden könnte.
Soweit der Kläger noch darauf hingewiesen hat, dass § 34 Abs. 2 TVöD ihn vor einer Änderungskündigung nicht schützen würde, ist auch insoweit eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten Menschen nicht notwendig. Bei einer Änderungskündigung handelt es sich um eine "echte" Kündigung, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen (§ 2 S. 1 KSchG). Abgesehen davon, dass in einem solchen Falle der Kläger ein arbeitgeberseitiges Angebot nicht annehmen muss, gilt auch für eine Änderungskündigung der besondere Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 2 AZR 688/09 – Rn.31 zitiert nach juris).
Unter Berücksichtigung aller Umstände stellt der Senat fest, dass der Kläger infolge seiner Behinderung nicht auf eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz behalten zu können. Auf die Berufung der Beklagten war der Gerichtsbescheid des SG daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.
Bei dem 1956 geborenen Kläger stellte das Landratsamt H. mit Bescheid vom 10. Juni 2013 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest unter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen: "Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche (Tinnitus), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizungerscheinungen, Bandscheibenschaden, Spinalkanalstenose, Schulter-Arm-Syndrom und Gewebserkrankung des Gehirns".
Am 20. September 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Er führte hierzu an, er sei seit 1986 als Hausmeister bei der Stadt H. beschäftigt, derzeit krank und seit Ende Mai, nach Ende des Krankengeldes, arbeitslos. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sei vom Arbeits- und vom Landesarbeitsgericht aufgehoben worden. Der Arbeitgeber habe ihm eine Umsetzung von der Hausmeistertätigkeit auf eine Stelle als "Straßenfeger" angedroht und er beabsichtige eine Klage vor dem Arbeitsgericht.
Die Beklagte holte eine Auskunft der Stadt H. sowie des Personalrates ein und lehnte den Antrag auf Gleichstellung mit Bescheid vom 13. Februar 2014 ab. Der Kläger werde nicht auf einem seinen gesundheitlichen Einschränkungen entsprechenden Arbeitsplatz beschäftigt und nach Angaben des Arbeitgebers sei derzeit kein anderer geeigneter Arbeitsplatz vorhanden, da die Frage der Erwerbsfähigkeit bzw. Leistungsfähigkeit erst noch festgestellt werden müsse.
Zur Begründung des hiergegen am 19. Februar 2014 eingelegten Widerspruchs wurde vorgetragen, der Kläger sei zunächst als Hausmeister in einer Veranstaltungshalle der Stadt H. beschäftigt gewesen. Die zum 15. August 2011 ausgesprochene Arbeitgeberkündigung sei laut Urteil des Landesarbeitsgerichts Stuttgart vom 1. Februar 2013 zu Unrecht erfolgt. Die Stadt H. habe sich geweigert, dem Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit zuzuweisen und ihn aufgefordert, als Straßenreiniger zu arbeiten. Diese Tätigkeit könne der Kläger nicht ausüben und es sei nicht nachvollziehbar, dass bei der Stadt H. keine den gesundheitlichen Verhältnissen entsprechende geeignete Stelle vorhanden sein solle.
Auf telefonische Nachfrage teilte ein Mitarbeiter des Personalbüros der Stadt H. der Beklagten am 15. April 2014 mit, der Kläger sei zunächst nach der Entgeltgruppe IV in der mobilen Straßenreinigung beschäftigt gewesen, könne diese Tätigkeit nicht mehr ausüben und sei seit dem 2. Dezember 2011 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. In der Entgeltgruppe IV könne ihm aufgrund der fehlenden Berufsausbildung keine andere Tätigkeit angeboten werden. Eine Weiterbeschäftigung als Hausmeister in der Veranstaltungshalle sei aufgrund von Vorkommnissen in der Vergangenheit nicht mehr möglich. Nach der geringer entlohnten Entgeltgruppe II könne er nicht eingesetzt werden. Andere Möglichkeiten des Arbeitseinsatzes gebe es nicht. Für den Kläger gelte der Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD).
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten bei der Regionaldirektion Baden-Württemberg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2014 als unbegründet zurück. Der Kläger habe nach wie vor einen Arbeitsplatz bei der Stadt H inne, so dass eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 2. Alt. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Betracht komme. Voraussetzung hierfür sei, dass der Arbeitsplatz in der mobilen Straßenreinigung für den Kläger geeignet im Sinne des § 73 SGB IX und behinderungsbedingt gefährdet sei. Nach den Auskünften des Arbeitgebers sei der derzeitige Arbeitsplatz nicht geeignet in diesem Sinne. Eine Gleichstellung könne nicht zur Erhaltung eines nicht leidensgerechten und damit ungeeigneten Arbeitsplatzes dienen. Auch eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes nach § 2 Abs. 3 1. Alt. SGB IX sei vorliegend nicht möglich. Sofern der Kläger anlässlich einer Arbeitsaufnahme eine Gleichstellung benötigen sollte, könne dies grundsätzlich erfolgen. Unabhängig davon unterliege der Kläger dem tariflichen Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 TVöD und sei aufgrund tarifvertraglicher Regelung nicht mehr ordentlich kündbar.
Hiergegen hat der Kläger am 26. August 2014 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben (S 4 AL 2968/14).
Im Verlauf eines weiteren beim SG anhängigen Verfahrens (S 14 SB 2381/14), in dem der Kläger die Feststellung eines GdB von 50 begehrte, hat das beklagte Regierungspräsidium Stuttgart (Landesversorgungsamt) dem Kläger im Wege eines Vergleichs angeboten, einen GdB von 40 ab 18. September 2013 sowie die dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen, was der Kläger unter Erledigungserklärung annahm.
Das SG hat sodann eine Auskunft der Stadt H. eingeholt. Diese hat am 20. Juni 2016 mitgeteilt, der seit 1. März 1991 beschäftigte Kläger sei ab 1. Januar 2000 bei der H. Marketing GmbH (HMG) als Arbeiter in einer Veranstaltungshalle tätig gewesen, wo nach Beendigung des Arbeitsrechtsstreits eine Weiterbeschäftigung nicht mehr möglich gewesen sei. Der ab 1. Januar 2012 vorgesehene Einsatz des Klägers als motorisierter Straßenreiniger beim Betriebsamt habe aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen jedoch nicht erfolgen können. Inzwischen sei der Kläger seit 10. März 2015 bei der Feuerwehr der Stadt H. tätig, zunächst im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung bis 29. März 2015 und ab 30. März 2015 vollumfänglich. Zu seinen Aufgaben gehörten die Fahrzeugpflege auf der Hauptfeuerwache, Wartung und Pflegearbeiten in kleinem Umfang (z.B. Ölstand messen, Birnenwechsel, Scheiben putzen), Reinigung der Fahrzeughallen, Überprüfung der Luft in den Reifen an den Einsatzfahrzeugen, Reinigung der Werkstätten (z.B. Boden fegen und wischen, Maschinen und Werkzeuge reinigen) sowie Besorgungsfahrten. Bei der Ausübung bzw. bei der Zuweisung dieser Tätigkeiten seien folgende gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers beachtet worden: Kein häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine Zwangshaltungen, keine Tätigkeiten mit Anforderungen an gutes Hören (Hörgeräteträger beidseits), keine Tätigkeiten im Freien (neurologische Erkrankung), keine Tätigkeiten, bei denen Gefährdungen wie Nässe, Kälte und Staubbelastung vorhanden seien, kein Winterdienst und keine Belastung durch Arbeitsstoffe, die zur Atemwegreizung führten. Der Kläger übe die ihm zugewiesenen Tätigkeiten vollwertig aus. Die gesundheitlichen Einschränkungen hätten bislang keine Auswirkungen auf die Aufgabenerledigung. Eine Gefährdung des Arbeitsplatzes bestehe nicht. Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung habe sich auf die Tätigkeit bei der HMG bezogen und sei durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 2013 für unwirksam erklärt worden.
Das SG hat Dr. A., vom Zentrum für Anästhesie, operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie der SLK Kliniken H. GmbH, schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat angegeben, der Kläger habe sich am 4. September 2013 ambulant vorgestellt und vom 11. Februar 2014 bis 25. Februar 2014 eine multimodale stationäre Schmerztherapie erhalten. Zuletzt sei er am 4. Januar 2016 in der Sprechstunde gewesen. Zu Beginn der Schmerztherapie seien folgende Diagnosen bekannt gewesen: Wirbelsäulensyndrom, chronisches LWS-Syndrom, degenerative Veränderungen, chronisches BWS-Syndrom, re SKS C6/7, Hemiparästhesie rechts seit 28. November 2011, Raynaud-Syndrom, Hypakusis mit Geräten beidseits, Barett-Oesophagus, Z.n. Gastro und Colo wg. Blut im Stuhl (Polypen, Rectum), Opiatdauermedikation, Nikotinabusus 20/die, mittelgradige depressive Episode. Hinzu gekommen seien seit April 2014 eine ISG-Arthrose, eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren sowie eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung anderer Gefühle (posttraumatische Verbitterungsstörung), Beinödeme und gestörter Nachtschlaf. Eine leichte körperliche Tätigkeit in einem anderen Arbeitsumfeld als der bisherigen Hausmeistertätigkeit sei beginnend für 3 Stunden möglich. Genaue Angaben zu qualitativen oder quantitativen Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers hat Dr. Arstah nicht formuliert.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2016 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2014 verpflichtet, den Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Der Kläger sei infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht in der Lage, einen geeigneten Arbeitsplatz zu behalten und eine für die begehrte Gleichstellung ausreichende Gefährdung seines innegehaltenen und im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB IX geeigneten Arbeitsplatzes liege vor. Dass der Kläger die für die nunmehr eigens für ihn geschaffene Stelle als Arbeiter bei der Feuerwehr der Stadt H. erforderlichen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten besitze, um diesen Arbeitsplatz vollwertig ausfüllen zu können, stehe fest, nachdem der Kläger diese Tätigkeit ohne Beanstandungen seit März 2015 ausübe. Dies habe die Stadt H. mit Schreiben vom 20. Juni 2016 bestätigt. Da der Kläger angesichts der Anforderungen seines Arbeitsplatzes und der durch seine Behinderung bedingten qualitativen Leistungseinschränkungen gegenüber Nichtbehinderten nicht mehr konkurrenzfähig sei, werde diese ungünstige Konkurrenzsituation durch eine Gleichstellung verbessert und somit der Arbeitsplatz sicherer gemacht. Den gesetzlichen Anforderungen des "Nichtbehaltenkönnens" eines geeigneten Arbeitsplatzes ohne Gleichstellung" sei damit genügt. Eine darüber hinausgehende konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes durch eine bereits im Raum stehende oder zumindest angedrohte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sei demgegenüber nicht zu fordern, da ein solches Erfordernis dem Zweck der Gleichstellung zuwiderlaufen würde. Wenn man das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine beabsichtigte arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses fordern würde, nehme man letzten Endes billigend in Kauf, dass eine (erfolgversprechende) Antragstellung in vielen Fällen nicht mehr rechtzeitig erfolgen und der Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX nicht mehr rechtzeitig erlangt werden könne.
Gegen den am 29. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 25. Januar 2017 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass der derzeitige Arbeitsplatz des Klägers bei der Feuerwehr der Stadt H. nach den Feststellungen im Klageverfahren geeignet sei. Der aktuelle Arbeitsplatz sei auch nicht gefährdet, weshalb es einer Gleichstellung nicht bedürfe. Nach der Aussage des Arbeitgebers vom 20. Juni 2016 bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers gefährdet sein könnte. Der Kläger habe hierzu auch nichts weiter vorgetragen. Eine rein abstrakte Gefährdung reiche jedoch für eine Gleichstellung nicht aus. Mit der Schaffung des behinderungsgerechten Arbeitsplatzes im Zuge der Wiedereingliederung des Klägers sei vielmehr der Nachweis erbracht, dass der Arbeitgeber auch tatsächlich das Arbeitsverhältnis fortzuführen beabsichtige. Das SG habe schließlich gänzlich unbeachtet gelassen, dass das Arbeitsverhältnis dem besonderen Kündigungsschutz unterliege. Nach der Rechtsprechung des BSG bedürften behinderte Menschen zur weiteren Teilhabe am Arbeitsleben in der Regel dann keiner Gleichstellung, wenn sie solchermaßen geschützte Arbeitsplätze innehätten.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 22. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
In der nichtöffentlichen Sitzung des Senats hat der Bevollmächtigte des Klägers am 28. September 2017 angegeben, es bestünden abgesehen von einer fiebrigen Erkältung keine wesentlichen Krankheitszeiten und es sei auch keine Abmahnung aufgrund der Behinderung des Klägers erfolgt. Er benötige unregelmäßig Hilfe beim Batteriewechsel an den Feuerwehrfahrzeugen. Zur Frage, ob der Kläger in der Lage sei, die Autoreifen (mit technischen Hilfsmitteln) aufzupumpen, konnte sein Bevollmächtigter keine näheren Angaben machen. Er hat noch darauf hingewiesen, dass der besondere Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 TVöD den Kläger nicht vor eine Änderungskündigung schütze.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2014, gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, § 56 SGG) wendet. Dieser Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat weder bezogen auf den Zeitpunkt seiner Antragstellung (20. September 2013) noch derzeit Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Gleichstellungsbegehrens ist wegen der Rückwirkung auf die Antragstellung in erster Linie deren Zeitpunkt. Allerdings müssen wegen des Zwecks der Regelung auch wesentliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung Berücksichtigung finden (BSG, Urteil vom 2. März 2000 – B 7 AL 46/99 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2015 – L 8 AL 4146/14; Hessisches LSG, Urteil vom 19. Juni 2013 – L 6 AL 116/12; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 2 SGB IX, Rn.186).
Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs. 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der Beklagten ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern solche - wie hier - nicht vorliegen, ist die Beklagte zur Gleichstellung verpflichtet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BSG 6. August 2014 – B 11 AL 5/14 R - juris; BSG 2. März 2000 - B 7 AL 46/99 R - juris; BSG 1. März 2011 - B 7 AL 6/10 R - juris).
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Gleichstellung erfolgt gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch feststellenden Verwaltungsakt nach § 69 SGB IX. (BSG 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R – juris).
Der Kläger, der sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt er nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 1. März 2011 - B 7 AL 6/10 R). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 1. März 2011 - B 7 AL 6/10 R - juris; BSG 06. August 2014 – B 11 AL 16/13 R – juris).
Vorliegend wird eine Gleichstellung zum Zwecke der Erhaltung des konkreten Arbeitsplatzes geltend gemacht. Einen Anspruch auf Gleichstellung zu diesem Zweck hat der Kläger bezogen auf den ab 1. Januar 2000 und zum Zeitpunkt der Antragstellung noch innegehabten Arbeitsplatz als Arbeiter in einer Veranstaltungshalle nicht, da die dort angefallenen Tätigkeiten ihm aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht zumutbar waren und dieser Arbeitsplatz somit nicht "geeignet" im Sinne von § 2 Abs.3 SGB IX war. Auch bezogen auf den für die aktuelle Beurteilung maßgeblichen Arbeitsplatz bei der Feuerwehr der Stadt H., den er seit 30. März 2015 innehat, hat der Kläger keinen Anspruch auf Gleichstellung.
Der zu schützende Arbeitsplatz muss für den behinderten Menschen geeignet sein (BSG 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R – juris). Der behinderte Mensch darf grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert werden (LSG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rn. 38, 39). Auf der anderen Seite führt das Auftreten oder Hinzutreten einer behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes. Die Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen (BSG 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R – juris RdNr. 19; BSG 2. März 2000 - B 7 AL 46/99 R - juris RdNr. 16). Im vorliegenden Fall leidet der Kläger an behinderungsbedingten Einschränkungen (Wirbelsäulensyndrom, chronisches LWS-Syndrom, degenerative Veränderungen, chronisches BWS-Syndrom, re SKS C6/7, Hemiparästhesie rechts seit 28.11.2011, Raynaud-Syndrom, Hypakusis mit Geräten beidseits, Barett-Oesophagus, mittelgradige depressive Episode, ISG-Arthrose, chronische Schmerzstörung, Anpassungsstörung, Beinödeme und gestörter Nachtschlaf). Er erhält laut Auskunft des Dr. Arstha eine Opiatdauermedikation. Die Stadt H. hat laut Auskunft an das SG vom 20. Juni 2016 bei der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes bzw. bei der Zuweisung des Klägers auf die neue Tätigkeit bei der Feuerwehr seit 30. März 2015 diesen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers insofern Rechnung getragen, als bei diesen Arbeiten kein häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine Zwangshaltungen, keine Tätigkeiten mit Anforderungen an gutes Hören (Hörgeräteträger beidseits), keine Tätigkeiten im Freien (neurologische Erkrankung), keine Tätigkeiten, bei denen Gefährdungen wie Nässe, Kälte und Staubbelastung vorhanden sind, kein Winterdienst und keine Belastung durch Arbeitsstoffe, die zur Atemwegreizung führen, anfallen. Nach übereinstimmenden Angaben der Stadt H. und des Klägers selbst ist er trotz seiner Behinderungen den Anforderungen dieses Arbeitsplatzes von Beginn der Tätigkeit an gewachsen und er füllt diesen vollumfänglich aus – abgesehen von hier nicht relevanten vorübergehenden Zeiten von Arbeitsunfähigkeit (z.B. wegen eines akuten Infekts) und abgesehen davon, dass er für einzelne Tätigkeiten (z.B. Batteriewechsel an Feuerwehrfahrzeugen) gelegentlich Hilfe von Kollegen benötigt. Da es nach Angaben des Klägers auch seit März 2015 nicht zu einer behinderungsbedingten Abmahnung gekommen ist, geht der Senat ebenso wie die Beteiligten und auch das SG davon aus, dass der derzeit innegehaltene Arbeitsplatz für den Kläger geeignet im oben genannten Sinne ist.
Zwischen der Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB IX muss ein Ursachenzusammenhang bestehen ("infolge"). Ein solcher liegt vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Art und Schwere der Behinderung die Schwierigkeit begründet ist, den geeigneten Arbeitsplatz zu behalten. Die Kausalitätsprüfung hat nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu erfolgen. Um den Kausalzusammenhang zwischen Behinderung und Erforderlichkeit der Gleichstellung annehmen zu können, ist jedoch keine absolute Sicherheit im Sinne des Vollbeweises erforderlich. Vielmehr genügt – wie auch sonst bei sozialrechtlichen Kausalitätsprüfung –, dass der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden kann (vergleiche BSG Urteil vom 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R, Rn. 22 ff., juris). Nach Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 SGB IX soll der behinderte Mensch in das Arbeitsleben integriert bleiben. Er kann deshalb einerseits nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, bis der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielen. In einer solchen Situation käme eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX in aller Regel zu spät. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die besonderen Pflichten nach dem SGB IX gegenüber Personen zu erfüllen, deren Schwerbehinderung der Gleichstellung ihm (noch) nicht bekannt ist (BAG, Urteil vom 18. November 2008, 9 AZR 643/07). Andererseits reicht nach der Rechtsprechung des BSG eine rein abstrakte Gefährdung nicht aus, weil – "abstrakt" betrachtet – das Arbeitsverhältnis leistungsgeminderter behinderter Menschen stets gefährdet sein kann. Insoweit ist ein wesentlicher bei der Kausalitätsprüfung zu berücksichtigender Umstand die arbeitsrechtliche Sicherung, die der behinderte Mensch auf dem konkreten Arbeitsplatz erlangt hat. Hat etwa ein behinderter Mensch als tariflich unkündbarer Arbeitnehmer ein bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis inne, das er nur unter qualifizierten Voraussetzungen verlieren könnte oder selbst aufgeben müsste, bedarf er zur weiteren Teilhabe am Arbeitsleben in der Regel keiner Gleichstellung (BSG, Urteil vom 6. August 2014, B 11 AL 16/13 R, Rn.26ff. – zitiert nach juris). In Anwendung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Fall zwischen der Behinderung des Klägers und der begehrten Gleichstellung kein Ursachenzusammenhang im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB IX festgestellt werden. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Arbeitgeber ab 30. März 2015 den Arbeitsplatz bei der Feuerwehr der Stadt H. für den Kläger unter Berücksichtigung dessen behinderungsbedingter Einschränkungen eingerichtet hat. Überdies unterliegt der Kläger dem Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 TVöD. Nach dieser Vorschrift können Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Gilt – wie hier – dieser besondere Kündigungsschutz, kommt eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wobei in der Regel eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten ist: Erforderlich ist erstens eine negative Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers. Zweitens muss aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen in Zukunft mit einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers zu rechnen sein. Drittens ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber nach leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer zu suchen; an seine Bemühungen sind dabei hohe Anforderungen zu stellen. Die Unfähigkeit des Arbeitnehmers, einen Teil der geschuldeten Arbeitsleistung zu erbringen, reicht in der Regel nicht aus, um eine krankheitsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Erst wenn das Arbeitsverhältnis auf Dauer umfassend gestört ist, weil aufgrund der Erkrankung des Arbeitnehmers auf nicht absehbare Zeit kein Leistungsaustausch mehr erfolgen wird, ist eine Kündigung zulässig (Linck in Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, 17. Auflage, § 128, Rn. 38). Im vorliegenden Fall ist der Kläger seit 30. März 2015 bis heute trotz seiner Behinderung uneingeschränkt in der Lage, seine Beschäftigung zu verrichten, so dass das Austauschverhältnis von Arbeit und Vergütung hier nicht wesentlich gestört ist. Im Übrigen müsste die Stadt H. im Falle einer etwaigen Kündigung – für die sich derzeit keinerlei Anhaltspunkte ergeben – den Nachweis erbringen, dass eine andere, den behinderungsbedingten Einschränkungen des Klägers Rechnung tragende Beschäftigung für die Stadt nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist derzeit keine Gefahr ersichtlich, dass der Kläger aus Gründen seiner Behinderung entlassen werden könnte.
Soweit der Kläger noch darauf hingewiesen hat, dass § 34 Abs. 2 TVöD ihn vor einer Änderungskündigung nicht schützen würde, ist auch insoweit eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten Menschen nicht notwendig. Bei einer Änderungskündigung handelt es sich um eine "echte" Kündigung, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen (§ 2 S. 1 KSchG). Abgesehen davon, dass in einem solchen Falle der Kläger ein arbeitgeberseitiges Angebot nicht annehmen muss, gilt auch für eine Änderungskündigung der besondere Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 2 AZR 688/09 – Rn.31 zitiert nach juris).
Unter Berücksichtigung aller Umstände stellt der Senat fest, dass der Kläger infolge seiner Behinderung nicht auf eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz behalten zu können. Auf die Berufung der Beklagten war der Gerichtsbescheid des SG daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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