Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 11/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 51/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Wegeunfalls der Klägerin vom 14. November 1997. Konkret begehrt die Klägerin die Anerkennung ihrer psychischen Erkrankung als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1974 geborene Klägerin war im Unfallzeitpunkt in der Kanzlei des Arbeitsgerichts in D Stadt als Halbtagskraft angestellt. Sie befand sich am Unfalltag gegen 11.25 Uhr auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als sich an der Kreuzung E-Straße/F-Straße in D-Stadt an einem vorbeifahrenden Pkw der Anhänger von der Anhängerkupplung löste, rechts von der Fahrbahn abkam und die Klägerin erfasste (Verkehrsunfallanzeige vom 14. November 1997). Die Klägerin erlitt durch die Kollision ein stumpfes Bauchtrauma, eine offene dislozierte Oberschenkelfraktur links sowie eine distale Radiusfraktur mit Gelenkbeteiligung am rechten Arm.
In der Zeit vom 14. November bis 10. Dezember 1997 wurde sie durch den Leitenden Arzt der unfallchirurgischen Abteilung des Bürgerhospitals in Frankfurt Dr. med. G. stationär behandelt. Da sie durch den Unfall ein Milzhämatom erlitten hatte und die Gefahr einer Ruptur bestand, wurde der Klägerin am 26. November 1997 die Milz entfernt. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten neben den genannten Verletzungen auch eine Posttraumatische reaktive Depression (Bericht des Krankenhauses vom 29. Dezember 1997) und empfahlen im Anschluss an die stationäre Behandlung eine psychiatrisch-neurologische Behandlung (Bericht vom 22. Januar 2008).
Die ambulant behandelnde Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. H. diagnostizierte bei der Klägerin eine Angstsymptomatik, die direkt auf das Unfallgeschehen zurück zu führen sei (Bericht vom 25. März 1998, 34). Deswegen veranlasste sie eine verhaltenstherapeutische Behandlung bei der Psychologin Frau J. Beginnend ab 12. März 1998 fanden 11 Einzelsitzungen statt, in denen die Psychologin zu dem Ergebnis kam, durch den Unfall seien bei der Klägerin eine Reihe von Ängsten ausgelöst worden im Sinne spezifischer Phobien (Verlaufsbericht der Psychologin vom 29. September 1998). Am 15. März 1998 war die Klägerin nach Auffassung der behandelnden Ärzte wieder arbeitsfähig (Bericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. med. K.) und nahm ihre Arbeit am Arbeitsgericht am 16. März 1998 wieder auf.
Die Beklagte gab zur Rentenbeurteilung ein unfallchirurgisches Gutachten bei dem erstbehandelnden Arzt Dr. G. in Auftrag. In seinem Gutachten vom 29. Juni 1998 diagnostizierte dieser als Unfallfolgen eine bei Zustand nach knöchern konsolidierter Oberschenkelschaftfraktur linksseitig endgradige Behinderung der Außenrotation im Hüftgelenk, eine geringgradige linksverkürzte Beinlängendifferenz, eine bei Zustand nach Radiusfraktur rechtsseitig endgradige Behinderung der Handhebung und Handsenkung sowie einen Zustand nach Milzexstirpation bei stumpfem Bauchtrauma und eine hieraus resultierende Empfindungsstörung im Verlauf der Operationswunde. Die hieraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 20 v.H.
Ferner gab die Beklagte eine fachärztliche Begutachtung bei dem Prof. Dr. L. im Zentrum für Innere Medizin der Uniklinik in Frankfurt in Auftrag. In seinem Gutachten vom 29. Oktober 1998 diagnostizierte dieser als Folge des Unfalls die Entfernung der Milz und schätzte die MdE bis zum zweiten Unfalljahr auf 20, danach auf 10 v.H.
Mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Klägerin (196) gab die Beklagte ein Gutachten bei dem Neuropsychiater Dr. med. M. in Auftrag. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 10. Mai 1999 kam dieser zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestünden unfallabhängig nach einer Therapie noch Reste einer posttraumatischen Belastungsreaktion. Ab Eintritt der Arbeitsfähigkeit habe wegen der in Rückbildung begriffenen PTBS noch bis zum 30. Juni 1998 eine MdE auf rein psychiatrischem Fachgebiet von 10 v.H. vorgelegen. Ab dem 1. Juli 1998 habe psychiatrisch keine MdE mehr vorgelegen. Im unfallchirurgischen Gutachten des Bürgerhospitals vom 29. Juni 1998 werde eine depressive Verstimmung ausdrücklich verneint.
Nach Vorschusszahlungen ohne Bescheid an die Klägerin gab die Beklagte zur Rentennachprüfung ein Gutachten bei dem Chirurg und Unfallchirurg Dr. med. N. in Auftrag. Dieser schätzte die MdE in seinem Gutachten vom 15. November 1999 auf rein unfallchirurgischem Fachgebiet auf 15 v.H. und unter Berücksichtigung der Unfallfolgen auf internistischem Fachgebiet auf 20 v. H. Ferner veranlasste er ein Gutachten bei Dr. med. O.
Dieser schloss ins seinem neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 10. Dezember 1999 hinsichtlich der von der Klägerin angegebenen Mißempfindungen im Bereich der linken unteren Extremität eine Nervenschädigung aus. Die psychische Situation der Klägerin sei ausgeglichen. Trotz der erheblichen Polytraumatisierung sei es nicht zur Entwicklung schwerwiegender psychischer Beeinträchtigungen, etwa im Sinne einer posttraumatischen Anpassung- oder Belastungsstörung gekommen. Eine MdE auf dem engeren neuropsychiatrischen Fachgebiet sei damit nicht anzugeben.
Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 25. Februar 2000 beginnend ab dem 16. März 1998 eine Rente auf unbestimmte Zeit in der Zeit vom 16. März bis 30. Juni 1998 nach einer MdE von 40 v.H., in der Zeit vom 1. Juli 1998 bis 13. November 1999 nach einer MdE von 30 v.H. und ab 14. November 1999 bis auf weiteres nach einer MdE von 20 v.H. Als Unfallfolgen wurden festgestellt:
Endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, röntgenologisch nachweisbare Veränderungen im rechten Handgelenk, geringe Muskelminderung am rechten Unterarm, Konturvergröberung der rechten Handgelenksregion rechts nach knöchern stabil durchbautem körperfernen Speichenbruch.
Innenrotationsfehlstellung linker Oberschenkel mit Einschränkung der Außenrotation im Bereich des linken Hüftgelenkes, Kalksalzminderung des linken Oberschenkelknochens, leichte Gefühlsstörungen im Bereich des rechten Beines, Verkalkungsverformung oberhalb der Nageleinschlagstelle am linken Oberschenkel nach knöchern stabil durchbautem hüftgelenksnahen Oberschenkelbruch links.
Milzentfernung mit gehäufter Infektanfälligkeit nach stumpfem Bauchtrauma.
Vorübergehende psychische Belastungsreaktion.
Am 16. Juli 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Neufeststellung der Unfallfolgen, den sie damit begründete, dass die Schwere ihrer mittlerweile eingetretenen Krebserkrankung ursächlich auf den Milzverlust zurückzuführen sei. Nach Auswahlentscheidung der Klägerin gab die Beklagte zur Rentennachprüfung ein Gutachten bei dem Chefarzt der Klinik am Nordwest Krankenhaus, dem Internisten und Gastroenterologen Prof. Dr. P., in Auftrag. In seinem Gutachten vom 8. April 2004 kam dieser zu dem Ergebnis, dass der Milzverlust keine dauerhafte MdE auf seinem Fachgebiet rechtfertige. Einen Zusammenhang zwischen dem Milzverlust einerseits und der Infektion der Klägerin mit humanen Papillomviren der high risk-Gruppe (HPV) und der Entstehung zweier Vulvakarzinome andererseits verneinte er. Zum einen habe eine Literaturrecherche keine Hinweise auf einen solchen Zusammenhang ergeben. Zum anderen sei es äußerst unwahrscheinlich, dass der Milzverlust unter Berücksichtigung der relevanten Latenzzeiten Ursache für die weiteren Erkrankungen der Klägerin sei, zumal bereits vor dem Unfall im April 1997 eine im Hinblick auf eine HPV-lnfektion auffällige Veränderung des Gebärmutterhalses festgestellt worden sei. Schließlich bestehe infolge der Milzentfernung bei der Klägerin eine gestörte Abwehr gegenüber Infektionen, die auf dem Blutweg übertragen werden. Bei der HPV-lnfektion handele es sich jedoch um eine venerische Schmierinfektion. Bei dieser Einschätzung blieb er auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. September 2004.
Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Neufeststellungsantrag durch Bescheid vom 27. Oktober 2004 ab, da die die HPV-lnfektion und die Krebserkrankung der Klägerin weder als solche noch deren Ausmaß auf den Unfall vom 14. November 1997 zurückzuführen sei.
Im Rahmen des hiergegen geführten Widerspruchsverfahrens forderte die Beklagte auf Anregung der Klägerin ein fachinternistisches Gutachten bei dem Arzt für Innere Medizin, Infektionskrankheiten Prof. Dr.med. Q. an, das am 21. Dezember 2005 bei ihr einging. Darin kommt Prof. Dr. Q. zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen der chronischen HPNJ-Infektion und dem Milzverlust derzeit nicht ausgeschlossen werden könne. Es gebe bislang weder kasuistische Berichte noch Untersuchungen über den Verlauf einer HPV-lnfektion bei Personen mit Milzentfernung.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Januar 2007 nahm der damalige Bevollmächtigte der Klägerin den Widerspruch zurück.
Bereits am 2. März 2006 hatte die Klägerin die Berücksichtigung ihrer Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet geltend gemacht. Die Klägerin war vom 17. Juni 2003 bis 15. Februar 2005 wegen einer rezidivierenden depressiven Erkrankung ICD-10 F33.0 und einer wahnhaften Störung ICD-10 F22.0 durch den Psychologischen Psychotherapeut R. behandelt worden (Bericht des Psychologen vom 7. September 2006). Nach stationär-psychiatrischen Behandlungen wegen schizo-affektiver Psychose ICD-10 F25.1 in der Uniklinik in Frankfurt vom 9. Dezember 2005 bis 31. März 2006 (Bericht der Klinik vom 15. Mai 2006) sowie vom 4. bis 10. April 2006 nahm die Klägerin die Behandlung am 8. Juni 2006 wieder auf (Bericht des Psychologen vom 26. Juli 2006). In der Zeit vom 10. bis 12. Juni 2006 wurde die Klägerin erneut stationär in den Kliniken des Main-Taunus-Kreises aufgenommen.
Die Beklagte forderte eine beratungsärztliche Stellungnahme an. Am 18. Dezember 2006 kam der Neurologe und Psychiater Dr. med. S. zu dem Ergebnis, dass zur Entstehung der als gesichert anzusprechenden schizoaffektiven Psychose vor allem anlagebedingte Faktoren eine wesentliche Rolle spielten neben sehr ungünstigen Bedingungen in der frühen Kindheit. Dem Unfall vom 14. November 1997 hingegen könne nach dem geltenden wissenschaftlichen Kenntnisstand keine wesentliche Bedeutung zugemessen werden. Bei der schizoaffektiven Störung handele es sich nach ICD-10 um eine Erkrankung, bei der schizophrene Symptome, wie z.B. Wahn und Halluzination, in der gleichen Krankheitsphase auftreten wie affektive Symptome auftreten. Die ätiologische Zuordnung sei nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand schwierig, da keine einheitliche Auffassung bestehe, ob die schizoaffektive Störung als Variante der Schizophrenie oder der affektiven Störung zu sehen sei oder als eine dritte, endogene Psychose neben der affektiven und schizophrenen Erkrankungen. Auch darüber hinausgehende Erwägungen fänden in der Wissenschaft Raum. Ein eigenes Konzept der Entwicklung der schizoaffektiven Psychose könne demnach nicht formuliert werden, sondern es müssten hierzu die Vererbungsprinzipien der schizophrenen Psychose und der bipolaren affektiven Psychose betrachtet werden und von einer Ätiologie in der Mitte dieses Spektrums ausgegangen werden. Für die schizophrenen Psychosen gebe es eine überzeugende Evidenz, dass sie einen genetischen Ursprung haben. Darauf wiesen Familienstudien hin. Dieser erkläre aber nur einen Teil des Erkrankungsrisikos, da eineiige Zwillinge eine maximal 70%ige Konkordanzrate aufwiesen. Daneben ergebe sich aber eine Vulnerabilität für affektive Erkrankungen aus frühkindlichen Traumata, insbesondere Verlusterlebnissen. Hinsichtlich der Faktoren kritischer Lebensereignisse könne nicht von einer unidirektalen Beziehung zwischen Lebensereignis und Ausbruch der Erkrankung ausgegangen werden. Im Ergebnis müsse davon ausgegangen werden, dass genetische, also anlagebedingte Faktoren, eine wesentliche Rolle spielen. Ferner spielten die Entwicklungsbedingungen in der frühen Kindheit als Vulnerabilitätsfaktor zur Depression eine bedeutsame Rolle. Biografische Belastungen im Erwachsenenalter seien demgegenüber nachgeordnet. In der Schizphrenieforschung seien sie gänzlich unbedeutend, könnten höchstens den Auslösezeitpunkt determinieren.
Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23. März 2007 die Erhöhung der Rente und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grund der Erkrankung der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet ab, da diese nicht auf den Unfall zurückzuführen sei.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2007 zurück. Soweit der Widerspruch damit begründet wurde, es sei eine PTBS festzustellen, werde darauf hingewiesen, dass keiner der behandelnden Psychologen oder Psychiater eine solche Diagnose gestellt habe. Auch seien die Diagnosekriterien der ICD-10 insoweit nicht erfüllt.
Hiergegen richtet sich die am 10. Januar 2008 erhobene Klage.
Die Kammer hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. T. in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 3. April 2013 diagnostiziert dieser als Unfallfolge bei der Klägerin eine schizoaffektive Störung ICD-10 F.25.1. Die MdE schätze er auf 20 v.H.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2007 zu verurteilen, die psychische Erkrankung der Klägerin als Folge des Unfalls vom 14. November 1997 anzuerkennen und die der Klägerin gezahlte Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend der durch diese Erkrankung hervorgerufenen Beeinträchtigungen zu erhöhen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihren Bescheiden auch nach der Beweisaufnahme fest.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte (4 Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 23. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2007 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Die Klägerin kann wegen ihrer Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet keine Erhöhung des Entschädigungsanspruchs verlangen. Diese Beschwerden sind nicht sicher auf das Unfallereignis vom 14. November 1997 zurückzuführen.
Zunächst liegt kein Anlass im Sinne des S 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) vor, den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2000 zurückzunehmen; bei Erlass des Bescheides wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch wurde von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwies. Insbesondere ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin bei dem Unfallereignis vom 14. November 1997 lediglich eine vorübergehende psychische Belastungsreaktion erlitten hat (1.). Zum anderen ist auch eine Verschlimmerung der anerkannten Unfallfolgen, insbesondere der als Unfallfolge anerkannten "vorübergehenden psychischen Belastungsreaktion", im Sinne des § 48 SGB X nicht nachgewiesen (2.). Im Ergebnis hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente als diejenige aus dem Bescheid vom 25. Februar 2000.
1. Nach § 44 Abs. 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Kammer kann offenlassen, ob die Beklagte in den angegriffenen Bescheid überhaupt eine Entscheidung im Sinne des § 44 SGB X getroffen hat. Jedenfalls liegen dessen Voraussetzungen nicht vor. Weder hat die Beklagte das Recht unrichtig angewandt - was zwischen den Beteiligten auch zu keinem Zeitpunkt in Streit stand - noch ist die Beklagte von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht Urteil vom 02. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R zitiert nach juris Rn. 15).
Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht nur eine andere, unfallunabhängige Ursache wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010 (Schönberger et al.), Kap. 1.6.2, S. 28).
Hiervon ausgehend ist die Kammer nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erforderlichen Maße überzeugt, dass bei der Klägerin tatsächlich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf den Unfall vom 14. November 1997 zurückführbare gesundheitliche Folgen vorgelegen haben, die die Beklagte in ihrem Ausgangsbescheid vom 25. Februar 2000 hätte berücksichtigen müssen.
Die Klägerin hat durch das Unfallereignis vom 14. November 1997 eine vorübergehende psychische Belastungsreaktion im Sinne eines Primärschadens erlitten. Die Beklagte hat den Gesundheitszustand der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet bereits im Verwaltungsverfahren eingehend überprüfen lassen und hat ihre diesbezüglichen Feststellungen in dem Ausgangsbescheid vom 25. Februar 2000 im Einklang mit den von ihr eingeholten Gutachten von Dr. M. (Gutachten vom 10. Mai 1999) und Dr. O. (Gutachten vom 10. Dezember 1999) getroffen. Nach den Feststellung von Dr. M. war es bei der Klägerin durch das Unfallereignis zu einer posttraumatischen Belastungsreaktion gekommen, die sich jedoch bereits seinerzeit unter der von Frau Dr. U. und der Psychologin Frau J. durchgeführten Behandlung zurückgebildet hatte. Dr. O. stellte bei seiner Untersuchung der Klägerin im Dezember 1999 dann eine ausgeglichene psychische Situation fest und kam zu dem Ergebnis, dass es trotz der erheblichen Polytraumatisierung nicht zur Entwicklung schwerwiegender psychischer Beeinträchtigungen gekommen ist.
Die Kammer hat diese Gutachten nochmals eingehend überprüft und ist nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte irgendwelche Befunde außer Acht gelassen haben könnte. Insbesondere hat die Kammer keinen Zweifel an den Feststellungen der Sachverständigen Dr. M. und Dr. O. Denn es liegen der Kammer keinerlei Unterlagen einer über Behandlung der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet vor, die den Feststellungen in den Gutachten entgegenstehen könnten. Vielmehr hatte bereits die behandelnde Psychiaterin Dr. U. in ihrem Befundbericht vom 29. September 1998 eine weitreichende Stabilisierung der Klägerin mitgeteilt, die in der Folge auch wieder ihre Halbtagestätigkeit aufnehmen konnte. Insofern erscheint es der Kammer in gewisser Weise konsequent, wenn Dr. O. in seinem Gutachten vom 10. Dezember 1999 in Ermangelung sonstiger krankhaften Befunde eine ausgeglichene psychische Situation bei der Klägerin attestierte, zumal die Klägerin seinerzeit eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin aufgenommen hatte und damit zusätzliche Anhaltspunkte aus dem sozialen Bereich für eine wiederhergestellte Erwerbsfähigkeit auf psychiatrischem Fachgebiet bestanden haben.
Im Ergebnis kann damit nicht positiv festgestellt werden, dass die Kammer bei Erlass ihres Bescheides vom 25. Februar 2000 von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist.
2. Die Kammer ist auch nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass eine Verschlimmerung der anerkannten Unfallfolgen eingetreten ist bzw. weitere Unfallfolgen hinzugekommen sind.
Nach übereinstimmender Auffassung sämtlicher mit der Beurteilung der Gesundheitssituation der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet befassten Ärzte, leidet diese an einer schizoaffektiven Störung gem. ICD-10 F 25.1, wenngleich die Kammer eine kriteriengeleitete Diagnosebegründung den jeweiligen Ausführungen nicht zu entnehmen vermag. Da jedoch sowohl die behandelnden Ärzte der Klinik für Psychiatrie der Uniklinik Frankfurt, Priv-Doz. Dr. med. V., der Stationsarzt W. und die Psychologin X. (Bericht vom 15. Mai 2006), als auch die Ärzte der Kliniken des Main-Taunus-Kreises, Prof. Dr. med. Y. sowie die Ärztinnen Z. und BB. (Bericht vom 26. Juni 2006, 677), sowie der Neurologe und Psychiater Dr. S. (beratungsärztliche Stellungnahme vom 18. Dezember 2006, 690) und der im Auftrag der Kammer von Amts wegen gehörte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. T. (Gutachten vom 3. April 2013, 220) übereinstimmend diese Diagnose gestellt haben, sieht auch die Kammer keine Veranlassung hieran zu zweifeln. Die Kammer geht daher davon aus, dass die Erkrankung der Klägerin im Sinne einer schizoaffektiven Störung ICD-10 F 25.1 im Vollbeweis nachgewiesen ist.
Allerdings ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die schizoaffektive Störung der Klägerin auf das Unfallereignis vom 14. November 1997 zurückzuführen ist.
Denn Nach dem Diagnosemanual der ICD-10 handelt es sich bei der schizoaffektiven Störung um eine solche, bei der sowohl schizophrene als auch depressive Symptome vorliegen und deshalb weder die Diagnose einer Schizophrenie noch einer depressiven Episode gerechtfertigt ist. Diese Kategorie ist sowohl für einzelne Episoden als auch für rezidivierende Störungen zu verwenden, bei denen die Mehrzahl der Episoden schizodepressiv ist.
Wie weiter den Ausführungen von Dr. S. in seinen Stellungnahmen vom 18. Dezember 2006 sowie vom 5. Juni 2013 als auch denen des Sachverständigen Dr. T. in seinem Gutachten vom 3. April 2013 zu entnehmen ist, gibt es bei dieser Erkrankung keine genaue Ursache. Vielmehr ist als Erklärungsmodell von einem multifaktoriellen Modell auszugehen, bei dem biologische (z. B. genetische, infektiöse, metabolische) und psychosoziale Ursachen in einem Wechselspiel die Erkrankung auslösen können - so wie es im Vulnerabilitäts-Stress-Modell dargestellt wird. Danach ist das Überschreiten einer nicht definierten Menge Stress der Faktor, der die Psychose bei einem vulnerablen Menschen ausbrechen lässt. An dieser Ausgangsbasis zu zweifeln hat die Kammer keinen Anlass. Denn auch nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (vgl. Veröffentlichung im Internet unter www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.html) ist das "Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell" das am besten akzeptierte ätiopathogenetische Modell der Schizophrenie. Dieses Erklärungsmodell entspricht daher dem Stand der medizinischen Erkenntnis.
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell geht von einer anlagebedingten Verletzlichkeit aus, die durch äußere Faktoren zum Zusammenbruch des vorgeschädigten Zentralnervensystems führt (vgl. in diesem Zusammenhang: LSG Bayern, Urteil vom 14. November 201 1 - L 2 U 164/1 1 - Rn. 68 m.w.N.). Hypothetische endogene und exogene Stressoren biologischer und psychosozialer Natur, die mit dem in seiner Verarbeitungskapazität reduzierten System interagieren, führen bei nicht ausreichenden Bewältigungsmöglichkeiten (Coping) zu dessen passagerem Funktionsversagen mit der klinischen Konsequenz akuter psychotischer Symptomatik.
Ausgehend hiervon vermag die Kammer jedoch nicht festzustellen, dass das Unfallereignis vom 14. November 1997 oder die hierdurch verursachten Gesundheitsschäden zu der schizoaffektiven Störung geführt haben.
Gegen eine solche Vorstellung spricht im vorliegenden Einzelfall allerdings zum einen der fehlende zeitliche Zusammenhang zwischen der Manifestation der Erkrankung im Sinne einer schizoaffektiven Störung im Dezember 2005 und dem Unfallereignis vom November 1997 und zum anderen das Vorliegen konkurrierender Ursachen für den Ausbruch der Erkrankung.
Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen sieht die zunächst von einer eigenen Begründung ab und verweist auf die ausführliche Darstellung der Krankheitsentwicklung in dem Beschluss des LSG Hessen vom 31. August 2009 - L 3 B 190/08 U - Seite 6f.
Soweit Dr. T. in seinem Gutachten vom 3. April 2013 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2013, einen zeitlichen Zusammenhang anhand von Berichten der behandelnden Ärzte herzustellen versucht, gebietet dies keine andere Sicht der Dinge, Denn nach der insoweit relevanten medizinischen Dokumentation in der Akte ist davon auszugehen, dass die auf das Unfallereignis zurückzuführende psychische Symptomatik spätestens bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr. O. Ende 1999 abgeklungen war, denn der Arzt stellte seinerzeit fest, dass die psychische Situation der Klägerin ausgeglichen sei und es trotz der erheblichen Polytraumatisierung nicht zur Entwicklung schwerwiegender psychischer Beeinträchtigungen, etwa im Sinne einer posttraumatischen Anpassung- oder Belastungsstörung, gekommen sei. An dieser Einschätzung zu zweifeln hat die Kammer keinen Anlass (s.o.). Auch ist erstmals 2003 aktenkundig, dass sich die Klägerin bei dem Dipl.-Psych. R. wegen einer rezidivierenden depressiven Störung behandeln ließ. Angesichts dessen, kann nicht von einem durchgehenden, von psychischen Symptomen geprägten zeitlichen Bezug zwischen dem Unfallereignis bis zur Manifestation der schizoaffektiven Störung gesprochen werden. Die Schilderungen der Klägerin stellen jedenfalls keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung dar (Schönberger et al, a.a.O., S. 148).
Im übrigen ist die im Jahr 1999 bei der Klägerin diagnostizierte HPV-lnfektion und die wahrscheinlich hiermit in Zusammenhang stehende Ausbildungen eines Karzinoms auch mit Blick auf das erneute Auftreten einer psychischen Symptomatik 2003, vorliegend die entscheidenden Stressoren zu sein, die im Sinne des Vulnerabilitäts-Stress-Modells die Psychose bei der Klägerin ausbrechen ließen. Denn auch der behandelnde Psychotherapeut R. hatte diese Erkrankungen für den Ausbruch der psychischen Symptomatik bei gleichzeitgem Wegfall haltegebender beruflicher und privater Aspekte in den Vordergrund gestellt (Bescheinigung vom 26. Juli 2006). In diesem Zusammenhang hatte bereits das LSG in seinem Beschluss vom 31. August 2009 hingewiesen, dass diese Erkrankungen ihrerseits nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden können und daher als konkurrierende Ursachen anzusehen sind.
Angesichts des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs sowie der konkurrierenden Ursachen kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass das Unfallereignis vom 14. November 1997 rechtlich wesentlich ursächlich für die schizoaffektive Störung der Klägerin war. Infolgedessen kann sie weder als Unfallfolge noch als Verschlimmerung bestehender Unfallfolgen behandelt werden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Wegeunfalls der Klägerin vom 14. November 1997. Konkret begehrt die Klägerin die Anerkennung ihrer psychischen Erkrankung als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1974 geborene Klägerin war im Unfallzeitpunkt in der Kanzlei des Arbeitsgerichts in D Stadt als Halbtagskraft angestellt. Sie befand sich am Unfalltag gegen 11.25 Uhr auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als sich an der Kreuzung E-Straße/F-Straße in D-Stadt an einem vorbeifahrenden Pkw der Anhänger von der Anhängerkupplung löste, rechts von der Fahrbahn abkam und die Klägerin erfasste (Verkehrsunfallanzeige vom 14. November 1997). Die Klägerin erlitt durch die Kollision ein stumpfes Bauchtrauma, eine offene dislozierte Oberschenkelfraktur links sowie eine distale Radiusfraktur mit Gelenkbeteiligung am rechten Arm.
In der Zeit vom 14. November bis 10. Dezember 1997 wurde sie durch den Leitenden Arzt der unfallchirurgischen Abteilung des Bürgerhospitals in Frankfurt Dr. med. G. stationär behandelt. Da sie durch den Unfall ein Milzhämatom erlitten hatte und die Gefahr einer Ruptur bestand, wurde der Klägerin am 26. November 1997 die Milz entfernt. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten neben den genannten Verletzungen auch eine Posttraumatische reaktive Depression (Bericht des Krankenhauses vom 29. Dezember 1997) und empfahlen im Anschluss an die stationäre Behandlung eine psychiatrisch-neurologische Behandlung (Bericht vom 22. Januar 2008).
Die ambulant behandelnde Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. H. diagnostizierte bei der Klägerin eine Angstsymptomatik, die direkt auf das Unfallgeschehen zurück zu führen sei (Bericht vom 25. März 1998, 34). Deswegen veranlasste sie eine verhaltenstherapeutische Behandlung bei der Psychologin Frau J. Beginnend ab 12. März 1998 fanden 11 Einzelsitzungen statt, in denen die Psychologin zu dem Ergebnis kam, durch den Unfall seien bei der Klägerin eine Reihe von Ängsten ausgelöst worden im Sinne spezifischer Phobien (Verlaufsbericht der Psychologin vom 29. September 1998). Am 15. März 1998 war die Klägerin nach Auffassung der behandelnden Ärzte wieder arbeitsfähig (Bericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. med. K.) und nahm ihre Arbeit am Arbeitsgericht am 16. März 1998 wieder auf.
Die Beklagte gab zur Rentenbeurteilung ein unfallchirurgisches Gutachten bei dem erstbehandelnden Arzt Dr. G. in Auftrag. In seinem Gutachten vom 29. Juni 1998 diagnostizierte dieser als Unfallfolgen eine bei Zustand nach knöchern konsolidierter Oberschenkelschaftfraktur linksseitig endgradige Behinderung der Außenrotation im Hüftgelenk, eine geringgradige linksverkürzte Beinlängendifferenz, eine bei Zustand nach Radiusfraktur rechtsseitig endgradige Behinderung der Handhebung und Handsenkung sowie einen Zustand nach Milzexstirpation bei stumpfem Bauchtrauma und eine hieraus resultierende Empfindungsstörung im Verlauf der Operationswunde. Die hieraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 20 v.H.
Ferner gab die Beklagte eine fachärztliche Begutachtung bei dem Prof. Dr. L. im Zentrum für Innere Medizin der Uniklinik in Frankfurt in Auftrag. In seinem Gutachten vom 29. Oktober 1998 diagnostizierte dieser als Folge des Unfalls die Entfernung der Milz und schätzte die MdE bis zum zweiten Unfalljahr auf 20, danach auf 10 v.H.
Mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Klägerin (196) gab die Beklagte ein Gutachten bei dem Neuropsychiater Dr. med. M. in Auftrag. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 10. Mai 1999 kam dieser zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestünden unfallabhängig nach einer Therapie noch Reste einer posttraumatischen Belastungsreaktion. Ab Eintritt der Arbeitsfähigkeit habe wegen der in Rückbildung begriffenen PTBS noch bis zum 30. Juni 1998 eine MdE auf rein psychiatrischem Fachgebiet von 10 v.H. vorgelegen. Ab dem 1. Juli 1998 habe psychiatrisch keine MdE mehr vorgelegen. Im unfallchirurgischen Gutachten des Bürgerhospitals vom 29. Juni 1998 werde eine depressive Verstimmung ausdrücklich verneint.
Nach Vorschusszahlungen ohne Bescheid an die Klägerin gab die Beklagte zur Rentennachprüfung ein Gutachten bei dem Chirurg und Unfallchirurg Dr. med. N. in Auftrag. Dieser schätzte die MdE in seinem Gutachten vom 15. November 1999 auf rein unfallchirurgischem Fachgebiet auf 15 v.H. und unter Berücksichtigung der Unfallfolgen auf internistischem Fachgebiet auf 20 v. H. Ferner veranlasste er ein Gutachten bei Dr. med. O.
Dieser schloss ins seinem neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 10. Dezember 1999 hinsichtlich der von der Klägerin angegebenen Mißempfindungen im Bereich der linken unteren Extremität eine Nervenschädigung aus. Die psychische Situation der Klägerin sei ausgeglichen. Trotz der erheblichen Polytraumatisierung sei es nicht zur Entwicklung schwerwiegender psychischer Beeinträchtigungen, etwa im Sinne einer posttraumatischen Anpassung- oder Belastungsstörung gekommen. Eine MdE auf dem engeren neuropsychiatrischen Fachgebiet sei damit nicht anzugeben.
Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 25. Februar 2000 beginnend ab dem 16. März 1998 eine Rente auf unbestimmte Zeit in der Zeit vom 16. März bis 30. Juni 1998 nach einer MdE von 40 v.H., in der Zeit vom 1. Juli 1998 bis 13. November 1999 nach einer MdE von 30 v.H. und ab 14. November 1999 bis auf weiteres nach einer MdE von 20 v.H. Als Unfallfolgen wurden festgestellt:
Endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, röntgenologisch nachweisbare Veränderungen im rechten Handgelenk, geringe Muskelminderung am rechten Unterarm, Konturvergröberung der rechten Handgelenksregion rechts nach knöchern stabil durchbautem körperfernen Speichenbruch.
Innenrotationsfehlstellung linker Oberschenkel mit Einschränkung der Außenrotation im Bereich des linken Hüftgelenkes, Kalksalzminderung des linken Oberschenkelknochens, leichte Gefühlsstörungen im Bereich des rechten Beines, Verkalkungsverformung oberhalb der Nageleinschlagstelle am linken Oberschenkel nach knöchern stabil durchbautem hüftgelenksnahen Oberschenkelbruch links.
Milzentfernung mit gehäufter Infektanfälligkeit nach stumpfem Bauchtrauma.
Vorübergehende psychische Belastungsreaktion.
Am 16. Juli 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Neufeststellung der Unfallfolgen, den sie damit begründete, dass die Schwere ihrer mittlerweile eingetretenen Krebserkrankung ursächlich auf den Milzverlust zurückzuführen sei. Nach Auswahlentscheidung der Klägerin gab die Beklagte zur Rentennachprüfung ein Gutachten bei dem Chefarzt der Klinik am Nordwest Krankenhaus, dem Internisten und Gastroenterologen Prof. Dr. P., in Auftrag. In seinem Gutachten vom 8. April 2004 kam dieser zu dem Ergebnis, dass der Milzverlust keine dauerhafte MdE auf seinem Fachgebiet rechtfertige. Einen Zusammenhang zwischen dem Milzverlust einerseits und der Infektion der Klägerin mit humanen Papillomviren der high risk-Gruppe (HPV) und der Entstehung zweier Vulvakarzinome andererseits verneinte er. Zum einen habe eine Literaturrecherche keine Hinweise auf einen solchen Zusammenhang ergeben. Zum anderen sei es äußerst unwahrscheinlich, dass der Milzverlust unter Berücksichtigung der relevanten Latenzzeiten Ursache für die weiteren Erkrankungen der Klägerin sei, zumal bereits vor dem Unfall im April 1997 eine im Hinblick auf eine HPV-lnfektion auffällige Veränderung des Gebärmutterhalses festgestellt worden sei. Schließlich bestehe infolge der Milzentfernung bei der Klägerin eine gestörte Abwehr gegenüber Infektionen, die auf dem Blutweg übertragen werden. Bei der HPV-lnfektion handele es sich jedoch um eine venerische Schmierinfektion. Bei dieser Einschätzung blieb er auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. September 2004.
Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Neufeststellungsantrag durch Bescheid vom 27. Oktober 2004 ab, da die die HPV-lnfektion und die Krebserkrankung der Klägerin weder als solche noch deren Ausmaß auf den Unfall vom 14. November 1997 zurückzuführen sei.
Im Rahmen des hiergegen geführten Widerspruchsverfahrens forderte die Beklagte auf Anregung der Klägerin ein fachinternistisches Gutachten bei dem Arzt für Innere Medizin, Infektionskrankheiten Prof. Dr.med. Q. an, das am 21. Dezember 2005 bei ihr einging. Darin kommt Prof. Dr. Q. zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen der chronischen HPNJ-Infektion und dem Milzverlust derzeit nicht ausgeschlossen werden könne. Es gebe bislang weder kasuistische Berichte noch Untersuchungen über den Verlauf einer HPV-lnfektion bei Personen mit Milzentfernung.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Januar 2007 nahm der damalige Bevollmächtigte der Klägerin den Widerspruch zurück.
Bereits am 2. März 2006 hatte die Klägerin die Berücksichtigung ihrer Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet geltend gemacht. Die Klägerin war vom 17. Juni 2003 bis 15. Februar 2005 wegen einer rezidivierenden depressiven Erkrankung ICD-10 F33.0 und einer wahnhaften Störung ICD-10 F22.0 durch den Psychologischen Psychotherapeut R. behandelt worden (Bericht des Psychologen vom 7. September 2006). Nach stationär-psychiatrischen Behandlungen wegen schizo-affektiver Psychose ICD-10 F25.1 in der Uniklinik in Frankfurt vom 9. Dezember 2005 bis 31. März 2006 (Bericht der Klinik vom 15. Mai 2006) sowie vom 4. bis 10. April 2006 nahm die Klägerin die Behandlung am 8. Juni 2006 wieder auf (Bericht des Psychologen vom 26. Juli 2006). In der Zeit vom 10. bis 12. Juni 2006 wurde die Klägerin erneut stationär in den Kliniken des Main-Taunus-Kreises aufgenommen.
Die Beklagte forderte eine beratungsärztliche Stellungnahme an. Am 18. Dezember 2006 kam der Neurologe und Psychiater Dr. med. S. zu dem Ergebnis, dass zur Entstehung der als gesichert anzusprechenden schizoaffektiven Psychose vor allem anlagebedingte Faktoren eine wesentliche Rolle spielten neben sehr ungünstigen Bedingungen in der frühen Kindheit. Dem Unfall vom 14. November 1997 hingegen könne nach dem geltenden wissenschaftlichen Kenntnisstand keine wesentliche Bedeutung zugemessen werden. Bei der schizoaffektiven Störung handele es sich nach ICD-10 um eine Erkrankung, bei der schizophrene Symptome, wie z.B. Wahn und Halluzination, in der gleichen Krankheitsphase auftreten wie affektive Symptome auftreten. Die ätiologische Zuordnung sei nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand schwierig, da keine einheitliche Auffassung bestehe, ob die schizoaffektive Störung als Variante der Schizophrenie oder der affektiven Störung zu sehen sei oder als eine dritte, endogene Psychose neben der affektiven und schizophrenen Erkrankungen. Auch darüber hinausgehende Erwägungen fänden in der Wissenschaft Raum. Ein eigenes Konzept der Entwicklung der schizoaffektiven Psychose könne demnach nicht formuliert werden, sondern es müssten hierzu die Vererbungsprinzipien der schizophrenen Psychose und der bipolaren affektiven Psychose betrachtet werden und von einer Ätiologie in der Mitte dieses Spektrums ausgegangen werden. Für die schizophrenen Psychosen gebe es eine überzeugende Evidenz, dass sie einen genetischen Ursprung haben. Darauf wiesen Familienstudien hin. Dieser erkläre aber nur einen Teil des Erkrankungsrisikos, da eineiige Zwillinge eine maximal 70%ige Konkordanzrate aufwiesen. Daneben ergebe sich aber eine Vulnerabilität für affektive Erkrankungen aus frühkindlichen Traumata, insbesondere Verlusterlebnissen. Hinsichtlich der Faktoren kritischer Lebensereignisse könne nicht von einer unidirektalen Beziehung zwischen Lebensereignis und Ausbruch der Erkrankung ausgegangen werden. Im Ergebnis müsse davon ausgegangen werden, dass genetische, also anlagebedingte Faktoren, eine wesentliche Rolle spielen. Ferner spielten die Entwicklungsbedingungen in der frühen Kindheit als Vulnerabilitätsfaktor zur Depression eine bedeutsame Rolle. Biografische Belastungen im Erwachsenenalter seien demgegenüber nachgeordnet. In der Schizphrenieforschung seien sie gänzlich unbedeutend, könnten höchstens den Auslösezeitpunkt determinieren.
Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23. März 2007 die Erhöhung der Rente und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grund der Erkrankung der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet ab, da diese nicht auf den Unfall zurückzuführen sei.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2007 zurück. Soweit der Widerspruch damit begründet wurde, es sei eine PTBS festzustellen, werde darauf hingewiesen, dass keiner der behandelnden Psychologen oder Psychiater eine solche Diagnose gestellt habe. Auch seien die Diagnosekriterien der ICD-10 insoweit nicht erfüllt.
Hiergegen richtet sich die am 10. Januar 2008 erhobene Klage.
Die Kammer hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. T. in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 3. April 2013 diagnostiziert dieser als Unfallfolge bei der Klägerin eine schizoaffektive Störung ICD-10 F.25.1. Die MdE schätze er auf 20 v.H.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2007 zu verurteilen, die psychische Erkrankung der Klägerin als Folge des Unfalls vom 14. November 1997 anzuerkennen und die der Klägerin gezahlte Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend der durch diese Erkrankung hervorgerufenen Beeinträchtigungen zu erhöhen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihren Bescheiden auch nach der Beweisaufnahme fest.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte (4 Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 23. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2007 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Die Klägerin kann wegen ihrer Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet keine Erhöhung des Entschädigungsanspruchs verlangen. Diese Beschwerden sind nicht sicher auf das Unfallereignis vom 14. November 1997 zurückzuführen.
Zunächst liegt kein Anlass im Sinne des S 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) vor, den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2000 zurückzunehmen; bei Erlass des Bescheides wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch wurde von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwies. Insbesondere ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin bei dem Unfallereignis vom 14. November 1997 lediglich eine vorübergehende psychische Belastungsreaktion erlitten hat (1.). Zum anderen ist auch eine Verschlimmerung der anerkannten Unfallfolgen, insbesondere der als Unfallfolge anerkannten "vorübergehenden psychischen Belastungsreaktion", im Sinne des § 48 SGB X nicht nachgewiesen (2.). Im Ergebnis hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente als diejenige aus dem Bescheid vom 25. Februar 2000.
1. Nach § 44 Abs. 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Kammer kann offenlassen, ob die Beklagte in den angegriffenen Bescheid überhaupt eine Entscheidung im Sinne des § 44 SGB X getroffen hat. Jedenfalls liegen dessen Voraussetzungen nicht vor. Weder hat die Beklagte das Recht unrichtig angewandt - was zwischen den Beteiligten auch zu keinem Zeitpunkt in Streit stand - noch ist die Beklagte von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht Urteil vom 02. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R zitiert nach juris Rn. 15).
Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht nur eine andere, unfallunabhängige Ursache wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010 (Schönberger et al.), Kap. 1.6.2, S. 28).
Hiervon ausgehend ist die Kammer nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erforderlichen Maße überzeugt, dass bei der Klägerin tatsächlich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf den Unfall vom 14. November 1997 zurückführbare gesundheitliche Folgen vorgelegen haben, die die Beklagte in ihrem Ausgangsbescheid vom 25. Februar 2000 hätte berücksichtigen müssen.
Die Klägerin hat durch das Unfallereignis vom 14. November 1997 eine vorübergehende psychische Belastungsreaktion im Sinne eines Primärschadens erlitten. Die Beklagte hat den Gesundheitszustand der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet bereits im Verwaltungsverfahren eingehend überprüfen lassen und hat ihre diesbezüglichen Feststellungen in dem Ausgangsbescheid vom 25. Februar 2000 im Einklang mit den von ihr eingeholten Gutachten von Dr. M. (Gutachten vom 10. Mai 1999) und Dr. O. (Gutachten vom 10. Dezember 1999) getroffen. Nach den Feststellung von Dr. M. war es bei der Klägerin durch das Unfallereignis zu einer posttraumatischen Belastungsreaktion gekommen, die sich jedoch bereits seinerzeit unter der von Frau Dr. U. und der Psychologin Frau J. durchgeführten Behandlung zurückgebildet hatte. Dr. O. stellte bei seiner Untersuchung der Klägerin im Dezember 1999 dann eine ausgeglichene psychische Situation fest und kam zu dem Ergebnis, dass es trotz der erheblichen Polytraumatisierung nicht zur Entwicklung schwerwiegender psychischer Beeinträchtigungen gekommen ist.
Die Kammer hat diese Gutachten nochmals eingehend überprüft und ist nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte irgendwelche Befunde außer Acht gelassen haben könnte. Insbesondere hat die Kammer keinen Zweifel an den Feststellungen der Sachverständigen Dr. M. und Dr. O. Denn es liegen der Kammer keinerlei Unterlagen einer über Behandlung der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet vor, die den Feststellungen in den Gutachten entgegenstehen könnten. Vielmehr hatte bereits die behandelnde Psychiaterin Dr. U. in ihrem Befundbericht vom 29. September 1998 eine weitreichende Stabilisierung der Klägerin mitgeteilt, die in der Folge auch wieder ihre Halbtagestätigkeit aufnehmen konnte. Insofern erscheint es der Kammer in gewisser Weise konsequent, wenn Dr. O. in seinem Gutachten vom 10. Dezember 1999 in Ermangelung sonstiger krankhaften Befunde eine ausgeglichene psychische Situation bei der Klägerin attestierte, zumal die Klägerin seinerzeit eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin aufgenommen hatte und damit zusätzliche Anhaltspunkte aus dem sozialen Bereich für eine wiederhergestellte Erwerbsfähigkeit auf psychiatrischem Fachgebiet bestanden haben.
Im Ergebnis kann damit nicht positiv festgestellt werden, dass die Kammer bei Erlass ihres Bescheides vom 25. Februar 2000 von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist.
2. Die Kammer ist auch nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass eine Verschlimmerung der anerkannten Unfallfolgen eingetreten ist bzw. weitere Unfallfolgen hinzugekommen sind.
Nach übereinstimmender Auffassung sämtlicher mit der Beurteilung der Gesundheitssituation der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet befassten Ärzte, leidet diese an einer schizoaffektiven Störung gem. ICD-10 F 25.1, wenngleich die Kammer eine kriteriengeleitete Diagnosebegründung den jeweiligen Ausführungen nicht zu entnehmen vermag. Da jedoch sowohl die behandelnden Ärzte der Klinik für Psychiatrie der Uniklinik Frankfurt, Priv-Doz. Dr. med. V., der Stationsarzt W. und die Psychologin X. (Bericht vom 15. Mai 2006), als auch die Ärzte der Kliniken des Main-Taunus-Kreises, Prof. Dr. med. Y. sowie die Ärztinnen Z. und BB. (Bericht vom 26. Juni 2006, 677), sowie der Neurologe und Psychiater Dr. S. (beratungsärztliche Stellungnahme vom 18. Dezember 2006, 690) und der im Auftrag der Kammer von Amts wegen gehörte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. T. (Gutachten vom 3. April 2013, 220) übereinstimmend diese Diagnose gestellt haben, sieht auch die Kammer keine Veranlassung hieran zu zweifeln. Die Kammer geht daher davon aus, dass die Erkrankung der Klägerin im Sinne einer schizoaffektiven Störung ICD-10 F 25.1 im Vollbeweis nachgewiesen ist.
Allerdings ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die schizoaffektive Störung der Klägerin auf das Unfallereignis vom 14. November 1997 zurückzuführen ist.
Denn Nach dem Diagnosemanual der ICD-10 handelt es sich bei der schizoaffektiven Störung um eine solche, bei der sowohl schizophrene als auch depressive Symptome vorliegen und deshalb weder die Diagnose einer Schizophrenie noch einer depressiven Episode gerechtfertigt ist. Diese Kategorie ist sowohl für einzelne Episoden als auch für rezidivierende Störungen zu verwenden, bei denen die Mehrzahl der Episoden schizodepressiv ist.
Wie weiter den Ausführungen von Dr. S. in seinen Stellungnahmen vom 18. Dezember 2006 sowie vom 5. Juni 2013 als auch denen des Sachverständigen Dr. T. in seinem Gutachten vom 3. April 2013 zu entnehmen ist, gibt es bei dieser Erkrankung keine genaue Ursache. Vielmehr ist als Erklärungsmodell von einem multifaktoriellen Modell auszugehen, bei dem biologische (z. B. genetische, infektiöse, metabolische) und psychosoziale Ursachen in einem Wechselspiel die Erkrankung auslösen können - so wie es im Vulnerabilitäts-Stress-Modell dargestellt wird. Danach ist das Überschreiten einer nicht definierten Menge Stress der Faktor, der die Psychose bei einem vulnerablen Menschen ausbrechen lässt. An dieser Ausgangsbasis zu zweifeln hat die Kammer keinen Anlass. Denn auch nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (vgl. Veröffentlichung im Internet unter www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.html) ist das "Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell" das am besten akzeptierte ätiopathogenetische Modell der Schizophrenie. Dieses Erklärungsmodell entspricht daher dem Stand der medizinischen Erkenntnis.
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell geht von einer anlagebedingten Verletzlichkeit aus, die durch äußere Faktoren zum Zusammenbruch des vorgeschädigten Zentralnervensystems führt (vgl. in diesem Zusammenhang: LSG Bayern, Urteil vom 14. November 201 1 - L 2 U 164/1 1 - Rn. 68 m.w.N.). Hypothetische endogene und exogene Stressoren biologischer und psychosozialer Natur, die mit dem in seiner Verarbeitungskapazität reduzierten System interagieren, führen bei nicht ausreichenden Bewältigungsmöglichkeiten (Coping) zu dessen passagerem Funktionsversagen mit der klinischen Konsequenz akuter psychotischer Symptomatik.
Ausgehend hiervon vermag die Kammer jedoch nicht festzustellen, dass das Unfallereignis vom 14. November 1997 oder die hierdurch verursachten Gesundheitsschäden zu der schizoaffektiven Störung geführt haben.
Gegen eine solche Vorstellung spricht im vorliegenden Einzelfall allerdings zum einen der fehlende zeitliche Zusammenhang zwischen der Manifestation der Erkrankung im Sinne einer schizoaffektiven Störung im Dezember 2005 und dem Unfallereignis vom November 1997 und zum anderen das Vorliegen konkurrierender Ursachen für den Ausbruch der Erkrankung.
Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen sieht die zunächst von einer eigenen Begründung ab und verweist auf die ausführliche Darstellung der Krankheitsentwicklung in dem Beschluss des LSG Hessen vom 31. August 2009 - L 3 B 190/08 U - Seite 6f.
Soweit Dr. T. in seinem Gutachten vom 3. April 2013 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2013, einen zeitlichen Zusammenhang anhand von Berichten der behandelnden Ärzte herzustellen versucht, gebietet dies keine andere Sicht der Dinge, Denn nach der insoweit relevanten medizinischen Dokumentation in der Akte ist davon auszugehen, dass die auf das Unfallereignis zurückzuführende psychische Symptomatik spätestens bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr. O. Ende 1999 abgeklungen war, denn der Arzt stellte seinerzeit fest, dass die psychische Situation der Klägerin ausgeglichen sei und es trotz der erheblichen Polytraumatisierung nicht zur Entwicklung schwerwiegender psychischer Beeinträchtigungen, etwa im Sinne einer posttraumatischen Anpassung- oder Belastungsstörung, gekommen sei. An dieser Einschätzung zu zweifeln hat die Kammer keinen Anlass (s.o.). Auch ist erstmals 2003 aktenkundig, dass sich die Klägerin bei dem Dipl.-Psych. R. wegen einer rezidivierenden depressiven Störung behandeln ließ. Angesichts dessen, kann nicht von einem durchgehenden, von psychischen Symptomen geprägten zeitlichen Bezug zwischen dem Unfallereignis bis zur Manifestation der schizoaffektiven Störung gesprochen werden. Die Schilderungen der Klägerin stellen jedenfalls keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung dar (Schönberger et al, a.a.O., S. 148).
Im übrigen ist die im Jahr 1999 bei der Klägerin diagnostizierte HPV-lnfektion und die wahrscheinlich hiermit in Zusammenhang stehende Ausbildungen eines Karzinoms auch mit Blick auf das erneute Auftreten einer psychischen Symptomatik 2003, vorliegend die entscheidenden Stressoren zu sein, die im Sinne des Vulnerabilitäts-Stress-Modells die Psychose bei der Klägerin ausbrechen ließen. Denn auch der behandelnde Psychotherapeut R. hatte diese Erkrankungen für den Ausbruch der psychischen Symptomatik bei gleichzeitgem Wegfall haltegebender beruflicher und privater Aspekte in den Vordergrund gestellt (Bescheinigung vom 26. Juli 2006). In diesem Zusammenhang hatte bereits das LSG in seinem Beschluss vom 31. August 2009 hingewiesen, dass diese Erkrankungen ihrerseits nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden können und daher als konkurrierende Ursachen anzusehen sind.
Angesichts des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs sowie der konkurrierenden Ursachen kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass das Unfallereignis vom 14. November 1997 rechtlich wesentlich ursächlich für die schizoaffektive Störung der Klägerin war. Infolgedessen kann sie weder als Unfallfolge noch als Verschlimmerung bestehender Unfallfolgen behandelt werden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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