L 5 V 1288/01

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 12 V 1778/99
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1288/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a V 1/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. November 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung von Berufsschadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1938 geborene Kläger verlor als 7-jähriges Kind auf der Flucht vor Truppen der Armee der Sowjetunion infolge eines Unfalls seinen linken Unterarm. Durch den letzten bindenden Bescheid vom 23. März 1984 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolgen an: "Verlust des linken Unterarmes, Stumpflänge fünf Zentimeter, Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenkes" und bewertete diese Schädigungsfolgen mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v.H.

Der berufliche Werdegang des Klägers verlief wie folgt: Von April 1946 bis März 1950 besuchte er die Volksschule, von April 1950 bis März 1956 die Realschule, die er mit der mittleren Reife abschloss. Ab Mai 1956 war er als Praktikant in einer Wäscherei tätig. Von Juli 1957 bis Oktober 1957 durchlief er eine Ausbildung als Wäschereikaufmann. Von Dezember 1957 bis April 1958 war er als Aushilfe im elterlichen Betrieb tätig. Von April 1958 bis März 1961 absolvierte er eine kaufmännische Lehre, die er erfolgreich abschloss und war weiterhin bis 1964 im elterlichen Betrieb als Aushilfe tätig. 1965 legte er die Meisterprüfung als Textilpflegemeister ab und war anschließend als Aushilfe im eigenen Betrieb tätig. Von Juli 1972 bis Januar 1977 war er als Meister in einer Großwäscherei tätig. Januar und Februar 1977 arbeitete er als Aushilfe beim Bruder und war ab 21. Februar 1977 arbeitslos gemeldet. Von Oktober 1977 bis Juni 1978 absolvierte er einen Betriebswirtschaftslehrgang über das Arbeitsamt und war ab 24. Juni 1978 wiederum arbeitslos. Von Juli bis Dezember 1979 war er beim Finanzamt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme tätig. Von Juni 1980 absolvierte er für neun Monate einen Lehrgang für Speditionskaufleute, den er mit einer Prüfung abschloss. Nach Abschluss des Lehrgangs hatte er sich zunächst beim Arbeitsamt nicht mehr gemeldet und nach eigenen Angaben ca. dreieinhalb Jahre als Speditionskaufmann gearbeitet. Nach eigenen Angaben meldete er sich am 1. Juli 1983 wiederum arbeitslos und war von März 1984 bis Oktober 1984 als Wasch- und Plättmeister im C. Krankenhaus tätig. Seit 26. Oktober 1984 war der Kläger bis zum Beginn des Rentenbezuges arbeitslos.

Mit dem durch den benannten Bescheid beschiedenen Verschlimmerungsantrag vom 10. August 1982 beantragte der Kläger auch die Gewährung von Berufsschadensausgleich. Einen Antrag auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit lehnte die BfA bestandskräftig durch Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 1984 mit der Begründung ab, der Kläger sei nach den im Rentenverfahren getroffenen medizinischen Feststellungen noch in der Lage, in dem bisherigen Beruf als Wasch- und Plättmeister und als Speditionskaufmann vollschichtig tätig zu sein. Durch Bescheid vom 16. Juni 1996 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Berufsschadensausgleiches ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger bereits vor dem Besuch der Volksschule einen Körperschaden erlitten habe. Nach Abschluss der Realschule und einer vorübergehenden Lehre als Wäschereikaufmann habe er 1961 eine Ausbildung als Industriekaufmann erfolgreich abgeschlossen. Durch die Art der Schädigungsfolge sei er in diesem Beruf nicht so behindert, dass er ihn hätte aufgeben müssen. Selbst wenn er die Lehre als Wäschereikaufmann auf Grund der Schädigungsfolgen hätte abbrechen müssen, so stelle der Beruf eines Industriekaufmanns eine zumindest gleichwertige Tätigkeit dar. Allerdings habe er im Jahre 1965 die Prüfung als Textilpflegemeister abgelegt. Nach eigenen Angaben habe er seine erlernten Berufe nicht weiter ausgeübt, um über den zweiten Bildungsweg das Abitur nachzuholen und anschließend ein Studium für den Beruf des Gewerbelehrers zu beginnen. Die anerkannten Schädigungsfolgen stellten keinen Hinderungsgrund für die Durchführung des Abiturs und eines Studiums dar. Die Aufgabe seines erlernten Berufes und das nicht Erreichen des angestrebten Berufsziels habe er somit selbst zu vertreten und stehe in keinem Zusammenhang mit den Schädigungsfolgen. Die Tatsache, dass er zwischenzeitlich trotz abgeschlossener Ausbildungen als Industriekaufmann, Textilpflegemeister und später als Speditionskaufmann immer nur kurzzeitig eine Arbeitsstelle gefunden habe, hänge mit der allgemeinen Arbeitsmarktsituation zusammen und sei ebenfalls nicht auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13. September 1988 zurück. Die hiergegen vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage (Az. S 24 V 2897/88) wies das Gericht durch rechtskräftiges Urteil vom 18. August 1992 ab und führte zur Begründung aus, mit drei abgeschlossenen Berufsausbildungen liege der Kläger weit über dem Durchschnitt aller nicht beschädigten Bürgerinnen und Bürger. Damit habe er bewiesen, dass er trotz des Verlustes des linken Unterarmes und der linken Hand gut in der Lage sei, Berufe zu erlernen und auch auszuüben. Dass er in den verschiedenen erlernten Berufen jeweils nur kurze Zeit tätig gewesen sei, beruhe auf anderen Gründen als seiner Schädigung. Bereits durch Bescheid vom 5. August 1991 bewilligte die BfA eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, die nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand beruhte.

Zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 1994, präzisiert durch Schreiben vom 24. März 1995, stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag.

Durch Bescheid vom 9. November 1995 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Auch der Widerspruch blieb erfolglos.

Am 5. Januar 1998 stellte der Kläger erneut einen Überprüfungsantrag und führte zur Begründung aus, er erhalte nunmehr eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente. Durch Bescheid vom 9. März 1998 wies der Beklagte den Überprüfungsantrag zurück. Zur Begründung führte er aus, nach den beigezogenen Unterlagen des Rentenversicherungsträgers habe sich im Gesundheitszustand des Klägers, seit Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit, nichts verändert. Die endgültige Rente sei nur auf Grund des Alters und der schlechten Arbeitsmarktsituation bewilligt worden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12. März 1999 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 29. März 1999 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage, die das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 8. November 2001 abgewiesen hat. Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus, die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes lägen nicht vor. Der Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, Berufsschadensausgleich zu gewähren. Das Gericht könne nicht nachvollziehen, wie die Schwierigkeiten des Klägers in seinem Berufsleben mit den anerkannten Schädigungsfolgen in Verbindung stehen sollten. So weit der Kläger seine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit am Arbeitsmarkt gerade darauf zurückführe, dass er sich ohne den linken Unterarm minderwertig fühle, halte das Gericht dies für eine Spekulation, dagegen spreche gerade seine erwiesene Fachkompetenz.

Gegen den am 13. November 2001 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 22. November 2001 eingelegte Berufung, die der Kläger nicht begründete.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. November 2001 sowie den Bescheid vom 9. März 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 16. Juni 1986 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1988 und den Bescheid vom 9. November 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1996 mit Wirkung seit Januar 1994 zurückzunehmen und ihm Berufsschadensausgleich in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Sachverhalt wurde vor dem Hessischen Landessozialgericht am 20. Februar 2003 anlässlich eines Termins mit den Beteiligten erörtert. Die Beteiligten haben sich in diesem Termin übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senat einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Archivakte des Sozialgerichts Frankfurt am Main (Az.: S 24 V 2897/88) und der Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da das Einverständnis der Beteiligten vorliegt (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG).

Die Berufung des Klägers ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht durch Gerichtsbescheid vom 8. November 2001 abgewiesen. Der Bescheid vom 9. März 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1999 ist rechtmäßig. Der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger mit Wirkung vom Januar 1994 Berufsschadensausgleich in gesetzlichem Umfang zu gewähren und den Bescheid vom 16. Juni 1986 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1988 und den Bescheid vom 9. November 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1996 aufzuheben.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist der Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Abs. 4 der Vorschrift bestimmt, dass für den Fall, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden. Nach § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X wird dabei der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Satz 3 bestimmt, dass, sofern die Rücknahme auf Antrag erfolgt, bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, an Stelle der Rücknahme der Antrag tritt.

Der Beklagte hat bei Erlass dieser Bescheide das Recht nicht unrichtig angewandt und ist auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat.

Nach § 30 Abs. 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich. Nach Absatz 4 der Vorschrift ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen.

Für den zu entscheidenden Fall ist zwar unbeachtlich, dass die MdE des Klägers nicht wegen des Vorliegens eines besonderen beruflichen Betroffenenseins im Sinne von § 30 Abs. 2 BVG angehoben wurde. Die Leistungen sind verschiedenartig und selbstständig; ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich setzt keine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG voraus. Für die Kausalität zwischen Schädigungsleiden und Berufsaufgabe kann es allerdings entscheidend bedeutsam sein, ob der Beschädigte seinen Beruf nur unter Anwendung von außerordentlicher Tatkraft nachgehen konnte. Falls dies zu bejahen ist, besteht ein starkes Anzeichen dafür, dass die Schädigungsfolgen neben schädigungsunabhängigen Umständen zumindest eine annähernd gleichwertige Ursache gewesen sind, den Beruf nicht mehr auszuüben (vgl. BSG v. 5. März 1980, 9 RV 81/78, SozR 3100, § 30 Nr. 47).

Zur Überzeugung des Senats ergeben sich aus dem Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der berufliche Lebensweg ohne die anerkannten Schädigungsfolgen anders verlaufen wäre, als mit den anerkannten Schädigungsfolgen, obwohl die Schädigung vor Beginn der Schulausbildung eingetreten ist. Der Einstieg in den Berufsweg als Wäscher und Plätter erscheint folgerichtig, da die Eltern ein entsprechendes Gewerbe ausübten. Die später von ihm durchlaufenen Berufsausbildungen schloss der Kläger allesamt erfolgreich ab. Dem Akteninhalt lassen sich vielfältige Hinweise entnehmen, dass der Kläger nicht schädigungsbedingt gehindert war, die erlernten Berufe auszuüben oder aber zur Ausübung schädigungsbedingt eine besondere Tatkraft erforderlich war. Vielmehr war ursächlich für die häufigen Zeiten der Arbeitslosigkeit ein Überangebot an Arbeitslosen in den Berufbereichen, in denen der Kläger fachliche Kenntnisse besaß. Auch die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit, erstmals mit Wirkung vom 1. Juli 1990, begründet keine andere Vermutung. Wie sich aus den von der BfA beigezogenen Unterlagen aus der Rentenakte ergibt, beruhte die Gewährung der Zeitrente neben den Schädigungsfolgen wesentlich auf einer reaktiven Depression und aber entscheidend auf der Arbeitsmarktlage. Hieran änderte die Umwandlung in eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer nichts, da die Aufhebung der Befristung auf § 102 Abs. 2 S. 2 Sozialgesetzbuch Sechstens Buch (SGB VI) beruhte. Mithin ist davon auszugehen, dass die Schädigungsfolgen nicht im Sinne der wesentlich mitwirkenden Kausalität ursächlich für den Renteneintritt waren.

Der Kläger kann sich vorliegend auch nicht auf eine Beweiserleichterung zur Begründung eines Anspruchs auf Berufsschadensausgleichs bezüglich seines früheren Ausscheidens aus dem Erwerbsleben berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Schädigungsfolgen im Allgemeinen zwar schon dann als wesentliche Ursache für vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und einen dadurch eingetretenen Einkommensverlust anzusehen, wenn sich der Beschädigte auf eine wesentlich durch Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen muss, um gleichzeitig mit dem Ausscheiden eine Altersversorgung zu erlangen (vgl. BSG 10. Mai 1994, 9 RV 14/93, BSGE 74, 195 ff). Damit sind Schwerbeschädigte beim Zugang zum kriegsopferrechtlichen Versorgungsfall des Berufsschadensausgleiches nach § 30 Abs. 3 BVG schwerbehinderten Arbeitnehmern und Beamten gleichgestellt, die mit 60 Jahren allein durch ihren Antrag und die Vorlage des Schwerbehindertenausweises den Versicherungsfall oder den beamtenrechtlichen Versorgungsfall herbeiführen können. Schwerbeschädigten wird nicht zugemutet, was Schwerbehinderten nach dem Rentenversicherungs- und Beamtenversorgungsrecht erspart bleibt, und was Verwaltungsbehörden und Gerichte überfordern würde: den Nachweis zu führen, dass schädigungsbedingte, gesundheitliche Gründe für die Berufsaufgabe maßgeblich waren, wenn mit 60 Jahren Altersruhegeld vorzeitig in Anspruch genommen worden ist (BSG vom 4. Juli 1989, 9 RV 16/88, SozR 3100, § 30 Nr. 78). Hier liegt der Fall indessen anders: Der Kläger hat seinen Rentenanspruch vorliegend gerade nicht auf schädigungsabhängige Gründe stützen können, so dass kein Raum für die Beweiserleichterung verbleibt (vgl. im Allgemeinen BSG v. 9. November 1997, 9 RV 4/96, BSGE 81, 150 ff).

Schließlich verbleibt auf Grund des Vorgesagten nach Ansicht des Senats kein Raum für die Anwendung der Regelung über Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 14 Buchst. b BVG i.V.m. § 7 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV).

Wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluss der Schulausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, hat nicht der Gesetzgeber, sondern die dazu - jetzt in § 30 Abs. 14 Buchst b BVG - ermächtigte Bundesregierung in der BSchAV bestimmt: Das Vergleichseinkommen richtet sich nach den Besoldungsgruppen des BBesG (§ 2 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 BSchAV). In welche dieser Besoldungsgruppen der Beschädigte einzustufen ist, entscheidet sich nach seiner Veranlagung und seinen Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung seiner Eltern und sonstiger Lebensverhältnisse. Welches Einkommen ein Beschädigter ohne die Schädigung wahrscheinlich erzielt hätte, ergibt sich im Allgemeinen aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und mit dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte (§ 30 Abs. 5 Satz 1 BVG). Das Gesetz fordert damit eine Prognose des wahrscheinlich nach der Schädigung eingetretenen weiteren Berufsweges unter Berücksichtigung aller bis dahin erkennbar gewordenen einschlägigen Gesichtspunkte (vgl. BSG SozR 1300, § 45 Nr. 49). Es stellt damit auf den volljährigen Soldaten ab, der durch eine im Militärdienst erlittene Schädigung aus dem bis dahin zurückgelegten Berufsleben herausgerissen worden ist. Bei einem minderjährigen Schüler dagegen gibt es noch keine berufliche Entwicklung, die sich weiterdenken ließe. Statt einer Prognose des nach Abschluss der Schulausbildung wahrscheinlich ergriffenen Berufs fordert die BSchAV deshalb - nach den in § 7 Abs. 1 Satz 2 genannten Kriterien - lediglich eine Prognose über den vermutlichen Schulabschluss. Das Durchschnittseinkommen wird dann - ähnlich wie bei Selbstständigen (§ 5 Abs. 1 BSchAV) - aus der Beamtenbesoldung entnommen, einem gestuften und berufsübergreifenden Vergütungssystem, innerhalb dessen die maßgebliche Besoldungsgruppe sich im Wesentlichen nach dem jeweils erreichten Schul- (oder Hochschul-) Abschluss richtet (vgl. BSG v. 29. Juli 1998, B 9 V 14/97 R, SozR 3-3642, § 7 Nr. 1; BSG v. 18. September 2003, B 9 V 71/02 R, Juris RegNr. 26330).

Indessen setzt § 7 Abs. 1 BSchAV tatbestandlich voraus, dass der Beschädigte durch die Schädigung in seinem beruflichen Werdegang behindert ist. Dies ist vorliegend beim Kläger aber gerade nicht – wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben – der Fall. Aus diesem Grunde scheidet die Anwendung der Spezialvorschrift zur Berechnung des Berufsschadensausgleichs deshalb aus, weil der Schutzzweck der Norm eine Entschädigung nicht gebietet.

Aus diesen Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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