L 7/10 AL 897/02

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1/7 AL 968/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7/10 AL 897/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a AL 70/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juni 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) im Wege des Herstellungsanspruchs im Streit.

Der Kläger ist von Beruf Chemiker und war in der Zeit vom 1. September 1970 bis zum 31. März 1997 als leitender Angestellter bei der Firma C. AG beschäftigt. Mit Aufhebungsvertrag vom 27. Dezember 1995 wurde das Arbeitsverhältnis nach dem Wortlaut des Aufhebungsvertrages auf Veranlassung der Firma C. AG aus betrieblichen Gründen im gegenseitigen Einvernehmen zum 31. März 1997 beendet. Nach dem Inhalt des Vertrages war eine Ende April 1997 zahlbare Abfindung in Höhe von 530.000,00 DM vereinbart.

Am 26. März 1997 meldete sich der Kläger im Rahmen einer in den Räumen der Firma C. AG vom Zeugen D. durchgeführten Gruppenberatung der Beklagten schriftlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg, jeweils zum 1. April 1997. In der Folgezeit teilte der Kläger der Beklagten mit, dass wegen der bei ihm anerkannten Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 90 eine betriebsbedingte Kündigung nicht möglich gewesen und daher die o. g. Vereinbarung geschlossen worden sei. Mit Bescheid vom 3. September 1997 stellte die Beklagte fest, dass wegen der dem Kläger gewährten Abfindung in Höhe von 530.000,00 DM und wegen eingetretener Sperrzeit der Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 3. November 1997 gemäß § 117a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe. Mit Bescheid vom 9. September 1997 stellte die Beklagte fest, dass der Alg-Anspruch des Klägers im Hinblick auf die gewährte Abfindung bis zum 30. Juni 1997 gemäß § 117 Abs. 2 und 3 AFG ruhe. Mit Bescheid ebenfalls vom 9. September 1997 stellte die Beklagte fest, dass für die Zeit vom 1. April 1997 bis 23. Juni 1997 (12 Wochen) eine Sperrzeit gemäß §§ 119, 119 a AFG eingetreten sei, und führte zur Begründung aus, dass im Hinblick auf die im Falle des Klägers anzuwendenden Kündigungsschutzbestimmungen eine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht zulässig gewesen wäre, und ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers nicht erkennbar sei. Durch Bewilligungsbescheid vom 5. September 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 4. November 1997 für die Dauer von längstens 516 Wochentagen. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Mit Schreiben vom 27. April 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Alg-Anspruch voraussichtlich am 28. Juni 1999 erschöpft sei.

Mit Schreiben vom 20. November 1999 beantragte der Kläger, seinen Anspruch auf Alg unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Beschluss vom 4. August 1999 (B 7 AL 38/98) zu korrigieren und neu festzulegen. Mit Bescheid vom 26. November 1999 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag vom 20. November 1999 ab und führte zur Begründung aus, dass keine neuen Tatsachen vorgetragen oder sonstige Anhaltspunkte erkennbar seien, aufgrund derer sich die getroffene Entscheidung als fehlerhaft erweisen könne (§ 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 17. Dezember 1999 Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass eine Minderung der Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) bei Ablauf von mehr als einem Jahr zwischen dem Eintritt des Sperrzeitereignisses, also dem Abschluss des Auflösungsvertrages, und dem Beginn der Arbeitslosigkeit vergangen sei, ausgeschlossen sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das die Sperrzeit nach § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG begründende Ereignis das Ende des Beschäftigungsverhältnisses und nicht wie vom Kläger angenommen der Zeitpunkt des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages sei.

Am 16. März 2000 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat er die Auffassung vertreten, dass ein wichtiger Grund im Sinne von §§ 119, 119 a AFG für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestanden hätte. Der Arbeitsplatz des Klägers sei nach Durchführung von durch einen Unternehmensberater vorgeschlagenen Umstrukturierungsmaßnahmen in Wegfall geraten und es habe keine andere adäquate Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger gegeben. Seinerzeit sei in großem Maße Personal abgebaut worden. Während bei den ebenfalls betroffenen Kollegen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen worden seien, hätte die Firma C. AG dem Kläger wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft einen Aufhebungsvertrag angeboten, den dieser nur unterzeichnet habe, da er keine Möglichkeit der Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses auf einer seiner vorherigen Position angemessenen Stelle gesehen habe. Dessen ungeachtet lägen die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches vor, aufgrund dessen der Kläger in den Genuss der maximalen Laufzeit des Alg von 32 Monaten kommen müsse, denn der Kläger hätte bei Stellung des Alg-Antrags auf die Konsequenzen des § 110 Nr. 2 letzter Halbs. AFG, wonach vorliegend die Minderung der Anspruchsdauer bei einer Antragstellung zum 1. April 1998 entfallen wäre, hingewiesen werden müssen. Die Beklagte habe daher ihre Beratungspflicht verletzt. Es sei offenkundig, dass der Kläger angesichts der gewährten Abfindungssumme in der Lage gewesen wäre, den Alg-Bezug um weitere 5 Monate hinauszuschieben. Nach der Rechtsprechung des BSG hätte die Beklagte auch von sich aus im Wege einer sog. "Spontanberatung" auf die Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen müssen.

Mit Urteil vom 27. Juni 2002 verurteilte das SG unter Aufhebung des Bescheides vom 26. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2000 die Beklagte, dem Kläger Leistungen in gesetzlichem Umfang ab 1. April 1998 für die Dauer von insgesamt 31 Monaten zu zahlen. Zur Begründung vertrat es die Auffassung, dass die Voraussetzungen des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erfüllt seien. Insbesondere habe die Beklagte die ihr vorliegend obliegende Beratungspflicht verletzt. Im Hinblick auf die dem Kläger gezahlte Abfindung sei es nahe liegend gewesen, dass der Kläger auch einen weiteren Zeitraum von weniger als fünf Monaten hätte überbrücken können. Die Verschiebung der Antragstellung durch den Kläger wäre auch noch möglich gewesen. Denn zur Verwirklichung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei es erforderlich, den Betroffenen zu gestatten, eine eigentlich nicht mehr zulässige Handlung nachzuholen, um damit alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale eines Leistungsanspruchs oder einer sonstigen Berechtigung zu erfüllen.

Gegen das ihr am 17. Juli 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. August 2002 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, die für den Anspruch zu fordernde, klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeit und deren offensichtliche Zweckmäßigkeit seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall habe der Kläger nicht bereits selbst den Alg-Antrag um mehrere Monate aufgeschoben, so dass für die Beklagte nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sei, ob der Kläger einen Arbeitslosengeldausfall von 12 Monaten finanziell hätte überbrücken können. Der Beklagten sei zwar die Höhe der Abfindung bekannt gewesen, jedoch nicht die finanzielle Situation des Klägers. Im Übrigen hätte es auch an der offensichtlichen Zweckmäßigkeit der Gestaltungsmöglichkeit gefehlt, da der Kläger dann 12 Monate lang nicht rentenversichert gewesen wäre und in diesem Zeitraum die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung hätte tragen müssen. Im Übrigen hätte nach den ab 1. Januar 1998 maßgeblichen Regelungen des § 117 SGB III die – nicht zurücknehmbare – Arbeitslosmeldung auch ohne den – nach neuem Recht materiell-rechtlich unbeachtlichen – Antrag auf Gewährung von Alg am 1. Januar 1998 sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen, ohne dass die Jahresfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen wäre, mit der Folge, dass eine Minderung des Anspruchs eingetreten sei. Im Übrigen habe das SG verkannt, dass dem Kläger selbst bei einem Anspruchsbeginn am 1. April 1998 nicht die volle Anspruchsdauer von 960 Tagen, sondern nur für die Dauer von 815 Tagen, d. h. bis zum 23. Juni 2000 zugestanden hätte. Dies folge aus §§ 110 Nr. 1 a, 117 a AFG i.V.m. §§ 224 x Abs. 4 AFG, § 427 Abs. 6 SGB X in der bis 31. März 1999 geltenden Fassung.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juni 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger trägt vor, dass er ohnehin sieben Monate nicht renten-, kranken- und pflegeversichert gewesen wäre und auch weitere fünf Monate diese Versicherung hätte finanzieren können. Er hätte aber anstelle der aufgrund der Nichtberatung eingetretenen nur 19,5-monatigen Versicherungszeit eine Versicherungsdauer von 31 Monaten erhalten. Hinsichtlich der Frage nach der maßgeblichen Rechtslage sei zu berücksichtigen, dass der Zeitpunkt der Pflichtverletzung der Beklagten im Jahre 1997 liege, so dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Beratung noch 1997 den Antrag auf Alg ab 1. April 1997 zurückgenommen und einen solchen mit Wirkung ab 1. April 1998 gestellt hätte. Hinsichtlich des Zeitraums des Leistungsanspruchs sei zu beachten, dass der Kläger vor dem 14. Februar 1996 eine Vereinbarung getroffen habe, mit welcher das Arbeitsverhältnis nach dem 13. Februar 1996 beendet worden sei. Auch bei einem Leistungsbezug ab 1. April 1998 habe der Kläger innerhalb der drei-jährigen Rahmenfrist mehr als 360 Tage vor dem 1. April 1997 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Aufgrund der anzuwendenden Übergangsvorschrift des § 242 x AFG sei § 106 AFG auch im Jahre 1998 auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Da der Kläger das 54. Lebensjahr vollendet gehabt hätte, sei ein Leistungsbezug für die Zeit von 823: 26 = 32 Monate gegeben.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll (Blatt 176-178 der Gerichtsakte) verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (ein Band) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die auf den Überprüfungsantrag des Klägers hin erfolgte Entscheidung der Beklagten, die Entscheidungen betreffend den Anspruch auf Gewährung von Alg nicht zurückzunehmen bzw. abzuändern, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 44 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass beim Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zu nehmen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Bei Erlass der Bescheide vom 3. und 9. September 1997 ist weder bezüglich der Feststellung des streitigen Eintritts einer Sperrzeit noch bei der ebenfalls im Streit stehenden Bestimmung der Anspruchsdauer auf Gewährung von Alg das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Der Kläger hat sich unstreitig zum 1. April 1997 arbeitslos gemeldet und ab diesem Zeitpunkt die Gewährung von Alg beantragt. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte unter Berücksichtigung des Aufhebungsvertrages vom 27. Dezember 1995, der dem Kläger gewährten Abfindung in Höhe von 530.000,00 DM, der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, der Höhe seines Arbeitsentgelts und des Ausschlusses einer ordentlichen Kündigung mit Bescheiden vom 9. September 1997 den Eintritt einer 12wöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 1. April 1997 bis zum 23. Juni 1997 und das Ruhen des Alg-Anspruchs im Hinblick auf die gewährte Abfindung bis zum 30. Juni 1997 nach § 117 Abs. 2, 3 AFG sowie mit Bescheid vom 3. September 1997 das Ruhen des Anspruchs wegen der Abfindung für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 3. November 1997 nach § 117a AFG und die Minderung des Anspruchs auf Alg für eine entsprechende Dauer gemäß § 110 AFG festgestellt sowie durch Bewilligungsbescheid vom 5. September 1997 dem Kläger Alg ab 4. November 1997 für die Dauer von längstens 516 Wochentagen bewilligt.

Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 9. September 1997 zu Recht festgestellt, dass im Falle des Klägers in der Zeit vom 1. April 1997 bis zum 23. Juni 1997 eine 12wöchige Sperrzeit eingetreten ist, der Anspruch auf Alg für diesen Zeitraum ruht und die Sperrzeit den Anspruch auf Alg um 208 Tage mindert (§§ 119, 119a, 110 Satz 1 Nr. 2 AFG). Nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 119a AFG tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat durch Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 27. Dezember 1995 sein Arbeitsverhältnis als leitender Angestellter bei der Fa. C. AG mit Wirkung zum 31. März 1997 vorzeitig gelöst. Insoweit ist ausreichend, dass er durch seine Zustimmung zu diesem Vertrag eine wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt hat. Unerheblich ist, ob die Initiative von ihm oder dem Arbeitgeber ausgegangen ist (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 28). Durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. März 1997 hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit auch vorsätzlich herbeigeführt. Er hatte keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz und wusste dies auch. Darüber hinaus stellen die vom Kläger dargelegten Umstände, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrages geführt haben, auch keinen wichtigen Grund im Sinne von § 119 AFG dar. Ein solcher wichtiger Grund könnte nur dann angenommen werden, wenn dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht hätte zugemutet werden können. Grundgedanke der Sperrzeitregelung ist es, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Ein solcher Grund liegt nicht allein in der Zahlung einer Abfindung. Erforderlich sind vielmehr überlagernde Sachzwänge in der betrieblichen Situation des Arbeitnehmers. Hinzu kommt, dass sich der wichtige Grund nicht nur auf die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag als solchen, sondern auch auf den Zeitpunkt der Auflösung beziehen muss (BSGE 52, 267, 277; 66, 94, 97). Besondere Umstände können dann gegeben sein, wenn dem Arbeitnehmer eine rechtmäßige Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund zu dem Zeitpunkt zumindest droht, zu dem er das Arbeitsverhältnis löst und er durch eine einverständliche Lösung des Arbeitsverhältnisses Nachteile vermeiden kann, die sich durch eine Kündigung des Arbeitgebers für sein berufliches Fortkommen ergeben (BSG, Urteil vom 2. September 2004, B 7 AL 18/04 R). Gründe, aus denen vorliegend dem Kläger ein anderes Verhalten, als der Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht zumutbar gewesen sein könnte, sind nicht erkennbar. Besondere Umstände im o.g. Sinne liegen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers insbesondere zu der seinerzeit erfolgten Umstrukturierung des Unternehmens nicht vor, insbesondere da angesichts der seinerzeit bestehenden Schwerbehinderung des Klägers eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung anstelle der Aufhebungsvereinbarung nicht zulässig und nicht zu erwarten war. Dem Kläger wäre zuzumuten gewesen, abzuwarten, ob die Arbeitgeberin im Hinblick auf die gravierenden Umstrukturierungsmaßnahmen eine außerordentliche Kündigung aussprechen würde. Eine derartige Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand im Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung keineswegs konkret im Raum, wie sich namentlich aus dem Inhalt des Schreibens der Firma C. AG vom 14. August 1997 ergibt, in dem lediglich ausgeführt wird, dass im Falle des Klägers wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft auf die im Rahmen des allgemeinen Personalabbaus übliche betriebsbedingte Kündigung verzichtet worden sei. Auch der Kläger hat das Drohen einer außerordentlichen Kündigung nicht behauptet, sondern im Gegenteil in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass ein solches Verhalten bei der Firma C. AG undenkbar gewesen wäre. Danach ist davon auszugehen, dass dem Kläger eine außerordentliche Kündigung nicht drohte mit der Folge, dass ihm ein anderes Verhalten als der Abschluss der Aufhebungsvereinbarung zumutbar war. Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte für die Annahme einer besonderen Härte vor. Nach § 119 Abs. 2, § 119a AFG umfasst die Sperrzeit 6 Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Maßgebliche Tatsachen sind nur solche, die mit dem Eintritt der Sperrzeit in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 32; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 11). Wirtschaftliche Folgen der Sperrzeit, die nicht Grundlage des für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Verhaltens des Arbeitslosen waren, bleiben demgegenüber außer Betracht. Vorliegend bedeutet eine 12wöchige Sperrzeit nach diesen Grundsätzen für den Kläger keine besondere Härte.

Da neben dem damit gegebenen Eintritt einer Sperrzeit auch die Voraussetzungen des § 117a AFG im Übrigen erfüllt waren, hat die Beklagte im Hinblick auf die gewährte Abfindung in Höhe von 530.000,00 DM unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts pro Kalendertag in Höhe von 649,83 DM und Abzug der Dauer des tatsächlichen Ruhens vom 1. April 1997 bis 30. Juni 1997 nach § 117 Abs. 2 AFG zu Recht das Ruhen für (weitere) 126 Kalendertage bzw. 108 Arbeitstage gemäß § 117a Abs. 2 AFG errechnet und gemäß § 110 Satz 1 Nr. 1a AFG in Abzug gebracht. Im Hinblick auf § 110 Satz 1 Nr. 2 AFG hat sie ebenfalls zutreffend ausgehend von einer Anspruchsdauer von 832 Tagen wegen des Eintritts einer Sperrzeit eine Minderung um ein Viertel, also 208 von 832 festgestellt. Ausgehend von 832 Tagen waren daher 208 und 108 Tage abzuziehen, sodass eine Anspruchsdauer von 516 Tagen verblieb. Im Hinblick auf den abfindungsbedingten Ruhenszeitraum bis 3. November 1997 hat die Beklagte den Beginn des Anspruchs auf Alg zu Recht auf den 4. November 1997 bestimmt.

Der Kläger kann die von ihm begehrte Verlängerung der Bewilligungsdauer nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erreichen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch setzt zunächst voraus, dass ein Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht insbesondere zur Auskunft und Beratung (Sozialgesetzbuch Band I –SGB I-) verletzt hat (vgl. BSGE 76, 84, 90; 71, 17, 22). Der Sozialleistungsträger ist dabei auch von Amts wegen gehalten, Leistungsempfänger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses von sich aus "spontan" auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12 m.w.N.). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liegt, allein nach den objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 16 S. 50; BSG SozR 5070 § 10 Nr. 25, S. 56 m.w.N.). Für einen Hinweis auf eine derartige Gestaltungsmöglichkeit bestand zunächst im Rahmen der am 26. März 1997 in den Räumen des ehemaligen Arbeitgebers von der Beklagten durchgeführten Gruppenberatung kein Anlass. Die Einvernahme des Zeugen D. hat die diesbezüglichen Angaben des Klägers bestätigt, dass diese Veranstaltung mit einer Teilnehmerzahl in einer Größenordnung von jedenfalls einhundert oder mehr Arbeitnehmern durchgeführt wurde. Danach konnte bereits im Hinblick auf die Größe dieser Veranstaltung der Mitarbeiter der Beklagten besondere Umstände des Einzelfalls objektiv nicht überblicken. Der Ablauf dieser Veranstaltung als solcher rechtfertigt auch nicht die Annahme einer Pflichtverletzung. Denn nach der glaubhaften Aussage des Zeugen D., der der Kläger nicht widersprochen hat, wurden Arbeitnehmer, die besondere Fragen gestellt haben, an die jeweils kompetenten Mitarbeiter im Arbeitsamt verwiesen.

Speziell bezogen auf den Kläger bestand im Übrigen zur Zeit der Sammelberatung kein Anlass für die von ihm nunmehr eingeforderte Beratung. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Voraussetzungen für die Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit und des Ruhens bzw. der Laufzeit des Alg-Anspruchs im Falle des Klägers noch gar nicht abschließend ermittelt und konnten daher auch ungeachtet der Größe der Veranstaltung von der Beklagten noch nicht Anlaß für eine entsprechende individuelle Beratung des Klägers sein. Die diesbezüglichen Ermittlungen der Beklagten dauerten in den Folgemonaten noch an. Unter anderem wurden die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers mit Schreiben vom 1. August 1997 und der Kläger selbst mit Schreiben vom 21. August 1997 zu den näheren Umständen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses befragt, bevor mit Bescheiden vom 3. und 9. September 1997 der Eintritt einer Sperrzeit und der Ruhenstatbestände bzw. die Dauer des Alg-Anspruchs festgestellt wurden. Bereits angesichts dieser Umstände liegt auf der Hand, dass weder zum Zeitpunkt der Gruppenberatung im März 1997 noch in der Folgezeit eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger wegen der evt. Folgen des Eintritts einer Sperrzeit bezüglich des Zeitpunkts der Beantragung von Alg zu beraten, bestand.

Auch zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte zu der (richtigen) rechtlichen Einschätzung kam, der Anspruch des Klägers mindere sich im Hinblick auf die gewährte Abfindung und wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit, hätte sie nicht gedrängt sehen müssen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass im Falle einer späteren Beantragung der Gewährung von Alg eine Minderung der Anspruchdauer entfalle. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Eintritt der Sperrzeit und die Anspruchsminderung zwar zutreffend festgestellt hat, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung, namentlich der Eintritt der Sperrzeit, jedoch vom Kläger im Verwaltungs- und Klageverfahren vehement bestritten worden ist. Bereits aus diesem Grund erscheint zweifelhaft, ob hier ein Fall einer offenkundigen Gestaltungsmöglichkeit vorgelegen hat. Hätte der Kläger mit seiner die Sperrzeit betreffenden Rechtsauffassung Erfolg gehabt, hätte sich die Frage der Anspruchsminderung überhaupt nicht gestellt. Der Kläger stellt sich daher mit seiner Argumentation, es habe eine klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeit bestanden, in Widerspruch zu seinem eigenen im Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren verfolgten Begehren, das neben der Verhinderung der wirksamen Feststellung einer Sperrzeit auch auf Gewährung von Alg ab 1. April 1997 und damit vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an gerichtet war. Der Kläger hatte damit anders als etwa in dem vom BSG entschiedenen Fall (Urteil vom 5. August 1999, B 7 AL 38/98 R), in dem der Antrag auf Gewährung von Alg bereits um 8 Monate aufgeschoben worden war, vorliegend der Beklagten keinen Hinweis gegeben, Nachteile abwenden zu wollen. Darüber hinaus war keineswegs offenkundig, dass der Kläger wirtschaftlich weitere 5 Monate hätte überbrücken können, wie dies im Falle des Gebrauchmachens von der Gestaltungsmöglichkeit erforderlich gewesen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits zuvor 7 Monate lang kein Alg bezog. Auch wäre der Kläger dann insgesamt 12 Monate nicht rentenversichert gewesen und hätte für diesen Zeitraum die Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen gehabt. Vor diesem Hintergrund genügt der Umstand, dass der Kläger im Hinblick auf die der Beklagten bekannt gewesene Höhe der Abfindung über eine gewisse finanzielle Absicherung verfügte, zur Begründung einer offensichtlichen, zweckmäßigen Gestaltungsmöglichkeit nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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