L 5 R 145/05

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 9 RA 1509/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 145/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 37/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 streitig. Der Kläger begehrt die Erhöhung seiner Altersrente für schwerbehinderte Menschen zum 1. Juli 2004 um 1,1 Prozentpunkte.

Der 1943 geborene Kläger ist gelernter Bankkaufmann. Nach Abschluss seiner Lehre arbeitete er bis Ende Juni 1977 als Bankkaufmann und anschließend bis zum 31. Oktober 1986 als Betriebsorganisator. Nach einer Beschäftigung als Geschäftsstellenleiter bis Ende Oktober 1989 war der Kläger vom 1. Februar 1992 bis zum 31. Mai 1992 zuletzt als Controller berufstätig. In der Folgezeit war der Kläger nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt. Auf seinen Antrag vom 25. Februar 1999 bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 19. November 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Februar 1999, die ab 1. Januar 2000 2.862,46 DM monatlich betrug. Der Bescheid weist eine Zurechnungszeit von 127 Monaten aus. Ein Überprüfungsantrag vom 18. April 2000 hinsichtlich der Berechnung der Zurechnungszeiten wurde durch Bescheid vom 23. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2000 bindend abgelehnt.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2004 an die Beklagte wandte sich der Kläger gegen die beabsichtigte Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004.

Durch Bescheid vom 1. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2004 lehnte die Beklagte die Anpassung der vom Kläger bezogenen Rente zum 1. Juli 2004 ab. Die Beklagte führte in den Bescheiden aus, durch Artikel 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 27. Dezember 2003 sei festgelegt worden, dass sich der aktuelle Rentenwert und der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 1. Juli 2004 nicht verändere. Dies habe zur Folge, dass eine Änderung in der Höhe der Rente nicht eintrete. Der Gesetzgeber habe in der Vergangenheit bereits mehrfach vergleichbare Regelungen getroffen. Der mit der Aussetzung der Rentenanpassung verbundene finanzielle Beitrag zur Konsolidierung der Finanzsituation in der Rentenversicherung stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentumsrechte dar. Bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung handele es sich um Dauerleistungen, die in besonderem Maße den sich ändernden Verhältnissen unterworfen seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stelle die gesetzliche Rentenversicherung eine Solidargemeinschaft dar, deren Rechte und Pflichten im Laufe der Zeit vielfachen Veränderungen unterliegen könnten. So würden Veränderungen der Wirtschaftslage oder auch des Verhältnisses zwischen Rentnern und der die Versicherung durch ihre Beiträge tragenden, noch im Erwerbsleben stehenden Generation vielfach Anpassungen ermöglichen oder erfordern. Wer einer so geprägten Solidargemeinschaft beitrete, erwerbe nicht nur die mit einem solchen System verbundenen Chancen, sondern trage mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken (BVerfGE 58, 81 (123)). Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des BVerfG sei auch Artikel 2 des Zweiten SGB VI-Änderungsgesetzes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Mit seiner am 27. Juli 2004 vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen die nicht erfolgte Änderung des aktuellen Rentenwerts nach § 65 SGB VI zum 1. Juli 2004. Er begehrte eine Erhöhung und dementsprechende Neuberechnung seiner Altersrente um 1,1 Prozentpunkte. Die Anpassung der Renten sei jedenfalls so vorzunehmen, dass die Rentner vor inflationsbedingten Kaufkraftverlusten bewahrt würden, soweit die Kaufkraft der Aktivbeschäftigten nicht ebenfalls sinke. Der Kläger legte das Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 120/00 R vor. Der Kläger war der Auffassung, nach diesem Urteil sei eine Verschiebung einer jährlichen Anpassung des aktuellen Rentenwerts nicht mehr zulässig. Mit Schriftsatz vom 14. April 2005 begehrte der Kläger im Rahmen einer Klageerweiterung die Verurteilung der Beklagten, den aktuellen Rentenwert zum 1. Juli 2005 um 1,6 % zu erhöhen und eine entsprechende Neuberechnung der Altersrente vorzunehmen, um einen inflationsbedingten Kaufkraftverlust der Renten im Jahre 2005 zu verhindern.

Die Beklagte verwies demgegenüber auf die Begründung der angefochtenen Bescheide.

Durch Urteil vom 12. Mai 2005 wies das Sozialgericht Wiesbaden die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die in Bezug auf die Erhöhung des aktuellen Rentenwerts zum 1. Juli 2005 um 1,6 % und Neuberechnung der Altersrente erweiterte Klage sei unzulässig, denn es fehle an einer Sachentscheidungsvoraussetzung, nämlich an einem in einem Vorverfahren angegriffenen Verwaltungsakt der Beklagten. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, eine Anpassung des Zahlbetrags der Rente mit Wirkung zum 1. Juli 2004 um 1,1 % vorzunehmen. Das Sozialgericht sah im Hinblick auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2004 von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG). Das Sozialgericht wies ergänzend darauf hin, die Beklagte habe zutreffend ausgeführt, dass Artikel 2 des Zweiten SGB VI-ÄndG die Aussetzung der in § 65 SGB VI vorgesehenen Anpassung der Renten zum 1. Juli eines jeden Jahres für das Jahr 2004 anordne. Artikel 2 Abs. 2 des Zweiten SGB VI-ÄndG stelle eine Sonderregelung zu § 65 SGB VI dar. Das Aussetzen der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 verletze den Kläger nicht in seinen Grundrechten. Ein Verstoß gegen das Eigentumsrecht aus Artikel 14 Grundgesetz (GG) liege nicht vor. Die in §§ 65, 68 SGB VI geregelte lohn- und gehaltsorientierte Rentenanpassung unterfalle dem Eigentumsschutz des Artikel 14 GG insoweit, als sie innerhalb der Systemgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung dem Schutz bereits erworbener geldwerter Rechte vor inflationsbedingten Einbußen, also dem Schutz des realen Geldwertes des Rechts auf Rente zu dienen bestimmt ist (BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 120/00 R). Die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie der Rentenanpassung ergebe sich aus den Bestimmungen über Inhalt und Schranken des Eigentums, deren Erlass Aufgabe des Gesetzgebers sei (Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Durch die Bestimmung des Artikel 2 des Zweiten SGB VI-ÄndG werde den Rentnern das eigentumsgeschützte Recht auf Rentenanpassung nicht auf Dauer entzogen. Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG verleihe dem Gesetzgeber die Befugnis, den Inhalt und die Schranken eigentumsrechtlich geschützter Positionen zu beschränken, zu kürzen oder umzugestalten, wenn dies durch Gründe des öffentlichen Interesses und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sei. Dabei stehe dem Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit zu, da auch in den Renten die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt sei. Im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG seien Beschränkungen des Rechts auf Rentenanpassung zum Zwecke des Allgemeinwohls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit möglich. Durch die im Zweiten SGB VI-ÄndG getroffenen Maßnahmen zur Dämpfung des Beitragssatzes habe die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten und die Vermeidung des weiteren Anstiegs von Lohnzusatzkosten zur Sicherung von Beschäftigungen und positiven Auswirkungen auf die nachhaltige Sicherung der Finanzierungsgrundlagen bewirkt werden sollen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Als Mittel der Ausgabenkürzung sei die vorübergehende Aussetzung der Rentenanpassung geeignet und erforderlich, um eine Erhöhung des Beitragssatzes zu vermeiden und die Finanzierungsgrundlage des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern. Die Aussetzung der Rentenanpassung sei zur Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne der Wahl des schonendsten Mittels erforderlich. Ein Abwägungsdefizit des Gesetzgebers sei nicht erkennbar.

Gegen dieses dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 14. Mai 2005 zugestellte Urteil richtet seine mit Schriftsatz vom 25. Mai 2005 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 27. Mai 2005 – eingelegte Berufung, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger verweist erneut auf das von ihm vorgelegte Urteil des Bundessozialgerichts und macht geltend, danach seien die Renten, soweit die Kaufkraft der Aktivbeschäftigten nicht sinke, in jedem Fall so anzupassen, dass die Rentner vor inflationsbedingten Kaufkraftverlusten geschützt würden. Erworbene geldwerte Rechte seien vor inflationsbedingten Einbußen auf jeden Fall zu schützen und entsprechend den jeweiligen jährlichen Inflationsraten anzupassen, um keinen Verstoß gegen das Grundgesetz zu bewirken. Durch den steigenden Kaufkraftverlust werde eine große Anzahl der Rentner in die Altersarmut getrieben. Die Klageerweiterung auf die Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2005 werde zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2004 zu verurteilen, den aktuellen Rentenwert zum 1. Juli 2004 um 1,1 Prozentpunkte zu erhöhen und dementsprechend seine Altersrente ab 1. Juli 2004 neu festzustellen sowie die entsprechende Nachvergütung mit 5 % p.a. über dem Basiszins der EZB ab 1. Juli 2004 zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte nimmt auf ihren bisherigen Sachvortrag und auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils Bezug. Die Berufungsbegründung richte sich ausschließlich gegen Maßnahmen des Gesetzgebers, so dass erneut darauf hinzuweisen sei, dass die Beklagte gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sei. Die Annahme des Klägers, dass eine große Anzahl der Rentner in Altersarmut getrieben werde, sei ausweislich der vom Statistischen Bundesamt vorgelegten Zahlen falsch.

Der Senat hat das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Januar 2005 – L 4 RA 60/04 beigezogen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (vgl. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Mai 2005 ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2004 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Altersrente des Klägers unter Berücksichtigung des neuen aktuellen Rentenwerts im Sinne von § 68 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) zum 1. Juli 2004 anzupassen.

Zwar bestimmt § 65 SGB VI, dass die Renten zum 1. Juli eines jeden Jahres angepasst werden, indem der bisherige aktuelle Rentenwert durch den neuen aktuellen Rentenwert ersetzt wird. Die Bestimmung des aktuellen Rentenwerts ist in § 68 SGB VI geregelt. Der aktuelle Rentenwert ist der Faktor der Rentenformel, der die weitere Dynamisierung der Renten bewirkt. Indessen wird in Artikel 2 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB VI-ÄndG) vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3013), der am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (Artikel 13 Abs. 1 2. SGB VI-ÄndG) bestimmt, dass zum 1. Juli 2004 der aktuelle Rentenwert und der aktuelle Rentenwert (Ost) nicht verändert werden. Artikel 2 Abs. 2 des 2. SGB VI-ÄndG ordnet danach die Aussetzung der in § 65 SGB VI vorgesehenen Anpassung der Renten zum 1. Juli eines jeden Jahres für das Jahr 2004 an. Artikel 2 Abs. 2 2. SGB VI-ÄndG stellt eine Sonderregelung zu § 65 SGB VI dar. Die Beklagte hat im Einklang mit Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) die Vorschrift des Artikel 2 Abs. 2 des 2. SGB VI-ÄndG angewandt und zutreffend eine Anpassung der Altersrente des Klägers zum 1. Juli 2004 abgelehnt.

Die Vorschrift des Artikel 2 Abs. 2 2. SGB VI-ÄndG, die die Aussetzung der Rentenanpassung nach § 65 SGB VI zum 1. Juli 2004 anordnet, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Aussetzung der Rentenanpassung stellt keinen Verstoß gegen Artikel 14 GG dar. Zwar unterfallen Ansprüche auf Versichertenrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und solche Rechtspositionen der Versicherten nach Begründung des Rentenversicherungsverhältnisses, die bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen, etwa des Ablaufs der Wartezeit und des Eintritts des Versicherungsfalls, zum Vollrecht erstarken können (Rentenanwartschaften), Artikel 14 Abs. 1 GG (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, Artikel 14 Rdnr. 276 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Dies gilt im Besonderen für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherungen im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, a.a.O., Artikel 14 Rdnr. 286 mit zahlreichen Nachweisen). Insoweit umfasst Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Rentenansprüche und anwartschaften zu beschränken; sofern dies einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Leistungen zu kürzen, den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaften zu vermindern oder diese umzugestalten (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, a.a.O.). Die in § 65 SGB VI in Verbindung mit § 68 SGB VI geregelte lohn- und gehaltsorientierte Rentenanpassung steht unter dem Schutz des Eigentums gemäß Artikel 14 Abs. 1 GG, soweit sie innerhalb der Systemgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung dem Schutz bereits erworbener geldwerter Rechte vor inflationsbedingten Einbußen (also dem Schutz des realen Geldwertes des Rechts auf Rente) zu dienen bestimmt ist (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 120/00 R unter Hinweis auf BVerfGE 64, 87 (97) und BVerfGE 100, 1 (44), wo die Frage, ob die Rentenanpassung überhaupt von der Eigentumsgarantie der Versichertenrente und der Rentenanwartschaft umfasst wird, offen gelassen worden ist). Bei Annahme einer Bestandsgarantie der Rentenanpassung ergibt sich deren konkrete Reichweite durch die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nach Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG als Aufgabe des Gesetzgebers, dem in diesem Zusammenhang eine weite Gestaltungsfreiheit zuzubilligen ist. Durch die Anordnung der Aussetzung der Anpassung der Renten zum 1. Juli 2004 aufgrund des Artikel 2 Abs. 2 des 2. SGB VI-ÄndG wird den Rentnern das Recht auf Rentenanpassung gemäß § 65 SGB VI nicht auf Dauer entzogen, die Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 wird vielmehr nur für die Dauer eines Jahres ausgesetzt. Im Hinblick auf diese Befristung der Aussetzung der Rentenanpassung nach § 65 SGB VI muss in der Vorschrift des Artikel 2 Abs. 2 des 2. SGB VI-ÄndG eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG gesehen werden. Regelungen, die den Zweck haben, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller Versicherten zu erhalten, zu verbessern oder an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse anzupassen, sind im Rahmen des Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG im Hinblick auf den sozialen Bezug des Rentenversicherungsverhältnisses grundsätzlich zulässig. Damit hat der Gesetzgeber bei zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Möglichkeit, das Recht auf Rentenanpassung nach § 65 SGB VI zum Zwecke des Allgemeinwohls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einzuschränken. Durch die im 2. SGB VI-ÄndG vom Gesetzgeber getroffenen Maßnahmen sollte die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten und ein weiterer Anstieg von Lohnzusatzkosten infolge einer Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung vermieden werden. In der Amtlichen Begründung (vgl. BT-Drucksache 15/1830, S. 1, 2) heißt es hierzu, durch ein Absenken der Mindestschwankungsreserve auf 0,2 Monatsausgaben, die Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004, die volle Tragung des Pflegeversicherungsbeitrags durch die Rentnerinnen und Rentner, die zeitnahe und individuelle Weitergabe reduzierter Beitragssätze der gesetzlichen Krankenkassen an die Rentnerinnen und Rentner sowie die Rückgängigmachung der Kürzung des Bundeszuschusses um 2 Milliarden Euro im Haushaltsbegleitgesetz 2004 könnten die derzeit geltenden Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2004 beibehalten werden. Zur Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 heißt es in der Amtlichen Begründung (vgl. BT-Drucksache 15/1830, S. 8), dies sei ein notwendiger Beitrag der Rentnerinnen und Rentner zur Beibehaltung des Beitragssatzes von 19,5 % im Jahr 2004 und damit zur Stabilisierung des Rentenversicherungssystems. Im Rahmen des finanziellen Teils der Amtlichen Begründung (vgl. BT-Drucksache 15/1830, S. 11) wird darauf hingewiesen, die Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 leiste einen Konsolidierungsbeitrag in Höhe von 0,1 Beitragssatzpunkten im Jahr 2004. Insgesamt wurde durch die Maßnahmen des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drucksache 15/1830, S. 2) eine Beitragssatzentlastung um 0,9 Beitragssatzpunkte veranschlagt. Im Rahmen dieser Maßnahmen des 2. SGB VI-ÄndG stellt die vorübergehende Aussetzung der Rentenanpassung einen Beitrag der Rentnerinnen und Rentner dar, um eine sonst notwendige Erhöhung des Beitragssatzes zu vermeiden und damit zur Stabilisierung des Rentenversicherungssystems beizutragen. Der Gesetzgeber hat bei der vorübergehenden Aussetzung der Rentenanpassung für das Jahr 2004 den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Aussetzung der Rentenanpassung durch das 2. SGB VI-ÄndG ist vorliegend auch dem Kläger zuzumuten, da die Maßnahme auf die Dauer eines Jahres befristet ist und auch für den Kläger im Hinblick auf die streitige Rentenanpassung um 1,1 % nur geringe wirtschaftliche Auswirkungen hat. Unter diesen Umständen muss die Aussetzung der Anpassung der Renten zum 1. Juli 2004 durch Artikel 2 Abs. 2 des 2. SGB VI-ÄndG als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen werden. Das Gesetz über die Aussetzung der Anpassung der Renten zum 1. Juli 2004 verstößt nicht gegen Artikel 14 Abs. 1 GG.

Auch eine Verletzung von Artikel 3 Abs. 1 GG durch Artikel 2 Abs. 2 2. SGB VI-ÄndG ist nicht erkennbar. Es verstößt nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG, dass diese Bestimmung im Rahmen der vom Gesetzgeber beabsichtigten Konsolidierung der Finanzierungsgrundlagen und des Beitragssatzes ausschließlich auf die gesetzliche Rentenversicherung begrenzt ist. Bei der Sicherung der Finanzierungsgrundlagen dieses Versicherungszweiges war der Gesetzgeber nicht durch das Gleichbehandlungsgebot gehalten, gleichzeitig auch Bevölkerungsgruppen, die wie etwa Beamte anderen Sicherungssystemen angehören, den ausschließlich in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten gleichzustellen (vgl. dazu BVerfGE 64, 87 (107)). Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber nicht, die Altersversorgung der Rentner und der Beamten nach den gleichen Grundsätzen zu regeln. Nach der Amtlichen Begründung (vgl. BT-Drucksache 15/1830, S. 1) ging es dem Gesetzgeber im Wesentlichen um die Stabilisierung des Beitragssatzes bei 19,5 % im Jahre 2004, wobei er die Notwendigkeit der Ergreifung bereits kurzfristig wirkender Maßnahmen gesehen hat. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber aufgrund von Artikel 3 Abs. 1 GG nicht gehalten, Kürzungen auch in anderen Sicherungssystemen vorzunehmen.

Auch eine Verletzung von Artikel 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ist nur in den Schranken des Artikel 2 Abs. 1 2. Halbsatz GG gewährleistet. Danach ist der Gesetzgeber grundsätzlich dazu befugt, auch im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung in ein vorhandenes Leistungssystem einzugreifen. Dabei hat er die Gesichtspunkte zu beachten, die das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 120/00 R (S. 11) aufgeführt hat. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte, die der Senat ebenfalls für einschlägig hält, kann vorliegend ein Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1 GG durch Artikel 2 Abs. 2 2. SGB VI-ÄndG nicht angenommen werden.

Demgemäß war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Mai 2005 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war im Hinblick auf das beim Bundessozialgericht anhängige Revisionsverfahren B 4 RA 9/05 R gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Januar 2005 – L 4 RA 60/04 gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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