Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 14 KR 806/17
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
./.
Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02. Dezember 2015 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in den Zeiträumen vom 09. bis 13. Februar 2014, vom 23. bis 25. März 2014, vom 16. bis 18. Mai 2014, vom 25. bis 27. Juli 2014, vom 15. bis 17. August 2014, vom 11. bis 12. September 2014, vom 20. bis 21. September 2014, vom 08. bis 10. Oktober 2014, vom 19. bis 20. Oktober 2014, vom 05. bis 07. November 2014, vom 14. bis 19. Dezember 2014 und vom 21. bis 23. Dezember 2014 beim Kläger nicht als Arbeitnehmer abhängig beschäftigt und damit nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung war. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) in den im Tenor genannten Zeiträumen im Jahre 2004 beim Kläger in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand und damit der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Der Kläger unterhält eine Notarztbörse, die über einen Pool von ca. 5.000 Notärzten verfügt. Er stellt auf diese Weise die Notärzte für insgesamt 26 Notarztwagen an verschiedenen Standorten, u.a. in und Bad. Der Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Notfallmedizin. Mit Vertrag vom 04. November 2013 beauftragte der Kläger den Beigeladenen zu 1) in der Rettungswache als Notarzt tätig zu werden. Die vertraglichen Regelungen sahen u.a. vor, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit mit dem vor Ort bereit gestellten Fahrzeug zu verrichten habe. Die Fort- und Weiterbildungspflicht obliege der eigenen Verantwortung des Beigeladenen zu 1). Es bestehe kein Arbeitsverhältnis zum Kläger. Die Dienstpläne würden in Absprache mit dem Beigeladenen zu 1) erstellt. Der so aufgestellte Dienstplan sei verbindlich. Schutzkleidung müsse der Beigeladene zu 1) selbst vorhalten. Während des Bereitschaftsdienstes habe er sich am Standort aufzuhalten. Der Einsatz erfolge vor Ort durch die zuständige Rettungsleitstelle. Der Vertrag regelte außerdem eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende und ein Honorar in Höhe von 30,00 EUR pro Arbeitsstunde zuzüglich eventueller Zuschläge. Geregelt ist außerdem die Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Einen ähnlichen Vertrag schloss der Kläger mit dem Beigeladenen zu 1) unter dem 21. August 2014 für den Standort Bad. Der Beigeladene zu 1) war von 2007 bis zum 26. Januar 2014 und ab 01. Mai 2014 versichert bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte.
Am 06. November 2014 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Vom 27. Januar bis 30. April 2014 sei er als angestellter Arzt im Klinikum und vom 01. Mai bis 31. August 2014 ebenfalls als angestellter Arzt im Klinikum tätig gewesen. Nebenberuflich sei er in dieser Zeit als Selbstständiger für den Kläger tätig gewesen. Seit 01. September 2014 sei er nur noch selbstständig als Arzt tätig. Neben den Aufträgen des Klägers erledige er auch Aufträge der an den Standorten und sowie für das Klinikum. An allen Standorten sei er als Notarzt tätig. Er stelle daher außerdem für die Zeit ab 01. September 2014 einen Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Neben vertraglichen Unterlagen überreichte der Beigeladene zu 1) u. a. die von ihm an den Kläger ausgestellten Honorarrechnungen für die Zeiträume vom 09. bis 13. Februar 2014, vom 23. bis 25. März 2014, vom 16. bis 18. Mai 2014, vom 25. bis 27. Juli 2014, vom 15. bis 17. August 2014, vom 11. bis 12. September 2014, vom 20. bis 21. September 2014, vom 08. bis 10. Oktober 2014, vom 19. bis 20. Oktober 2014, vom 05. bis 07. November 2014, vom 14. bis 19. Dezember 2014 und vom 21. bis 23. Dezember 2014.
Mit Schreiben vom 20. März 2015 hörte die Beklagte den Kläger und den Beigeladenen zu 1) dazu an, dass sie beabsichtige, für die oben genannten Zeiträume Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Es habe in diesen Zeiträumen eine abhängige Beschäftigung bestanden. Der Kläger habe sich vertraglich verpflichtet, die notärztliche Versorgung zu übernehmen. Für den Beigeladenen zu 1) bestehe eine persönliche Leistungspflicht. Er habe sich zur Einsatzbereitschaft verpflichtet und müsse im Team arbeiten. Er sei außerdem gegenüber anderen Mitarbeitern weisungsbefugt und benutze den Rettungswagen inklusive der erforderlichen Besatzung, den der Kläger bereitstelle. Die Lenkung der Einsätze erfolge durch die Leitstelle. Zudem sei der Beigeladene zu 1) verpflichtet, die Rettungseinsätze zu dokumentieren. Er erhalte eine erfolgsunabhängige Vergütung. Schließlich trage er kein unternehmerisches Risiko. Mit Bescheiden vom 24. April 2015 an den Kläger und an den Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) in den im Anhörungsschreiben genannten Zeiträumen beim Kläger abhängig beschäftigt war und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe.
Dagegen erhob der Beigeladene zu 1) am 13. Mai 2015 Widerspruch. Der Kläger sei lediglich als Vermittler tätig. Arbeitgeber bzw. Auftraggeber vor Ort sei der Rettungszweckverband. Die Übernahme von Aufträgen erfolge nur nach den eigenen Vorgaben des Beigeladenen zu 1). Eine Dokumentation seiner Rettungseinsätze sei ihm gesetzlich vorgeschrieben. Der Rettungswagen und das damit verbundene Personal werde nicht vom Kläger gestellt, sondern gehöre zu der jeweiligen Rettungswache vor Ort. Der Kläger erhob am 15. Mai 2015 Widerspruch. Die Rechnungen des Beigeladenen zu 1) würden vom Kläger an die Träger des Rettungsdienstes "durchgereicht" und von dort bezahlt. Der Kläger zahle dem Beigeladenen zu 1) keine Vergütung. Lediglich für seine Vermittlungstätigkeit erhalte der Kläger Geld von den Trägern der Rettungsdienste. Der Beigeladene zu 1) sei nicht in seinen Betrieb eingebunden. Er habe im fraglichen Zeitraum mehrere Auftraggeber gehabt. Außerdem unterliege er keinen Weisungen des Klägers. Der Kläger verfüge auch nicht über Rettungswachen und beschäftige weder Rettungsassistenten noch -sanitäter. Der Kläger überreichte die Verträge zwischen ihm und dem Spital Bad vom 10. April 2013 sowie zwischen ihm und dem Spital vom 19. Juni 2013. Inhalt der Verträge ist im Wesentlichen, dass sich der Kläger verpflichtete, in Bad bzw. in einen Rettungswagen 24 Stunden täglich und an 365 Tagen im Jahr mit einem geeigneten Notarzt seiner Wahl zu besetzen. Dafür erhält er jeweils eine Vergütung, die als monatlicher Abschlag gezahlt wird und die die Kosten für die Honorare der Notärzte enthält. Überreicht wurde außerdem der Bescheid an den Beigeladenen zu 1) vom 26. März 2014 über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Tätigkeit am Klinikum und der Bescheid vom 26. Juli 2014 an den Beigeladenen zu 1) über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Tätigkeit beim Klinikum.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 02. Dezember 2015 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers und des Beigeladenen zu 1) als unbegründet zurück. Es handele sich nicht um eine Tätigkeit wie bei einem freiberuflich tätigen Arzt, weil nicht nach der Gebührenordnung für Ärzte liquidiert würde. Die Vergütung erhalte der Beigeladene zu 1) nicht allein für seine ärztliche Tätigkeit. Die Arbeitsorganisation sei von Dritten vorgegeben. Rettungsfahrzeuge und -besatzung würden bereitgestellt und der Notrufdienst sei von Dritten organisiert. Der Beigeladene zu 1) habe daher keine eigene Gestaltungsmöglichkeit hinsichtlich Arbeitsort und -zeit.
Dagegen hat der Kläger am 11. Dezember 2015 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Der äußere Ablauf sei bei der Notarzttätigkeit immer vorgegeben. Es könne insoweit rechtlich nichts anderes gelten als bei Lehrern. Jedenfalls eine Rentenversicherungspflicht bestehe für den Beigeladenen zu 1) nicht. Entsprechend habe die Beklagte in dem ebenfalls am Sozialgericht Lübeck anhängigen Parallelfall (S 36 AL 201/17) hinsichtlich des Notarztes Dr. nur eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung angenommen. Vertraglich sei eine persönliche Leistungspflicht des Beigeladenen zu 1) nicht geregelt. Der Notarzt habe auch einen Ersatz stellen können. Der DAK Kreisverband W sei zuständig für die Rettungswache und beschäftige vor Ort einen ärztlichen Leiter Rettungsdienst, der den Notärzten gegenüber weisungsbefugt sei. Der Beigeladene zu 1) sei daher allenfalls in die Organisation/Rettungsdienststruktur des Leistungsträgers vor Ort eingebunden gewesen, nicht aber in die des Klägers. Eine Lenkung und Koordinierung der Einsätze erfolge ausschließlich durch die Rettungsleitstelle. Entscheidend sei zudem, dass vertraglich eine selbstständige Tätigkeit beabsichtigt gewesen sei. Der Beigeladene zu 1) sei auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Das von ihm berechnete Honorar liege deutlich über dem Honorar angestellter Notärzte. Mit seiner Rechtsauffassung stützt sich der Kläger u. a. auf die Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2016 (S 76 KR 889/15), des LSG Baden-Württemberg vom 19. April 2016 (L 11 R 2428/15), des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juli 2016 (S 64 R 854/13), des Landessozialgerichts Nordrhein-Westphalen vom 08. Februar 2017 (L 8 R 162/15) und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 (L 1 KR 404/15).
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02. Dezember 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in den Zeiträumen vom 09. bis 13. Februar 2014, vom 23. bis 25. März 2014, vom 16. bis 18. Mai 2014, vom 25. bis 27. Juli 2014, vom 15. bis 17. August 2014, vom 11. bis 12. September 2014, vom 20. bis 21. September 2014, vom 08. bis 10. Oktober 2014, vom 19. bis 20. Oktober 2014, vom 05. bis 07. November 2014, vom 14. bis 19. Dezember 2014 und vom 21. bis 23. Dezember 2014 beim Kläger nicht als Arbeitnehmer abhängig beschäftigt und damit nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung war.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der Akten und der angefochtenen Bescheide. Sie beruft sich u.a. auf die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Dezember 2013 (L 2 R 64/10) und vom 04. Juni 2014 (L 2/12 R 81/12) und des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. April 2015 (L 7 R 60/12). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen habe mit Urteil vom 04. Juni 2014 für einen Notarzt das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung festgestellt. Darauf, ob der Beigeladene zu 1) auch noch für andere Auftraggeber tätig gewesen sei, komme es danach nicht an. Denn während eines Dienstes sei der Beigeladene zu 1) jeweils in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert gewesen. Die Pflicht des Beigeladenen zu 1) zur Fortbildung sehe die Beklagte als Weisung an.
Mit Beschluss vom 04. Oktober 2017 hat das Gericht den Notarzt und die Bundesanstalt für Arbeit beigeladen. In der mündlichen Verhandlung am 01. März 2018 hat der Beigeladene zu 1) zu Art und Umfang seiner Tätigkeit für den Kläger ergänzend Stellung genommen. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls wird Bezug genommen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten S 36 AL 201/17 und S 36 AL 76/16 beigezogen und zusammen mit der Prozessakte S 14 KR 806/17 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02. Dezember 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten. Die Feststellung der Sozialversicherungspflicht durch die Beklagte ist unzutreffend. Die Beklagte entscheidet als zuständige Behörde nach § 7a Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Die Sozialversicherungspflicht setzt grundsätzlich eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV voraus. Das folgt für die Arbeitslosenversicherung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und für die gesetzliche Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV. Nach diesen Vorschriften sind Angestellte oder Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in diesen Versicherungszweigen versicherungspflichtig. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die streitige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) beim Kläger nicht vor. Eine "Beschäftigungsversicherung" entfällt mangels Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung.
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist die Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für die Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beschäftigter ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und damit die Unterordnung unter das vor allem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassende Weisungsrecht des Arbeitgebers. Die Beschäftigung setzt eine fremdbezogene Tätigkeit voraus, die Dienstleistung muss also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen. Kennzeichnend für eine selbstständige Tätigkeit ist dem gegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und -zeit zu bestimmen.
Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7) zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Allerdings geben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag, wenn sie von dem vertraglichen Willen der Beteiligten abweichen (vgl. BSG, a.a.O.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Vorliegend haben der Beigeladene zu 1) und der Kläger vertraglich ausdrücklich geregelt, dass kein Arbeitsverhältnis zum Kläger bestehen solle. Damit gingen beide von einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) aus. Die tatsächlichen Verhältnisse, so wie sie sich nach dem Ergebnis der Ermittlungen darstellen, sprechen ebenfalls für die selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) beim Kläger.
Die Kriterien für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles gegeneinander abzuwägen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Die insoweit hinsichtlich des Beigeladenen zu 1) von der Beklagten vorgenommene Abwägung ist zu beanstanden. Die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen nicht.
Die Tätigkeit eines Notarztes ist wie jede andere ärztliche Tätigkeit auch grundsätzlich als selbstständige Tätigkeit oder als abhängige Beschäftigung möglich. Eine generelle Einstufung der Notärzte als abhängig Beschäftigte wäre allenfalls geboten, wenn sich für den Bürger, um dessen notärztliche Versorgung es letztlich geht, daraus ein Mehr an Qualifikation oder Präsenz ergäbe (Prof. Dr. , "Scheinselbstständig?- Aktuelle Rechtsprechung zu verschiedenen Gesundheitsberufen (Teil 1)" in ASR 6/2015, 222, 225). Dafür gibt es jedoch ebensowenig Hinweise wie für den Aspekt der "sozialen Schutzbedürftigkeit", aus der die Versicherungspflicht ihre verfassungsrechtliche Legitimation schöpft (Prof. Dr. , a.a.O. unter Bezug auf Bundesverfassungsgericht in JW 2001, 906).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) beim Kläger in den streitigen Zeiträumen nach Würdigung der Gesamtumstände als eine selbstständige Tätigkeit einzustufen. Bei der Durchführung der Notarztdienste unterlag der Beigeladene zu 1) keinen Weisungen des Klägers. Er war im streitigen Zeitraum, also im gesamten Jahr 2014, auch für andere Auftraggeber tätig. Hinsichtlich der zeitlichen Einteilung konnte er selbst bestimmen, an welchen Tagen er für den Kläger tätig sein wollte.
Der Beigeladene zu 1) war im streitigen Zeitraum weder gegenüber dem Kläger weisungsabhängig noch in dessen Betrieb eingegliedert. Den Bereitschaftsdienst und die Notarzteinsätze verrichtete er vor Ort eigenverantwortlich. Weisungen erfolgten weder durch den Kläger persönlich noch durch dessen Mitarbeiter. Die Aufforderung, sich zum Einsatzort zu begeben, erfolgte durch die Rettungsleitstelle und konkrete Einzelanweisungen allenfalls durch den leitenden Notarzt vor Ort. Beide stehen nicht in Verbindung mit dem Kläger, weder aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, noch sonst aufgrund vertraglicher Vereinbarungen. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich auch weder bei der Dokumentationspflicht des Beigeladenen zu 1) noch bei seiner Fortbildungsverpflichtung um eine Weisung des Klägers. Denn eine Weisungsbefugnis ergibt sich nicht daraus, dass bei der Ausübung einer Dienstleistung bestimmte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2017 – L 1 KR 404/15). Sowohl zur Dokumentation seiner Notfalleinsätze als auch zur Fortbildung zur Erhaltung seines Facharztstatus war der Beigeladene zu 1) gesetzlich verpflichtet. In beiden Fällen gab der Kläger ihm auch keine konkreten Einzelanweisungen. Die Dokumentation erfolgte entsprechend der gesetzlichen Vorgaben. Der Kläger verlangte insoweit weder eine besondere Form oder einen besonderen Vordruck, noch machte er andere inhaltliche Vorgaben. Das Gleiche gilt für die Fortbildungsverpflichtung der Ärzte und Notärzte. Der Kläger gab dem Beigeladenen zu 1) hierzu keine konkreten Anweisungen, welche Veranstaltung gegebenenfalls an welchem Ort zu besuchen sei. Schließlich übernahm der Kläger auch keine Fortbildungskosten. Dass diese vielmehr vom Beigeladenen zu 1) selbst zu tragen waren, spricht eher für eine selbstständige Tätigkeit. Weder aus der Dokumentationspflicht noch aus der Fortbildungsverpflichtung kann nach Auffassung der Kammer ein Weisungsrecht des Klägers hergeleitet werden, da beide Verpflichtungen für alle Notärzte gelten, egal ob sie abhängig beschäftigt oder selbstständig sind.
Der Beigeladene zu 1) war auch nicht hinsichtlich terminlicher Vorgaben durch den Kläger gebunden. Er bekam keine individuell an ihn gerichteten konkreten Angebote für die Übernahme bestimmter Dienste. Er ist lediglich im Notärztepool des Klägers registriert und erhält so Nachrichten über alle möglichen noch zur Verfügung stehenden Dienste für den jeweiligen Einsatzort, an dem er tätig ist. Der Beigeladene zu 1) wählte dann frei aus, zu welchen Diensten er sich eintrug. In der mündlichen Verhandlung schilderte er glaubhaft, dass er die Übernahme der Dienste frei bestimmte. Er habe sich daran orientiert, möglichst gleichmäßig für seine unterschiedlichen Auftraggeber zu arbeiten, um das Risiko zu minimieren, bei Wegfall einer Einsatzstätte nicht mehr genügend Aufträge übernehmen zu können. Eine Verpflichtung oder Weisung des Klägers, bestimmte Dienste zu übernehmen, bestand nicht. Es wurde auch keine Mindesteinsatzzeit mit dem Beigeladenen zu 1) vereinbart. Vielmehr ergibt sich aus § 1 Abs. 3 der zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem Kläger geschlossenen Verträge, dass zwischen den Vertragsparteien kein Rechtsanspruch des Auftraggebers auf Übernahme einer Mindestanzahl von Diensten oder die Übernahme eines bestimmten Dienstes durch den Auftragnehmer begründet wird.
Der Kläger war auch für mehrere Auftraggeber tätig. Jedenfalls in der Zeit ab 01. September 2014 war er ausschließlich freiberuflich als Notarzt und zwar außerhalb der Tätigkeit für den Kläger noch an den Standorten , und tätig. Dabei hält die Kammer es nicht für erheblich, ob in dem Zeitraum bis August 2014 die weiteren Notarzttätigkeiten des Beigeladenen zu 1) in und in im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wurden. Denn die vom Beigeladenen zu 1) für den Kläger verrichtete Tätigkeit kann ebenso nebenberuflich als auch als selbstständige Tätigkeit verrichtet worden sein. Gewichtiges Indiz ist für die Kammer, dass jedenfalls später, nämlich in der Zeit ab 01. September 2014, weitere selbstständige Tätigkeiten auch für andere Auftraggeber erfolgten. Bei der Gesamtabwägung ist dem Umstand, ob der Arzt für weitere Auftraggeber tätig war, ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – L 5 KR 73/15). Denn bei Dienstleistungen im medizinischen Bereich erlauben häufig weder das Merkmal der betrieblichen Eingliederung noch das Fehlen eines typischen Unternehmerrisikos eine überzeugende Abgrenzung im Rahmen der Statusfeststellung.
Der Beigeladene zu 1) war in den streitigen Zeiträumen auch nicht in den Betrieb des Klägers eingegliedert. Wie bereits dargestellt absolvierte er seine Arbeit vor Ort eigenverantwortlich. Auch einem festen Dienstplan des Klägers war er weder mit bestimmten festgelegten Zeiten, noch in einer gewissen Regelmäßigkeit eingegliedert. Es bestand für ihn lediglich die Verpflichtung, den von ihm freiwillig übernommenen Dienst durch seine eigene Tätigkeit oder die Stellung einer Ersatzperson zu gewährleisten. Anders als die Beklagte meint, benutzte der Beigeladene zu 1) weder Arbeitsmaterialen des Klägers noch arbeitete er mit anderen Beschäftigten des Klägers zusammen. Der Kläger unterhielt an den Einsatzorten weder Fahrzeuge noch sonstiges Arbeitsmaterial, dass von Rettungskräften zu ihrer Arbeit benötigt wird. Er vermittelte auch ausschließlich Notärzte und Beschäftigte weder Rettungssanitäter, noch -assistenten. Auch aus der vertraglichen Vereinbarung in § 4 Abs. 2 der zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem Kläger geschlossenen Verträge, dass die Dienstübergabe- /-übernahme bei Dienstwechsel stets persönlich zu erfolgen habe und dass die jeweils abgeleistete Zeit schriftlich festzuhalten sei, ergibt sich noch keine wesentliche Eingliederung in den Betrieb des Klägers. Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass sich der Kläger bei Ableistung des jeweiligen Bereitschaftsdienstes in einem bestimmten Radius um das Rettungsfahrzeug aufhalten musste. Vielmehr wohnt das Aufhalten an einem bestimmten Ort oder Gebiet jedem Bereitschaftsdienst inne. Eine räumliche Eingliederung in den Betrieb des Klägers wird damit nicht vorgenommen. Auch aufgrund seiner Eigenschaft als "Teil einer Kette" von Notärzten in der Arbeitsorganisation des Klägers folgt nicht zwingend der Schluss, dass dieser auch in den Betrieb eingegliedert ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2017 – L 2 R 3158/16). Entscheidend ist vielmehr, dass der Beigeladene zu 1) nicht zu beliebigen Tätigkeiten herangezogen werden kann und insbesondere nicht verpflichtet ist, bestimmte Einsätze zu übernehmen oder eine bestimmte Anzahl von Diensten zu absolvieren (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Eine Eingliederung liegt damit, wenn überhaupt, bei dem Träger des Rettungsdienstes vor. Dieses Verhältnis ist vorliegend jedoch nicht zu beurteilen, da es auf das konkrete Verhältnis des Beigeladenen zu 1) zum Kläger ankommt und nicht auf das Verhältnis zu einem beliebigen Dritten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2015 – L 1 KR 105/13).
Anders als die Beklagte meint, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Kläger, der vertraglich die Verpflichtung eingegangen ist, bestimmte Rettungswachen rund um die Uhr mit einem Notarzt zu besetzen, dadurch möglicherweise als Leistungserbringer im Sinne des SGB V angesehen werden kann, keine andere Beurteilung. Denn wie das BSG zu Recht festgestellt hat, können den Regelungen des Leistungserbringerrechts im SGB V keine Rechtsfolgen hinsichtlich der vorliegend zu entscheidenden Frage des Vorliegens einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV entnommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2016 –B 12 KR 20/14 R, SozR 4/2400 § 7 Nr. 29). Zu Recht weist die Klägerseite daraufhin, dass es bei der Statusfrage nicht darum ginge, wer zur Gestellung der Fachärzte verpflichtet ist, sondern darum, zu klären, wem die konkrete Betriebsorganisation zuzuordnen ist, in welche die Fachärzte im Rettungsdienst eingegliedert sind. Zudem ist festzustellen, dass Träger des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg die in § 2 Abs. 1 des Rettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg (RDG) genannten Träger sind, mit denen das dortige Innenministerium Rahmenvereinbarungen geschlossen hat. Für die hier maßgeblichen Standorte sind demnach die DRK Kreisverbände und Bad als Leistungsträger verantwortlich. Die Ärzte wirken nach § 10 Abs. 1 RDG lediglich am Rettungsdienst mit, ohne selbst Leistungsträger zu sein. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 RDG sind die Krankenhausträger verpflichtet, Ärzte gegen Kostenausgleich zur Verfügung zu stellen. Lediglich in diesem Rahmen wirkt der Kläger an der Versorgung mit. Denn seine vertragliche Verpflichtung besteht gegenüber den jeweiligen Krankenhausträgern und nicht gegenüber den DRK Kreisverbänden.
Soweit die Beklagte in den Parallelfall S 36 AL 201/17 argumentiert, dass sich aus § 23c Abs. 2 SGB IV ergäbe, dass der Gesetzgeber bei der Tätigkeit eines Notarztes von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgegangen sei, ergibt sich nichts anderes. Die Kammer vermag diesem Argument nicht zu folgen, denn die mit Wirkung zum 05. April 2017 in Kraft getretene Neuregelung enthält lediglich die Aussage, dass eine Nebentätigkeit als Notarzt jedenfalls dann nicht beitragspflichtig sein soll, wenn in einem bestimmten Umfang regelmäßig außerdem noch eine ärztliche Tätigkeit außerhalb des Rettungsdienstes ausgeübt wird. Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung ist es, unabhängig davon, ob die Notarzttätigkeit auf selbstständiger Basis oder als Beschäftigung ausgeübt wird, im Interesse der Sicherstellung des Rettungsdienstes die Einnahmen aus dieser Tätigkeit unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen von der Beitragspflicht frei zu stellen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2017 – L 1 KR 404/15).
Andererseits hatte der Beigeladene zu 1) lediglich ein geringes Unternehmerrisiko. Grundsätzlich ist ein Unternehmerrisiko nicht bereits darin zu sehen, dass Folgeaufträge nach Abschluss einer Tätigkeit ausbleiben können. Denn einem solchen Risiko ist auch der Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Beschäftigung ausgesetzt. Unternehmerrisiko bedeutet vielmehr, dass der Arbeitnehmer sich der Gefahr aussetzt, nicht nur keine Einnahmen zu erzielen, sondern mit Ausgaben belastet zu sein, die von den Einnahmen nicht getragen werden. Dies war bei dem Beigeladenen zu 1) nicht der Fall, da er lediglich wenige eigene Betriebsmittel einsetzte. Er hatte lediglich für seine Arbeitskleidung und die entsprechenden Fortbildungskosten zu sorgen. Im Bereich der Tätigkeit eines Notarztes ist das Argument des Unternehmerrisikos allerdings von untergeordneter Bedeutung, weil diese Tätigkeit keinen oder nur einen geringen Kapitaleinsatz erfordert. Die Tätigkeiten sind vielmehr durch die persönliche Dienstleistung geprägt. Daher stellt das Unternehmerrisiko bei freiberuflichen Dienstleistungen, die ohne nennenswerte betriebliche Investitionen ausgeübt werden können, nicht das sonst so wesentliche Indiz für eine selbstständige Tätigkeit dar (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, a.a.O.).
Schließlich spricht auch die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung. Geht es wie vorliegend um reine Dienstleistungen, ist anders als bei der Erstellung zum Beispiel eines materiellen Produktes ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten (ständige Rechtsprechung BSG; zuletzt BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R). Die Kammer geht nach den nachvollziehbaren und unangefochtenen Angaben der Klägerseite im Übrigen davon aus, dass das dem Beigeladenen zu 1) gezahlte Stundenhonorar von 30,00 EUR gegebenenfalls zuzüglich bestimmter Zuschläge im Bereich des notärztlichen Bereitschaftsdienstes ein deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegendes Honorar darstellt. Die Klägerseite hat insoweit angegeben, dass von einem Stundengehalt in Höhe von 20,00 EUR bis 21,00 EUR für einen angestellten Notarzt auszugehen sei. Denn diese Entlohnung lässt eine Eigenvorsorge zu und ist damit ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit (vgl. BSG, a.a.O.). Denn es muss auch berücksichtigt werden, dass in bestimmten Branchen, wie z.B. auch der Notarzttätigkeit, offensichtlich ein Arbeitskräftemangel vorherrscht, der es erfordert, den Wunsch des Arztes nach einer freiberuflichen Tätigkeit zu akzeptieren, um ausreichend qualifiziertes Personal im Betrieb einsetzen zu können (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, a.a.O.).
Die vorstehend aufgezeigten für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände überwiegen im Rahmen der gebotenen Gesamtbewertung. Das gewichtigste Kriterium ist dabei für die Kammer die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) keinerlei Weisungen durch den Kläger unterlag und nicht in den Betrieb des Klägers eingebunden war. Zudem war er für mehrere Auftraggeber tätig. Die Tatsache, dass er kein unternehmerisches Risiko trug, spricht zwar grundsätzlich für eine abhängige Beschäftigung, tritt hier jedoch zurück, da mit dem Beruf des Notarztes allgemein kein wirtschaftliches Risiko im Sinne größerer Investitionen verbunden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Es ist der Auffangstreitwert festzusetzen, da ein wirtschaftlicher Wert der Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) nicht beziffert werden kann.
Vorsitzende der 14. Kammer
Richterin am Sozialgericht
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) in den im Tenor genannten Zeiträumen im Jahre 2004 beim Kläger in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand und damit der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Der Kläger unterhält eine Notarztbörse, die über einen Pool von ca. 5.000 Notärzten verfügt. Er stellt auf diese Weise die Notärzte für insgesamt 26 Notarztwagen an verschiedenen Standorten, u.a. in und Bad. Der Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Notfallmedizin. Mit Vertrag vom 04. November 2013 beauftragte der Kläger den Beigeladenen zu 1) in der Rettungswache als Notarzt tätig zu werden. Die vertraglichen Regelungen sahen u.a. vor, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit mit dem vor Ort bereit gestellten Fahrzeug zu verrichten habe. Die Fort- und Weiterbildungspflicht obliege der eigenen Verantwortung des Beigeladenen zu 1). Es bestehe kein Arbeitsverhältnis zum Kläger. Die Dienstpläne würden in Absprache mit dem Beigeladenen zu 1) erstellt. Der so aufgestellte Dienstplan sei verbindlich. Schutzkleidung müsse der Beigeladene zu 1) selbst vorhalten. Während des Bereitschaftsdienstes habe er sich am Standort aufzuhalten. Der Einsatz erfolge vor Ort durch die zuständige Rettungsleitstelle. Der Vertrag regelte außerdem eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende und ein Honorar in Höhe von 30,00 EUR pro Arbeitsstunde zuzüglich eventueller Zuschläge. Geregelt ist außerdem die Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Einen ähnlichen Vertrag schloss der Kläger mit dem Beigeladenen zu 1) unter dem 21. August 2014 für den Standort Bad. Der Beigeladene zu 1) war von 2007 bis zum 26. Januar 2014 und ab 01. Mai 2014 versichert bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte.
Am 06. November 2014 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Vom 27. Januar bis 30. April 2014 sei er als angestellter Arzt im Klinikum und vom 01. Mai bis 31. August 2014 ebenfalls als angestellter Arzt im Klinikum tätig gewesen. Nebenberuflich sei er in dieser Zeit als Selbstständiger für den Kläger tätig gewesen. Seit 01. September 2014 sei er nur noch selbstständig als Arzt tätig. Neben den Aufträgen des Klägers erledige er auch Aufträge der an den Standorten und sowie für das Klinikum. An allen Standorten sei er als Notarzt tätig. Er stelle daher außerdem für die Zeit ab 01. September 2014 einen Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Neben vertraglichen Unterlagen überreichte der Beigeladene zu 1) u. a. die von ihm an den Kläger ausgestellten Honorarrechnungen für die Zeiträume vom 09. bis 13. Februar 2014, vom 23. bis 25. März 2014, vom 16. bis 18. Mai 2014, vom 25. bis 27. Juli 2014, vom 15. bis 17. August 2014, vom 11. bis 12. September 2014, vom 20. bis 21. September 2014, vom 08. bis 10. Oktober 2014, vom 19. bis 20. Oktober 2014, vom 05. bis 07. November 2014, vom 14. bis 19. Dezember 2014 und vom 21. bis 23. Dezember 2014.
Mit Schreiben vom 20. März 2015 hörte die Beklagte den Kläger und den Beigeladenen zu 1) dazu an, dass sie beabsichtige, für die oben genannten Zeiträume Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Es habe in diesen Zeiträumen eine abhängige Beschäftigung bestanden. Der Kläger habe sich vertraglich verpflichtet, die notärztliche Versorgung zu übernehmen. Für den Beigeladenen zu 1) bestehe eine persönliche Leistungspflicht. Er habe sich zur Einsatzbereitschaft verpflichtet und müsse im Team arbeiten. Er sei außerdem gegenüber anderen Mitarbeitern weisungsbefugt und benutze den Rettungswagen inklusive der erforderlichen Besatzung, den der Kläger bereitstelle. Die Lenkung der Einsätze erfolge durch die Leitstelle. Zudem sei der Beigeladene zu 1) verpflichtet, die Rettungseinsätze zu dokumentieren. Er erhalte eine erfolgsunabhängige Vergütung. Schließlich trage er kein unternehmerisches Risiko. Mit Bescheiden vom 24. April 2015 an den Kläger und an den Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) in den im Anhörungsschreiben genannten Zeiträumen beim Kläger abhängig beschäftigt war und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe.
Dagegen erhob der Beigeladene zu 1) am 13. Mai 2015 Widerspruch. Der Kläger sei lediglich als Vermittler tätig. Arbeitgeber bzw. Auftraggeber vor Ort sei der Rettungszweckverband. Die Übernahme von Aufträgen erfolge nur nach den eigenen Vorgaben des Beigeladenen zu 1). Eine Dokumentation seiner Rettungseinsätze sei ihm gesetzlich vorgeschrieben. Der Rettungswagen und das damit verbundene Personal werde nicht vom Kläger gestellt, sondern gehöre zu der jeweiligen Rettungswache vor Ort. Der Kläger erhob am 15. Mai 2015 Widerspruch. Die Rechnungen des Beigeladenen zu 1) würden vom Kläger an die Träger des Rettungsdienstes "durchgereicht" und von dort bezahlt. Der Kläger zahle dem Beigeladenen zu 1) keine Vergütung. Lediglich für seine Vermittlungstätigkeit erhalte der Kläger Geld von den Trägern der Rettungsdienste. Der Beigeladene zu 1) sei nicht in seinen Betrieb eingebunden. Er habe im fraglichen Zeitraum mehrere Auftraggeber gehabt. Außerdem unterliege er keinen Weisungen des Klägers. Der Kläger verfüge auch nicht über Rettungswachen und beschäftige weder Rettungsassistenten noch -sanitäter. Der Kläger überreichte die Verträge zwischen ihm und dem Spital Bad vom 10. April 2013 sowie zwischen ihm und dem Spital vom 19. Juni 2013. Inhalt der Verträge ist im Wesentlichen, dass sich der Kläger verpflichtete, in Bad bzw. in einen Rettungswagen 24 Stunden täglich und an 365 Tagen im Jahr mit einem geeigneten Notarzt seiner Wahl zu besetzen. Dafür erhält er jeweils eine Vergütung, die als monatlicher Abschlag gezahlt wird und die die Kosten für die Honorare der Notärzte enthält. Überreicht wurde außerdem der Bescheid an den Beigeladenen zu 1) vom 26. März 2014 über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Tätigkeit am Klinikum und der Bescheid vom 26. Juli 2014 an den Beigeladenen zu 1) über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Tätigkeit beim Klinikum.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 02. Dezember 2015 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers und des Beigeladenen zu 1) als unbegründet zurück. Es handele sich nicht um eine Tätigkeit wie bei einem freiberuflich tätigen Arzt, weil nicht nach der Gebührenordnung für Ärzte liquidiert würde. Die Vergütung erhalte der Beigeladene zu 1) nicht allein für seine ärztliche Tätigkeit. Die Arbeitsorganisation sei von Dritten vorgegeben. Rettungsfahrzeuge und -besatzung würden bereitgestellt und der Notrufdienst sei von Dritten organisiert. Der Beigeladene zu 1) habe daher keine eigene Gestaltungsmöglichkeit hinsichtlich Arbeitsort und -zeit.
Dagegen hat der Kläger am 11. Dezember 2015 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Der äußere Ablauf sei bei der Notarzttätigkeit immer vorgegeben. Es könne insoweit rechtlich nichts anderes gelten als bei Lehrern. Jedenfalls eine Rentenversicherungspflicht bestehe für den Beigeladenen zu 1) nicht. Entsprechend habe die Beklagte in dem ebenfalls am Sozialgericht Lübeck anhängigen Parallelfall (S 36 AL 201/17) hinsichtlich des Notarztes Dr. nur eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung angenommen. Vertraglich sei eine persönliche Leistungspflicht des Beigeladenen zu 1) nicht geregelt. Der Notarzt habe auch einen Ersatz stellen können. Der DAK Kreisverband W sei zuständig für die Rettungswache und beschäftige vor Ort einen ärztlichen Leiter Rettungsdienst, der den Notärzten gegenüber weisungsbefugt sei. Der Beigeladene zu 1) sei daher allenfalls in die Organisation/Rettungsdienststruktur des Leistungsträgers vor Ort eingebunden gewesen, nicht aber in die des Klägers. Eine Lenkung und Koordinierung der Einsätze erfolge ausschließlich durch die Rettungsleitstelle. Entscheidend sei zudem, dass vertraglich eine selbstständige Tätigkeit beabsichtigt gewesen sei. Der Beigeladene zu 1) sei auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Das von ihm berechnete Honorar liege deutlich über dem Honorar angestellter Notärzte. Mit seiner Rechtsauffassung stützt sich der Kläger u. a. auf die Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2016 (S 76 KR 889/15), des LSG Baden-Württemberg vom 19. April 2016 (L 11 R 2428/15), des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juli 2016 (S 64 R 854/13), des Landessozialgerichts Nordrhein-Westphalen vom 08. Februar 2017 (L 8 R 162/15) und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 (L 1 KR 404/15).
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02. Dezember 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in den Zeiträumen vom 09. bis 13. Februar 2014, vom 23. bis 25. März 2014, vom 16. bis 18. Mai 2014, vom 25. bis 27. Juli 2014, vom 15. bis 17. August 2014, vom 11. bis 12. September 2014, vom 20. bis 21. September 2014, vom 08. bis 10. Oktober 2014, vom 19. bis 20. Oktober 2014, vom 05. bis 07. November 2014, vom 14. bis 19. Dezember 2014 und vom 21. bis 23. Dezember 2014 beim Kläger nicht als Arbeitnehmer abhängig beschäftigt und damit nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung war.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der Akten und der angefochtenen Bescheide. Sie beruft sich u.a. auf die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Dezember 2013 (L 2 R 64/10) und vom 04. Juni 2014 (L 2/12 R 81/12) und des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. April 2015 (L 7 R 60/12). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen habe mit Urteil vom 04. Juni 2014 für einen Notarzt das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung festgestellt. Darauf, ob der Beigeladene zu 1) auch noch für andere Auftraggeber tätig gewesen sei, komme es danach nicht an. Denn während eines Dienstes sei der Beigeladene zu 1) jeweils in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert gewesen. Die Pflicht des Beigeladenen zu 1) zur Fortbildung sehe die Beklagte als Weisung an.
Mit Beschluss vom 04. Oktober 2017 hat das Gericht den Notarzt und die Bundesanstalt für Arbeit beigeladen. In der mündlichen Verhandlung am 01. März 2018 hat der Beigeladene zu 1) zu Art und Umfang seiner Tätigkeit für den Kläger ergänzend Stellung genommen. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls wird Bezug genommen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten S 36 AL 201/17 und S 36 AL 76/16 beigezogen und zusammen mit der Prozessakte S 14 KR 806/17 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02. Dezember 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten. Die Feststellung der Sozialversicherungspflicht durch die Beklagte ist unzutreffend. Die Beklagte entscheidet als zuständige Behörde nach § 7a Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Die Sozialversicherungspflicht setzt grundsätzlich eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV voraus. Das folgt für die Arbeitslosenversicherung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und für die gesetzliche Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV. Nach diesen Vorschriften sind Angestellte oder Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in diesen Versicherungszweigen versicherungspflichtig. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die streitige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) beim Kläger nicht vor. Eine "Beschäftigungsversicherung" entfällt mangels Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung.
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist die Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für die Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beschäftigter ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und damit die Unterordnung unter das vor allem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassende Weisungsrecht des Arbeitgebers. Die Beschäftigung setzt eine fremdbezogene Tätigkeit voraus, die Dienstleistung muss also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen. Kennzeichnend für eine selbstständige Tätigkeit ist dem gegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und -zeit zu bestimmen.
Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7) zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Allerdings geben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag, wenn sie von dem vertraglichen Willen der Beteiligten abweichen (vgl. BSG, a.a.O.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Vorliegend haben der Beigeladene zu 1) und der Kläger vertraglich ausdrücklich geregelt, dass kein Arbeitsverhältnis zum Kläger bestehen solle. Damit gingen beide von einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) aus. Die tatsächlichen Verhältnisse, so wie sie sich nach dem Ergebnis der Ermittlungen darstellen, sprechen ebenfalls für die selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) beim Kläger.
Die Kriterien für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles gegeneinander abzuwägen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Die insoweit hinsichtlich des Beigeladenen zu 1) von der Beklagten vorgenommene Abwägung ist zu beanstanden. Die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen nicht.
Die Tätigkeit eines Notarztes ist wie jede andere ärztliche Tätigkeit auch grundsätzlich als selbstständige Tätigkeit oder als abhängige Beschäftigung möglich. Eine generelle Einstufung der Notärzte als abhängig Beschäftigte wäre allenfalls geboten, wenn sich für den Bürger, um dessen notärztliche Versorgung es letztlich geht, daraus ein Mehr an Qualifikation oder Präsenz ergäbe (Prof. Dr. , "Scheinselbstständig?- Aktuelle Rechtsprechung zu verschiedenen Gesundheitsberufen (Teil 1)" in ASR 6/2015, 222, 225). Dafür gibt es jedoch ebensowenig Hinweise wie für den Aspekt der "sozialen Schutzbedürftigkeit", aus der die Versicherungspflicht ihre verfassungsrechtliche Legitimation schöpft (Prof. Dr. , a.a.O. unter Bezug auf Bundesverfassungsgericht in JW 2001, 906).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) beim Kläger in den streitigen Zeiträumen nach Würdigung der Gesamtumstände als eine selbstständige Tätigkeit einzustufen. Bei der Durchführung der Notarztdienste unterlag der Beigeladene zu 1) keinen Weisungen des Klägers. Er war im streitigen Zeitraum, also im gesamten Jahr 2014, auch für andere Auftraggeber tätig. Hinsichtlich der zeitlichen Einteilung konnte er selbst bestimmen, an welchen Tagen er für den Kläger tätig sein wollte.
Der Beigeladene zu 1) war im streitigen Zeitraum weder gegenüber dem Kläger weisungsabhängig noch in dessen Betrieb eingegliedert. Den Bereitschaftsdienst und die Notarzteinsätze verrichtete er vor Ort eigenverantwortlich. Weisungen erfolgten weder durch den Kläger persönlich noch durch dessen Mitarbeiter. Die Aufforderung, sich zum Einsatzort zu begeben, erfolgte durch die Rettungsleitstelle und konkrete Einzelanweisungen allenfalls durch den leitenden Notarzt vor Ort. Beide stehen nicht in Verbindung mit dem Kläger, weder aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, noch sonst aufgrund vertraglicher Vereinbarungen. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich auch weder bei der Dokumentationspflicht des Beigeladenen zu 1) noch bei seiner Fortbildungsverpflichtung um eine Weisung des Klägers. Denn eine Weisungsbefugnis ergibt sich nicht daraus, dass bei der Ausübung einer Dienstleistung bestimmte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2017 – L 1 KR 404/15). Sowohl zur Dokumentation seiner Notfalleinsätze als auch zur Fortbildung zur Erhaltung seines Facharztstatus war der Beigeladene zu 1) gesetzlich verpflichtet. In beiden Fällen gab der Kläger ihm auch keine konkreten Einzelanweisungen. Die Dokumentation erfolgte entsprechend der gesetzlichen Vorgaben. Der Kläger verlangte insoweit weder eine besondere Form oder einen besonderen Vordruck, noch machte er andere inhaltliche Vorgaben. Das Gleiche gilt für die Fortbildungsverpflichtung der Ärzte und Notärzte. Der Kläger gab dem Beigeladenen zu 1) hierzu keine konkreten Anweisungen, welche Veranstaltung gegebenenfalls an welchem Ort zu besuchen sei. Schließlich übernahm der Kläger auch keine Fortbildungskosten. Dass diese vielmehr vom Beigeladenen zu 1) selbst zu tragen waren, spricht eher für eine selbstständige Tätigkeit. Weder aus der Dokumentationspflicht noch aus der Fortbildungsverpflichtung kann nach Auffassung der Kammer ein Weisungsrecht des Klägers hergeleitet werden, da beide Verpflichtungen für alle Notärzte gelten, egal ob sie abhängig beschäftigt oder selbstständig sind.
Der Beigeladene zu 1) war auch nicht hinsichtlich terminlicher Vorgaben durch den Kläger gebunden. Er bekam keine individuell an ihn gerichteten konkreten Angebote für die Übernahme bestimmter Dienste. Er ist lediglich im Notärztepool des Klägers registriert und erhält so Nachrichten über alle möglichen noch zur Verfügung stehenden Dienste für den jeweiligen Einsatzort, an dem er tätig ist. Der Beigeladene zu 1) wählte dann frei aus, zu welchen Diensten er sich eintrug. In der mündlichen Verhandlung schilderte er glaubhaft, dass er die Übernahme der Dienste frei bestimmte. Er habe sich daran orientiert, möglichst gleichmäßig für seine unterschiedlichen Auftraggeber zu arbeiten, um das Risiko zu minimieren, bei Wegfall einer Einsatzstätte nicht mehr genügend Aufträge übernehmen zu können. Eine Verpflichtung oder Weisung des Klägers, bestimmte Dienste zu übernehmen, bestand nicht. Es wurde auch keine Mindesteinsatzzeit mit dem Beigeladenen zu 1) vereinbart. Vielmehr ergibt sich aus § 1 Abs. 3 der zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem Kläger geschlossenen Verträge, dass zwischen den Vertragsparteien kein Rechtsanspruch des Auftraggebers auf Übernahme einer Mindestanzahl von Diensten oder die Übernahme eines bestimmten Dienstes durch den Auftragnehmer begründet wird.
Der Kläger war auch für mehrere Auftraggeber tätig. Jedenfalls in der Zeit ab 01. September 2014 war er ausschließlich freiberuflich als Notarzt und zwar außerhalb der Tätigkeit für den Kläger noch an den Standorten , und tätig. Dabei hält die Kammer es nicht für erheblich, ob in dem Zeitraum bis August 2014 die weiteren Notarzttätigkeiten des Beigeladenen zu 1) in und in im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wurden. Denn die vom Beigeladenen zu 1) für den Kläger verrichtete Tätigkeit kann ebenso nebenberuflich als auch als selbstständige Tätigkeit verrichtet worden sein. Gewichtiges Indiz ist für die Kammer, dass jedenfalls später, nämlich in der Zeit ab 01. September 2014, weitere selbstständige Tätigkeiten auch für andere Auftraggeber erfolgten. Bei der Gesamtabwägung ist dem Umstand, ob der Arzt für weitere Auftraggeber tätig war, ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – L 5 KR 73/15). Denn bei Dienstleistungen im medizinischen Bereich erlauben häufig weder das Merkmal der betrieblichen Eingliederung noch das Fehlen eines typischen Unternehmerrisikos eine überzeugende Abgrenzung im Rahmen der Statusfeststellung.
Der Beigeladene zu 1) war in den streitigen Zeiträumen auch nicht in den Betrieb des Klägers eingegliedert. Wie bereits dargestellt absolvierte er seine Arbeit vor Ort eigenverantwortlich. Auch einem festen Dienstplan des Klägers war er weder mit bestimmten festgelegten Zeiten, noch in einer gewissen Regelmäßigkeit eingegliedert. Es bestand für ihn lediglich die Verpflichtung, den von ihm freiwillig übernommenen Dienst durch seine eigene Tätigkeit oder die Stellung einer Ersatzperson zu gewährleisten. Anders als die Beklagte meint, benutzte der Beigeladene zu 1) weder Arbeitsmaterialen des Klägers noch arbeitete er mit anderen Beschäftigten des Klägers zusammen. Der Kläger unterhielt an den Einsatzorten weder Fahrzeuge noch sonstiges Arbeitsmaterial, dass von Rettungskräften zu ihrer Arbeit benötigt wird. Er vermittelte auch ausschließlich Notärzte und Beschäftigte weder Rettungssanitäter, noch -assistenten. Auch aus der vertraglichen Vereinbarung in § 4 Abs. 2 der zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem Kläger geschlossenen Verträge, dass die Dienstübergabe- /-übernahme bei Dienstwechsel stets persönlich zu erfolgen habe und dass die jeweils abgeleistete Zeit schriftlich festzuhalten sei, ergibt sich noch keine wesentliche Eingliederung in den Betrieb des Klägers. Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass sich der Kläger bei Ableistung des jeweiligen Bereitschaftsdienstes in einem bestimmten Radius um das Rettungsfahrzeug aufhalten musste. Vielmehr wohnt das Aufhalten an einem bestimmten Ort oder Gebiet jedem Bereitschaftsdienst inne. Eine räumliche Eingliederung in den Betrieb des Klägers wird damit nicht vorgenommen. Auch aufgrund seiner Eigenschaft als "Teil einer Kette" von Notärzten in der Arbeitsorganisation des Klägers folgt nicht zwingend der Schluss, dass dieser auch in den Betrieb eingegliedert ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2017 – L 2 R 3158/16). Entscheidend ist vielmehr, dass der Beigeladene zu 1) nicht zu beliebigen Tätigkeiten herangezogen werden kann und insbesondere nicht verpflichtet ist, bestimmte Einsätze zu übernehmen oder eine bestimmte Anzahl von Diensten zu absolvieren (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Eine Eingliederung liegt damit, wenn überhaupt, bei dem Träger des Rettungsdienstes vor. Dieses Verhältnis ist vorliegend jedoch nicht zu beurteilen, da es auf das konkrete Verhältnis des Beigeladenen zu 1) zum Kläger ankommt und nicht auf das Verhältnis zu einem beliebigen Dritten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2015 – L 1 KR 105/13).
Anders als die Beklagte meint, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Kläger, der vertraglich die Verpflichtung eingegangen ist, bestimmte Rettungswachen rund um die Uhr mit einem Notarzt zu besetzen, dadurch möglicherweise als Leistungserbringer im Sinne des SGB V angesehen werden kann, keine andere Beurteilung. Denn wie das BSG zu Recht festgestellt hat, können den Regelungen des Leistungserbringerrechts im SGB V keine Rechtsfolgen hinsichtlich der vorliegend zu entscheidenden Frage des Vorliegens einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV entnommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2016 –B 12 KR 20/14 R, SozR 4/2400 § 7 Nr. 29). Zu Recht weist die Klägerseite daraufhin, dass es bei der Statusfrage nicht darum ginge, wer zur Gestellung der Fachärzte verpflichtet ist, sondern darum, zu klären, wem die konkrete Betriebsorganisation zuzuordnen ist, in welche die Fachärzte im Rettungsdienst eingegliedert sind. Zudem ist festzustellen, dass Träger des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg die in § 2 Abs. 1 des Rettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg (RDG) genannten Träger sind, mit denen das dortige Innenministerium Rahmenvereinbarungen geschlossen hat. Für die hier maßgeblichen Standorte sind demnach die DRK Kreisverbände und Bad als Leistungsträger verantwortlich. Die Ärzte wirken nach § 10 Abs. 1 RDG lediglich am Rettungsdienst mit, ohne selbst Leistungsträger zu sein. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 RDG sind die Krankenhausträger verpflichtet, Ärzte gegen Kostenausgleich zur Verfügung zu stellen. Lediglich in diesem Rahmen wirkt der Kläger an der Versorgung mit. Denn seine vertragliche Verpflichtung besteht gegenüber den jeweiligen Krankenhausträgern und nicht gegenüber den DRK Kreisverbänden.
Soweit die Beklagte in den Parallelfall S 36 AL 201/17 argumentiert, dass sich aus § 23c Abs. 2 SGB IV ergäbe, dass der Gesetzgeber bei der Tätigkeit eines Notarztes von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgegangen sei, ergibt sich nichts anderes. Die Kammer vermag diesem Argument nicht zu folgen, denn die mit Wirkung zum 05. April 2017 in Kraft getretene Neuregelung enthält lediglich die Aussage, dass eine Nebentätigkeit als Notarzt jedenfalls dann nicht beitragspflichtig sein soll, wenn in einem bestimmten Umfang regelmäßig außerdem noch eine ärztliche Tätigkeit außerhalb des Rettungsdienstes ausgeübt wird. Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung ist es, unabhängig davon, ob die Notarzttätigkeit auf selbstständiger Basis oder als Beschäftigung ausgeübt wird, im Interesse der Sicherstellung des Rettungsdienstes die Einnahmen aus dieser Tätigkeit unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen von der Beitragspflicht frei zu stellen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2017 – L 1 KR 404/15).
Andererseits hatte der Beigeladene zu 1) lediglich ein geringes Unternehmerrisiko. Grundsätzlich ist ein Unternehmerrisiko nicht bereits darin zu sehen, dass Folgeaufträge nach Abschluss einer Tätigkeit ausbleiben können. Denn einem solchen Risiko ist auch der Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Beschäftigung ausgesetzt. Unternehmerrisiko bedeutet vielmehr, dass der Arbeitnehmer sich der Gefahr aussetzt, nicht nur keine Einnahmen zu erzielen, sondern mit Ausgaben belastet zu sein, die von den Einnahmen nicht getragen werden. Dies war bei dem Beigeladenen zu 1) nicht der Fall, da er lediglich wenige eigene Betriebsmittel einsetzte. Er hatte lediglich für seine Arbeitskleidung und die entsprechenden Fortbildungskosten zu sorgen. Im Bereich der Tätigkeit eines Notarztes ist das Argument des Unternehmerrisikos allerdings von untergeordneter Bedeutung, weil diese Tätigkeit keinen oder nur einen geringen Kapitaleinsatz erfordert. Die Tätigkeiten sind vielmehr durch die persönliche Dienstleistung geprägt. Daher stellt das Unternehmerrisiko bei freiberuflichen Dienstleistungen, die ohne nennenswerte betriebliche Investitionen ausgeübt werden können, nicht das sonst so wesentliche Indiz für eine selbstständige Tätigkeit dar (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, a.a.O.).
Schließlich spricht auch die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung. Geht es wie vorliegend um reine Dienstleistungen, ist anders als bei der Erstellung zum Beispiel eines materiellen Produktes ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten (ständige Rechtsprechung BSG; zuletzt BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R). Die Kammer geht nach den nachvollziehbaren und unangefochtenen Angaben der Klägerseite im Übrigen davon aus, dass das dem Beigeladenen zu 1) gezahlte Stundenhonorar von 30,00 EUR gegebenenfalls zuzüglich bestimmter Zuschläge im Bereich des notärztlichen Bereitschaftsdienstes ein deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegendes Honorar darstellt. Die Klägerseite hat insoweit angegeben, dass von einem Stundengehalt in Höhe von 20,00 EUR bis 21,00 EUR für einen angestellten Notarzt auszugehen sei. Denn diese Entlohnung lässt eine Eigenvorsorge zu und ist damit ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit (vgl. BSG, a.a.O.). Denn es muss auch berücksichtigt werden, dass in bestimmten Branchen, wie z.B. auch der Notarzttätigkeit, offensichtlich ein Arbeitskräftemangel vorherrscht, der es erfordert, den Wunsch des Arztes nach einer freiberuflichen Tätigkeit zu akzeptieren, um ausreichend qualifiziertes Personal im Betrieb einsetzen zu können (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, a.a.O.).
Die vorstehend aufgezeigten für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände überwiegen im Rahmen der gebotenen Gesamtbewertung. Das gewichtigste Kriterium ist dabei für die Kammer die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) keinerlei Weisungen durch den Kläger unterlag und nicht in den Betrieb des Klägers eingebunden war. Zudem war er für mehrere Auftraggeber tätig. Die Tatsache, dass er kein unternehmerisches Risiko trug, spricht zwar grundsätzlich für eine abhängige Beschäftigung, tritt hier jedoch zurück, da mit dem Beruf des Notarztes allgemein kein wirtschaftliches Risiko im Sinne größerer Investitionen verbunden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Es ist der Auffangstreitwert festzusetzen, da ein wirtschaftlicher Wert der Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) nicht beziffert werden kann.
Vorsitzende der 14. Kammer
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