S 39 P 11/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
39
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 39 P 11/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 P 6/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Forterbringung von Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit.

Die Klägerin, die im Wesentlichen an Mobilitätseinschränkungen leidet, erhielt von dem Beklagten, bei dem sie privat pflegeversichert ist, auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens der Firma N Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit.

Im November 2012 holte der Beklagte ein aktuelles Gutachten der Firma N ein, welches nach körperlicher Untersuchung der Klägerin erstattet wurde, und stellte dem Ergebnis des Gutachtens entsprechend sodann die Leistungserbringung mit dem 31.12.2012 ein.

Am 04.01.2013 hat die Klägerin die hiesige Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor, ihr Hilfebedarf habe sich gegenüber der letzten Begutachtung nicht deutlich verringert. Sie sei schwerpflegebedürftig und immer noch in die Pflegestufe II einzugliedern.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr über den 31.12.2012 hinaus Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit zu erbringen.

Der im Termin zur mündlichen Verhandlung und Entscheidung vom 04.12.2014 nicht vertretene Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der Hilfebedarf der Klägerin sei bei einer Vielzahl von Verrichtungen gesunken, wie ein Vergleich der beiden Gutachten deutlich ergebe. Das aktuelle Gutachten sei im Übrigen bereits aus Rechtsgründen verbindlich.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Entscheidung des Beklagten, die Leistungserbringung an die Klägerin einzustellen, ist nicht zu beanstanden. Der Klägerin stehen weder noch Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit noch nur solche wegen erheblicher Pflegebedürftigkeit zu.

In den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin ist im Januar 2013 gegenüber den Verhältnissen, die zu der Erbringung von Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit geführt hatten, eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Sachverständige Dr. T hat in seinem für die Fa. N erstatteten Gutachten nach körperlicher Untersuchung der Klägerin vom 30.11.2012 dargelegt, dass der Hilfebedarf der Klägerin sich gegenüber den Verhältnissen aus dem Sommer 2009, als ihr Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit zuerkannt worden waren, deutlich verringert hat. Der Sachverständige hat diese Aussage in dem von ihm ausdrücklich so benannten Bewusstsein getroffen, dass eine solche Änderung bei dem Lebensalter der Klägerin ungewöhnlich ist, und sodann im einzelnen dargestellt, wie sich die Änderung konkret äußert und welche Gründe dafür nachvollziehbar erscheinen.

Die Klägerin ist danach nicht einmal mehr erheblich pflegebedürftig. Pflegebedürftig im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung (MB/PPV 1996 i.d.F.v. 2012) sind gemäß deren § 1 Abs. 6 litt.a Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichen oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Die betreffenden maßgebenden Verrichtungen sind in § 1 Abs. 5 MB/PPV 2012 katalogisiert aufgeführt. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind gemäß § 1 Abs. 6 litt.a MB/PPV 2012 Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens 2 Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss gem. § 1 Abs. 8 litt.a MB/PPV 2012 wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen.

Die Klägerin hat demgegenüber Hilfebedarf nur noch im Umfang von 20 Minuten durchschnittlich täglich, zusammengesetzt aus 5 Minuten anteilig täglich bei der Ganzkörperwäsche, 3 Minuten anteilig täglich beim Duschen, 2 Minuten bei der mundgerechten Zubereitung von Nahrung und jeweils 5 Minuten beim An- und Auskleiden und beim Aufhelfen aus sehr niedrigen Sitzgelegenheiten.

Die Kammer folgt dem dieses Ergebnis zeitigenden Gutachten des Sachverständigen Dr. T, da es mit für die Prozessbeteiligten verbindlichem Ergebnis erstattet worden ist. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) sind Versicherer und Versicherungsnehmer an die Feststellungen des Sachverständigen zu den Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder zur Höhe des Schadens grundsätzlich gebunden, wenn dies vertraglich vereinbart ist. Eine solche Vereinbarung ist hier nach § 6 Abs. 2 MB/PPV 1996 getroffen worden. Gem. § 6 Abs. 2 S. 1 der Bedingungen ist u.a. die Fortdauer der Pflegebedürftigkeit durch einen von dem Versicherer beauftragten Arzt festzustellen und diese Feststellung nach § 6 Abs. 2 S. 2 der Bedingungen sogar in angemessenen Zeitabständen zu wiederholen. Es kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass die Neubewertung des Maßes von Pflegebedürftigkeit der Klägerin nicht von dem Beklagten initiiert worden ist, sondern von der Klägerin selbst, die Antrag auf Bewilligung wohnumfeldverbessernder Maßnahmen gestellt hatte. Nach Maßgabe von § 6 Abs. 3 der Bedingungen ist der Versicherer sodann zur Leistung nur dann verpflichtet, wenn die erforderlichen Nachweise erbracht sind. Es entspricht dabei nicht nur dem Gesetzesinhalt von § 84 Abs. 1 S. 1 VVG, sondern auch ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die betreffenden Feststellungen des Sachverständigen nur dann nicht verbindlich sind, wenn sie in offenbarer Weise von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen, wobei nur auf den Sachstand und die Erkenntnismittel zur Zeit der Begutachtung abzustellen ist (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 22.08.2001, Az.: B 3 P 4/01 R).

Ein erhebliches Abweichen von der wirklichen Sachlage in offenbarer Weise ist hier nicht erkennbar. Die Klägerseite verkennt, dass nach ständiger höchstrichterlicher sozialgerichtlicher wie zivilgerichtlicher Rechtsprechung bei der Prüfung dieses Tatbestandes, wie in der Begrifflichkeit "in offenbarer Weise" zum Ausdruck kommt, nicht auf die Betrachtung eines Prozessbeteiligten oder des Angehörigen eines Prozessbeteiligten abzustellen ist, sondern auf die eines unbefangenen, in den Sachverhalt nicht involvierten Außenstehenden. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat das in sich schlüssige und von Widersprüchen freie Gutachten von Herrn Dr. T rechtsverbindliche Wirkung.

Die Klage war daher abzuweisen, wobei sich die Kostenentscheidung auf § 193 SGG ergibt.
Rechtskraft
Aus
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