Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 26/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2009 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Gegenstandswert wird auf 7.010,96 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 7.010,96 Euro.
Der Kläger ist eine Untergliederung des Caritasverbandes der Diözese N ... Er betreibt in der Rechtsform des eingetragenen Vereins u.a. in X. das G ... Daneben bietet der Kläger an, pflegebedürftigen und wegen Alters gebrechlichen Personen täglich eine warme Mahlzeit im Wege des sog. "rollenden Mittagstischs" in ihr häusliches Wohnumfeld zu liefern. Die Anlieferung wird von ehrenamtlich tätigen Personen für den Kläger durchgeführt, die für die täglichen Anlieferungstouren Fahrzeuge des Klägers benutzen.
Für die Anlieferungstätigkeit, die stets auch verbunden ist mit persönlichen Kontaktaufnahmen zu den Betreuten des "rollenden Mittagstischs" zahlt der Kläger den ehrenamtlich tätigen Personen eine Aufwandsentschädigung, die er in der Vergangenheit nach § 3 Nr. 26 Einkommenssteuergesetz (EStG) als steuerfreie Aufwandsentschädigung behandelt hat. Insoweit hat der Kläger ebenfalls keine Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt.
Am 21.09.2005 führte die Beklagte beim Kläger über den Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.08.2005 eine Betriebsprüfung durch. Mit Bescheid vom 30.01.2006 kam die Beklagte zu der Auffassung, die vom Kläger gezahlte Aufwandsentschädigung an die ehrenamtlich tätigen Personen, die mit der Auslieferung des "rollenden Mittagstischs" wie auch im Fuhrpark und in der Verwaltung beim Kläger tätig gewesen seien, seien beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Sie teilte dem Kläger eine sich hieraus ergebende Beitragsnachforderung in Höhe von 8.149,75 Euro mit. Auf den Widerspruch des Klägers vom 06.02.2006 half die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2008 dem Widerspruch teilweise ab. Nach nochmaliger Befragung der betroffenen Mitarbeiter seien diese neben ihrer Tätigkeit im Rahmen des "rollenden Mittagstischs" auch im Fahrdienst tätig gewesen. Für den Anteil der Vergütung am Fahrdienst sei die gezahlte Aufwandsentschädigung beitragsfrei und dem Widerspruch insoweit abzuhelfen. Darüber hinaus verbleibe es dabei, dass die gezahlten Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit beim "rollenden Mittagstisch" beitragspflichtiges Arbeitsentgelt seien. Hier stehe nur der Transport der Speisen im Vordergrund. Es sei keine begünstigte Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG. Die verbleibende Beitragsnachforderung reduzierte die Beklagte insoweit auf 7.010,96 Euro.
Mit Bescheid vom 26.01.2009 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den weitergehenden Widerspruch zurückgewiesen. Wie im Beitragsbescheid bereits ausführlich dargestellt, seien die bei der Essensübergabe entstehenden Kontakte mit den alten, kranken oder behinderten Menschen von untergeordneter Bedeutung. Die bloße Auslieferung von fertigen Mahlzeiten durch den "rollenden Mittagstisch" stelle keine Hilfe bei häuslichen Verrichtungen und Einkäufen dar. Das Finanzamt Münster vertrete diese Rechtsauffassung und habe eine entsprechende Anrufungsauskunft erteilt. Danach erkenne das Finanzamt "Essen auf Rädern" nicht als begünstigte Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG an, da bei dieser Dienstleistung der Transport der Speisen im Vordergrund stehe. Der angefochtene Beitragsbescheid entspreche daher nach Teilabhilfe der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden.
Die hiergegen erhobene Klage ist am 20.02.2009 bei Gericht eingegangen.
Der Kläger verbleibt bei seiner Auffassung, die Aufwandspauschale für die beim "rollenden Mittagstisch" tätigen Personen sei zu Recht als beitragsfrei behandelt worden. Die entsprechenden ehrenamtlichen Mitarbeiter verrichteten bei der Auslieferung der Speisen auch betreuende Tätigkeiten. Es sei keineswegs durchgängig so, dass die erwärmten Speisen an der Haustür abgegeben würden. Die betreuten Personen würden vielmehr in ihrem persönlichen Umfeld aufgesucht und persönlich betreut. Damit stehe diese ehrenamtliche und von persönlicher Zuwendung getragene Tätigkeit der entsprechenden Personen im Vordergrund. Die abweichende Auffassung der Finanzverwaltung binde weder den Kläger, noch könne der nähere Umstand, zu dem eine derartige Regelung mit dem N. Finanzamt getroffen worden sei, aus Sicht des Klägers verifiziert werden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Auch sie verbleibt bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung und bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Bereits im Widerspruchsbescheid sei bezüglich der Zuwendungsleistungen ausführt worden, dass für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der ehrenamtlich tätigen Personen ausschlaggebend sei, dass der Transport der Speisen im Vordergrund der Ausübung dieser Tätigkeit stehe. Die aufgrund der Tätigkeit entstehenden Sozialkontakte (Zuwendungsleistungen) seien für die Senioren von Bedeutung. Für die ehrenamtlich tätigen Personen führe dies jedoch nicht zur Steuerfreiheit.
Mit Beschluss vom 30.06.2009 hat das Gericht die von den angefochtenen Bescheiden erfassten ehrenamtlich tätigen Personen sowie die betroffenen Einzugsstellen zum Rechtsstreit beigeladen.
In den Erörterungsterminen vom 22.10.2009, 24.06.2010 und 30.09.2010 hat das Gericht die Beteiligten sowie die jeweils anwesenden ehrenamtlich tätig gewesenen Beigeladenen angehört. Abschließend hat das Gericht sodann im Termin zur Beweisaufnahme vom 27.01.2011 die bei dem Kläger tätig gewesene Frau H. S. als Zeugin gehört, die während ihrer Beschäftigungszeit die Aufgaben des "rollenden Mittagstisches" verwaltungsseitig betreut hat. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die zu diesen Sitzungsniederschriften erfolgten Feststellungen Bezug genommen.
Die Beigeladenen haben darüberhinausgehend schriftsätzlich nicht Stellung genommen und auch keine Anträge gestellt.
Der Kläger sieht sich nach dem Ergebnis der Anhörung der Beigeladenen in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Die meisten der Beigeladenen hätten bekundet, dass eine dezidierte Anweisung des Klägers bestanden habe, auch auf das persönliche Umfeld der "Kunden" zu achten und insbesondere bemerkenswerte Veränderungen oder Bedürfnisse der Kunden des "rollenden Mittagstischs" am Ende der Tour bei Frau S. mitzuteilen und zu melden. Soweit zwischenzeitlich organisatorische Schwierigkeiten zu zeitlichen Erschwernissen bei der Durchführung der Touren geführt hätten, sei dies im weiteren Verlauf durch Einrichtung einer zweiten Tour abgestellt worden. Zum Teil hätten die Beigeladenen dezidiert über Einzelheiten ihrer Tätigkeit berichten können, die über das bloße Abliefern der Speisen hinaus ging und erforderliche weitergehende Kontakte sowie Handreichungen für die Kunden beinhaltete. Auch sei von den Beigeladenen überwiegend bestätigt worden, dass es durch den Kläger die entsprechende Weisung gegeben habe, notwendige Zuwendungen zu erbringen und Unregelmäßigkeiten nach den Touren beim Innendienst anzumelden.
Die divergierenden Bekundungen, insbesondere der Beigeladenen zu 1, 2 und 4 könnten damit im Zusammenhang stehen, dass diese Beigeladenen auf einer Tour eingesetzt gewesen seien, die der Kläger erst gegen Ende des Jahres 2002/ 2003 übernommen habe. Die dort aufgetretenen Schwierigkeiten seien aber durch Teilung der Tour abgestellt worden. Die vom Kläger angeordneten und durch die ehrenamtlich tätigen Personen erbrachten weiteren Handreichungen und Zusatzdienstleistungen könnten zwanglos unter dem Oberbegriff "Betreuungsleistung" subsumiert werden.
Demgemäß habe auch die Zeugin Richter den klägerischen Vortrag voll umfänglich bestätigt, wonach es zum Aufgabenkreis der Fahrerinnen und Fahrer im Menübringdienst u.a. gehört habe, das Essen zu servieren und auch ggfs. blinde Kunden zu füttern. Die Zeugin habe die Anweisung des Klägers an seine Auslieferungsfahrer bekundet, auf Besonderheiten zu achten, Vorkommnisse weiter zu melden, die das Eingreifen weiterer Versorgungs- und Pflegepersonen erforderlich machten und in Fällen besonderer Vorkommnisse auf das Eintreffen dieser Personen oder der Familienangehörigen bei dem Kunden zu verbleiben. Der vom Kläger vorgetragene Inhalt der Dienstanweisungen an seine Fahrerinnen und Fahrer sei von sämtlichen Beigeladenen und der Zeugin S. bis auf die Beigeladenen zu 1, 2 und 4 bestätigt worden. Die hier interessierenden Geldzahlungen unterfielen danach zwanglos nach den in erlaubter Weise erfolgten Tätigkeitsanweisungen des Klägers der Vorschrift des § 3 Nr. 26 EStG, weshalb sie steuer- und beitragsfrei zu belassen waren.
Auch die Beklagte bleibt nach Durchführung der Anhörung und Beweisaufnahme abschließend bei ihrer bisherigen Auffassung und sieht sich hierin bestätigt. Durch die angehörten Mitarbeiter sei überwiegend dargelegt worden, dass das Hauptaugenmerk eben auf der Ausgabe des Essens gelegen habe und für die Betreuung der Empfänger nicht ausreichend Zeit zur Verfügung stand oder dies über die Beobachtung des ersten Augenscheins hinaus auch nicht gefordert sei. Die Rückmeldung der gesundheitlichen Verfassung der Essensempfänger an den Arbeitgeber stelle nach Auffassung der Beklagten noch keine Betreuung dar, welche eine begünstigte Tätigkeit nach § 3 Nr. 26 EStG begründe. Bei der Sicht der Zeugin auf den Zeitplan der Fahrer handele es sich nicht um die Darstellung der tatsächlichen Begebenheiten, zumal die Zeugin auch eingeräumt habe, dass es unter Umständen zu Abmahnungen und Entlassungen gekommen sei, wenn die Betreuung der Essensempfänger nicht erfolgt sei. Dies bestätige im Gegenteil die Aussagen der Fahrer, dass die zeitlichen Umstände eine Betreuung gar nicht ermöglicht hätten. Im Rahmen des Vorverfahrens seien die Fahrer zu ihrer Tätigkeit befragt worden. Sofern mitgeteilt worden sei, dass eine Betreuung zu einem gewissen Anteil erfolgte, sei dies im Rahmen der Teilabhilfe im Widerspruchsverfahren berücksichtigt worden. Darüber hinaus habe die Mehrheit der im Verfahren befragten Arbeitnehmer ausgeführt, dass eine Betreuung im von der Zeugin beschriebenen Umfang nicht gefordert worden bzw. aus zeitlichen Gründen gar nicht möglich gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen, die zu den Sitzungsniederschriften erfolgten Feststellungen und die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten waren aufzuheben, da sie den Kläger in seinen Rechten verletzen. Die Bescheide sind rechtsfehlerhaft ergangen. Der festgestellte Beitragsanspruch besteht gegen den Kläger nicht. Auch nach Auffassung der Kammer hat er vielmehr die gezahlten Aufwandsentschädigungen der Fahrerinnen und Fahrer im Rahmen des "rollenden Mittagstischs" zutreffend beitragsfrei belassen.
Die Kammer folgt insoweit der überzeugenden Argumentation des Klägers dahingehend, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 26 EStG für die hier streitige Tätigkeit im fraglichen Zeitraum erfüllt waren. Hiernach sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten z.B. als Betreuer bzw. in der Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst einer gemeinnützigen Einrichtung bis zur dort bezeichneten Höhe steuerfrei. Sie unterliegen damit auch nicht der Beitragspflicht zu den Zweigen der Sozialversicherung. Nach den Lohnsteuerrichtlinien zu § 3 Nr. 26 EStG (z.B. 2008) wird zu den begünstigten Tätigkeiten unter Absatz 1 Satz 4 ausgeführt: "Die Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen umfasst außer der Dauerpflege auch Hilfsdienste bei der häuslichen Betreuung durch ambulante Pflegedienste, z.B. Unterstützung bei der Grund- und Behandlungspflege, bei häuslichen Verrichtungen und Einkäufen, beim Schriftverkehr, bei der Altenhilfe entsprechend § 71 SGB XII ". Die Kammer sieht sich nach Anhörung der Beteiligten sowie der Zeugin Richter davon überzeugt, dass diese Merkmale bei den freiwilligen ehrenamtlichen Mitarbeitern des "rollenden Mittagstischs" vorgelegen haben. Hierbei ist für die Kammer entscheidend, dass durch den Kläger entsprechende Anweisungen an die Mitarbeiter gegeben worden sind, die Menüs nicht nur auszuliefern sondern ergänzende Hilfestellung zu erbringen. Durch die überwiegende Zahl der gehörten Beigeladenen konnte sowohl die Anweisung bestätigt werden als auch entsprechende exemplarische Hilfeleistungen benannt werden. Dass dies letztlich von einigen Beigeladenen negiert worden ist, vermag an der rechtlichen Erfassung der zu Grunde liegenden Weisungssituation nichts zu ändern. Insoweit hat die Zeugin Richter auch bekundet, dass ggfs. bei Fehlverhalten und Verstößen gegen die Weisungen Abmahnungen und auch Entlassungen erfolgt sind.
Die von der Finanzverwaltung und ihr folgend von der Beklagten vertretene Auffassung mag im Regelfall – insbesondere für gewerbliche Menübringdienste - zutreffen. Im vorliegenden Einzelfall jedoch ist für die Kammer ersichtlich geworden, dass die Leistungen des caritativ tätigen Klägers über die bloße Essenslieferung hinaus gegangen sind. Qualitativ vermag die Kammer insoweit keinen Unterschied z.B. zu dem auch vom Kläger betriebenen Fahrdienst zu erkennen, den auch die Beklagte als nach § 3 Nr. 26 EStG begünstigt ansieht. Auch beim Fahrdienst werden über den bloßen Transport hinausgehende Hilfeleistungen von dem Gesundheitszustand und den Anforderungen der jeweils hilfsbedürftigen Personen abhängig sein. Auch in diesem Zusammenhang wird es Personen geben, die der Fremdhilfe kaum bedürfen und andere, die den Einsatz der freiwilligen Helfer in einem höheren Maße fordern. Ebenso hat es sich bei den hier streitigen Leistungen des "rollenden Mittagstischs" für die Kammer dargestellt. Auch hier war Umfang und Inhalt des konkreten Einsatzes der ehrenamtlichen Mitarbeiter des Klägers bestimmt durch die Anforderungen des jeweiligen Kunden. Der Kläger hat im Rahmen des Menübringdienstes über die reine Essensauslieferung hinaus auch die Unterstützung der Kunden bei häuslichen Verrichtungen und ggfs. – wie es von Beigeladenen geschildert wurde – Einkäufen sowie weiteren Hilfestellungen vorgehalten und angeboten. Ob diese nun und in welchem Umfang von den einzelnen Kunden tatsächlich abgerufen worden sind, kann letztlich für die Einordnung der begünstigten Tätigkeit nicht ausschlaggebend sein.
Hiernach haben insgesamt für die im Rahmen des "rollenden Mittagstischs" durch den Kläger gezahlten Aufwandspauschalen im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen nach § 3 Nr. 26 EStG vorgelegen. Die gezahlten Entgelte waren daher beitragsfrei zu belassen und die angefochtenen Bescheide hiernach aufzuheben.
Da die Beteiligten in der Ladung zum Termin vom 30.06.2011 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind, konnte die Kammer auf den Antrag der Beklagten nach einseitiger mündlicher Verhandlung und Aktenlage entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Gegenstandwert war nach dem streitigen Nachzahlungsanspruch von 7.010,96 Euro festzusetzen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 7.010,96 Euro.
Der Kläger ist eine Untergliederung des Caritasverbandes der Diözese N ... Er betreibt in der Rechtsform des eingetragenen Vereins u.a. in X. das G ... Daneben bietet der Kläger an, pflegebedürftigen und wegen Alters gebrechlichen Personen täglich eine warme Mahlzeit im Wege des sog. "rollenden Mittagstischs" in ihr häusliches Wohnumfeld zu liefern. Die Anlieferung wird von ehrenamtlich tätigen Personen für den Kläger durchgeführt, die für die täglichen Anlieferungstouren Fahrzeuge des Klägers benutzen.
Für die Anlieferungstätigkeit, die stets auch verbunden ist mit persönlichen Kontaktaufnahmen zu den Betreuten des "rollenden Mittagstischs" zahlt der Kläger den ehrenamtlich tätigen Personen eine Aufwandsentschädigung, die er in der Vergangenheit nach § 3 Nr. 26 Einkommenssteuergesetz (EStG) als steuerfreie Aufwandsentschädigung behandelt hat. Insoweit hat der Kläger ebenfalls keine Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt.
Am 21.09.2005 führte die Beklagte beim Kläger über den Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.08.2005 eine Betriebsprüfung durch. Mit Bescheid vom 30.01.2006 kam die Beklagte zu der Auffassung, die vom Kläger gezahlte Aufwandsentschädigung an die ehrenamtlich tätigen Personen, die mit der Auslieferung des "rollenden Mittagstischs" wie auch im Fuhrpark und in der Verwaltung beim Kläger tätig gewesen seien, seien beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Sie teilte dem Kläger eine sich hieraus ergebende Beitragsnachforderung in Höhe von 8.149,75 Euro mit. Auf den Widerspruch des Klägers vom 06.02.2006 half die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2008 dem Widerspruch teilweise ab. Nach nochmaliger Befragung der betroffenen Mitarbeiter seien diese neben ihrer Tätigkeit im Rahmen des "rollenden Mittagstischs" auch im Fahrdienst tätig gewesen. Für den Anteil der Vergütung am Fahrdienst sei die gezahlte Aufwandsentschädigung beitragsfrei und dem Widerspruch insoweit abzuhelfen. Darüber hinaus verbleibe es dabei, dass die gezahlten Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit beim "rollenden Mittagstisch" beitragspflichtiges Arbeitsentgelt seien. Hier stehe nur der Transport der Speisen im Vordergrund. Es sei keine begünstigte Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG. Die verbleibende Beitragsnachforderung reduzierte die Beklagte insoweit auf 7.010,96 Euro.
Mit Bescheid vom 26.01.2009 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den weitergehenden Widerspruch zurückgewiesen. Wie im Beitragsbescheid bereits ausführlich dargestellt, seien die bei der Essensübergabe entstehenden Kontakte mit den alten, kranken oder behinderten Menschen von untergeordneter Bedeutung. Die bloße Auslieferung von fertigen Mahlzeiten durch den "rollenden Mittagstisch" stelle keine Hilfe bei häuslichen Verrichtungen und Einkäufen dar. Das Finanzamt Münster vertrete diese Rechtsauffassung und habe eine entsprechende Anrufungsauskunft erteilt. Danach erkenne das Finanzamt "Essen auf Rädern" nicht als begünstigte Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG an, da bei dieser Dienstleistung der Transport der Speisen im Vordergrund stehe. Der angefochtene Beitragsbescheid entspreche daher nach Teilabhilfe der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden.
Die hiergegen erhobene Klage ist am 20.02.2009 bei Gericht eingegangen.
Der Kläger verbleibt bei seiner Auffassung, die Aufwandspauschale für die beim "rollenden Mittagstisch" tätigen Personen sei zu Recht als beitragsfrei behandelt worden. Die entsprechenden ehrenamtlichen Mitarbeiter verrichteten bei der Auslieferung der Speisen auch betreuende Tätigkeiten. Es sei keineswegs durchgängig so, dass die erwärmten Speisen an der Haustür abgegeben würden. Die betreuten Personen würden vielmehr in ihrem persönlichen Umfeld aufgesucht und persönlich betreut. Damit stehe diese ehrenamtliche und von persönlicher Zuwendung getragene Tätigkeit der entsprechenden Personen im Vordergrund. Die abweichende Auffassung der Finanzverwaltung binde weder den Kläger, noch könne der nähere Umstand, zu dem eine derartige Regelung mit dem N. Finanzamt getroffen worden sei, aus Sicht des Klägers verifiziert werden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Auch sie verbleibt bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung und bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Bereits im Widerspruchsbescheid sei bezüglich der Zuwendungsleistungen ausführt worden, dass für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der ehrenamtlich tätigen Personen ausschlaggebend sei, dass der Transport der Speisen im Vordergrund der Ausübung dieser Tätigkeit stehe. Die aufgrund der Tätigkeit entstehenden Sozialkontakte (Zuwendungsleistungen) seien für die Senioren von Bedeutung. Für die ehrenamtlich tätigen Personen führe dies jedoch nicht zur Steuerfreiheit.
Mit Beschluss vom 30.06.2009 hat das Gericht die von den angefochtenen Bescheiden erfassten ehrenamtlich tätigen Personen sowie die betroffenen Einzugsstellen zum Rechtsstreit beigeladen.
In den Erörterungsterminen vom 22.10.2009, 24.06.2010 und 30.09.2010 hat das Gericht die Beteiligten sowie die jeweils anwesenden ehrenamtlich tätig gewesenen Beigeladenen angehört. Abschließend hat das Gericht sodann im Termin zur Beweisaufnahme vom 27.01.2011 die bei dem Kläger tätig gewesene Frau H. S. als Zeugin gehört, die während ihrer Beschäftigungszeit die Aufgaben des "rollenden Mittagstisches" verwaltungsseitig betreut hat. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die zu diesen Sitzungsniederschriften erfolgten Feststellungen Bezug genommen.
Die Beigeladenen haben darüberhinausgehend schriftsätzlich nicht Stellung genommen und auch keine Anträge gestellt.
Der Kläger sieht sich nach dem Ergebnis der Anhörung der Beigeladenen in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Die meisten der Beigeladenen hätten bekundet, dass eine dezidierte Anweisung des Klägers bestanden habe, auch auf das persönliche Umfeld der "Kunden" zu achten und insbesondere bemerkenswerte Veränderungen oder Bedürfnisse der Kunden des "rollenden Mittagstischs" am Ende der Tour bei Frau S. mitzuteilen und zu melden. Soweit zwischenzeitlich organisatorische Schwierigkeiten zu zeitlichen Erschwernissen bei der Durchführung der Touren geführt hätten, sei dies im weiteren Verlauf durch Einrichtung einer zweiten Tour abgestellt worden. Zum Teil hätten die Beigeladenen dezidiert über Einzelheiten ihrer Tätigkeit berichten können, die über das bloße Abliefern der Speisen hinaus ging und erforderliche weitergehende Kontakte sowie Handreichungen für die Kunden beinhaltete. Auch sei von den Beigeladenen überwiegend bestätigt worden, dass es durch den Kläger die entsprechende Weisung gegeben habe, notwendige Zuwendungen zu erbringen und Unregelmäßigkeiten nach den Touren beim Innendienst anzumelden.
Die divergierenden Bekundungen, insbesondere der Beigeladenen zu 1, 2 und 4 könnten damit im Zusammenhang stehen, dass diese Beigeladenen auf einer Tour eingesetzt gewesen seien, die der Kläger erst gegen Ende des Jahres 2002/ 2003 übernommen habe. Die dort aufgetretenen Schwierigkeiten seien aber durch Teilung der Tour abgestellt worden. Die vom Kläger angeordneten und durch die ehrenamtlich tätigen Personen erbrachten weiteren Handreichungen und Zusatzdienstleistungen könnten zwanglos unter dem Oberbegriff "Betreuungsleistung" subsumiert werden.
Demgemäß habe auch die Zeugin Richter den klägerischen Vortrag voll umfänglich bestätigt, wonach es zum Aufgabenkreis der Fahrerinnen und Fahrer im Menübringdienst u.a. gehört habe, das Essen zu servieren und auch ggfs. blinde Kunden zu füttern. Die Zeugin habe die Anweisung des Klägers an seine Auslieferungsfahrer bekundet, auf Besonderheiten zu achten, Vorkommnisse weiter zu melden, die das Eingreifen weiterer Versorgungs- und Pflegepersonen erforderlich machten und in Fällen besonderer Vorkommnisse auf das Eintreffen dieser Personen oder der Familienangehörigen bei dem Kunden zu verbleiben. Der vom Kläger vorgetragene Inhalt der Dienstanweisungen an seine Fahrerinnen und Fahrer sei von sämtlichen Beigeladenen und der Zeugin S. bis auf die Beigeladenen zu 1, 2 und 4 bestätigt worden. Die hier interessierenden Geldzahlungen unterfielen danach zwanglos nach den in erlaubter Weise erfolgten Tätigkeitsanweisungen des Klägers der Vorschrift des § 3 Nr. 26 EStG, weshalb sie steuer- und beitragsfrei zu belassen waren.
Auch die Beklagte bleibt nach Durchführung der Anhörung und Beweisaufnahme abschließend bei ihrer bisherigen Auffassung und sieht sich hierin bestätigt. Durch die angehörten Mitarbeiter sei überwiegend dargelegt worden, dass das Hauptaugenmerk eben auf der Ausgabe des Essens gelegen habe und für die Betreuung der Empfänger nicht ausreichend Zeit zur Verfügung stand oder dies über die Beobachtung des ersten Augenscheins hinaus auch nicht gefordert sei. Die Rückmeldung der gesundheitlichen Verfassung der Essensempfänger an den Arbeitgeber stelle nach Auffassung der Beklagten noch keine Betreuung dar, welche eine begünstigte Tätigkeit nach § 3 Nr. 26 EStG begründe. Bei der Sicht der Zeugin auf den Zeitplan der Fahrer handele es sich nicht um die Darstellung der tatsächlichen Begebenheiten, zumal die Zeugin auch eingeräumt habe, dass es unter Umständen zu Abmahnungen und Entlassungen gekommen sei, wenn die Betreuung der Essensempfänger nicht erfolgt sei. Dies bestätige im Gegenteil die Aussagen der Fahrer, dass die zeitlichen Umstände eine Betreuung gar nicht ermöglicht hätten. Im Rahmen des Vorverfahrens seien die Fahrer zu ihrer Tätigkeit befragt worden. Sofern mitgeteilt worden sei, dass eine Betreuung zu einem gewissen Anteil erfolgte, sei dies im Rahmen der Teilabhilfe im Widerspruchsverfahren berücksichtigt worden. Darüber hinaus habe die Mehrheit der im Verfahren befragten Arbeitnehmer ausgeführt, dass eine Betreuung im von der Zeugin beschriebenen Umfang nicht gefordert worden bzw. aus zeitlichen Gründen gar nicht möglich gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen, die zu den Sitzungsniederschriften erfolgten Feststellungen und die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten waren aufzuheben, da sie den Kläger in seinen Rechten verletzen. Die Bescheide sind rechtsfehlerhaft ergangen. Der festgestellte Beitragsanspruch besteht gegen den Kläger nicht. Auch nach Auffassung der Kammer hat er vielmehr die gezahlten Aufwandsentschädigungen der Fahrerinnen und Fahrer im Rahmen des "rollenden Mittagstischs" zutreffend beitragsfrei belassen.
Die Kammer folgt insoweit der überzeugenden Argumentation des Klägers dahingehend, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 26 EStG für die hier streitige Tätigkeit im fraglichen Zeitraum erfüllt waren. Hiernach sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten z.B. als Betreuer bzw. in der Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst einer gemeinnützigen Einrichtung bis zur dort bezeichneten Höhe steuerfrei. Sie unterliegen damit auch nicht der Beitragspflicht zu den Zweigen der Sozialversicherung. Nach den Lohnsteuerrichtlinien zu § 3 Nr. 26 EStG (z.B. 2008) wird zu den begünstigten Tätigkeiten unter Absatz 1 Satz 4 ausgeführt: "Die Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen umfasst außer der Dauerpflege auch Hilfsdienste bei der häuslichen Betreuung durch ambulante Pflegedienste, z.B. Unterstützung bei der Grund- und Behandlungspflege, bei häuslichen Verrichtungen und Einkäufen, beim Schriftverkehr, bei der Altenhilfe entsprechend § 71 SGB XII ". Die Kammer sieht sich nach Anhörung der Beteiligten sowie der Zeugin Richter davon überzeugt, dass diese Merkmale bei den freiwilligen ehrenamtlichen Mitarbeitern des "rollenden Mittagstischs" vorgelegen haben. Hierbei ist für die Kammer entscheidend, dass durch den Kläger entsprechende Anweisungen an die Mitarbeiter gegeben worden sind, die Menüs nicht nur auszuliefern sondern ergänzende Hilfestellung zu erbringen. Durch die überwiegende Zahl der gehörten Beigeladenen konnte sowohl die Anweisung bestätigt werden als auch entsprechende exemplarische Hilfeleistungen benannt werden. Dass dies letztlich von einigen Beigeladenen negiert worden ist, vermag an der rechtlichen Erfassung der zu Grunde liegenden Weisungssituation nichts zu ändern. Insoweit hat die Zeugin Richter auch bekundet, dass ggfs. bei Fehlverhalten und Verstößen gegen die Weisungen Abmahnungen und auch Entlassungen erfolgt sind.
Die von der Finanzverwaltung und ihr folgend von der Beklagten vertretene Auffassung mag im Regelfall – insbesondere für gewerbliche Menübringdienste - zutreffen. Im vorliegenden Einzelfall jedoch ist für die Kammer ersichtlich geworden, dass die Leistungen des caritativ tätigen Klägers über die bloße Essenslieferung hinaus gegangen sind. Qualitativ vermag die Kammer insoweit keinen Unterschied z.B. zu dem auch vom Kläger betriebenen Fahrdienst zu erkennen, den auch die Beklagte als nach § 3 Nr. 26 EStG begünstigt ansieht. Auch beim Fahrdienst werden über den bloßen Transport hinausgehende Hilfeleistungen von dem Gesundheitszustand und den Anforderungen der jeweils hilfsbedürftigen Personen abhängig sein. Auch in diesem Zusammenhang wird es Personen geben, die der Fremdhilfe kaum bedürfen und andere, die den Einsatz der freiwilligen Helfer in einem höheren Maße fordern. Ebenso hat es sich bei den hier streitigen Leistungen des "rollenden Mittagstischs" für die Kammer dargestellt. Auch hier war Umfang und Inhalt des konkreten Einsatzes der ehrenamtlichen Mitarbeiter des Klägers bestimmt durch die Anforderungen des jeweiligen Kunden. Der Kläger hat im Rahmen des Menübringdienstes über die reine Essensauslieferung hinaus auch die Unterstützung der Kunden bei häuslichen Verrichtungen und ggfs. – wie es von Beigeladenen geschildert wurde – Einkäufen sowie weiteren Hilfestellungen vorgehalten und angeboten. Ob diese nun und in welchem Umfang von den einzelnen Kunden tatsächlich abgerufen worden sind, kann letztlich für die Einordnung der begünstigten Tätigkeit nicht ausschlaggebend sein.
Hiernach haben insgesamt für die im Rahmen des "rollenden Mittagstischs" durch den Kläger gezahlten Aufwandspauschalen im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen nach § 3 Nr. 26 EStG vorgelegen. Die gezahlten Entgelte waren daher beitragsfrei zu belassen und die angefochtenen Bescheide hiernach aufzuheben.
Da die Beteiligten in der Ladung zum Termin vom 30.06.2011 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind, konnte die Kammer auf den Antrag der Beklagten nach einseitiger mündlicher Verhandlung und Aktenlage entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Gegenstandwert war nach dem streitigen Nachzahlungsanspruch von 7.010,96 Euro festzusetzen.
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