Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 2523/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2639/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.06.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, im Folgenden BK 2108) streitig.
Die am 1956 geborene Klägerin erlernte keinen Beruf. Von Mai 1975 bis Oktober 1981 war sie nach ihren Angaben in einem Laden für Blumen, Obst, Gemüse und Gartenartikel beschäftigt, wobei sie Obst- und Gemüsekisten vom Lager bzw. den Kühlräumen in den Verkaufsraum zu transportieren hatte (Gewicht der Kisten bis zu 20 kg, Kartoffelsäcke 20 bis 40 kg). Nachfolgend war sie bis September 1983 als Warendisponentin in einem Obst- und Gemüsehandel tätig, was gleichermaßen mit dem Heben und Tragen schwerer Kisten verbunden war (Gewichtskontrolle durch Wiegen der angelieferten Waren, anschließend Transport in die Kühlräume). Von November 1984 bis November 2009 (Eintritt von Arbeitsunfähigkeit) war sie bei der Firma K. AG als Verkäuferin beschäftigt und in verschiedenen Abteilungen eingesetzt. Abhängig von der jeweiligen Abteilung waren dabei schwere Gegenstände zu heben, bspw. beim Einpacken von Geschirr, Staubsauger, Mikrowellengeräten oder Töpfe (vgl. Angaben der Klägerin Bl. 31-1 ff VerwA).
Ca. im Jahr 2005 trat bei der Klägerin vorwiegend im Rücken eine Schmerzsymptomatik mit Lähmung der Beine auf, die keiner organischen Erkrankung zugeordnet werden konnte. Die Behandlung erfolgte von psychosomatischer Seite, u.a. auch im Rahmen zweier stationärer Rehabilitationsmaßnahmen im Jahr 2007. Bei akuter Schmerzexacerbation wurde die Klägerin im November 2009 in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Rheumazentrums B. aufgenommen und im Rahmen eines dreiwöchigen stationären Aufenthalts interdisziplinär rheumatologisch-psychosomatisch unter den Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ/somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, vorbekannte dissoziative Bewegungsstörung, degeneratives HWS-/LWS-Syndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung, Osteoporose, Pangonarthrose beidseits, Fingerpolyarthrose und Varikosis behandelt (vgl. Entlassungsbericht vom 01.12.2009, Bl. 41-1 ff. VerwA). Nach Vorstellungen in der Schmerzambulanz des Klinikums L. im April 2010, bei denen sie über Ganzkörperschmerzen, insbesondere im Bereich der großen und kleinen Gelenke und der Wirbelsäule klagte, eine medikamentöse Behandlung jedoch nicht wünschte, wurde die Klägerin im November/Dezember 2010 erneut im Rahmen einer stationären Rehabilitation, und zwar in der Fachklinik für Psychosomatik M. Reha-Zentrum am H. behandelt (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, chronische Schmerzstörung im Sinne eines Fibromyalgie-Syndroms, dissoziative Störung der Bewegung und der Wahrnehmung, histrionische Persönlichkeitsstörung; vgl. Entlassungsbericht vom 25.01.2011, Bl. 56-1 ff. VerwA). Wie schon zuvor stellte sich die Klägerin auch in der Folgezeit wiederum bei verschiedenen Ärzten vor und klagte über Schmerzen im Bewegungsapparat (gesamte Wirbelsäule, Hand- und Fingergelenke, Knie- und Hüftgelenke), weshalb zahlreiche Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren durchgeführt wurden, u.a. Magnetresonanztomographien (MRT) der HWS am 14.11.2011 und der LWS am 21.08.2012. In ihrem Arztbrief vom 11.11.2013 berichtete die Fachärztin für Orthopädie Dr. S.-W. von folgenden Diagnosen: fortgeschrittene Heberdenarthrose beidseits, Bouchardarthrose beidseits, fortgeschrittene Rhizarthrose links, beginnende Rhizarthrose rechts, mediale Gonarthrose links mehr als rechts, thorakolumbale Skoliose, chronisch rezidivierendes HWS-/BWS-/LWS-Syndrom; eine Coxarthrose schloss sie aus. Für die von der Klägerin beklagte Schwäche in den Beinen und Schmerzen in der LWS mit Ausstrahlung in die Beine hatte Dr. S.-W. vor dem Hintergrund der MRT der LWS keine ausreichende Erklärung. (vgl. Arztbrief vom 11.11.2013, Bl. 50-4 VerwA). Dr. K. , Arzt für Innere Medizin/Rheumatologie, bei dem die Klägerin sich wegen chronischen multiplen Schmerzen am Bewegungsapparat seit 2007 vorgestellt hatte, schloss eine entzündlich-rheumatische Erkrankung der Klägerin aus und ging diagnostisch von einer chronischen Schmerzerkrankung aus (vgl. Schreiben vom 02.02.2015, Bl. 52-1 VerwA).
Im Juli 2013 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und machte eine BK geltend. Sie gab an, jahrelang Verkäuferin bei K. gewesen zu sein und eine HWS- und LWS-Erkrankung sowie Arthrose in Händen und Knien zu haben. Nachdem die Beklagte die Gewährung von Leistungen mangels Mitwirkung der Klägerin zunächst abgelehnt hatte, legte die Klägerin die ihr übersandten Formulare zu ihrer Arbeits- und Krankheitsvorgeschichte ausgefüllt vor, worauf die Beklagte nach Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten und Beiziehung medizinischer Unterlagen eine beratungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. H. einholte. Diese führte aus, die vorliegenden, am 06.11.2009 im Rheumazentrum B. gefertigten konventionellen Röntgenaufnahmen der LWS zeigten kein einziges Bandscheibenfach altersvorauseilend höhengemindert, insbesondere stellten sich die Segmente L4/5 und L5/S1 als unauffällig dar. Auch das MRT der LWS vom 21.08.2012 zeige nur flache Protrusionen der Zwischenwirbelräume L1 bis L4 und kleine Protrusionen in den Segmenten L4/5 und L5/S1, mithin keinen altersvorauseilenden Befund. Ein Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall zeige sich nicht.
Mit Bescheid vom 08.03.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2108 mit der Begründung ab, nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen sei die bei der Klägerin festgestellte Erkrankung nicht ursächlich auf ihre berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Bei Belastungen im Sinne dieser BK wären im Bereich der LWS von unten nach oben abnehmende, den altersdurchschnittlichen Befund überschreitende Verschleißerscheinungen zu erwarten. Ein solches Krankheitsbild könne nicht festgestellt werden. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin, der ohne Begründung blieb, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2016 zurück.
Am 10.08.2016 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und beantragt, festzustellen, dass ihre Erkrankung im Bereich der LWS eine BK 2108 ist und sie Ansprüche auf Leistungen hat. Sie hat geltend gemacht, ihre LWS-Erkrankung sei auf ihre Berufstätigkeit zurückzuführen, während der sie langjährig schwere Lasten habe heben und tragen müssen.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2017 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei der Klägerin zeige sich im Bereich der Wirbelsäule kein vorauseilender radiologischer Befund, weshalb kein belastungskonformes Schadensbild für eine BK 2108 vorliege. Es fehle damit an einer Erkrankung im Sinne dieser BK. Soweit sich die Klage auf die Feststellung nicht näher bezeichneter "Leistungen" beziehe, sei diese bereits unzulässig.
Am 07.07.2017 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und ihr Begehren unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Klageverfahren weiterverfolgt. Sie hat die Befunde der MRT-Untersuchungen der LWS vom 24.04.2015 und 07.03.2017 vorgelegt. Den auf Leistungen bezogenen Feststellungsantrag hat sie zuletzt nicht aufrecht erhalten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.06.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2016 aufzuheben und das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Soweit die Klägerin unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Feststellung einer BK 2108 begehrt, ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Rechtsgrundlage für das Feststellungsbegehren ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, hier zwischen der Klägerin und der Beklagten als zuständigem Unfallversicherungsträger in Bezug auf die streitige BK (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Dies ermöglicht es dem Versicherten, das Vorliegen einer bestimmten BK als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab klären zu lassen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).
Das SG hat die Feststellungsklage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Feststellung einer BK 2108 ablehnte. Denn eine derartige BK liegt bei der Klägerin nicht vor.
Eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Klägerin mit den von ihr geschilderten Hebe- und Tragebelastungen der erforderlichen Mindestexposition im Sinne einer kritischen Dosis ausgesetzt war, die ein erhöhtes Risiko für eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK 2108 darstellt und vorliegend daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 erfüllt sind (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Denn die Klägerin erfüllt jedenfalls nicht die medizinischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK.
Die Klägerin leidet nämlich nicht an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen sind Bandscheibendegenerationen (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zu verstehen (BSG, Urteil vom 31.05.2005, B 2 U 12/04 in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 unter Verweis auf die Begründung in BR-Drucks. 773/92 S. 8 zur 2. Änderungsverordnung, durch welche die BK Nr. 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist). Dies bedeutet, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung neben den beschriebenen röntgenologisch feststellbaren Veränderungen auch ein darauf beruhendes Krankheitsbild erfordert, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist und zu Funktionseinschränkungen führt (BSG, a.a.O.).
In Abgrenzung zu den Volkskrankheiten durch chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben wird für eine BK 2108 mangels abgrenzbarem typischem Schadensbild ein belastungskonformes Schadensbild gefordert, das beschrieben wird durch einen Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und der Entwicklung einer Begleitspondylose. Ausgehend hiervon erfordert eine BK 2108 als Grundvoraussetzung das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in der Ausprägung eines altersuntypischen Befundes (vgl. Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, sog. Konsensempfehlungen, Bolm-Audorff u.a. in Trauma und Berufskrankheit 2005, 211 ff.; Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 Anm. 6.2; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 535 f.).
An einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in diesem Sinne litt die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufgabe ihrer Tätigkeit im November 2009 nicht. Insoweit hat Dr. H. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte überzeugend dargelegt, dass die zeitnah zur Aufgabe der Tätigkeit gefertigten Röntgenaufnahmen der LWS vom 06.11.2009 keine altersuntypischen Befunde zeigen. So ist kein einziges Bandscheibenfach altersvorauseilend höhengemindert und gerade auch die am stärksten belasteten unteren Segmente der LWS L4/5 und L5/S1 stellen sich unauffällig dar. Nichts anderes ergibt sich aus der MRT vom 21.08.2012, die - so der radiologische Befund (Bl. 50-5 Rückseite VerwA) - nur flache Protrusionen der Zwischenwirbelräume L1 bis L4 und kleine Protrusionen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 zeigt, jedoch nach den Ausführungen der Dr. H. insgesamt keinen altersvorauseilenden und damit relevanten Befund im Sinne der in Rede stehenden BK. Diese Beurteilung von Dr. H. entspricht den Konsensempfehlungen, die den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergeben (u.a. BSG, Urteil vom 23.04.2015, B 2 U 20/14 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 8). Danach sind Protrusionen lediglich bis zum Alter von 40 Jahren altersuntypisch (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 215). Damit ist ein solcher Befund ab 41 Jahren - im Gegensatz zu Bandscheibenvorfällen - alterstypisch. Die im Mai 1956 geborene Klägerin hatte aber im Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit bereits das 53. Lebensjahr vollendet.
Auch die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten MRT-Befunde der LWS aus den Jahren 2015 und 2017 weisen wiederum nur leichte (so ausdrücklich der Befund von 2017) Bandscheibenprotrusionen in der gesamten LWS ohne Beeinträchtigung nervaler Strukturen aus und führen deshalb zu keiner anderen Beurteilung.
Letztlich hat auch Dr. S.-W. keinen Zusammenhang zwischen den beruflichen Tragebelastungen der Klägerin und der bei ihr aufgetretenen Symptomatik gesehen. Ausweislich ihres Arztbriefes vom 29.12.2011 (Bl. 50-3 VerwA) hat sie einerseits bereits eine ausreichende berufliche Belastung verneint und andererseits auf eine Skoliose als Vorerkrankung sowie auf die degenerativen Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule hingewiesen, mithin ebenfalls das Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes verneint.
Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, im Folgenden BK 2108) streitig.
Die am 1956 geborene Klägerin erlernte keinen Beruf. Von Mai 1975 bis Oktober 1981 war sie nach ihren Angaben in einem Laden für Blumen, Obst, Gemüse und Gartenartikel beschäftigt, wobei sie Obst- und Gemüsekisten vom Lager bzw. den Kühlräumen in den Verkaufsraum zu transportieren hatte (Gewicht der Kisten bis zu 20 kg, Kartoffelsäcke 20 bis 40 kg). Nachfolgend war sie bis September 1983 als Warendisponentin in einem Obst- und Gemüsehandel tätig, was gleichermaßen mit dem Heben und Tragen schwerer Kisten verbunden war (Gewichtskontrolle durch Wiegen der angelieferten Waren, anschließend Transport in die Kühlräume). Von November 1984 bis November 2009 (Eintritt von Arbeitsunfähigkeit) war sie bei der Firma K. AG als Verkäuferin beschäftigt und in verschiedenen Abteilungen eingesetzt. Abhängig von der jeweiligen Abteilung waren dabei schwere Gegenstände zu heben, bspw. beim Einpacken von Geschirr, Staubsauger, Mikrowellengeräten oder Töpfe (vgl. Angaben der Klägerin Bl. 31-1 ff VerwA).
Ca. im Jahr 2005 trat bei der Klägerin vorwiegend im Rücken eine Schmerzsymptomatik mit Lähmung der Beine auf, die keiner organischen Erkrankung zugeordnet werden konnte. Die Behandlung erfolgte von psychosomatischer Seite, u.a. auch im Rahmen zweier stationärer Rehabilitationsmaßnahmen im Jahr 2007. Bei akuter Schmerzexacerbation wurde die Klägerin im November 2009 in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Rheumazentrums B. aufgenommen und im Rahmen eines dreiwöchigen stationären Aufenthalts interdisziplinär rheumatologisch-psychosomatisch unter den Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ/somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, vorbekannte dissoziative Bewegungsstörung, degeneratives HWS-/LWS-Syndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung, Osteoporose, Pangonarthrose beidseits, Fingerpolyarthrose und Varikosis behandelt (vgl. Entlassungsbericht vom 01.12.2009, Bl. 41-1 ff. VerwA). Nach Vorstellungen in der Schmerzambulanz des Klinikums L. im April 2010, bei denen sie über Ganzkörperschmerzen, insbesondere im Bereich der großen und kleinen Gelenke und der Wirbelsäule klagte, eine medikamentöse Behandlung jedoch nicht wünschte, wurde die Klägerin im November/Dezember 2010 erneut im Rahmen einer stationären Rehabilitation, und zwar in der Fachklinik für Psychosomatik M. Reha-Zentrum am H. behandelt (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, chronische Schmerzstörung im Sinne eines Fibromyalgie-Syndroms, dissoziative Störung der Bewegung und der Wahrnehmung, histrionische Persönlichkeitsstörung; vgl. Entlassungsbericht vom 25.01.2011, Bl. 56-1 ff. VerwA). Wie schon zuvor stellte sich die Klägerin auch in der Folgezeit wiederum bei verschiedenen Ärzten vor und klagte über Schmerzen im Bewegungsapparat (gesamte Wirbelsäule, Hand- und Fingergelenke, Knie- und Hüftgelenke), weshalb zahlreiche Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren durchgeführt wurden, u.a. Magnetresonanztomographien (MRT) der HWS am 14.11.2011 und der LWS am 21.08.2012. In ihrem Arztbrief vom 11.11.2013 berichtete die Fachärztin für Orthopädie Dr. S.-W. von folgenden Diagnosen: fortgeschrittene Heberdenarthrose beidseits, Bouchardarthrose beidseits, fortgeschrittene Rhizarthrose links, beginnende Rhizarthrose rechts, mediale Gonarthrose links mehr als rechts, thorakolumbale Skoliose, chronisch rezidivierendes HWS-/BWS-/LWS-Syndrom; eine Coxarthrose schloss sie aus. Für die von der Klägerin beklagte Schwäche in den Beinen und Schmerzen in der LWS mit Ausstrahlung in die Beine hatte Dr. S.-W. vor dem Hintergrund der MRT der LWS keine ausreichende Erklärung. (vgl. Arztbrief vom 11.11.2013, Bl. 50-4 VerwA). Dr. K. , Arzt für Innere Medizin/Rheumatologie, bei dem die Klägerin sich wegen chronischen multiplen Schmerzen am Bewegungsapparat seit 2007 vorgestellt hatte, schloss eine entzündlich-rheumatische Erkrankung der Klägerin aus und ging diagnostisch von einer chronischen Schmerzerkrankung aus (vgl. Schreiben vom 02.02.2015, Bl. 52-1 VerwA).
Im Juli 2013 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und machte eine BK geltend. Sie gab an, jahrelang Verkäuferin bei K. gewesen zu sein und eine HWS- und LWS-Erkrankung sowie Arthrose in Händen und Knien zu haben. Nachdem die Beklagte die Gewährung von Leistungen mangels Mitwirkung der Klägerin zunächst abgelehnt hatte, legte die Klägerin die ihr übersandten Formulare zu ihrer Arbeits- und Krankheitsvorgeschichte ausgefüllt vor, worauf die Beklagte nach Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten und Beiziehung medizinischer Unterlagen eine beratungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. H. einholte. Diese führte aus, die vorliegenden, am 06.11.2009 im Rheumazentrum B. gefertigten konventionellen Röntgenaufnahmen der LWS zeigten kein einziges Bandscheibenfach altersvorauseilend höhengemindert, insbesondere stellten sich die Segmente L4/5 und L5/S1 als unauffällig dar. Auch das MRT der LWS vom 21.08.2012 zeige nur flache Protrusionen der Zwischenwirbelräume L1 bis L4 und kleine Protrusionen in den Segmenten L4/5 und L5/S1, mithin keinen altersvorauseilenden Befund. Ein Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall zeige sich nicht.
Mit Bescheid vom 08.03.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2108 mit der Begründung ab, nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen sei die bei der Klägerin festgestellte Erkrankung nicht ursächlich auf ihre berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Bei Belastungen im Sinne dieser BK wären im Bereich der LWS von unten nach oben abnehmende, den altersdurchschnittlichen Befund überschreitende Verschleißerscheinungen zu erwarten. Ein solches Krankheitsbild könne nicht festgestellt werden. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin, der ohne Begründung blieb, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2016 zurück.
Am 10.08.2016 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und beantragt, festzustellen, dass ihre Erkrankung im Bereich der LWS eine BK 2108 ist und sie Ansprüche auf Leistungen hat. Sie hat geltend gemacht, ihre LWS-Erkrankung sei auf ihre Berufstätigkeit zurückzuführen, während der sie langjährig schwere Lasten habe heben und tragen müssen.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2017 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei der Klägerin zeige sich im Bereich der Wirbelsäule kein vorauseilender radiologischer Befund, weshalb kein belastungskonformes Schadensbild für eine BK 2108 vorliege. Es fehle damit an einer Erkrankung im Sinne dieser BK. Soweit sich die Klage auf die Feststellung nicht näher bezeichneter "Leistungen" beziehe, sei diese bereits unzulässig.
Am 07.07.2017 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und ihr Begehren unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Klageverfahren weiterverfolgt. Sie hat die Befunde der MRT-Untersuchungen der LWS vom 24.04.2015 und 07.03.2017 vorgelegt. Den auf Leistungen bezogenen Feststellungsantrag hat sie zuletzt nicht aufrecht erhalten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.06.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2016 aufzuheben und das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Soweit die Klägerin unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Feststellung einer BK 2108 begehrt, ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Rechtsgrundlage für das Feststellungsbegehren ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, hier zwischen der Klägerin und der Beklagten als zuständigem Unfallversicherungsträger in Bezug auf die streitige BK (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Dies ermöglicht es dem Versicherten, das Vorliegen einer bestimmten BK als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab klären zu lassen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).
Das SG hat die Feststellungsklage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Feststellung einer BK 2108 ablehnte. Denn eine derartige BK liegt bei der Klägerin nicht vor.
Eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Klägerin mit den von ihr geschilderten Hebe- und Tragebelastungen der erforderlichen Mindestexposition im Sinne einer kritischen Dosis ausgesetzt war, die ein erhöhtes Risiko für eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK 2108 darstellt und vorliegend daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 erfüllt sind (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Denn die Klägerin erfüllt jedenfalls nicht die medizinischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK.
Die Klägerin leidet nämlich nicht an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen sind Bandscheibendegenerationen (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zu verstehen (BSG, Urteil vom 31.05.2005, B 2 U 12/04 in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 unter Verweis auf die Begründung in BR-Drucks. 773/92 S. 8 zur 2. Änderungsverordnung, durch welche die BK Nr. 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist). Dies bedeutet, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung neben den beschriebenen röntgenologisch feststellbaren Veränderungen auch ein darauf beruhendes Krankheitsbild erfordert, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist und zu Funktionseinschränkungen führt (BSG, a.a.O.).
In Abgrenzung zu den Volkskrankheiten durch chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben wird für eine BK 2108 mangels abgrenzbarem typischem Schadensbild ein belastungskonformes Schadensbild gefordert, das beschrieben wird durch einen Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und der Entwicklung einer Begleitspondylose. Ausgehend hiervon erfordert eine BK 2108 als Grundvoraussetzung das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in der Ausprägung eines altersuntypischen Befundes (vgl. Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, sog. Konsensempfehlungen, Bolm-Audorff u.a. in Trauma und Berufskrankheit 2005, 211 ff.; Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 Anm. 6.2; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 535 f.).
An einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in diesem Sinne litt die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufgabe ihrer Tätigkeit im November 2009 nicht. Insoweit hat Dr. H. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte überzeugend dargelegt, dass die zeitnah zur Aufgabe der Tätigkeit gefertigten Röntgenaufnahmen der LWS vom 06.11.2009 keine altersuntypischen Befunde zeigen. So ist kein einziges Bandscheibenfach altersvorauseilend höhengemindert und gerade auch die am stärksten belasteten unteren Segmente der LWS L4/5 und L5/S1 stellen sich unauffällig dar. Nichts anderes ergibt sich aus der MRT vom 21.08.2012, die - so der radiologische Befund (Bl. 50-5 Rückseite VerwA) - nur flache Protrusionen der Zwischenwirbelräume L1 bis L4 und kleine Protrusionen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 zeigt, jedoch nach den Ausführungen der Dr. H. insgesamt keinen altersvorauseilenden und damit relevanten Befund im Sinne der in Rede stehenden BK. Diese Beurteilung von Dr. H. entspricht den Konsensempfehlungen, die den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergeben (u.a. BSG, Urteil vom 23.04.2015, B 2 U 20/14 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 8). Danach sind Protrusionen lediglich bis zum Alter von 40 Jahren altersuntypisch (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 215). Damit ist ein solcher Befund ab 41 Jahren - im Gegensatz zu Bandscheibenvorfällen - alterstypisch. Die im Mai 1956 geborene Klägerin hatte aber im Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit bereits das 53. Lebensjahr vollendet.
Auch die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten MRT-Befunde der LWS aus den Jahren 2015 und 2017 weisen wiederum nur leichte (so ausdrücklich der Befund von 2017) Bandscheibenprotrusionen in der gesamten LWS ohne Beeinträchtigung nervaler Strukturen aus und führen deshalb zu keiner anderen Beurteilung.
Letztlich hat auch Dr. S.-W. keinen Zusammenhang zwischen den beruflichen Tragebelastungen der Klägerin und der bei ihr aufgetretenen Symptomatik gesehen. Ausweislich ihres Arztbriefes vom 29.12.2011 (Bl. 50-3 VerwA) hat sie einerseits bereits eine ausreichende berufliche Belastung verneint und andererseits auf eine Skoliose als Vorerkrankung sowie auf die degenerativen Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule hingewiesen, mithin ebenfalls das Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes verneint.
Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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