L 3 U 4257/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1443/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 4257/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Ereignisses vom 01.11.2014 als Arbeitsunfall streitig.

Die im Jahr 1975 geborene Klägerin wurde am 01.11.2014 mit dem Notarztwagen in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik A. gebracht, nachdem sie bei Sägearbeiten mit der rechten Hand in das laufende Sägeblatt gekommen war. Sie zog sich dabei mehrfragmentäre offene Frakturen und Strecksehnendurchtrennungen auf Höhe der Grundglieder der Finger D2 bis D5 sowie eine Verletzung des Nervs N3 zu. Die stationäre Behandlung erfolgte bis zum 20.11.2014.

Bei der Aufnahmeuntersuchung am 01.11.2014 gab die Klägerin an, sie sei im Rahmen einer Nachbarschaftshilfe verunglückt. Im Rahmen eines von der Verwaltungsberufsgenossenschaft durchgeführten Besuchsdienstes am 13.11.2014 führte die Klägerin aus, sie sei Polizeivollzugsbeamtin und habe die Sägearbeiten für das Ehepaar B. erbracht. Am 26.11.2014 teilte die Klägerin telefonisch mit, der Unfall habe sich im Rahmen einer Nachbarschaftshilfe beziehungsweise einer Gefälligkeitsleistung beim Sägen eines Baumes ereignet. Auf Anfrage der Verwaltungsberufsgenossenschaft führte sie in ihrem Schreiben vom 26.11.2014 aus, sie habe die Sägearbeiten beim Brennholzmachen für ihre im Jahr 1933 geborene Tante und ihren im Jahr 1928 geborenen Onkel durchgeführt. Für die Tätigkeit sei ein Tag eingeplant gewesen. Bis zu dem Unfall seien mehrere Festmeter Holz gesägt, gespalten und aufgesetzt worden. Die Sägearbeiten hätten um circa 9.30 Uhr begonnen. Der Unfall habe sich um circa 16.00 Uhr ereignet. Sie helfe ihrer Tante und ihrem Onkel ab und zu, je nach Erfordernis. Zuletzt habe sie ihnen am 03.10.2014 und 04.10.2014 beim Zusammenlesen von Äpfeln geholfen. Mit Bescheid vom 27.01.2015 führte die Verwaltungsberufsgenossenschaft aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen auf Grund des Unfalls vom 01.11.2014. Sie sei weder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses noch als eine sogenannte "Wie-Beschäftigte" tätig gewesen. Nach den Angaben der Klägerin handele es sich um eine Gefälligkeitsleistung unter Verwandten, bei der es sich auch nicht um eine länger dauernde, anstrengende und auch gefährliche Arbeit gehandelt habe, so dass sie zum Unfallzeitpunkt nicht arbeitnehmerähnlich tätig gewesen sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Verwaltungsberufsgenossenschaft mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2015 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin zum Sozialgericht Heilbronn (SG) die unter dem Aktenzeichen S 6 U 1197/15 geführte Klage. Sie führte zur Begründung aus, sie sei am Unfalltag mit ihrer Lebensgefährtin von Heilbronn zu ihrer Tante und ihrem Onkel nach C. in D. gefahren, um beiden bei der Verarbeitung von circa drei bis vier Festmetern Holz zu helfen. Sie sei dabei als sogenannte "Wie-Beschäftigte" unfallversichert gewesen. Da vorliegend mit einer Tätigkeit von circa einem Tag Dauer eine Tätigkeit von einigem Umfang gegeben gewesen sei und zum anderen der Familienverband zwischen Nichte und Tante/Onkel nicht als so eng wie zwischen Eheleuten oder Eltern und Kindern oder Geschwistern anzusehen sei, sei vorliegend keinesfalls von einer Gefälligkeit auszugehen, wobei hierbei auch besonders zu berücksichtigen sei, dass die Arbeiten mit Holz auf Grund der eingesetzten Werkzeuge eine erhöhte Gefährlichkeit im Vergleich zu typischen Gefälligkeiten, wie etwa der Hilfe beim Einkaufen oder dergleichen, aufwiesen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 18.06.2015 gab die Klägerin an, sie habe ihrer Tante und ihrem Onkel geholfen, da beide die Holzarbeiten nicht mehr alleine durchführen könnten. Es handele sich um ihre einzige Tante, zu der sie ein offenes, vertrautes Verhältnis habe. Sie habe ihr schon öfter geholfen, mal kurz hintereinander, dann mal länger nicht. Sie habe ihrer Tante wenigstens einmal im Jahr geholfen. Mit Urteil vom 18.06.2015 wies das SG die Klage ab. Die zum Unfall führende Tätigkeit der Klägerin habe auf einer Sonderbeziehung zu ihrer Tante und ihrem Onkel beruht. Grund hierfür sei die familiäre Bindung, die auch mit Leben ausgefüllt worden sei. Der Annahme einer Gefälligkeitsleistung stehe weder die Gefährlichkeit der Holzverarbeitung noch der zeitliche Umfang der Tätigkeit entgegen. Die Arbeit mit einer Wippsäge sei zwar gefährlich. Sie sei aber nicht so gefährlich, dass diese nur von Experten hätte verrichtet werden können. Die Hilfeleistung überschreite nicht das Ausmaß der Hilfeleistung, das zwischen Verwandten üblich sei. Der zeitliche Umfang der geplanten Tätigkeit von mindestens einem Tag spreche nicht gegen eine Gefälligkeit. Hiergegen legte die Klägerin zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die unter dem Aktenzeichen L 8 U 2726/15 geführte Berufung ein. Gegen die Annahme einer Gefälligkeitsleistung spreche, dass es vorliegend an dem Kriterium der Gegenseitigkeit fehle. So könne sie - gerade auch auf Grund des Alters ihrer Tante und ihres Onkels - von diesen selbst keine Hilfe bei ähnlichen Arbeiten erwarten. Auch sei zwischen Tante und Nichte kein derart besonders nahes verwandtschaftliches Verhältnis gegeben. Ferner verhalte es sich so, dass in der konkreten Ausprägung das Verhältnis zwischen ihr und ihrer Tante sowie ihrem Onkel als "nicht besonders nahe" sondern vielmehr nur als "einfach nahe" zu beschreiben sei, verhalte es sich doch so, dass das Band zwischen ihr und ihrer Tante sowie ihrem Onkel als "normal" zwischen Verwandten dieses Grades zu bezeichnen sei, wobei eine gesteigerte und damit besondere Verbundenheit - diese wäre gegeben, wenn sie zu ihrer Tante ein Verhältnis hätte, das die Tante etwa an die Stelle ihrer Mutter treten lassen würde - gerade nicht ersichtlich sei. Gegen die Annahme einer Gefälligkeit spreche auch, dass die Tätigkeit der Herstellung von Brennholz generell als körperlich schwere beziehungsweise anstrengende Arbeit zu bewerten sei. Auch habe die Arbeit einige Zeit in Anspruch genommen und sei die Arbeit generell wegen der Nutzung einer elektrischen Säge und von Äxten als gefährlich zu bezeichnen. Sodann schlossen die Klägerin und die Verwaltungsberufsgenossenschaft einen Vergleich des Inhalts, dass die Verwaltungsberufsgenossenschaft ihren Bescheid vom 27.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2015 aufhob sowie sich verpflichtete, im wieder aufgenommenen Verwaltungsverfahren die Zuständigkeit der Unfallkasse Baden-Württemberg oder der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau zu prüfen und hierfür die erforderlichen Ermittlungen anzustellen, und die Beteiligten das Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärten.

Sodann nahm die Unfallkasse Baden-Württemberg Ermittlungen auf. Mit Bescheid vom 15.02.2016 lehnte die Unfallkasse Baden-Württemberg die Anerkennung des Ereignisses vom 01.11.2014 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung verwies sie auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 18.06.2015. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Unfallkasse Baden-Württemberg mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2016 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin zum SG die unter dem Aktenzeichen S 13 U 1419/16 geführte Klage. Daraufhin schlossen die Klägerin und die Unfallkasse Baden-Württemberg einen Vergleich des Inhalts, dass die Unfallkasse Baden-Württemberg ihren Bescheid vom 15.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2016 aufhob und den Sachverhalt an die Beklagte zur Bearbeitung weiterleite sowie die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärten.

Mit Bescheid vom 23.03.2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 01.11.2014 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Sie führte zur Begründung aus, die zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit habe auf einer Sonderbeziehung beruht. Die Verarbeitung der circa drei bis vier Festmeter Holz durch die Klägerin sei als eine Gefälligkeitshandlung für ihre Tante und ihren Onkel zu sehen und daher nicht als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit zu werten. Weder die Gefährlichkeit der Holzverarbeitung noch der zeitliche Umfang der Tätigkeit stünden dieser Einschätzung entgegen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2017 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 15.05.2017 Klage zum SG erhoben. In der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2017 hat die Klägerin angegeben, sie könne nicht sicher sagen, wo genau das Holz hergekommen sei, das sie an diesem Tag verarbeitet habe. Sie könne aber sicher sagen, dass ihre Tante und ihr Onkel kein eigenes Waldgrundstück hätten. Die Fahrtzeit zu ihrer Tante habe etwa eine Stunde betragen. Sie habe die Holzarbeiten mit ihrer Lebenspartnerin, ihrer Tante und ihrem Onkel bewerkstelligt. Die körperliche Arbeit sei vor allem von ihrer Lebenspartnerin und ihr selbst ausgeübt worden. Sie habe die Wippsäge bedient, indem sie diese hochgedrückt habe. Ihre Tante habe die gesägten Stücke aufgesetzt. Ihr Onkel habe die technischen Arbeitsanweisungen gegeben. Sie habe bereits gefrühstückt gehabt, als sie die Arbeit angetreten habe. Sie hätten zusammen ein kurzes Mittagessen eingenommen. Ein gemeinsames Abendessen und eine Übernachtung bei ihrer Tante und ihrem Onkel seien geplant gewesen. Sie habe ihrer Tante und ihrem Onkel zwar bis zum Tag des Unfalls nicht beim Holzmachen, aber in anderen Dingen regelmäßig geholfen, wenn ihre Tante sie vorher angerufen und Hilfe angefordert habe. Andere Verwandte, die aufgrund des Alters ihrer Hilfe bedürften, habe sie nicht. In geringerem Umfang habe sie vielleicht auch einmal ihren Eltern geholfen.

Mit Urteil vom 27.10.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Vorliegend spreche mehr für als gegen eine Sonderbeziehung. Die konkrete Beziehung zwischen der Klägerin und ihrer Tante sowie ihrem Onkel sei eng ausgeprägt gewesen. Dies ergebe sich aus den Einlassungen der Klägerin. So habe sie mitgeteilt, dass es um eine Hilfeleistung für ihre einzige Tante gegangen sei, zu der ein offenes, vertrautes Verhältnis bestehe. Von allen ihren Verwandten habe sie nur ihrer Tante regelmäßig geholfen. Die Hilfeleistung im zeitlichen Umfang von mindestens einem Tag sei für sie eine Selbstverständlichkeit gewesen. Auch habe sie gegenüber dem Durchgangsarzt und später gegenüber der Verwaltungsberufsgenossenschaft von einer Nachbarschaftshilfe beziehungsweise Gefälligkeitsleistung gesprochen. Auch das selbstverständliche Opfern eines ganzen Tages spreche für eine besonders enge Beziehung. Zudem habe es sich nach Darstellung der Klägerin um eine in diesem Verhältnis übliche Hilfeleistung gehandelt. Schließlich habe sie erklärt, ihrer Tante und ihrem Onkel regelmäßig zu helfen. Des Weiteren sei das Holz für den privaten Heizbedarf ihrer Tante und ihres Onkels gedacht, womit ein Bezug zum Haushalt vorliege. Zwar sei die Tätigkeit schon vom zeitlichen Umfang her nicht ganz geringfügig. Im Hinblick auf das konkrete verwandtschaftliche Näheverhältnis stehe eine geplante Tätigkeitsdauer von mindestens einem Tag der Annahme einer Sonderbeziehung aber nicht entgegen. Es sei anerkannt, dass Tätigkeiten in einem Umfang von bis zu 40 Stunden insoweit noch als unschädlich anzusehen seien. Das Bedienen einer Wippsäge sei auch nicht derart gefährlich, dass es der Annahme einer sogenannten "Wie-Beschäftigung" entgegenstünde. Es sei anerkannt, dass das Betreiben motorgetriebener Sägen nicht gegen eine Sonderbeziehung spreche. Zudem sei die Gefährlichkeit im vorliegenden Fall durch die Arbeitsteilung zwischen den an der Arbeit beteiligten Personen gemindert. Die Klägerin habe die Wippsäge nicht allein bedienen müssen, sondern sei zusammen mit ihrer Lebensgefährtin tätig gewesen. Zudem sei ihr Onkel als aufsichtsführende Person beteiligt gewesen. Durch diese Form der Zusammenarbeit habe ein niedrigeres Potential für Bedienungsfehler bestanden, da sich die mitarbeitenden Personen gegenseitig im Blick gehabt hätten. Wegen des engen Verhältnisses zwischen der Klägerin und ihrer Tante habe es sich beim Zerkleinern des Holzes nach Auffassung der Beteiligten um eine übliche Hilfeleistung gehandelt. Auf die von der Klägerin angesprochene fehlende Gegenseitigkeit komme es nicht an, da es sich hierbei um kein Kriterium für oder gegen eine Sonderbeziehung handele. Zusammenfassend stehe das Beruhen der Tätigkeit auf der verwandtschaftlichen Sonderbeziehung der Annahme einer sogenannten "Wie-Beschäftigung" entgegen.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.2017 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Vom geplanten zeitlichen Umfang - der Unfall habe zu einer vorzeitigen Beendigung der Tätigkeit geführt - sei die geplante Tätigkeit keinesfalls als geringfügig einzustufen, da die Tätigkeit mindestens einen ganzen Tag habe andauern sollen. Unter Umständen hätte die Tätigkeit, je nach Arbeitsfortschritt, sogar länger dauern sollen. Es sei nicht so, dass ein Tätigwerden von mehr als 40 Stunden oder dergleichen zu fordern sei, um die Gefälligkeitsschwelle zu überschreiten. Vielmehr dürfte die Gefälligkeitsschwelle bereits nach etwas mehr als einer Stunde bis zwei Stunden überschritten sein. Vorliegend handele es sich ferner um ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Nichte und Tante sowie Onkel. Das Verwandtschaftsverhältnis möge zwar als für den Verwandtschaftsgrad als "innig" bezeichnet werden, jedoch sei das Verwandtschaftsverhältnis nicht so stark ausgeprägt, wie zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern. Ihre Bereitschaft zur Hilfe und ihre fortwährende Hilfe sei auch weniger auf den Grad der verwandtschaftlichen Beziehung, sondern mehr auf das Alter und die damit verbundene besondere Hilfebedürftigkeit ihrer Tante und ihres Onkels zurückzuführen. Ihre Eltern und ihre Geschwister bedürften alters- und zustandsbedingt gerade keiner besonderen Hilfe und Unterstützung. Es sei jedoch sicher davon auszugehen, dass sie auch ihren Eltern und ihren Geschwistern entsprechend helfend zur Seite stehen werde, wenn diese aus Gründen des Alters oder vergleichbaren Gründen Hilfe bei einer Tätigkeit bedürften. Es sei daher nicht von einer besonders engen Verbundenheit, sondern vielmehr von einer üblichen Verbundenheit zwischen Nichte und Tante sowie Onkel auszugehen. Die Gesamtschau aus geplanter Dauer, Grad der verwandtschaftlichen Verbundenheit und Gefährlichkeit der Tätigkeit führe daher zum Vorliegen einer sogenannten "Wie-Beschäftigung". Dieses Ergebnis sei auch nicht durch die Beaufsichtigung durch ihren Onkel und die Arbeitsteilung gemindert. Das arbeitsteilige Vorgehen sei dem Umstand geschuldet, schnellere Arbeitsfortschritte zu erzielen. Ausgehend hiervon sei dieses Kriterium für die Frage des Vorliegens einer sogenannten "Wie-Beschäftigung" nichtssagend. Auch vermöge die Beaufsichtigung durch ihren Onkel das Vorliegen einer sogenannten "Wie-Beschäftigung" nicht in Frage zu stellen, da die Beaufsichtigung dem Umstand geschuldet gewesen sein dürfte, dass ihr Onkel davon überzeugt sei, besser als jeder andere Mensch zu wissen, wie die Arbeiten durchzuführen seien. Dieses Phänomen sei bei älteren Menschen häufiger zu beobachten. Ihr Onkel habe sicherlich jeden Menschen bei der Arbeit beaufsichtigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2017 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 1. November 2014 ein bei der Beklagten versicherter Arbeitsunfall gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine Sonderbeziehung der Klägerin zu ihrer Tante und ihrem Onkel habe nach den zutreffenden Ausführungen des SG eindeutig vorgelegen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass eine sogenannte "Wie-Beschäftigung" nur dann bestehe, wenn die Tätigkeit unter solchen Umständen geleistet werde, dass sie einer Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sei. Die Klägerin sei am Unfalltag mit ihrer Lebensgefährtin zusammen zu ihrer Tante und ihrem Onkel gefahren. Sie habe zusammen mit ihrer Lebensgefährtin, ihrer Tante und ihrem Onkel ein Mittagessen eingenommen. Ein gemeinsames Abendessen sei geplant gewesen. Es sei auch geplant gewesen, dass die Klägerin mit ihrer Lebensgefährtin bei ihrer Tante übernachte. Dies alles spreche zum einen für eine besondere Beziehung der Klägerin zu ihrer Tante und zu ihrem Onkel und zum anderen beweise es, dass die Tätigkeit nicht in einer Art ausgeführt worden sei, wie sie üblicherweise in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde. Dagegen spreche auch, dass alle vier Personen gemeinsam die Tätigkeit bewerkstelligt hätten. Zusammengefasst sprächen sowohl die Einlassungen der Klägerin wie auch die tatsächlichen Umstände, unter denen die Tätigkeit ausgeführt worden sei, für eine Gefälligkeitsleistung auf Grund der Sonderbeziehung zu ihrer Tante. Gegen eine entsprechende Gefälligkeitsleistung im Rahmen einer Sonderbeziehung sprächen weder der Umfang der geleisteten Tätigkeit noch die Art der Tätigkeit.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG vom 27.10.2017, mit dem die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 23.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2017 abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Aufhebung dieses Bescheides und die Feststellung des Ereignisses vom 01.11.2014 als Arbeitsunfall. Diese prozessualen Ziele kann die Klägerin zulässigerweise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen (zum Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 31/11 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, juris).

Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 01.11.2014 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) abgelehnt.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind ferner Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden.

Für einen Arbeitsunfall ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 10/11 R, juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 9/10 R, juris; BSG Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 27/07 R, juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 27/07 R, juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Feststellung des Ereignisses vom 01.11.2014 als Arbeitsunfall nicht gegeben.

Nach den auf den Einlassungen der Klägerin beruhenden Feststellungen des Senats verunglückte die als Polizeivollzugsbeamtin berufstätige Klägerin am 01.11.2014 bei Sägearbeiten im Rahmen einer Hilfeleistung beim Brennholzmachen für ihre im Jahr 1933 geborene Tante und ihren im Jahr 1928 geborenen Onkel, da beide die Holzarbeiten nicht mehr alleine durchführen konnten. Es handelt sich um ihre einzige Tante, zu der sie ein offenes, vertrautes Verhältnis hat. Die Klägerin hilft ihrer Tante und ihrem Onkel, die kein eigenes Waldgrundstück besitzen, je nach Erfordernis ab und zu, wenigstens einmal im Jahr, beispielsweise auch beim Einsammeln von Äpfeln. Sie fuhr am Unfalltag mit ihrer Lebensgefährtin von Heilbronn zu ihrer Tante und ihrem Onkel nach C. in D., um beiden bei der Verarbeitung von circa drei bis vier Festmetern Holz zu helfen. Die Fahrtzeit betrug circa eine Stunde. Es war beabsichtigt, etwa einen Tag lang zu helfen, anschließend gemeinsam das Abendessen einzunehmen und sodann bei ihrer Tante und ihrem Onkel zu übernachten. Die Arbeiten begannen um circa 9.30 Uhr. Während sie und ihre Lebensgefährtin vor allem die körperlichen Arbeiten, insbesondere an einer Wippsäge, durchführten, setzte ihre Tante die gesägten Stücke auf und gab ihr Onkel die technischen Arbeitsanweisungen. Die Arbeiten wurden durch die Einnahme eines gemeinsamen kurzen Mittagessens unterbrochen. Der Unfall ereignete sich um circa 16.00 Uhr, indem die Klägerin mit der rechten Hand in das laufende Sägeblatt gekommen war. Die Klägerin zog sich dabei mehrfragmentäre offene Frakturen und Strecksehnendurchtrennungen auf Höhe der Grundglieder der Finger D2 bis D5 sowie eine Verletzung des Nervs N3 zu.

Zutreffend hat das SG bereits ausgeführt, dass die Klägerin nicht als Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert war. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Der Senat folgt dem SG auch darin, dass die Klägerin nicht als sogenannte "Wie-Beschäftigte" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII unter Versicherungsschutz stand. Ein Versicherungsschutz als sogenannte "Wie-Beschäftigte" setzt voraus, dass es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 5/04 R, juris).

Ein Versicherungsschutz als sogenannte "Wie-Beschäftigte" ist aber nicht gegeben, wenn die unter Verwandten vorgenommene Gefälligkeitshandlung im Wesentlichen durch die familiären Beziehungen zwischen den Verwandten geprägt ist. Dies ist dann der Fall, wenn es sich lediglich um Gefälligkeitshandlungen handelt, die ihr gesamtes Gepräge von den familiären Bindungen zwischen Angehörigen erhalten. Je enger die verwandtschaftliche Beziehung ist, umso eher erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass es sich um Gefälligkeitsdienste handelt, die ihr Gepräge allein durch die familiären Beziehungen erhalten und deshalb nicht mehr als arbeitnehmerähnlich angesehen werden können. Dabei sind neben der Stärke der verwandtschaftlichen Beziehungen die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der vorgesehenen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 29.09.1992, 2 RU 46/91, juris (kein Versicherungsschutz bei circa 40stündigen Ausbesserungs-, Anstreicher- und Tapezierarbeiten in eigenen Wohnräumen für den Vater und die Schwiegereltern); vergleiche auch BSG, Beschluss vom 18.11.1997, 2 BU 52/97, juris; BSG, Urteil vom 20.04.1993, 2 RU 38/92, juris (kein Versicherungsschutz bei Reparaturarbeiten an Garagendächern für die Tochter und den Schwiegersohn); BSG, Urteil vom 21.08.1991, 2 RU 2/91, juris (Versicherungsschutz bei 30stündigem Neuanstrich eines Hauses mit Auf- und Abbau eines Schnellgerüsts sowie Verfugen und Anstrich der Außenwände für die Schwägerin und ihren Ehegatten); BSG, Urteil vom 25.10.1989, 2 RU 4/89, juris (kein Versicherungsschutz bei allgemeinen Pflegeleistungen für den erkrankten Vater); BSG, Urteil vom 30.05.1988, 2 RU 81/87, juris; BSG, Urteil vom 30.07.1987, 2 RU 17/86, juris (kein Versicherungsschutz bei 3-4tägiger Hilfe beim Holzfällen und Brennholzzubereiten für den Bruder); BSG, Urteil vom 30.01.1985, 2 RU 69/83, juris (kein Versicherungsschutz bei Begleitung zur Kraftfahrzeugwerkstatt mit dem Ziel der gemeinsamen Rückfahrt für den Sohn); BSG, Urteil vom 31.03.1981, 2 RU 91/79, juris (kein Versicherungsschutz beim 2stündigen Zersägen von Abfallholz aus dem Obstgarten und von ausgesonderten Möbeln für die Schwiegermutter); BSG, Urteil vom 28.10.1976, 8 RU 144/75, juris (kein Versicherungsschutz beim mehrstündigen Ersetzen eines Garagentors für den Vater); BSG, Urteil vom 26.04.1977, 8 RU 14/77, juris (Versicherungsschutz beim Abholen des Ehegatten abends nach einer geschäftlichen Besprechung mit einem firmeneigenen Kraftwagen in die Wohnung); siehe auch Franke in Nomos-Kommentar, 4. Auflage, § 2 Rn. 218; Kruschinsky in Kommentar zur Gesetzlichen Unfallversicherung von Krasney u.a., Stand März 2007, § 2 Rn. 851, 854-857; Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2012, § 2 Rn. 109-109b; Riebel in Kommentar zur Gesetzlichen Unfallversicherung von Keller u.a., Stand April 2016, § 2 Rn. 279-282; Schmitt in Kommentar zur Gesetzlichen Unfallversicherung von Schmitt, 3. Auflage, § 2 Rn. 160).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das SG zutreffend dargelegt, dass und warum es sich vorliegend um einen durch familiäre Beziehungen geprägten Gefälligkeitsdienst und damit nicht um eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Tätigkeit handelte. Die Beziehungen der Klägerin zu ihrer Tante und ihrem Onkel waren nicht nur formal enger familiärer Art, sondern durch tatsächlich bestehende familiäre Bindungen geprägt, so dass es für die Klägerin selbstverständlich war, ihrer einzigen Tante, zu der sie ein offenes, vertrautes Verhältnis hat, und ihrem Onkel regelmäßig und daher auch beim Holzmachen am Unfalltag zu helfen. Auch Art und Umfang sowie Zeitdauer der durch die Verwandten verrichteten Tätigkeit stehen, wie das SG weiter rechtlich einwandfrei festgestellt hat, der Annahme einer rein familiär geprägten Gefälligkeitshandlung nicht entgegen. Das Bedienen der Wippsäge erfordert keine besondere Sachkunde und wird vielfach in Eigenarbeit - meist, wie vorliegend, unter arbeitsteiliger Mithilfe von befreundeten Personen oder Verwandten - verrichtet. Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das SG im Rahmen der Beurteilung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalls den mit einem Tag bis höchstens zwei Tagen geplanten Zeitaufwand der Tätigkeit ebenfalls noch rein familiärer Gefälligkeit zugeordnet hat. Die Tätigkeit der Klägerin war auch deswegen nicht als arbeitnehmerähnlich anzusehen, weil sie die Tätigkeit zusammen mit ihrer Lebensgefährtin ausführte, diese durch ein gemeinsames Mittagessen mit ihrer Tante und ihrem Onkel unterbrach und nach Beendigung der Tätigkeit ein gemeinsames Abendessen und eine Übernachtung bei ihrer Tante und ihrem Onkel geplant waren. Diese Umstände belegen die familiäre Prägung der Tätigkeit. Demgegenüber folgt der Senat den Erwägungen der Klägerin, die Gefälligkeitsschwelle sei bereits nach etwas mehr als einer Stunde bis zwei Stunden beabsichtigter Tätigkeit überschritten, nicht. Auch deckt sich der nunmehrige Vortrag der Klägerin, es handele sich nicht um eine besonders enge, sondern vielmehr nur um eine übliche Verbundenheit zwischen ihr und ihrer Tante sowie ihrem Onkel, nicht mit ihren vormaligen Angaben gegenüber dem SG.

Nach alledem haben die Beklagte und das SG zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 01.11.2014 als Arbeitsunfall abgelehnt.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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