L 8 U 4694/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 3728/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4694/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. S. eingeholten Sachverständigengutachtens nebst seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 13.09.2017 und 06.12.2017 werden nicht auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Todesursächlichkeit einer Berufskrankheit und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.

Die Klägerin ist die Witwe des am 01.12.2013 verstorbenen H. K. (Versicherter).

Der Versicherte beantragte bei der Beklagten am 02.12.1997 die Anerkennung einer Berufskrankheit (Blatt 1 VA). Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein (Blatt 2 VA) und lehnte mit Bescheid vom 23.04.1998 (Blatt 55 VA) die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Versicherte von Januar 1962 bis September 1964 bei der Firma R. Asbest als Weber beschäftigt gewesen und Kontakt zu Asbestfasern ausgesetzt gewesen sei. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen bestehe eine chronisch-obstruktive Bronchitis, die nicht auf die frühere berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden könne. Röntgenologisch habe weder eine Lungenasbestose noch eine Pleuraasbestose nachgewiesen werden können, eine für eine Asbeststauberkrankung typische restriktive Lungenfunktionsstörung liege nicht vor.

Aufgrund der ärztlichen Anzeige über die Berufskrankheit der Dr. K. vom 15.10.2001 (Blatt 64 VA) leitete die Beklagte ein weiteres Feststellungsverfahren ein und holte, nach Gutachterauswahl (Blatt 66, 68 VA), das internistische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. U. vom 13.02.2002 (Blatt 78 VA) ein, der ausführte, dass die chronisch obstruktive Bronchitis im Zusammenhang mit dem Nikotinkonsum des Versicherten gesehen werde müsse, radiologisch habe sich kein Anhalt für eine Lungenasbestose gefunden.

Mit Bescheid vom 21.03.2002 (Blatt 97 VA) lehnte die Beklagte eine Neufeststellung nach § 44 SGB X ab, da nach dem eingeholten Gutachten eine chronisch obstruktive Bronchitis auf dem Boden eines langjährigen Nikotinkonsums bestehe.

Mit Schreiben vom 29.11.2004 (Blatt 100 VA) führte die Beklagte eine weitere Gutachterauswahl durch und holte das internistische Gutachten des Dr. M. vom 10.01.2005 (Blatt 106 VA) ein, der ausführte, dass bei dem Versicherten in erster Linie eine berufskrankheitenunabhängige schwergradige chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung vorliege, die intensiv medikamentös behandelt werden müsse, unabhängig hiervon lasse sich eine diskrete beidseitige möglicherweise asbestbedingte Pleurafibrose feststellen, die zu keiner Ventilationsstörung führe. Nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. W. (Blatt 117) teilte die Beklagte mit Schreiben vom 14.02.2005 (Blatt 118 VA) mit, dass weiterhin keine asbestbedingten Veränderungen hätten nachgewiesen werden können, eine weitere Nachuntersuchung sei für Januar 2008 vorgesehen.

Nach weiterer Gutachterauswahl mit Schreiben vom 20.12.2007 (Blatt 121 VA) holte die Beklagte das internistische Gutachten des Dr. M. vom 23.01.2008 ein, der darauf hinwies, dass sich die pleuralen Ablagerungen bis zuletzt unverändert dargestellt hätten, sollten diese durch Asbeststaub bedingt sein, sei eine Berufskrankheit anzuerkennen, diese führe jedoch nach wie vor nicht zu einer restriktiven Ventilationsstörung und somit auch nicht zu einer berufsbedingten MdE. Dr. W. erstattete die beratungsärztliche Stellungnahme vom 09.06.2008 (Blatt 151 R VA), wonach die Durchsicht der Throrax-CD Bilder ergeben habe, dass beidseits einige kleine z.T. verkalkte Pleuraplaques vorliegen würden, die als asbestbedingt zu beurteilen seien. Mit Bescheid vom 23.06.2008 (Blatt 152 VA) erkannte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV an und lehnte die Gewährung von Leistungen ab. Als Folge der Berufskrankheit wurde eine Pleuraasbestose ohne Lungenfunktionseinschränkung im Sinne einer Restriktion anerkannt, unabhängig von der Berufskrankheit bestehe eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung mit zunehmender respiratorischer Insuffizienz, eine Pneumonie rechts sowie Rechtsherzbelastungszeichen.

Die Beklagte holte, nach Gutachterauswahl (Blatt 157 VA), das internistische Gutachten des Dr. M. vom 19.01.2011 ein. Dieser legte dar, dass sich lungenfunktionell eine schwergradige obstruktive Ventilationsstörung habe messen lassen mit Überblähung und ohne Hinweise auf eine restriktive Ventilationsstörung. Auf einen bronchialen Provokationstest habe verzichtet werden müssen, die Messung der Diffusion sei wegen der schlechten Lungenfunktionswerte nicht möglich gewesen. Radiologisch habe sich wie bei den Voraufnahmen eine ausgeprägte beidseitige Pleuraasbestose gezeigt, es hätten Pleuraschwielen in den Mittelfeldern bestanden, die die Lunge ummantelten. Ein wesentlicher Bildwandel im Vergleich zu den Voraufnahmen von 2003 habe sich nicht feststellen lassen. Die asbestbedingten pleuralen Veränderungen führten zu keiner messtechnisch erfassbaren restriktiven Ventilationsstörung, es bestehe somit nach wie vor eine berufsbedingte Pleuraasbestose, das Krankheitsbild werde jedoch von der berufskrankheitsunabhängig entstandenen chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung und ihren Folgen dominiert. Mit Schreiben vom 27.01.2011 (Blatt 170) teilte die Beklagte mit, dass die Nachuntersuchung keine wesentlichen Änderungen in den Folgen der Berufskrankheit ergeben habe, eine Nachuntersuchung sei grundsätzlich für Januar 2014 vorgesehen, eine solche sei entbehrlich, wenn jährliche Kontrolluntersuchungen bei einem wohnortnahen Lungenfacharzt erfolgen würden.

Die Beklagte holte den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 13.02.2012 (Blatt 174 VA) sowie das Gutachten des Dr. M. vom 13.12.2012 (Blatt 179 VA) ein. Dr. M. legte dar, dass im Vergleich zu den Voraufnahmen keine Veränderungen erkennbar seien, sodass die Asbestose nicht zunehme. Lungenfunktionsuntersuchungen seien wegen des schlechten Allgemeinzustandes nicht möglich gewesen, das Erkrankungsgeschehen werde von der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung mit respiratorischer Insuffizienz dominiert, eine Nachbegutachtung solle unterbleiben, um den Versicherten nicht unnötig zu belasten.

Der Versicherte verstarb am 01.12.2013 (Akten-ID 118). Mit Einverständnis der Klägerin (Akten-ID 124 und 127) und nach Gutachterauswahl (Akten-ID 125) ließ die Beklagte eine Obduktion des Versicherten durch Prof. Dr. S. durchführen. In seinem Sektionsgutachten vom 05.12.2013/ 09.01.2014 (Akten-ID 145) gab dieser als Todesursache eine respiratorische Dekompensation bei florider, beidseitiger Bronchopneumonie an. Die schwere obstruktive Lungenerkrankung, die fokale interstitielle Lungenparenchymfibrosierung, sowie die hyalinen Pleuraplaques seien auf die Asbestexposition zurückzuführen. Die Folge dieser Erkrankungen sei die floride Bronchopneumonie des Versicherten gewesen, welche letztendlich als Todesursache anzusehen sei. Dr. W. erstattete die beratungsärztliche Stellungnahme vom 10.02.2013 (Akten-ID 150) wonach der Befund einer Minimalasbestose oder maximal einer geringgradigen Asbestose entspreche. Dieses Ausmaß der Asbestose sei nicht geeignet, eine obstruktive Atemwegserkrankung wesentlich zu beeinflussen oder gar zu verursachen. Die schwere COPD sei richtig als nicht asbestbedingt beurteilt worden. Die Beklagte holte die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. S. vom 08.04.2014 (Akten-ID 155) ein, der darauf hinwies, dass die übersandten Unterlagen nur spärlich gewesen seien und ein Nikotinabusus nicht bekannt gewesen sei. Unabhängig davon seien die Manifestationen der Asbestbelastung erheblich gewesen. Dies betreffe zum einen die schwergradige Ausbildung von Pleuraplaques, die einen akzeptierten und spezifischen Indikator für eine Asbestbelastung darstellten, ferner hätten in der Eisenfärbung des Lungengewebes Asbestkörperchen nachgewiesen werden können. Dieser Nachweis sei vergleichsweise intensiv und nur in einer Minderzahl der asbestbelasteten Fälle erfolgreich. Im Falle des Versicherten sei der lichtmikroskopische Nachweis deutlich positiv gewesen, was für eine signifikante Asbestbelastung spreche. Zum Zeitpunkt des Gutachtens sei nur die Asbestbelastung bekannt gewesen, eine Raucheranamnese lasse sich insofern nachvollziehen, als moderate Ablagerungen anthrakotischen Pigments in der Lunge vorhanden gewesen seien. An den Bewertungen im Gutachten sei festzuhalten. Nach Gutachterauswahl (Akten-ID 157/158) holte die Beklagte das arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten nach Aktenlage des Prof. Dr. M. vom 02.06.2014 (Akten-ID 169) ein, der ausführte, dass entsprechend der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur als Folge einer Asbestose der Pleura und einer Asbeststaublungenfibrose eine restriktive Ventilationsstörung zu erwarten wäre, eine solche jedoch beim Versicherten nicht vorgelegen habe. Isolierte obstruktive Ventilationsstörungen in den Folgen einer Asbestose seien nach der Falkensteiner Empfehlung ungewöhnlich, Tabakrauchen gelte als dominante Ursache für die Entwicklung obstruktiver Atemwegserkrankungen. Als Todesursache sei von einer respiratorischen Insuffizienz auszugehen, die sich als Folge einer schwergradigen COPD darstelle. Das akute respiratorische Versagen beruhe nach dem Obduktionsbericht offensichtlich auf einer floriden pneumonischen Infiltration beidseits im Sinne eines Rezidivs der im Oktober 2013 behandelten Pneumonie. Eine wesentliche Mitverursachung durch die anerkannte Berufskrankheit Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV liege nicht vor, da bei dem Versicherten zu Lebzeiten nach den lungenfunktionsanalytischen Kontrollen zu keinem Zeitpunkt eine restriktive Ventilationsstörung durch die beschriebenen Pleuraplaques und/oder Asbeststaublungenfibrose bestanden habe. Während die pleuralen Veränderungen schon zu Lebzeiten zweifelsfrei radiologisch nachweisbar gewesen seien, sei die pulmonale Beteiligung radiologisch nicht gesichert worden. Dieser Befund sei in leichter Ausprägung erstmals im Rahmen der Obduktion festgestellt worden, eine Rückwirkung auf die Lungenfunktion habe sich zu Lebzeiten jedoch nicht feststellen lassen.

Mit Bescheid vom 25.06.2014 (Akten-ID 173) stellte die Beklagte fest, dass der Tod des Versicherten nicht auf die anerkannte Berufskrankheit zurückzuführen sei und ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nicht bestehe. Zur Begründung führte sie aus, dass als Folge der Berufskrankheit eine Asbestose der Pleura und in leichter Ausprägung der Lunge ohne lungenfunktionsanalytisch fassbare restriktive Ventilationsstörung bestanden habe. Als Todesursache sei eine respiratorische Insuffizienz als Folge einer schwergradigen chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung nach einer langjährigen, hohen Exposition von inhalativem Zigarettenrauch festgestellt worden.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 22.07.2014 (Akten-ID 176) Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2014 (Akten-ID 183) zurückwies.

Am 03.11.2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Das SG holte vom Amts wegen das internistische Sachverständigengutachten nach Aktenlage des Dr. G. vom 28.09.2015 (Blatt 28 SG-Akte) und auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG das pathologische Sachverständigengutachten nach Aktenlage der Prof. Dr. T. vom 07.03.2016 (Blatt 47 SG-Akte) und die ergänzende Stellungnahme vom 30.05.2016 (Blatt 69 SG-Akte) ein. Die Klage wies das Sozialgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2016 mit Urteil vom 10.10.2016 ab und führte zur Begründung aus, dass die Kammer trotz der Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden habe entscheiden können, da diese rechtsmissbräuchlich seien und allein der Erzwingung einer Terminverlegung dienen sollten. Der Tod des Versicherten sei nicht in Folge eines Versicherungsfalles eingetreten, die Klage sei als Feststellungsklage gemäß § 55 Absatz 1 Nr. 3 SGG zulässig, aber unbegründet. Die zum Tode führende Erkrankung des Versicherten sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mindestens wesentlich teilursächlich durch die Folgen der BK verursacht worden. Schließlich greife die Rechtsvermutung des § 63 Absatz 2 SGB VII nicht ein, da das Vorliegen einer Asbestose allein ohne messbare Einschränkungen der kardiopulmonalen Funktion keine MdE-Einschätzung von 10 v.H. rechtfertige, aus den Folgen der BK resultiere daher keine MdE von zumindest 50 v.H.

Gegen das am 21.11.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.12.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie macht geltend, dass der Versicherte mit astbesthaltigen Garnen beschäftigt gewesen sei, sodass die Bedingung dafür gegeben gewesen sei, dass die Lunge des Versicherten asbestotisch verseucht gewesen sei. Da eine anerkannte Asbestose vorliege, komme es nicht auf den Umfang der Atemnot zu Lebzeiten an, sondern, ob die asbestotische Durchseuchung der Lunge wesentlich mitursächlich für den Todeseintritt des Versicherten geworden sei. Das SG habe die Regeln des Ablehnungsverfahrens berücksichtigen müssen, die Ablehnungsgesuche seien nicht unzulässig gewesen. Aufgrund des Anwaltswechsels sei eine Verlegung angezeigt gewesen, da eine Parteigutachterin der Berufsgenossenschaft als Sachverständige gehört worden sei, was sich als nicht mehr nachvollziehbar erweise.

Die Klägerin beantragt (Blatt 2 Senatsakte),

unter Abänderung/Aufhebung des am 21.11.2016 zugestellten Urteils des Sozialgerichts Heilbronn, Az.: S 5 U 3728/14, vom 10.10.2016 wird nach den Anträgen aus I. Instanz erkannt, d.h. auf die Verurteilung der Beklagten der Klägerin aus Anlass einer Berufskrankheit Nr. 4103 des Ehemannes Hinterbliebenenleistungen zu gewähren, hilfsweise aus dem Gesichtspunkt einer Berufskrankheit Nr.4301/4302, hilfsweise, den Rechtsstreit zurückzuverweisen wegen mangelhafter Bearbeitung des Ablehnungsgesuchs durch den abgelehnten Richter, Berufsrichter hilfsweise, die Revision wird zugelassen hilfsweise wird an den gestellten und etwa künftig noch gestellten Beweisanträgen ausdrücklich als solchen festgehalten, sowohl für den Fall der mündlichen Verhandlung, für den Fall nach § 124 Absatz 2 SGG, für den Fall des § 153 Absatz 4 SGG sowie für sonstige Fallgestaltungen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat Beweis erhoben durch die Einholung des Sachverständigengutachtens des Arztes für Arbeitsmedizin, Innere Medizin und Sozialmedizin Prof. Dr. S. vom 01.06.2017 (Blatt 35 Senatsakte) und der ergänzenden Stellungnahmen vom 13.09.2017 (Blatt 55 Senatsakte) und 06.12.2017 (Blatt 77 ff Senatsakte).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153, 124 Absatz 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG teilweise zulässig, aber unbegründet.

Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren Hinterbliebenenleistungen begehrt, ist die Berufung unzulässig. Im Klageverfahren ist ein solcher Leistungsantrag nicht gestellt worden - weder mit dem Klagebegründungsschriftsatz vom 21.11.2014 noch in der mündlichen Verhandlung am 10.10.2016 -, über Hinterbliebenenleistungen hat das SG im angefochtenen Urteil auch nicht entschieden. Der von der anwaltlich vertretenen Klägerin ausdrücklich gestellte Berufungsantrag in der Berufungsschrift vom 15.12.2016 auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ist daher unzulässig, denn insoweit liegt keine Beschwer durch das angefochtene Urteil vor. Ob insoweit eine zulässige Klageänderung im Berufungsverfahren erfolgt ist, der von der Beklagten durch Einlassen in der Sache zugestimmt worden wäre (§ 99 Abs. 2 SGG), kann deshalb mangels hinreichender Beschwer der Klägerin und hieraus resultierende Unzulässigkeit des Begehrens dahinstehen.

Soweit die Klägerin vor dem SG die Feststellung begehrt hat, dass die bei dem Versicherten anerkannte Berufskrankheit Ursache des Todes gewesen ist, ist dieser Antrag der Berufungsschrift vom 15.12.2016 nach wohlwollender sachdienlicher Auslegung gerade noch als Berufungsantrag zu entnehmen. Es ist beantragt worden, nach den Anträgen aus erster Instanz zu erkennen, weshalb der Senat davon ausgegangen ist, dass nicht der im nachfolgenden Halbsatz angeführter Leistungsantrag allein verfolgt werden soll, sondern auch das erstinstanzliche Feststellungsbegehren aufrechterhalten bleibt. Diese Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 55 Absatz 1 Nr. 3 SGG zulässig, der bestimmt, dass mit der Klage die Feststellung begehrt werden kann, ob der Tod die Folge einer Berufskrankheit ist. Hierfür besteht auch ein Feststellungsinteresse, denn gemäß§ 63 Absatz 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (Nr. 1), Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung (Nr. 2), Hinterbliebenenrenten (Nr. 3) und Beihilfe. Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist, § 63 Absatz 1 Satz 2 SGB VII.

Ansprüche der Hinterbliebenen sind Ansprüche aus eigenem Recht, nicht von den Verstorbenen abgeleitete. Sämtliche Voraussetzungen sind daher ohne Bindung an bestandskräftige Verwaltungsakte oder Urteile gegenüber den Verstorbenen selbstständig überprüfbar und können berichtigend anders entschieden werden (Ricke in: KassKomm, SGB VII, § 63 RdNr. 2 unter Verweis auf BSGE 88, 226), weshalb die Klägerin insoweit ein eigenes Feststellungsinteresse geltend machen kann.

Als BK Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV ist beschrieben eine Astbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Astbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura. Pathologisch-anatomisch ist die Asbestose durch eine diffuse interstitielle irreversible, zunächst peribronchial betonte Fibrose (Vermehrung des Bindegewebes) charakterisiert, bevorzugt im Mittel- und Untergeschoss der Lunge. Histologisch sind Asbestkörperchen und insbesondere auch elektronenmikroskopisch Asbestfasern sichtbar. Die bloße Anwesenheit von Asbestfasern und Asbestkörperchen ohne fibrogene Gewebereaktion im Lungengewebe ist nicht als Asbestose zu bezeichnen. Asbestfasern im Lungengewebe sind Korrelat einer entsprechenden Belastung und spiegeln keine Beanspruchung wider. Eingeatmete und in das Zwischengewebe der Lungen vorgedrungene Asbestfasern können auf Grund ihrer nadelförmigen Gestalt bis in den Pleurabereich (Lungen- und Rippenfell) eindringen. Gelangt die Pleuratropie in den subpleuralen Bereich oder tritt sie in den Pleuraspalt über, werden Pleuraveränderungen verursacht, die von den tumorerzeugenden Wirkungen abgrenzbar sind. Der Zusammenhang zwischen einer erhöhten Asbestexposition und dem Auftreten von Pleuraplaques ist medizinisch-wissenschaftlich belegt. Radiologisch wird eine zeitliche Progredienz der Plaques beschrieben, Verkalkungsstrukturen erscheinen noch nach mehr als 20 Jahren. Asbest kann zu Reaktionen im Bereich des Brustfells, der Pleura, führen, wenn sich Asbestfasern von den Atemwegen in das Brustfell verlagern. Pleuraplaques ohne und mit Verkalkungen sind gutartige fibriotische Verdickungen des äußeren Brustfells durch kollagenreiches Bindegewebe, überwiegend beidseitig, häufig auch symmetrisch, tafelbergartig wachsend, keine Vorstufe eines Tumors. In der Computertomografie können die Plaques gut dargestellt werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 1076/1082).

Die Zuordnung pulmokardialer Funktionsstörungen zu asbestbedingten pleuralen Verdickungen muss differenziert betrachtet werden. Dabei ist zwischen pleuralen Verdickungen isoliert an der Pleura parietalis und pleuralen Verdickungen mit Einbeziehung parenchymaler Strukturen zu unterscheiden. Pleurale Verdickungen vom parietalen Typ können restriktive Ventilationsstörungen verursachen. Pleurale Verdickungen vom visceralen Typ, zu denen auch Hyalinosis complicata und Rundatelektase zählen, sind geeignet restriktive Ventilationsstörungen und Gasaustauschstörungen zu verursachen. Bei kombinierten Ventilationsstörungen kann die Obstruktion der visceralen Pleuraverdickung kausal zugeordnet werden. Eine ursächliche Zuordnung der Funktionsstörung zur asbestbedingten Pleuraverdickung ist stets im Einzelfall zu prüfen (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M4103 Seite 39).

Nach diesen Maßstäben konnte der Senat, gestützt auf den radiologischen Befundbericht des Dr. R. vom 19.02.2008 (Akten-ID 64) feststellen, dass bei dem Versicherten eine gering ausgeprägte diffuse Pleuraverdickung im Bereich der Thoraxhinterwand bilateral, links mehr als rechts mit asbestosetypischen Verkalkungen bestand. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. W. (Akten-ID 71) hat für den Senat überzeugend, und in Übereinstimmung mit der unfallversicherungsrechtlichen Literatur, dargelegt, dass die Pleuraplaques als asbestbedingt zu beurteilen sind. Auch wenn eine genaue Bestimmung der Faserjahre nicht vorgenommen worden ist, ist der Senat aufgrund der ärztlichen Berichte über die Eignungsuntersuchungen (Akten-ID 6) und der Mitteilung der zentralen Erfassungsstelle für asbeststaubgefährdeter Arbeitnehmer (Akten-ID 6 Seite 8) davon überzeugt, dass der Versicherte einer entsprechenden Belastung durch Asbest ausgesetzt gewesen ist, sodass eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV bei dem Versicherten vorgelegen hat, die Anerkennung mit Bescheid vom 23.06.2008 (Akten-ID 72) mithin zu Recht erfolgt ist.

Als Todesursache konnte der Senat, gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. S. eine respiratorische Dekompensation bei florider, beidseitiger Bronchopneumonie feststellen, die jedoch nicht ursächlich auf die Berufskrankheit zurückgeführt werden kann. Der Gutachter Prof. Dr. M. (Akten-ID 169) hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die respiratorische Insuffizienz als Folge einer schwergradigen COPD, lungenfunktionsanalytisch Stadium IV, klinisch Grad D mit Z.n. Langzeitbeatmung und Weaning bei noch weiter liegendem Tracheostoma und Pseudomonas-Besiedelung anzusehen ist, wobei der Keim als typischer Problemkeim bei Patienten mit fortgeschrittener COPD und häufiger Hospitalisierung gilt. Der Sachverständige Dr. G. (Blatt 30 SG-Akte) hat beschrieben, dass bei dem Versicherten aufgrund früherem langjährigem Inhalationsrauchen eine chronisch-progrediente, fortgeschrittene chronische Atemwegserkrankung (COPD) bestand, die zu einer chronisch-respiratorischen Insuffizienz geführt hatte, wobei komplizierend ausgeprägte Bronchiektasen am rechten Oberlappen sowie auch weniger ausgeprägt im Mittel- und Unterlappen rechts mit chronischer Problemkeimbesiedelung bestanden und der Krankheitsverlauf von rezidivierenden Infektexazerbationen geprägt war. Die Diagnose einer chronisch-obstruktiven Bronchitis ergibt sich sowohl aus den Befundberichten des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. vom 04.07.1997 und 15.07.1997 wie auch aus dem Entlassungsbericht der Klinik L. vom 11.08.1997 (Akten-ID 14), in welchem eine Belastungsdyspnoe seit 03/96 nach einer Lungenentzündung mit Verschlimmerungstendenz angegeben wird und Bronchietaktes des rechten Oberlappens beschrieben werden. Prof. Dr. U. hat in seinem Gutachten vom 13.02.2002 (Akten-ID 39) die chronisch-obstruktive Bronchitis auf den langjährigen Nikotinkonsum des Versicherten zurückgeführt und einen Zusammenhang mit einer Asbestexposition verneint. Zum Zeitpunkt seiner Untersuchung hat er eine asbestbedingte Lungenerkrankung gänzlich verneint, nachdem der Radiologe Dr. R. keine Hinweise auf eine Lungenasbestose gesehen hat (Befundbericht vom 21.01.2002, Akten-ID 33). Die Darlegungen des Gutachters Dr. G. werden von den Sachverständigen Prof. Dr. T. und Prof. Dr. S. gestützt.

Soweit Prof. Dr. S. einen Zusammenhang zwischen der Berufskrankheit und dem Tod des Versicherten sieht, folgt der Senat dem nicht. Der Sachverständige Dr. G. hat schlüssig dargelegt, dass in dem Gutachten die bereits 2008 im Computertomogramm dargestellten Bronchiektasen nicht erwähnt sind und in der arbeitsmedizinischen Literatur zu entnehmen ist, dass eine Asbestose nur in einem fortgeschrittenen Stadium der allgemeinen Lungenfibrosierung zu einer bronchialen Obstruktion führen kann, ein fortgeschrittenes Fibrosierungsstadium auf den Röntgenaufnahmen aber nicht zu erkennen war und allein der Nachweis von Asbestkörperchen im Lungengewebe nicht für eine fortgeschrittene Fibrosierung spricht. Hinsichtlich der Bronchiektasie entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S. , dass diese einerseits rechtsbetont und andererseits im rechten Oberfeld lokalisiert sind, was, in Übereinstimmung mit der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9.Auflage 2017, Seite 1076/1082), nicht für einen Asbestinhalationsschaden spricht (Blatt 42 Senatsakte = Blatt 7 des Gutachtens und ergänzende Stellungnahme Blatt 57 Senatsakte). Auch das beschriebene Lungenemphysem (vgl. radiologischer Bericht vom 19.02.2008, Akten-ID 64) bezeichnet Dr. G. als nicht typische Folge einer Asbestose (so auch Prof. Dr. T. , Blatt 61 SG-Akte). Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. W. (beratungsärztliche Stellungnahme vom 10.02.2013, Akten-ID 150), hat ergänzend darauf hingewiesen, dass der Befund nur einer Minimalasbestose entspricht, der nicht geeignet ist, eine obstruktive Atemwegserkrankung zu verursachen, sodass die COPD als nicht asbestbedingt zu beurteilen ist. Letztlich vermag das Sachverständigengutachten auch deshalb nicht zu überzeugen, da sich der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 08.04.2014 (Akten-ID 155) deutlich entnehmen lässt, dass dessen Beurteilung nicht auf einer vollständigen Aktenkenntnis beruhte und ihm wohl keine Angaben zur Krankheitsgeschichte vorgelegen haben. Auch bleibt durch den Sachverständigen unberücksichtigt, dass die COPD schon von den Gutachtern Prof. Dr. U. und Dr. M. als unabhängig von einer Berufskrankheit bestehend beurteilt wurde. Anhaltspunkte, die eine andere Zusammenhangsbeurteilung rechtfertigen würden, werden von dem Gutachter Prof. Dr. S. nicht mitgeteilt.

Eine wesentliche Teilursächlichkeit der Berufskrankheit für den Tod des Versicherten konnte der Senat nicht feststellen.

Beim todesursächlichen Zusammentreffen mit anderen Leiden sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden. Trifft der Versicherungsfall mit seinen Folgen auf vorhandene Leiden, die er zwar nicht verschlimmert, mit denen zusammenwirkend er aber zusätzliche Gesundheitsbelastungen verursacht, die zum Tode führen, ist der Tod dann Folge des Versicherungsfalls, wenn er ihn zumindest in nicht unerheblichem Maß verursacht hat. Den unfallunabhängigen Faktoren darf kein überragendes Gewicht zukommen, wozu ein bloßes Überwiegen oder nur eine gleichwertige Mitverursachung nicht genügt. Maßstab sind medizinische Erkenntnisse im Einzelfall, allgemeine Regeln sind nicht möglich. Verschlimmert der Versicherungsfall mit seinen Folgen vorhandene Leiden und führt die Verschlimmerung zum Tod, ist der Tod Folge, wenn der Versicherungsfall seinen Eintritt um wenigstens ein Jahr beschleunigt. Dies bedeutet eine Lebensverkürzung um ein Jahr, der Tod muss also ein Jahr früher eingetreten sein, als allein aufgrund des bestehenden Leidens zu erwarten war. Nicht gemeint ist, dass der Tod innerhalb eines Jahres nach dem Versicherungsfall oder der Verschlimmerung eintritt. Dasselbe gilt, wenn die zum Tode führende vom Versicherungsfall unabhängige Krankheit auf Grund des Versicherungsfalls nicht oder erst verspätet erkannt wurde und deswegen der Versicherungsfall für ihn mitursächlich ist. Die Jahresbeschleunigung enthält nur eine Konkretisierung des Begriffs der rechtlich wesentlichen Ursache, sie schließt daher nicht aus, dass bei anderen zeitlichen Abläufen der Versicherungsfall schon aus anderen Gründen wesentliche Mitursache ist (Ricke, aaO., § 63 RdNr. 5 ff.).

Der Sachverständige Dr. G. hat diesbezüglich für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Asbestose aufgrund ihres geringen Ausprägungsgrades nicht geeignet gewesen ist, eine signifikante Einschränkung der Lungenfunktion oder des pulmonalen Gaswechsels zu verursachen, sodass diese keine Teilursache für den Tod des Versicherten darstellt (Blatt 30 R SG-Akte = Blatt 6 des Gutachtens). Entsprechendes entnimmt der Senat auch dem Sachverständigengutachten der Prof. Dr. T. und ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 30.05.2016 (Blatt 72 SG-Akte = Blatt 4 des Gutachtens). Diese hat ausgeführt, dass trotz der relativ hohen Asbestbelastung, die mittels Lungenstaubanalyse verifiziert werden konnte, nur eine Minimalasbestose gegeben war, der für sich allein kein Krankheitswert zukommt, sodass sich eine Teilursächlichkeit nicht ableiten lässt (Blatt 62 SG-Akte = Blatt 18 des Gutachtens).

Der Senat konnte somit nicht feststellen, dass mehrere Ursachen für den Tod in Betracht gekommen sind, vielmehr ist der Senat aufgrund der Gutachten davon überzeugt, dass die Asbestose keine signifikante Einschränkung der Lungenfunktion oder des pulmonalen Gaswechsels bedingt hat und damit der Tod ausschließlich auf versicherungsfallfremde Leiden zurückzuführen ist. Eine annähernde Gleichwertigkeit von Todesursachen besteht daher nicht, sodass sich aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 11.12.1963 – 5 RKn 31/60 = NJW 1964, 2222, zitiert nach juris) nichts anderes ergibt.

Letztlich ergibt sich ein Feststellungsanspruch nicht aus der Vermutungsregelung des § 63 Absatz 2 SGB VII. Dieser bestimmt, dass dem Tod infolge eines Versicherungsfalles der Tod von Versicherten gleichsteht, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20.06.1968 in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten- Verordnung vom 18.12.1992 um 50 vom Hundert oder mehr gemindert war. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, dass der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.

Das Bestehen von Auswirkungen der Berufskrankheit, die eine MdE von wenigstens 50 bedingt haben, konnte der Senat nicht feststellen. Dem Gutachten des Dr. M. vom 23.01.2008 (Akten-ID 62) entnimmt der Senat, dass eine schwergradige obstruktive Ventilationsstörung mit leichtgradiger Überblähung bestanden hat, jedoch keine Hinweise auf eine restriktive Ventilationsstörung festzustellen gewesen sind (so auch sein Gutachten vom 10.01.2005, Akten-ID 48). Aus dem Gutachten des Dr. M. vom 13.12.2012 Akten-ID 89) folgt, dass Lungenfunktionsuntersuchungen wegen des schlechten Allgemeinzustandes nicht mehr möglich gewesen sind, das Erkrankungsgeschehen aber von der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung mit respiratorischer Insuffizienz dominiert wurde. Der Gutachter Prof. Dr. M. (Akten-ID 169) hat überzeugend dargelegt, dass anlässlich der Begutachtungen Dr. M. 2005 und 2008 eine Bestimmung der Diffusionskapazität erfolgt ist, wobei die Vitalkapazität im zeitlichen Verlauf zwischen 2001 und 2011 der Lungenfunktionsparameter eine leichte Abnahme der Vitalkapazität bei gleichzeitig zunehmendem Residualvolumen und intrathorakalem Gasvolumen zeigte, sodass keine restriktive Ventilationsstörung vorgelegen hat. Isolierte obstruktive Ventilationsstörungen in den Folgen einer Asbestose stuft der Gutachter unter Bezugnahme auf die Falkensteiner Empfehlungen als ungewöhnlich ein und verweist darauf, dass Tabakrauchen als dominante Ursache für die Entwicklung obstruktiver Atemwegserkrankungen gilt. Die Ausführungen des Gutachters werden bestätigt durch die Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. (Blatt 46 Senatsakte), der ebenfalls eine restriktive Ventilationsstörung verneint. Der Sachverständige Dr. G. hat schlüssig ausgeführt, dass die Einschränkung der Lungenfunktion und die respiratorische Situation auf die fortgeschrittene obstruktive Atemwegserkrankung mit Bronchiektasenbildung zurückzuführen war, nicht jedoch auf eine Asbestose. Er beschreibt eine kontinuierliche Verschlimmerung der respiratorischen Situation nach wiederholten Exazerbationen und einer chronischen Problemkeimbesiedelung des vor allem rechts bronchiektatisch destruierten Bronchialsystems. Die Asbestose hält der Sachverständige aufgrund ihrer geringen Ausprägung für nicht geeignet, eine signifikante Einschränkung der Lungenfunktion oder des pulmonalen Gaswechsels zu verursachen. Eine MdE von 50 v.H. aufgrund der Berufskrankheit lässt sich daher nicht begründen. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. S. eine MdE von 30 v.H. annimmt, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an. Zum einen liegt dessen Schätzung unter der für § 63 Absatz 2 SGB VII relevanten 50 v.H., zum anderen handelt es sich bei der Einschätzung der MdE nicht um eine medizinische, sondern eine juristische Frage, deren Beurteilung nicht dem medizinischen Sachverständigen obliegt. Unabhängig davon hat der Sachverständige auch mehrfach dargelegt, dass er einen unwiederbringlichen Beweismangel deshalb sieht, da es an Lungenfunktionsprüfungen ab 2008 fehlt und damit keine ausreichende Tatsachengrundlage zur Bestimmung der MdE vorhanden ist (Blatt 47/48 Senatsakte = Blatt 12 des Gutachtens und ergänzende Stellungnahme Blatt 58 Senatsakte). Hinsichtlich des von dem Sachverständigen angenommenen Wertes von 30 v.H. gibt dieser selbst an, dass dieser auf einer freien Schadensschätzung beruht. Für eine solche fehlt es indessen bei der Bemessung der MdE an einer rechtlichen Grundlage und es kommt nicht in Betracht, eine konkrete MdE anhand von Krankheitsverläufen bei anderen Patienten und den dort vorgenommenen MdE-Einschätzungen zu bestimmen. Dass sich aus internen Vermerken ergibt, dass eine Sachbearbeiterin das Gutachten für schlüssig gehalten und die Leistungsgewährung empfohlen hat, führt, entgegen der Darlegungen der Klägerin, zu keiner anderen Beurteilung, da keine Entscheidung mit Außenwirkung getroffen worden ist und sich im Übrigen die Einwände gegen das Gutachten als berechtigt erwiesen haben.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht zu veranlassen. Der Senat hat anhand der vorliegenden Gutachten die erforderliche hinreichende Überzeugungsgewissheit zur Entscheidung über das Berufungsbegehren gewinnen können. Den im Berufungsantrag der Klägerin gestellten Hilfsbeweisanträgen musste der Senat nicht nachkommen. Soweit dort beantragt ist, an den gestellten und künftigen Beweisanträgen werde festgehalten, ist damit ein konkreter Beweisantrag nicht hinreichend substantiiert gestellt. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts als fortgeltend aufrechterhaltene Beweisanträge in der Akte zu suchen. Vielmehr ist es Sache der Partei die Beweisanträge zu benennen, die nach einer durchgeführten Beweisaufnahme als nicht erledigt angesehen werden und weiter aufrecht erhalten bleiben sollen.

Ein weiteres Sachverständigengutachten nach § 109 SGG war nicht einzuholen. Der Antrag nach § 109 SGG auf Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. X. B. war daher abzulehnen. Unabhängig von der Frage, ob das Antragsrecht grundsätzlich nur einmal in beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung steht (dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.03.2011 – L 6 SB 4878/08, juris RdNr. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.02.2006 – L 1 U 2572/05, juris RdNr. 41), hat der Senat trotz des in erster Instanz nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachtens der Prof. Dr. T. nach § 109 SGG das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S. eingeholt und damit ein zweites Sachverständigengutachten zugelassen. Allerdings entspricht es dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen. § 109 SGG ist als Ausnahmevorschrift zu der Regelung des § 103 Satz 2 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, eng auszulegen. Grundsätzlich ist das Antragsrecht verbraucht, wenn ein weiterer Arzt auf dem gleichen Sachgebiet des bereits nach § 109 SGG gehörten Arztes benannt wird. Für einen Antrag auf Anhörung mehrerer Ärzte nach § 109 SGG bedarf es besonderer Umstände. Dabei ist ausreichend, dass es sich um die Aufklärung spezifischer Einzelfragen handelt, die sich auf verschiedenen Fachgebieten stellen bzw. ein Vertreter einer Facharztgruppe über eine größere Sachkunde als Spezialist verfügt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 12. Aufl., § 109 Rdnr. 10b). Sind für einzelne Gesundheitsstörungen jedoch mehrere Facharztgruppen zuständig, kann nicht pauschal vorgebracht werden, ein Vertreter der Facharztgruppe, zu der der jetzt gewählte Gutachter gehört, verfüge über die höhere Sachkunde gegenüber dem selbst vorausgewählten Gutachter nach § 109 SGG (vgl. Keller a.a.O.). Vorliegend ist auch nicht hinreichend konkretisiert dargelegt worden, dass Prof. Dr. B. als Facharzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Kardiologie, Allergologie und Umweltmedizin, wesentliche zusätzliche Aspekte aufzeigen kann. Der nach § 109 SGG zum Sachverständigen bestimmte Prof. Dr. S. ist Arbeits- und Sozialmediziner sowie Arzt für Innere Medizin. Insoweit besteht auch schon eine weitgehende Überschneidung der Facharztbereiche, weshalb die wiederholende Antragstellung nach § 109 SGG bereits deshalb ausscheidet. Ein sachlicher Grund, solange Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, bis ein der Klägerin günstiges Ergebnis erzielt ist, besteht nicht.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das SG liegen nicht vor, sodass auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben konnte. Gemäß § 159 Absatz 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme war vorliegend nicht durchzuführen, vielmehr stellt der Senat fest, dass der Sachverhalt abschließend geklärt war und deshalb keine weitere Beweisaufnahme durchzuführen gewesen ist, sodass eine Aufhebung und Zurückverweisung ausscheidet. Der Hinweis, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb eine Parteigutachterin der Berufsgenossenschaften nach § 109 SGG gehört worden sei, erschließt sich dem Senat nicht. Nachdem die Voraussetzungen des § 109 SGG vorgelegen haben, ist kein Grund ersichtlich, weshalb dem Antrag nicht nachzukommen gewesen wäre. Im Übrigen lässt sich dem Briefkopf der Sachverständigen lediglich entnehmen, dass das Pathologische Institut der R.-Universität an der berufsgenossenschaftlichen Uniklinik B. angesiedelt ist, woraus jedoch darauf geschlossen wird, dass es sich um eine Parteigutachterin gehandelt habe, bleibt offen. An der Auswahl der Sachverständigen muss sich die Klägerin auch festhalten lassen und kann, insbesondere nicht nach dem Vorliegen des Gutachtens, nicht damit gehört werden, dass ein anderer Sachverständiger hätte benannt werden müssen. Ohne, dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, kann der Senat einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht feststellen, insbesondere ist das SG bei der Entscheidung über die Klage nicht fehlerhaft besetzt gewesen. Die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden waren rechtsmissbräuchlich und damit offensichtlich unzulässig, sodass über diese unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entschieden werden konnte. Rechtsmissbrauch wird angenommen, wenn das Befangenheitsgesuch allein in Verschleppungsabsicht gestellt wird oder sonst verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden, z.B. um einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu verhindern oder eine zu Recht abgelehnte Terminsverlegung zu erzwingen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12.Auflage, § 60 RdNr. 10c). Die Terminsladung auf den 10.10.2016 wurde den vormaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 26.08.2016 zugestellt, der mit der Vertretungsanzeige vom 06.09.2016 verbundene Terminsverlegungsantrag enthält keinerlei Begründung, die sodann vorgelegten Reisebuchungen ergeben keinen wichtigen Grund für eine Terminsverlegung. Die (am 20.09.2016) bei dem Sozialgericht eingegangene Vollmacht datiert auf den 05.09.2016, somit auf einen Zeitpunkt, zu dem der Termin bereits bestimmt gewesen ist. Dass der Bevollmächtigte das Mandat in Kenntnis der Tatsache übernimmt, den anberaumten Termin nicht wahrnehmen zu können, ergibt keinen Verlegungsgrund. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, dass die vorgelegten Buchungen, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, erst nach der Mandatsübernahme erfolgt sind. Weshalb der Bevollmächtigte gehindert gewesen ist, für seine Urlaubsabwesenheit eine Vertretung zu organisieren, ist nicht ersichtlich, insbesondere, nachdem die Vollmacht ausweislich ihrer Ziffer 15 übertragbar gewesen ist. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Akteneinsicht bei unverändertem Akteninhalt grundsätzlich nur einmal besteht (Keller in: Meyer-Ladewig/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 120 Rn. 3a) und festzustellen ist, dass dieses Recht durch die (vormaligen) Bevollmächtigten der Klägerin bereits ausgeübt worden ist (Empfangsbekenntnis Blatt 12a der SG-Akte, Rückgabe Blatt 16 der SG-Akte). Der Umstand, dass trotz bereits wahrgenommenem Akteneinsichtsrechts auf die Möglichkeit einer Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle verwiesen worden ist, ist daher ungeeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit der Terminsvorbereitung ein hinreichender Grund angegeben worden ist, keine Versendung der Akten vornehmen zu können. Im Übrigen war dem Bevollmächtigten bei Mandatsübernahme sowohl der Wohnort der Klägerin in V. bekannt, als auch die Tatsache, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn geführt wird, sodass sowohl die Klägerin wie auch ihr (neuer) Bevollmächtigter das Risiko weiter Wege wie auch die Versagung einer Aktenübersendung wegen des anberaumten Termins bewusst eingegangen sind.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. S. vom 13.09.2017 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10.04.2017 und 06.12.2017, über die der Senat als Gerichtskosten in Ausübung des ihm nach § 109 Absatz 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch in der Kostenentscheidung im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 – L 1 U 3854/06 KO-B, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 – L 8 U 3868/11, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Diese hat die Klägerin endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2.Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Sachverständigengutachtens nebst ergänzender Stellungnahme auf die Staatskasse zu übernehmen, nachdem Prof. Dr. S. in den streitgegenständlich relevanten Fragen zu denselben Schlussfolgerungen wie die Vorgutachter kam und sein Sachverständigengutachten keinen neuen, für das Verfahren relevanten Sachverhalt ergeben hat.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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