Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 34 KR 136/18 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 229/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. April 2018 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 1,6 Mio. EUR festgesetzt.
Gründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. April 2018 (S 34 KR 136/18 ER) im Wege der einstweiligen Anordnung die folgenden zwischen den Antragsgegnern geschlossenen Vereinbarungen:
- Vereinbarung zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gemäß § 11 Nr. 7 des Arzneimittelversorgungsvertrags Berlin für die Saison 2018/2019 (im Weiteren: BAV),
- Vereinbarung zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gemäß Anlage 5 des Arzneimittellieferungsvertrags für das Land Brandenburg zur Preisvereinbarung für Grippeimpfstoffen im Sprechstundenbedarf für die Saison 2018/2019 (im Weiteren: AVB),
- Vereinbarung zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gem. § 5 Abs. 4 (Anlage 1) des Arzneiliefervertrags Mecklenburg-Vorpommern für die Saison 2018/2019 (im Weiteren: AV MV)
über die Festsetzung eines Abrechnungsbetrags von 10,95 EUR inkl. MwSt. pro lmpfdosis für quadrivalenten Grippeimpfstoff zur Anwendung bei Erwachsenen außer Kraft zu setzen,
ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
Das Sozialgericht ist im Ergebnis zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend nicht im Betracht kommt, jedoch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht deshalb, weil der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet ist, sondern wegen des Fehlens eines Anordnungsanspruchs.
Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhaltes und der rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 19. April 2018 Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Der Rechtsweg für den Antrag der Antragstellerin zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet. Es handelt sich vorliegend nicht um einen Rechtsstreit, der nach § 51 Abs. 3 SGG, § 69 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit entzogen ist. Die vorliegend streitbefangenen Vereinbarungen sind – entgegen der Auffassung der Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 15. Mai 2018 – VK 2 – 30/18) - keine öffentliche Aufträge im Sinne dieser Regelungen.
§ 51 Abs. 3 SGG schließt die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit aus für Streitigkeiten nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen. Gem. § 69 Abs. 3 SGB V sind auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch die Vorschriften des Teils 4 des GWB anzuwenden.
Gem. § 103 Abs. 1 GWB in der ab 18. Februar 2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (BGBl. I S. 203-232) sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Rahmenvereinbarungen sind gem. § 105 Abs. 5 Satz 1 GWB Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis. Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten § 105 Abs. 5 Satz 2 GWB, soweit nichts anderes bestimmt ist, dieselben Vorschriften wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge.
Die vorliegend streitigen Vereinbarungen (BAV, AVB und AV MV) enthalten keine dementsprechenden Regelungen. Die von der Antragstellerin angefochtenen Vereinbarungen, welche die Antragsgegnerin zu 1) mit Wirkung auch für die Antragsgegnerinnen zu 2) – 8) als Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbände und mit den Antragsgegnern zu 9) – 11) als Apothekerverbänden in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern geschlossen haben, beinhalten als zentralen Punkt die Vereinbarung einer Vergütung für "vom Vertragsarzt im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnete Grippeimpfstoff mit Auswahlmöglichkeit für die Apotheke" (d.h. mit Angabe des Wirkstoffs und nicht der konkreten Bezeichnung eines Produkts) "von der AOK mit 9,20 EUR zuzüglich geltender Mehrwertsteuer" (Nr. 1 der insoweit wortgleichen Regelungen in BAV, AVB und AV MV). Voraussetzung für den vereinbarten Abrechnungspreis ist nach dem Wortlaut der angefochtenen Vereinbarungen, dass die entsprechenden vertragsärztlichen Verordnungen der Apotheke bis spätestens 12. März 2018 bzw. - nach den Mitteilungen der Antragsgegner – für Mecklenburg-Vorpommern bis zum 30. April 2018 vorliegen.
Die Antragstellerin sieht ihre Absatzchancen durch diese Vereinbarungen (BAV, AVB und AV MV) für ihr Produkt geschmälert, da ihr Grippeimpfstoff mit 12,54 EUR brutto (10er - Packung) bzw. 11,99 EUR brutto (20er - Packung) teurer ist als die zwischen den Antragsgegnern vereinbarte Vergütung (9,20 EUR zuzüglich geltender Mehrwertsteuer) und folglich der Apotheker im Zweifel davon absehen wird, ihren Impfstoff zu bestellen und stattdessen das preisgünstigere Konkurrenzprodukt der Firma F. GmbH (J. Tetra®, ebenfalls ein quadrivalenter Grippeimpfstoff) ordern wird.
Der Senat schließt sich der Auffassung der Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 15. Mai 2018 – VK 2 – 30/18) nicht an, es handele sich bei den zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 8) als gesetzlichen Krankenkassen(-verbänden) und den Apothekerverbänden – den Antragsgegnern zu 9) bis 11) – geschlossenen Vereinbarungen um Rahmenvereinbarungen im Sinne von § 103 Abs. 5 Satz 2 GWB, mit der Folge, dass diese nach denselben Grundsätzen wie ein öffentlicher Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 1 GWB zu behandeln seien und damit dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren unterliegen.
Die Vergabekammer des Bundes sieht in den vorliegend streitigen Vereinbarungen, in denen für die zukünftige Lieferung von quadrivalenten Grippeimpfstoffen ein Festpreis festgelegt wird, eine Rahmenvereinbarung im Sinn von § 103 Abs. 5 Satz 1 GWB, mit der die Preisbedingungen für nachfolgende öffentliche Aufträge im Sinn von § 103 Abs. 1 GWB festgelegt werden. Aus Sicht der Vergabekammer des Bundes ist der "öffentliche Auftrag" in der späteren Bestellung des quadrivalenten Grippeimpfstoffs zu sehen. Dies führt zu einem Beschaffungsvorgang durch die Apotheke bei den pharmazeutischen Herstellern bzw. Großhändler – wie der Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin zu 9), der G. GmbH (G.) -, aus dem wiederum ein Vergütungsanspruch der Apotheke gegenüber der Krankenkasse folgt. Dieser Beschaffungsvorgang wird aus Sicht der Vergabekammer des Bundes in einer den Vertragsparteien der vorliegend streitigen Vereinbarungen zuzurechnenden Weise dahingehend determiniert, dass ein öffentlicher Auftrag an die Herstellerfirma F. GmbH geht, die den Preis für ihr Produkt in Verhandlungen mit der Firma G. an die Vorgaben der Rahmenvereinbarung angepasst hat.
Zwischen dem pharmazeutischen Unternehmen F. GmbH, welches den quadrivalenten Grippeimpfstoff J. Tetra® am Markt anbietet, und den Antragsgegnern sind aber gerade keine Vereinbarungen über den Abgabepreis getroffen worden. Die Firma F. GmbH ist an den getroffenen Vereinbarungen überhaupt nicht beteiligt. Vielmehr überlassen die streitigen Vereinbarungen (BAV, AVB und AV MV) es vollständig den Apothekern, bei welchem pharmazeutischen Anbieter sie sich einem quadrivalenten Grippeimpfstoff besorgen. Der Apotheker ist dabei rechtlich keinen Beschränkungen unterworfen. Die Vereinbarungen bestimmen lediglich die Höhe der Vergütung (9,20 EUR zuzüglich geltender Mehrwertsteuer), die der Apotheker für die Beschaffung dieses Impfstoffs erhält. Sie wirkt damit zwar indirekt auf das Verhalten des Apothekers ein, weil sich dieser ökonomisch unsinnig verhält, wenn er einen entsprechenden Impfstoff eines Anbieters bestellt, dessen Preis höher als der vereinbarte Festbetrag ist. Dieser Effekt beruht jedoch nicht auf einer rechtlichen Beschränkung des Anbieterkreises auf den günstigsten Hersteller, der im Rahmen eines normalen Vergabeverfahrens den exklusiven Zuschlag erhält, sondern auf dem marktwirtschaftlichen Mechanismus, dass das teurere Produkt aufgrund des Festbetrags nicht nachgefragt wird. Der pharmazeutische Unternehmer muss, um sein Produkt verkaufen zu können, daher seinen Preis senken. Dieser Marktdruck auf den pharmazeutischen Hersteller kann jedoch allein nicht dazu führen, die Geltung des Vergaberechts anzuordnen und damit das Verfahren der Festbetragsvereinbarung in vollem Umfang den vergaberechtlichen Regelungen zu unterwerfen, obwohl tatsächlich kein Marktteilnehmer auf Seiten der pharmazeutischen Unternehmen von einer Marktteilnahme ausgeschlossen wird.
Der EuGH hat im Fall der sog. "open house" Verträge judiziert, dass es an einem öffentlichen Auftrag fehle, wenn eine öffentliche Einrichtung mit allen Wirtschaftsteilnehmern, die die betreffenden Waren zu den von ihr vorgegebenen Bedingungen anbieten wolle, bereit sei Lieferverträge abzuschließen. Die fehlende Auswahl eines Wirtschaftsteilnehmers, an den ein Auftrag mit Ausschließlichkeit vergeben wird, hat zur Folge, dass das Tätigwerden dieses öffentlichen Auftraggebers nicht den präzisen Regeln der Richtlinie 2004/18 unterworfen werden muss, um zu verhindern, dass er bei der Auftragsvergabe inländische Wirtschaftsteilnehmer bevorzugt. Aus Sicht des EuGH stellt die Auswahl eines Angebots und somit eines Auftragnehmers ein Element dar, welches mit dem durch die Richtlinie 2004/18 geschaffenen Rahmen für öffentliche Aufträge und folglich mit dem Begriff "öffentlicher Auftrag" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie untrennbar verbunden ist (EuGH, Urteil vom 2. Juni 2016, C-410/14, Celex-Nr. 62014CJ0410). Daran fehlt es jedoch vorliegend.
Diese Problematik hat die Vergabekammer des Bundes in seiner Entscheidung (Beschluss vom 15. Mai 2018 – VK 2 – 30/18) ebenfalls gesehen. Sie verweist selbst darauf, dass auf der Marktgegenseite der Krankenkassen vorliegend die Apotheken stehen, weil ausschließlich diese befugt sind, apothekenpflichtige Arzneimittel wie Impfstoffe abzugeben; folglich müsste auch der Vergabewettbewerb durch die Apotheken als Ausschreibungsadressaten erfolgen (dort S. 32). Gleichwohl bejaht die Vergabekammer des Bundes die Ausschreibungspflicht mit dem Hinweis darauf, dass die streitigen Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Apothekenverbänden sich nicht auf eine reine Preiserstattungsregelung beschränken, sondern die ebenfalls zwischen den Antragsgegnern geschlossenen wortgleichen § 2 Nr. 2 der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gem. § 11 Nr. 7 des Arzneimittelversorgungsvertrages Berlin, Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gem. Anlage 5 des Arzneilieferungsvertrags für das Land Brandenburg zur Preisvereinbarung über Grippeimpfstoffe im Sprechstundenbedarf für die Saison 2018/2019 und Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gem. § 5 Abs. 4 (Anlage 1) des Arzneilieferungsvertrags Mecklenburg-Vorpommern für die Saison 2018/2019 eine Regelung enthalten, die darauf zielt, auf die Ärzte einzuwirken, eine wirkstoffbezogene Verordnung auszustellen. Danach reicht die Apotheke im Falle der Verordnung eines Grippeimpfstoffes mit Beschränkung der Auswahlmöglichkeit für den Apotheker, soweit kein Preis vereinbart ist, einen Kostenvoranschlag bei der AOK zur Genehmigung ein, nachdem der Apotheker zuvor durch Rücksprache mit dem Arzt geklärt hat, ob ausschließlich diese Verordnung gewünscht ist. Damit begründet die Vergabekammer des Bundes seine Auffassung, dass in den angefochtenen Vereinbarungen keine reine Preiserstattungsregelung zu sehen sei, sondern öffentliche Aufträge, weil eine indirekte Auswahlentscheidung getroffen werde (dort S. 35). Mit dem Ziel dieser Regelung, dass die Ärzte möglichst eine wirkstoffbezogene Verordnung ausstellen, werde es den Apothekern ermöglicht, den der Preisvereinbarung entsprechende quadrivalenten Grippeimpfstoff der Firma F. GmbH zu bestellen.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Ganz im Vordergrund der streitigen Vereinbarungen zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1) – 8) als gesetzliche Krankenkassen und den Antragsgegnern zu 9) – 11) als Apothekerverbände steht die Festlegung der Vergütung der Apotheken (9,20 EUR zuzüglich geltender Mehrwertsteuer) für Abgabe von vertragsärztlich verordneten quadrivalenten Grippeimpfstoffen mit Auswahlmöglichkeit für den Apotheker. Diese Regelung ist, worauf die Antragsgegner zu Recht hinweisen, produkt- und herstellerneutral. Eine "Lenkungswirkung" hin zu dem Impfstoff der Firma F. GmbH geht von den Vereinbarungen selbst nicht aus. Erst in dem dieser Vereinbarung nachfolgenden Bestellvorgang des Apothekers entscheidet er sich aus ökonomischen Gründen, den im Zeitpunkt seiner Bestellung preisgünstigsten Impfstoff zu bestellen. Eine Lenkungswirkung haben die streitigen Vereinbarungen daher, wie die Antragsgegner zu Recht betonen, nur insoweit, als sie den Zweck haben, produktneutrale Verordnungen (Wirkstoffverordnungen) zu fördern, weil nur unter der Voraussetzung einer produktneutralen Verordnung der Apotheker die Möglichkeit hat, den Impfstoff auszuwählen. Im Fall einer produktbezogenen Verordnung ist der Apotheker dagegen an die ärztliche Verordnung gebunden. In diesem Sinne ist auch die den Apothekern auferlegte weitere Pflicht zu verstehen, im Falle der Verordnung eines bestimmten Präparats bei dem verordnenden Arzt nachzufragen und ggf. die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen. Ziel dieser Pflicht ist es, eine möglichst hohe Zahl produktneutraler Verordnungen zu erhalten. Insoweit dient die Nachfrage beim Arzt dessen Information über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Beschaffung des als Sprechstundenbedarf verordneten Grippeimpfstoffs. Dies ist auch für den Arzt von Bedeutung, weil er – wie jeder Akteur im System der gesetzlichen Krankenversicherung – dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterworfen ist. Dem folgend ist es ihm untersagt, ohne medizinische Notwendigkeit das teurere Produkt zu verschreiben. Auch im Rahmen der Impfstoffverordnung kann ein Vertragsarzt einem Regress wegen unwirtschaftlichem Verhalten unterworfen sein (Bundessozialgericht, Urteil vom 21. März 2018 – B 6 KA 31/17 R –, juris). Schon vor diesem Hintergrund wird der Vertragsarzt – soweit nicht im Einzelfall eines Patienten konkrete medizinische Gründe für die Verwendung eines bestimmten Impfstoffs sprechen – in aller Regel den Weg der wirkstoffbezogenen Bestellung gehen und die Auswahl des konkreten Impfstoffs dem Apotheker überlassen. Bei der Bestellung von Impfstoffen für die nächste Impfsaison im Rahmen des sog. Sprechstundenbedarfs ist es ohnehin in aller Regel so, dass die Bestellung durch den Vertragsarzt wirkstoffbezogen erfolgt, weil es sich um die Bestellung einer größeren Menge Impfstoff für einen (im Zeitpunkt der Bestellung) noch ungewissen Patientenkreis handelt, medizinische Besonderheiten des einzelnen Patienten, die im Einzelfall die Verwendung eines bestimmten Impfstoffs bedingen, also zu diesem Zeitpunkt kaum eine Rolle spielen können. Insoweit sind die ergänzenden Regelungen der vorliegend streitigen Vereinbarungen bei der Verordnung eines konkreten Impfstoffs zum einen ohne wesentliche Bedeutung für das gesamte Regelungssystem der Vorbestellung von Grippeimpfstoffen und zum anderen im Zusammenhang mit den vertragsärztlichen Pflichten im Rahmen des Gesamtsystems der GKV zu sehen. Daher können die von der Vergabekammer des Bundes angeführten Aspekte nicht ausreichen, um ihre Zuständigkeit zu begründen. Vielmehr handelt es sich um einen sozialrechtlichen Streit um die Auslegung normvertraglicher Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Apothekerverbänden nach § 129 SGB V, für die die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.
Der Senat hat Zweifel, ob die Antragstellerin noch ein Rechtsschutzbedürfnis besitzt im Hinblick darauf, dass die streitigen Vereinbarungen nur für ärztliche Verordnungen Gültigkeit besitzen, die bis zum 12. März 2018 bzw. 30. April 2018 vorgelegen haben. Zwar spricht viel für die Argumentation der Antragsgegner, dass vor dem Hintergrund der konkreten Bestellfristen in den streitigen Vereinbarungen, die allesamt seit längerem abgelaufen sind, selbst im Fall der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit dieser Vereinbarungen nicht zu erwarten steht, dass noch in bedeutsamen Umfang Nachbestellungen des Impfstoffs der Antragstellerin durch die Apotheken erfolgen werden. Letztlich hängt dies aber von Umständen ab, die der Senat nicht sachkundig beurteilen kann.
Diese Zweifel können letztlich dahinstehen, da für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung es an einem Anordnungsanspruch fehlt.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, die zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1) – 8) als Krankenkassen(-verbänden) und den Antragsgegnern zu 9) – 11) als Apothekerverbänden geschlossenen BAV, AVB und AV MZ für die Impfsaison 2018/19 getroffene Regelung über die Erstattung eines Preises für "unwirksam" zu erklären.
Der Senat neigt zu der Auffassung, dass die Antragstellerin auf der Grundlage ihrer aus Art. 12 GG folgenden Berufsausübungsfreiheit als pharmazeutisches Unternehmen eines quadrivalenten Grippeimpfstoffs (H. Tetra®) ein subjektiv-öffentliches Recht hat, eine Preisvereinbarung, wie sie in den vorliegend angefochtenen Vereinbarungen getroffen worden ist, gerichtlich überprüfen zu lassen. Zwar werden dadurch lediglich Marktchancen der Antragstellerin berührt, weil die Festlegung des den Apotheken erstatteten Betrags die Antragstellerin mit ihrem Produkt nicht vom Markt ausschließt. Gleichwohl werden die streitigen Vereinbarungen im Ergebnis dazu führen, dass das höherpreisige Produkt der Antragstellerin im Vertragsgebiet nur in geringem Umfang nachgefragt werden wird. Nach der Rechtsprechung zur Festbetragsfestsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass mit der Neufestsetzung des Festbetrags ein pharmazeutischer Hersteller in eigenen aus Art. 3 Abs. 1 und 12 Grundgesetz (GG) beruhenden Rechten verletzt ist. Insoweit ist ein Recht des von den Auswirkungen von Festbetragsfestsetzungen betroffenen Unternehmers anzuerkennen, die Entscheidungen im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf gleiche Teilhabe an einem fairen Wettbewerb überprüfen zu lassen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2017 – L 1 KR 80/14 KL –, juris Rn. 53; BSG, Urteil vom 3. Mai 2018, B 3 KR 9/16 R – zitiert nach Terminsbericht Nr. 20/18 –). Ähnliche Überlegungen können mit Blick auf die vorliegend streitigen Preisvereinbarungen angestellt werden.
Von einer Verletzung des Rechts der Antragstellerin auf gleiche Teilhabe an einem fairen Wettbewerb kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Die getroffenen Vereinbarungen sind mit geltendem Recht vereinbar.
Die Apotheken haben im Bereich der Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln eine durch das Apotheken- und Arzneimittelrecht begründete Monopolstellung (Armbruster in Eichenhofer/Wenner, Gesetzliche Krankenversicherung, § 129 Rn. 5). Dieser Monopolstellung korrespondiert mit gesetzlich auferlegten Verhaltenspflichten im Rahmen der Sicherstellung einer wirtschaftlichen und preisgünstigen Versorgung mit Arzneimitteln (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 11/11 R -, juris Rn. 20). Diese Pflichten werden im Rahmen eines durch § 129 SGB V im Einzelnen ausgestalteten Vertragssystems zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den Apothekerverbänden festgelegt (Beck/Pitz in jurisPK-SGB V, Stand 03.04.2018, § 31 Rn. 13). Dabei erfasst § 129 SGB V auch die im sog. Sprechstundenbedarf abgegebenen Arzneimittel. Impfstoffe im Rahmen der Schutzimpfung nach § 20i SGB V werden häufig als Sprechstundenbedarf abgegeben. Für diese können gesonderte Vergütungsvereinbarungen geschlossen werden, deren rechtliche Grundlage § 129 Abs. 5 SGB V darstellt (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. März 2014 – L 4 KR 3593/13 ER B -, juris, Rn. 37 m.w.N.; Armbruster, a.a.O., Rn. 11; BT-Drucks. 17/3698, S. 56). Danach können die Krankenkassen und ihre Verbände mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene "ergänzende Verträge" schließen. Ergänzende Verträge sind solche, die an den nach § 129 Abs. 2 SGB V geschlossenen Rahmenvertrag zwischen dem Spitzenverband Bund der Gesetzlichen Krankenkassen und den Spitzenorganisationen der Apotheker anknüpfen, der als öffentlich-rechtlicher Normvertrag zu qualifizieren ist (Volkwein in Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl. 2017, § 129 SGB V Rn. 12; Axer in Becker/Kingreen, 5. Aufl. 2016, SGB V, § 129 Rn. 28) und die für die Apotheken durch Mitgliedschaft in einem abschließenden Verband oder durch Beitritt verbindlich werden (§ 129 Abs. 3 SGB V). Der Gesetzgeber hat den Vertragsparteien hier eine weitreichende Regelungskompetenz eingeräumt (Axer, a.a.O., Rn. 30), welche ergänzend die nach § 129 Abs. 5 SGB V abzuschließenden Arzneilieferungs- bzw. Arzneiversorgungsverträge umfasst. Solche Verträge dienen der Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots der §§ 12, 70 Abs. 1 SGB V, um im besonders kostenintensiven Bereich der Arzneimittel eine preisgünstige Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen. Für den Bereich der Arzneimittel wird das Wirtschaftlichkeitsgebot durch § 129 SGB V dabei sogar besonders betont, denn die Vorschrift enthält vielfältige Regelungen, die eine Kostenreduktion bei den Arzneimittelausgaben sicherstellen sollen, so die Pflicht der Apotheker zur Abgabe preisgünstiger Arzneimittel bei wirkstoffbezogenen Verordnungen (§ 129 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), die Pflicht zur Abgabe preisgünstiger importierter Arzneimittel (§ 129 Abs. 1 Nr. 2) und die Pflicht zur Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen (§ 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers gehören zu solchen Vereinbarungen auch solche über die Vergütungen für die Abgabe der Impfstoffe durch die Apotheken an die Arztpraxen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung, BT-Drs. 17/3698, S. 56). Von der Zulässigkeit derartiger Preisvereinbarungen gehen auch Literatur und Rechtsprechung – soweit ersichtlich – ganz selbstverständlich aus (z. B. Schneider in juris-PK-SGB V Stand 3. Januar 2017, § 129 Rn. 7 und Rn. 18; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2018 – L 1 KR 365/16 -, juris Rn. 32 im Hinblick auf eine Preisregelung eines auf Landesebene geschlossenen Arzneilieferungsvertrag; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Januar 2018 – L 11 KA 82/16 B ER -, juris Rn. 43 im Hinblick auf eine landesvertragliche Preisvereinbarung; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2017 – L 1 KR 4746/15 - Rn. 44 zu einem Vergütungsanspruch eines Apothekers bei produktneutraler Verschreibung von Impfstoffen im Wege des Sprechstundenbedarfs, Revision anhängig beim Bundessozialgericht – B 3 KR 5/17 R)
Angesichts dessen ist kein Grund ersichtlich, der vorliegend den Antragsgegnern verbieten könnte, mit den streitigen Vereinbarungen (BAV, AVB und AV MN) einen festen Abgabepreis zu vereinbaren. Die Möglichkeit des Abschlusses ergänzender Verträge nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V und nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V dient der Verwirklichung des von § 12 Abs. 1 SGB V für das gesamte krankenversicherungsrechtliche Leistungs- und Leistungserbringerrecht vorgegebenen Wirtschaftlichkeitsgebots (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. November 2015 - B 3 KR 16/15 R -, juris Rn. 23 f.).
Die Festsetzung von Festbeträgen darf allerdings nicht dazu führen, dass die von dem Festbetrag betroffene Leistung zu diesem Preis nicht erhältlich ist (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 1 BvL 28/95; 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - juris-Rdnr. 138 -141; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2017 – L 1 KR 80/14 KL –, Rn. 67, juris). Vorliegend gibt es mit der Firma F. GmbH jedoch zumindest einen Anbieter, der den quadrivalenten Grippeimpfstoff zu einem Preis anbietet, der unter dem vereinbarten Festbetrag liegt.
Die Antragstellerin kann auch nicht mit ihrem Vorbringen gehört werde, das Verhalten der Antragsgegner sei ein Verstoß gegen das vom Gesetzgeber mit der Abschaffung der Selektivverträge nach § 132e Abs. 2 SGB V a.F. beabsichtigte Verbot der Vergabe an nur einen Hersteller. Die zugrunde liegende Vorstellung, durch die streitigen Vereinbarungen werde – im Sinne eines Selektivvertrags - der Anbieterkreis auf einen Hersteller beschränkt, trifft nicht zu. Die Antragsgegner weisen zu Recht darauf hin, dass es der Antragstellerin freisteht, ihr eigenes Produkt (H. Tetra®) mit dem der Firma F. GmbH J. Tetra® durch entsprechende Preisgestaltung konkurrenzfähig zu machen, das heißt durch Senkung des Preises. Die Antragstellerin kann demgegenüber nicht verlangen, dass die gesetzlichen Krankenkassen – wie die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 8) - auf einen Preiswettbewerb verzichten und bedingungslos den von den Herstellern einseitig festgesetzten Listenpreis zahlen. Eine solche rechtliche Position wird ihr durch keine Norm des SGB V eingeräumt.
Bei dieser Sachlage erübrigt sich die Prüfung eines Anordnungsgrundes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der von den Beteiligten nicht angegriffenen Festsetzung des Sozialgerichts.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 1,6 Mio. EUR festgesetzt.
Gründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. April 2018 (S 34 KR 136/18 ER) im Wege der einstweiligen Anordnung die folgenden zwischen den Antragsgegnern geschlossenen Vereinbarungen:
- Vereinbarung zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gemäß § 11 Nr. 7 des Arzneimittelversorgungsvertrags Berlin für die Saison 2018/2019 (im Weiteren: BAV),
- Vereinbarung zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gemäß Anlage 5 des Arzneimittellieferungsvertrags für das Land Brandenburg zur Preisvereinbarung für Grippeimpfstoffen im Sprechstundenbedarf für die Saison 2018/2019 (im Weiteren: AVB),
- Vereinbarung zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gem. § 5 Abs. 4 (Anlage 1) des Arzneiliefervertrags Mecklenburg-Vorpommern für die Saison 2018/2019 (im Weiteren: AV MV)
über die Festsetzung eines Abrechnungsbetrags von 10,95 EUR inkl. MwSt. pro lmpfdosis für quadrivalenten Grippeimpfstoff zur Anwendung bei Erwachsenen außer Kraft zu setzen,
ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
Das Sozialgericht ist im Ergebnis zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend nicht im Betracht kommt, jedoch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht deshalb, weil der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet ist, sondern wegen des Fehlens eines Anordnungsanspruchs.
Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhaltes und der rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 19. April 2018 Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Der Rechtsweg für den Antrag der Antragstellerin zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet. Es handelt sich vorliegend nicht um einen Rechtsstreit, der nach § 51 Abs. 3 SGG, § 69 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit entzogen ist. Die vorliegend streitbefangenen Vereinbarungen sind – entgegen der Auffassung der Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 15. Mai 2018 – VK 2 – 30/18) - keine öffentliche Aufträge im Sinne dieser Regelungen.
§ 51 Abs. 3 SGG schließt die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit aus für Streitigkeiten nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen. Gem. § 69 Abs. 3 SGB V sind auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch die Vorschriften des Teils 4 des GWB anzuwenden.
Gem. § 103 Abs. 1 GWB in der ab 18. Februar 2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (BGBl. I S. 203-232) sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Rahmenvereinbarungen sind gem. § 105 Abs. 5 Satz 1 GWB Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis. Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten § 105 Abs. 5 Satz 2 GWB, soweit nichts anderes bestimmt ist, dieselben Vorschriften wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge.
Die vorliegend streitigen Vereinbarungen (BAV, AVB und AV MV) enthalten keine dementsprechenden Regelungen. Die von der Antragstellerin angefochtenen Vereinbarungen, welche die Antragsgegnerin zu 1) mit Wirkung auch für die Antragsgegnerinnen zu 2) – 8) als Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbände und mit den Antragsgegnern zu 9) – 11) als Apothekerverbänden in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern geschlossen haben, beinhalten als zentralen Punkt die Vereinbarung einer Vergütung für "vom Vertragsarzt im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnete Grippeimpfstoff mit Auswahlmöglichkeit für die Apotheke" (d.h. mit Angabe des Wirkstoffs und nicht der konkreten Bezeichnung eines Produkts) "von der AOK mit 9,20 EUR zuzüglich geltender Mehrwertsteuer" (Nr. 1 der insoweit wortgleichen Regelungen in BAV, AVB und AV MV). Voraussetzung für den vereinbarten Abrechnungspreis ist nach dem Wortlaut der angefochtenen Vereinbarungen, dass die entsprechenden vertragsärztlichen Verordnungen der Apotheke bis spätestens 12. März 2018 bzw. - nach den Mitteilungen der Antragsgegner – für Mecklenburg-Vorpommern bis zum 30. April 2018 vorliegen.
Die Antragstellerin sieht ihre Absatzchancen durch diese Vereinbarungen (BAV, AVB und AV MV) für ihr Produkt geschmälert, da ihr Grippeimpfstoff mit 12,54 EUR brutto (10er - Packung) bzw. 11,99 EUR brutto (20er - Packung) teurer ist als die zwischen den Antragsgegnern vereinbarte Vergütung (9,20 EUR zuzüglich geltender Mehrwertsteuer) und folglich der Apotheker im Zweifel davon absehen wird, ihren Impfstoff zu bestellen und stattdessen das preisgünstigere Konkurrenzprodukt der Firma F. GmbH (J. Tetra®, ebenfalls ein quadrivalenter Grippeimpfstoff) ordern wird.
Der Senat schließt sich der Auffassung der Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 15. Mai 2018 – VK 2 – 30/18) nicht an, es handele sich bei den zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 8) als gesetzlichen Krankenkassen(-verbänden) und den Apothekerverbänden – den Antragsgegnern zu 9) bis 11) – geschlossenen Vereinbarungen um Rahmenvereinbarungen im Sinne von § 103 Abs. 5 Satz 2 GWB, mit der Folge, dass diese nach denselben Grundsätzen wie ein öffentlicher Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 1 GWB zu behandeln seien und damit dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren unterliegen.
Die Vergabekammer des Bundes sieht in den vorliegend streitigen Vereinbarungen, in denen für die zukünftige Lieferung von quadrivalenten Grippeimpfstoffen ein Festpreis festgelegt wird, eine Rahmenvereinbarung im Sinn von § 103 Abs. 5 Satz 1 GWB, mit der die Preisbedingungen für nachfolgende öffentliche Aufträge im Sinn von § 103 Abs. 1 GWB festgelegt werden. Aus Sicht der Vergabekammer des Bundes ist der "öffentliche Auftrag" in der späteren Bestellung des quadrivalenten Grippeimpfstoffs zu sehen. Dies führt zu einem Beschaffungsvorgang durch die Apotheke bei den pharmazeutischen Herstellern bzw. Großhändler – wie der Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin zu 9), der G. GmbH (G.) -, aus dem wiederum ein Vergütungsanspruch der Apotheke gegenüber der Krankenkasse folgt. Dieser Beschaffungsvorgang wird aus Sicht der Vergabekammer des Bundes in einer den Vertragsparteien der vorliegend streitigen Vereinbarungen zuzurechnenden Weise dahingehend determiniert, dass ein öffentlicher Auftrag an die Herstellerfirma F. GmbH geht, die den Preis für ihr Produkt in Verhandlungen mit der Firma G. an die Vorgaben der Rahmenvereinbarung angepasst hat.
Zwischen dem pharmazeutischen Unternehmen F. GmbH, welches den quadrivalenten Grippeimpfstoff J. Tetra® am Markt anbietet, und den Antragsgegnern sind aber gerade keine Vereinbarungen über den Abgabepreis getroffen worden. Die Firma F. GmbH ist an den getroffenen Vereinbarungen überhaupt nicht beteiligt. Vielmehr überlassen die streitigen Vereinbarungen (BAV, AVB und AV MV) es vollständig den Apothekern, bei welchem pharmazeutischen Anbieter sie sich einem quadrivalenten Grippeimpfstoff besorgen. Der Apotheker ist dabei rechtlich keinen Beschränkungen unterworfen. Die Vereinbarungen bestimmen lediglich die Höhe der Vergütung (9,20 EUR zuzüglich geltender Mehrwertsteuer), die der Apotheker für die Beschaffung dieses Impfstoffs erhält. Sie wirkt damit zwar indirekt auf das Verhalten des Apothekers ein, weil sich dieser ökonomisch unsinnig verhält, wenn er einen entsprechenden Impfstoff eines Anbieters bestellt, dessen Preis höher als der vereinbarte Festbetrag ist. Dieser Effekt beruht jedoch nicht auf einer rechtlichen Beschränkung des Anbieterkreises auf den günstigsten Hersteller, der im Rahmen eines normalen Vergabeverfahrens den exklusiven Zuschlag erhält, sondern auf dem marktwirtschaftlichen Mechanismus, dass das teurere Produkt aufgrund des Festbetrags nicht nachgefragt wird. Der pharmazeutische Unternehmer muss, um sein Produkt verkaufen zu können, daher seinen Preis senken. Dieser Marktdruck auf den pharmazeutischen Hersteller kann jedoch allein nicht dazu führen, die Geltung des Vergaberechts anzuordnen und damit das Verfahren der Festbetragsvereinbarung in vollem Umfang den vergaberechtlichen Regelungen zu unterwerfen, obwohl tatsächlich kein Marktteilnehmer auf Seiten der pharmazeutischen Unternehmen von einer Marktteilnahme ausgeschlossen wird.
Der EuGH hat im Fall der sog. "open house" Verträge judiziert, dass es an einem öffentlichen Auftrag fehle, wenn eine öffentliche Einrichtung mit allen Wirtschaftsteilnehmern, die die betreffenden Waren zu den von ihr vorgegebenen Bedingungen anbieten wolle, bereit sei Lieferverträge abzuschließen. Die fehlende Auswahl eines Wirtschaftsteilnehmers, an den ein Auftrag mit Ausschließlichkeit vergeben wird, hat zur Folge, dass das Tätigwerden dieses öffentlichen Auftraggebers nicht den präzisen Regeln der Richtlinie 2004/18 unterworfen werden muss, um zu verhindern, dass er bei der Auftragsvergabe inländische Wirtschaftsteilnehmer bevorzugt. Aus Sicht des EuGH stellt die Auswahl eines Angebots und somit eines Auftragnehmers ein Element dar, welches mit dem durch die Richtlinie 2004/18 geschaffenen Rahmen für öffentliche Aufträge und folglich mit dem Begriff "öffentlicher Auftrag" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie untrennbar verbunden ist (EuGH, Urteil vom 2. Juni 2016, C-410/14, Celex-Nr. 62014CJ0410). Daran fehlt es jedoch vorliegend.
Diese Problematik hat die Vergabekammer des Bundes in seiner Entscheidung (Beschluss vom 15. Mai 2018 – VK 2 – 30/18) ebenfalls gesehen. Sie verweist selbst darauf, dass auf der Marktgegenseite der Krankenkassen vorliegend die Apotheken stehen, weil ausschließlich diese befugt sind, apothekenpflichtige Arzneimittel wie Impfstoffe abzugeben; folglich müsste auch der Vergabewettbewerb durch die Apotheken als Ausschreibungsadressaten erfolgen (dort S. 32). Gleichwohl bejaht die Vergabekammer des Bundes die Ausschreibungspflicht mit dem Hinweis darauf, dass die streitigen Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Apothekenverbänden sich nicht auf eine reine Preiserstattungsregelung beschränken, sondern die ebenfalls zwischen den Antragsgegnern geschlossenen wortgleichen § 2 Nr. 2 der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gem. § 11 Nr. 7 des Arzneimittelversorgungsvertrages Berlin, Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gem. Anlage 5 des Arzneilieferungsvertrags für das Land Brandenburg zur Preisvereinbarung über Grippeimpfstoffe im Sprechstundenbedarf für die Saison 2018/2019 und Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen gem. § 5 Abs. 4 (Anlage 1) des Arzneilieferungsvertrags Mecklenburg-Vorpommern für die Saison 2018/2019 eine Regelung enthalten, die darauf zielt, auf die Ärzte einzuwirken, eine wirkstoffbezogene Verordnung auszustellen. Danach reicht die Apotheke im Falle der Verordnung eines Grippeimpfstoffes mit Beschränkung der Auswahlmöglichkeit für den Apotheker, soweit kein Preis vereinbart ist, einen Kostenvoranschlag bei der AOK zur Genehmigung ein, nachdem der Apotheker zuvor durch Rücksprache mit dem Arzt geklärt hat, ob ausschließlich diese Verordnung gewünscht ist. Damit begründet die Vergabekammer des Bundes seine Auffassung, dass in den angefochtenen Vereinbarungen keine reine Preiserstattungsregelung zu sehen sei, sondern öffentliche Aufträge, weil eine indirekte Auswahlentscheidung getroffen werde (dort S. 35). Mit dem Ziel dieser Regelung, dass die Ärzte möglichst eine wirkstoffbezogene Verordnung ausstellen, werde es den Apothekern ermöglicht, den der Preisvereinbarung entsprechende quadrivalenten Grippeimpfstoff der Firma F. GmbH zu bestellen.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Ganz im Vordergrund der streitigen Vereinbarungen zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1) – 8) als gesetzliche Krankenkassen und den Antragsgegnern zu 9) – 11) als Apothekerverbände steht die Festlegung der Vergütung der Apotheken (9,20 EUR zuzüglich geltender Mehrwertsteuer) für Abgabe von vertragsärztlich verordneten quadrivalenten Grippeimpfstoffen mit Auswahlmöglichkeit für den Apotheker. Diese Regelung ist, worauf die Antragsgegner zu Recht hinweisen, produkt- und herstellerneutral. Eine "Lenkungswirkung" hin zu dem Impfstoff der Firma F. GmbH geht von den Vereinbarungen selbst nicht aus. Erst in dem dieser Vereinbarung nachfolgenden Bestellvorgang des Apothekers entscheidet er sich aus ökonomischen Gründen, den im Zeitpunkt seiner Bestellung preisgünstigsten Impfstoff zu bestellen. Eine Lenkungswirkung haben die streitigen Vereinbarungen daher, wie die Antragsgegner zu Recht betonen, nur insoweit, als sie den Zweck haben, produktneutrale Verordnungen (Wirkstoffverordnungen) zu fördern, weil nur unter der Voraussetzung einer produktneutralen Verordnung der Apotheker die Möglichkeit hat, den Impfstoff auszuwählen. Im Fall einer produktbezogenen Verordnung ist der Apotheker dagegen an die ärztliche Verordnung gebunden. In diesem Sinne ist auch die den Apothekern auferlegte weitere Pflicht zu verstehen, im Falle der Verordnung eines bestimmten Präparats bei dem verordnenden Arzt nachzufragen und ggf. die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen. Ziel dieser Pflicht ist es, eine möglichst hohe Zahl produktneutraler Verordnungen zu erhalten. Insoweit dient die Nachfrage beim Arzt dessen Information über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Beschaffung des als Sprechstundenbedarf verordneten Grippeimpfstoffs. Dies ist auch für den Arzt von Bedeutung, weil er – wie jeder Akteur im System der gesetzlichen Krankenversicherung – dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterworfen ist. Dem folgend ist es ihm untersagt, ohne medizinische Notwendigkeit das teurere Produkt zu verschreiben. Auch im Rahmen der Impfstoffverordnung kann ein Vertragsarzt einem Regress wegen unwirtschaftlichem Verhalten unterworfen sein (Bundessozialgericht, Urteil vom 21. März 2018 – B 6 KA 31/17 R –, juris). Schon vor diesem Hintergrund wird der Vertragsarzt – soweit nicht im Einzelfall eines Patienten konkrete medizinische Gründe für die Verwendung eines bestimmten Impfstoffs sprechen – in aller Regel den Weg der wirkstoffbezogenen Bestellung gehen und die Auswahl des konkreten Impfstoffs dem Apotheker überlassen. Bei der Bestellung von Impfstoffen für die nächste Impfsaison im Rahmen des sog. Sprechstundenbedarfs ist es ohnehin in aller Regel so, dass die Bestellung durch den Vertragsarzt wirkstoffbezogen erfolgt, weil es sich um die Bestellung einer größeren Menge Impfstoff für einen (im Zeitpunkt der Bestellung) noch ungewissen Patientenkreis handelt, medizinische Besonderheiten des einzelnen Patienten, die im Einzelfall die Verwendung eines bestimmten Impfstoffs bedingen, also zu diesem Zeitpunkt kaum eine Rolle spielen können. Insoweit sind die ergänzenden Regelungen der vorliegend streitigen Vereinbarungen bei der Verordnung eines konkreten Impfstoffs zum einen ohne wesentliche Bedeutung für das gesamte Regelungssystem der Vorbestellung von Grippeimpfstoffen und zum anderen im Zusammenhang mit den vertragsärztlichen Pflichten im Rahmen des Gesamtsystems der GKV zu sehen. Daher können die von der Vergabekammer des Bundes angeführten Aspekte nicht ausreichen, um ihre Zuständigkeit zu begründen. Vielmehr handelt es sich um einen sozialrechtlichen Streit um die Auslegung normvertraglicher Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Apothekerverbänden nach § 129 SGB V, für die die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.
Der Senat hat Zweifel, ob die Antragstellerin noch ein Rechtsschutzbedürfnis besitzt im Hinblick darauf, dass die streitigen Vereinbarungen nur für ärztliche Verordnungen Gültigkeit besitzen, die bis zum 12. März 2018 bzw. 30. April 2018 vorgelegen haben. Zwar spricht viel für die Argumentation der Antragsgegner, dass vor dem Hintergrund der konkreten Bestellfristen in den streitigen Vereinbarungen, die allesamt seit längerem abgelaufen sind, selbst im Fall der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit dieser Vereinbarungen nicht zu erwarten steht, dass noch in bedeutsamen Umfang Nachbestellungen des Impfstoffs der Antragstellerin durch die Apotheken erfolgen werden. Letztlich hängt dies aber von Umständen ab, die der Senat nicht sachkundig beurteilen kann.
Diese Zweifel können letztlich dahinstehen, da für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung es an einem Anordnungsanspruch fehlt.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, die zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1) – 8) als Krankenkassen(-verbänden) und den Antragsgegnern zu 9) – 11) als Apothekerverbänden geschlossenen BAV, AVB und AV MZ für die Impfsaison 2018/19 getroffene Regelung über die Erstattung eines Preises für "unwirksam" zu erklären.
Der Senat neigt zu der Auffassung, dass die Antragstellerin auf der Grundlage ihrer aus Art. 12 GG folgenden Berufsausübungsfreiheit als pharmazeutisches Unternehmen eines quadrivalenten Grippeimpfstoffs (H. Tetra®) ein subjektiv-öffentliches Recht hat, eine Preisvereinbarung, wie sie in den vorliegend angefochtenen Vereinbarungen getroffen worden ist, gerichtlich überprüfen zu lassen. Zwar werden dadurch lediglich Marktchancen der Antragstellerin berührt, weil die Festlegung des den Apotheken erstatteten Betrags die Antragstellerin mit ihrem Produkt nicht vom Markt ausschließt. Gleichwohl werden die streitigen Vereinbarungen im Ergebnis dazu führen, dass das höherpreisige Produkt der Antragstellerin im Vertragsgebiet nur in geringem Umfang nachgefragt werden wird. Nach der Rechtsprechung zur Festbetragsfestsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass mit der Neufestsetzung des Festbetrags ein pharmazeutischer Hersteller in eigenen aus Art. 3 Abs. 1 und 12 Grundgesetz (GG) beruhenden Rechten verletzt ist. Insoweit ist ein Recht des von den Auswirkungen von Festbetragsfestsetzungen betroffenen Unternehmers anzuerkennen, die Entscheidungen im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf gleiche Teilhabe an einem fairen Wettbewerb überprüfen zu lassen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2017 – L 1 KR 80/14 KL –, juris Rn. 53; BSG, Urteil vom 3. Mai 2018, B 3 KR 9/16 R – zitiert nach Terminsbericht Nr. 20/18 –). Ähnliche Überlegungen können mit Blick auf die vorliegend streitigen Preisvereinbarungen angestellt werden.
Von einer Verletzung des Rechts der Antragstellerin auf gleiche Teilhabe an einem fairen Wettbewerb kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Die getroffenen Vereinbarungen sind mit geltendem Recht vereinbar.
Die Apotheken haben im Bereich der Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln eine durch das Apotheken- und Arzneimittelrecht begründete Monopolstellung (Armbruster in Eichenhofer/Wenner, Gesetzliche Krankenversicherung, § 129 Rn. 5). Dieser Monopolstellung korrespondiert mit gesetzlich auferlegten Verhaltenspflichten im Rahmen der Sicherstellung einer wirtschaftlichen und preisgünstigen Versorgung mit Arzneimitteln (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 11/11 R -, juris Rn. 20). Diese Pflichten werden im Rahmen eines durch § 129 SGB V im Einzelnen ausgestalteten Vertragssystems zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den Apothekerverbänden festgelegt (Beck/Pitz in jurisPK-SGB V, Stand 03.04.2018, § 31 Rn. 13). Dabei erfasst § 129 SGB V auch die im sog. Sprechstundenbedarf abgegebenen Arzneimittel. Impfstoffe im Rahmen der Schutzimpfung nach § 20i SGB V werden häufig als Sprechstundenbedarf abgegeben. Für diese können gesonderte Vergütungsvereinbarungen geschlossen werden, deren rechtliche Grundlage § 129 Abs. 5 SGB V darstellt (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. März 2014 – L 4 KR 3593/13 ER B -, juris, Rn. 37 m.w.N.; Armbruster, a.a.O., Rn. 11; BT-Drucks. 17/3698, S. 56). Danach können die Krankenkassen und ihre Verbände mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene "ergänzende Verträge" schließen. Ergänzende Verträge sind solche, die an den nach § 129 Abs. 2 SGB V geschlossenen Rahmenvertrag zwischen dem Spitzenverband Bund der Gesetzlichen Krankenkassen und den Spitzenorganisationen der Apotheker anknüpfen, der als öffentlich-rechtlicher Normvertrag zu qualifizieren ist (Volkwein in Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl. 2017, § 129 SGB V Rn. 12; Axer in Becker/Kingreen, 5. Aufl. 2016, SGB V, § 129 Rn. 28) und die für die Apotheken durch Mitgliedschaft in einem abschließenden Verband oder durch Beitritt verbindlich werden (§ 129 Abs. 3 SGB V). Der Gesetzgeber hat den Vertragsparteien hier eine weitreichende Regelungskompetenz eingeräumt (Axer, a.a.O., Rn. 30), welche ergänzend die nach § 129 Abs. 5 SGB V abzuschließenden Arzneilieferungs- bzw. Arzneiversorgungsverträge umfasst. Solche Verträge dienen der Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots der §§ 12, 70 Abs. 1 SGB V, um im besonders kostenintensiven Bereich der Arzneimittel eine preisgünstige Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen. Für den Bereich der Arzneimittel wird das Wirtschaftlichkeitsgebot durch § 129 SGB V dabei sogar besonders betont, denn die Vorschrift enthält vielfältige Regelungen, die eine Kostenreduktion bei den Arzneimittelausgaben sicherstellen sollen, so die Pflicht der Apotheker zur Abgabe preisgünstiger Arzneimittel bei wirkstoffbezogenen Verordnungen (§ 129 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), die Pflicht zur Abgabe preisgünstiger importierter Arzneimittel (§ 129 Abs. 1 Nr. 2) und die Pflicht zur Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen (§ 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers gehören zu solchen Vereinbarungen auch solche über die Vergütungen für die Abgabe der Impfstoffe durch die Apotheken an die Arztpraxen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung, BT-Drs. 17/3698, S. 56). Von der Zulässigkeit derartiger Preisvereinbarungen gehen auch Literatur und Rechtsprechung – soweit ersichtlich – ganz selbstverständlich aus (z. B. Schneider in juris-PK-SGB V Stand 3. Januar 2017, § 129 Rn. 7 und Rn. 18; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2018 – L 1 KR 365/16 -, juris Rn. 32 im Hinblick auf eine Preisregelung eines auf Landesebene geschlossenen Arzneilieferungsvertrag; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Januar 2018 – L 11 KA 82/16 B ER -, juris Rn. 43 im Hinblick auf eine landesvertragliche Preisvereinbarung; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2017 – L 1 KR 4746/15 - Rn. 44 zu einem Vergütungsanspruch eines Apothekers bei produktneutraler Verschreibung von Impfstoffen im Wege des Sprechstundenbedarfs, Revision anhängig beim Bundessozialgericht – B 3 KR 5/17 R)
Angesichts dessen ist kein Grund ersichtlich, der vorliegend den Antragsgegnern verbieten könnte, mit den streitigen Vereinbarungen (BAV, AVB und AV MN) einen festen Abgabepreis zu vereinbaren. Die Möglichkeit des Abschlusses ergänzender Verträge nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V und nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V dient der Verwirklichung des von § 12 Abs. 1 SGB V für das gesamte krankenversicherungsrechtliche Leistungs- und Leistungserbringerrecht vorgegebenen Wirtschaftlichkeitsgebots (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. November 2015 - B 3 KR 16/15 R -, juris Rn. 23 f.).
Die Festsetzung von Festbeträgen darf allerdings nicht dazu führen, dass die von dem Festbetrag betroffene Leistung zu diesem Preis nicht erhältlich ist (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 1 BvL 28/95; 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - juris-Rdnr. 138 -141; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2017 – L 1 KR 80/14 KL –, Rn. 67, juris). Vorliegend gibt es mit der Firma F. GmbH jedoch zumindest einen Anbieter, der den quadrivalenten Grippeimpfstoff zu einem Preis anbietet, der unter dem vereinbarten Festbetrag liegt.
Die Antragstellerin kann auch nicht mit ihrem Vorbringen gehört werde, das Verhalten der Antragsgegner sei ein Verstoß gegen das vom Gesetzgeber mit der Abschaffung der Selektivverträge nach § 132e Abs. 2 SGB V a.F. beabsichtigte Verbot der Vergabe an nur einen Hersteller. Die zugrunde liegende Vorstellung, durch die streitigen Vereinbarungen werde – im Sinne eines Selektivvertrags - der Anbieterkreis auf einen Hersteller beschränkt, trifft nicht zu. Die Antragsgegner weisen zu Recht darauf hin, dass es der Antragstellerin freisteht, ihr eigenes Produkt (H. Tetra®) mit dem der Firma F. GmbH J. Tetra® durch entsprechende Preisgestaltung konkurrenzfähig zu machen, das heißt durch Senkung des Preises. Die Antragstellerin kann demgegenüber nicht verlangen, dass die gesetzlichen Krankenkassen – wie die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 8) - auf einen Preiswettbewerb verzichten und bedingungslos den von den Herstellern einseitig festgesetzten Listenpreis zahlen. Eine solche rechtliche Position wird ihr durch keine Norm des SGB V eingeräumt.
Bei dieser Sachlage erübrigt sich die Prüfung eines Anordnungsgrundes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der von den Beteiligten nicht angegriffenen Festsetzung des Sozialgerichts.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved