S 14 R 932/15

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 14 R 932/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die 1990 geborene Klägerin wendet sich im vorliegenden Fall gegen die nachträgliche vollständige Aufhebung des Rentenbescheides der Beklagten vom 8. Oktober 2012 über die Gewährung einer Halbwaisenrente an die Klägerin gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) ab dem 1. Februar 2014 sowie eine Rückforderung der Beklagten nach § 50 Abs. 1 SGB X wegen der zu Unrecht an die Klägerin für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 30. September 2014 gezahlten Halbwaisenrente in Höhe von insgesamt 1.079,66 EUR.

Die Klägerin beantragte am 6. August 2012 bei der Beklagten eine Hinterbliebenenrente in der Form einer Halbwaisenrente (§ 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VI [SGB VI]) nach ihrem verstorbenen Vater und Versicherten der Beklagten Herrn R. S ... Die Klägerin führte in ihrem Antrag aus, dass die Klägerin vom 1. August 2012 bis zum 21. Januar 2014 eine Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel absolviere.

Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 8. Oktober 2012 eine Halbwaisenrente (§ 48 Abs. 1 SGB VI) nach dem Versicherten der Beklagten Herrn R. S ... Dabei wies die Beklagte in dem Rentenbescheid vom 8. Oktober 2012 auf die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Halbwaisenrente hin und wies die Klägerin weiter ausdrücklich darauf hin, dass der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die Gewährung einer Halbwaisenrente von Gesetzes wegen mit dem Ende der Berufsausbildung der Klägerin entfällt.

Der Arbeitgeber der Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 9. September 2014 mit, dass sich die Klägerin nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel seit dem 22. Januar 2014 in einer Fortbildung zur Han-delsassistentin befinde. Die Klägerin bezog nach dieser Auskunft ihres Arbeitgebers ab dem 1. Februar 2014 ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.117,00 EUR und ab dem 1. August 2014 ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.236,00 EUR.

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Anhörungsschreiben vom 12. September 2014 dazu an, dass die Beklagte beabsichtigte, den Bescheid über die Gewährung der Halbwaisenrente an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 nach § 48 Abs. 1 SGB X für die Vergangenheit und die Zukunft ab dem 1. Februar 2014 nachträglich vollständig aufzuheben, da sich die Klägerin ab dem 1. Februar 2014 nicht mehr in einer Berufsausbildung befunden habe. Da die Klägerin ihre Halbwaisenrente in der Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 30. September 2014 zu Unrecht bekommen habe, sei die Klägerin nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.079,66 EUR an die Beklagte zurückzuzahlen.

Die Beklagte nahm den Rentenbescheid über die Halbwaisenrente der Klägerin vom 8. Oktober 2012 mit Aufhebungsbescheid vom 20. Oktober 2014 und mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2015 nach § 48 Abs. 1 SGB X mit Wirkung ab dem 1. Februar 2014 vollständig zurück und verlangte von der Klägerin nach § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X die Rückzahlung von 1.079,66 EUR wegen der in der Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 30. September 2014 an die Klägerin zu Unrecht gezahlten Halbwaisenrente.

Die Beklagte führte zur Begründung aus, dass sie gemäß § 48 Abs. 1 SGB X verpflichtet gewesen sei, den Rentenbescheid über die Halbwaisenrente der Klägerin ab dem 1. Februar 2014 nachträglich vollständig aufzuheben. Die Klägerin habe sich ab dem 1. Februar 2014 nicht mehr in einer Berufsausbildung befunden, da die Klägerin nach der Auskunft ihres Arbeitgebers ab dem 1. Februar 2014 monatliches Arbeitsentgelt in bedarfsdeckender Höhe tatsächlich bezogen habe. Somit habe die Klägerin nach den gesetzlichen Vorschriften ab dem 1. Februar 2014 keinen Anspruch mehr auf die Ge-währung einer Halbwaisenrente im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB VI gehabt. Daraus ergebe sich nach § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 30. September 2014 eine Rückforderung der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von insgesamt 1.079,66 EUR wegen der in dieser Zeit an die Klägerin zu Unrecht gezahlten Halbwaisenrente.

Die Klägerin hat am 7. April 2015 Klage beim Sozialgericht Altenburg erhoben.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Gewährung der Halbwaisenrente an die Klägerin nach § 48 Abs. 1 SGB X ab dem 1. Februar 2014 nachträglich vollständig aufzuheben. Die Klägerin habe sich ab dem 1. Februar 2014 weiter in einer Berufsausbildung befunden, sodass die Klägerin ab dem 1. Februar 2014 gegen die Beklagte weiter einen Anspruch auf die Gewährung einer Halbwaisenrente gehabt habe. Zur weiteren Begründung wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Klageverfahren verwiesen.

Die Klägerin beantragt;

den Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 5. März 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt;

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie berechtigt gewesen sei, die Gewährung der Halbwaisenrente an die Klägerin nachträglich gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ab dem 1. Februar 2014 vollständig aufzuheben. Auch die Rückforderung der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von insgesamt 1.079,66 EUR wegen der in der Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 30. September 2014 an die Klägerin zu Unrecht gezahlten Halbwaisenrente bestehe nach § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X zu Recht. Im Übrigen verweist die Beklagte zur weiteren Begründung auf ihre im Verwaltungsverfahren erlassenen Bescheide.

Der Arbeitgeber der Klägerin hat gegenüber dem Gericht mit Schreiben vom 25. April 2016 erklärt, dass die Klägerin ab dem Monat Februar 2014 eine Fortbildungsvergütung in Höhe von monatlich 2.117,00 Brutto und ab dem Monat August 2014 ein tarifliches Entgelt in Höhe von monatlich 2.236,00 EUR Brutto erhalten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2017, die Gerichtsakte S 14 R 932/15 und die Verwaltungsakte der Beklagten, die beide Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2014 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides der Beklagten vom 5. März 2015 ist nicht rechtswidrig und ver-letzt die Klägerin nicht in ihren eigenen Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beklagte war von Gesetzes wegen berechtigt, die Gewährung der Halbwaisenrente an die Klägerin im Sinne von § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) nach dem verstorbenen Vater der Klägerin und Versicherten der Beklagten Herrn R. S. nachträglich gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) ab dem 1. Februar 2014 vollständig aufzuheben. Die Beklagte ist weiter berechtigt, von der Klägerin nach § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X die Rückzahlung von 1.079,66 EUR wegen der in der Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 30. September 2014 an die Klägerin zu Unrecht gezahlten Halbwaisenrente zu verlangen.

Voraussetzung für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 SGB X ist, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt kann dann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zukunft und nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 SGB X für die Vergangenheit ab Änderung der Verhältnisse (hier dem 1. Februar 2014) aufgehoben werden.

Der Rentenbescheid der Beklagten über die Gewährung einer Halbwaisenrente im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB VI an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 war unstreitig ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

Dieser Rentenbescheid der Beklagten über die Gewährung der Halbwaisenrente an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 ist ab dem 1. Februar 2014 im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X nachträglich rechtswidrig geworden, da sich die Klägerin ab dem 1. Februar 2014 nicht mehr in einer Berufsausbildung befunden hat, die die Klägerin nach dem Willen des Gesetzgebers zum Bezug einer Halbwaisenrente im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB VI berechtigt hätte.

Nach der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB VI besteht ein Anspruch auf die Gewährung einer Halb- oder Vollwaisenrente (§ 48 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI) längstens

1. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder

2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise sich

a) in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet

b) sich in einer Übergangszeit von höchstens 4 Kalendermonaten befindet, die zwischen 2 Ausbildungsabschnitten oder einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines Freiwilligendienstes im Sinne des Buchstaben c) liegt, oder

c) ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstgesetzes leistet oder

d) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten.

Ein Anspruch auf die Gewährung einer Halbwaisenrente besteht von Gesetzes wegen nur solange, wie sich die Halbwaise (hier die Klägerin) in einer Berufsausbildung be-findet (§ 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) SGB VI).

Die Waisen- oder Halbwaisenrente soll nach dem Willen des Gesetzgebers den durch den Tod des Versicherten entfallenden zivilrechtlichen (familienrechtlichen) Unterhalt ersetzen (Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand 22. August 2016, § 48 SGB VI Rn. 18). Aus diesem Normzweck folgt nach dem Willen des Gesetzbegebers, dass ein Waisenrentenanspruch dann entfällt, wenn sich die Waise selbst unterhalten kann, denn dann hätte die Waise auch gegen den toten Versicherten keinen zivilrechtlichen (familienrechtlichen) Unterhaltsanspruch mehr gehabt.

Berufsausbildung ist die einem zukünftigen, gegen Entgelt auszuübenden Beruf dienende Ausbildung. Es müssen für den gewählten Beruf notwendige, nicht nur nützliche und wünschenswerte Kenntnisse durch eine anerkannte qualifizierte Ausbildungsinstitution oder Ausbildungsperson in einem geordneten Verfahren vermittelt werden (Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand 22. August 2016, § 48 SGB VI Rn. 68).

Berufsausbildung im Sinne von § 48 SGB VI liegt auch bei einer an eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung anschließenden Ausbildung für eine nächsthöhere Stufe im Beruf oder zum Erwerb weiterer Qualifikationen vor, die für eine berufliche Stellung vorausgesetzt werden. In diesen Fällen ist aber genau zu prüfen, ob tatsächlich noch die Ausbildung oder aber vielmehr die Verwertung der eigenen Arbeitskraft im Vordergrund steht. Die tatsächlich erzielten Einkünfte können dabei ein Indiz für die Beurteilung sein (Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand 22. August 2016, § 48 SGB VI Rn. 69).

Da die Waisenrente nach dem Willen des Gesetzgebers den gesetzlichen zivilrechtlichen (familienrechtlichen) Unterhaltsanspruch gegen den verstorbenen Versicherten ausgleichen soll, solange die Waise unter anderem aus Ausbildungsgründen daran gehindert ist, sich ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren, ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht jede Art von Aus-, Fort- und Weiterbildung eine "Berufsausbildung" im Sinne des § 48 SGB VI.

Die Zahlung einer Waisen- bzw. Halbwaisenrente soll nach dem Willen des Gesetzgebers monatlich anteilig den Ausfall eines - typisierend unterstellten - gesetzlichen zivilrechtlichen (familienrechtlichen) Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten (§§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) ausgleichen, solange das Kind unter anderem aus Ausbildungsgründen daran gehindert ist, sich seinen Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren (Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 18. Juni 2003, Az.: B 4 RA 37/02 R; zitiert nach juris).

Hiervon ist stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auszugehen, danach nur in den Monaten, in denen ein gesetzlich anerkannter Erwerbshinderungsgrund vorliegt (Urteil des BSG vom 18. Juni 2003, Az.: B 4 RA 37/02 R; a. a. O.).

Vor diesem Hintergrund wird der enge Zusammenhang zwischen gesetzlichem Erwerbshinderungsgrund und dem Zweck dieser Rentengewährung deutlich; die Waisenrente soll den durch den Tod des Elternteils "weggefallenen" zivilrechtlichen (familienrechtlichen) Unterhaltsanspruch ersetzen. Der gesetzliche Erwerbshinderungsgrund der Berufsausbildung entfällt, wenn in der Ausbildung die notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt worden sind, sodass die Waise nach deren Abschluss ohne weitere Zusatz- oder Ergänzungsausbildung den gewählten Beruf ausüben kann (Urteil des BSG vom 18. Juni 2003, Az.: B 4 RA 37/02 R; a. a. O.).

Eine Berufsausbildung ist daher immer dann beendet, wenn der erste auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Abschluss erreicht ist (Urteil des BSG vom 18. Juni 2003, Az.: B 4 RA 37/02 R; a. a. O.). In einem solchen Fall besteht grundsätzlich auch kein zivilrechtlicher (familienrechtlicher) Unterhaltsanspruch mehr, ohne dass hier im Einzelnen auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit des volljährigen Kindes nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung einzugehen ist (Urteil des BSG vom 18. Juni 2003, Az.: B 4 RA 37/02 R; a. a. O.).

Wäre aber zivilrechtlich (familienrechtlich) kein Unterhalt mehr von dem verstorbenen Elternteil zu leisten, besteht auch kein Anlass, einen nicht bestehenden zivilrechtlichen (familienrechtlichen) Unterhaltsanspruch durch Zahlung einer Waisenrente zu "kompensieren" (Urteil des BSG vom 18. Juni 2003, Az.: B 4 RA 37/02 R; a. a. O.).

Da die Klägerin vor der ab dem 22. Januar 2014 begonnenen Fortbildung zur Handelsassistentin bereits eine Berufsausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel erfolgreich abgeschlossen hat, hat die Klägerin im Januar 2014 einen auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren beruflichen Abschluss erreicht, sodass nach der oben genannten Rechtsprechung des BSG schon aus diesem Grund ab dem 1. Februar 2014 kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die Gewährung einer Halbwaisenrente im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB VI mehr bestanden hat.

Da die Klägerin während ihrer "Berufsausbildung" ab dem Februar 2014 nach der vorliegenden Bescheinigung ihres Arbeitgebers ein solch hohes Einkommen tatsächlich erzielt hat, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus ihren eigenen Einkünften selbst sicherstellen konnte und gegen den verstorbenen Vater und Versicherten der Beklagten Herrn R. S. daher keinen zivilrechtlichen (familienrechtlichen) Unterhaltsanspruch mehr gehabt hätte, folgt ebenfalls aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB VI, dass die Klägerin während ihrer "Berufsausbildung" ab dem 1. Februar 2014 keinen Anspruch mehr gegen die Beklagte auf die Gewährung einer Halbwaisenrente nach § 48 Abs. 1 SGB VI gehabt hat.

Somit hatte die Klägerin gegen die Beklagte ab dem 1. Februar 2014 keinen Anspruch mehr auf die Gewährung einer Halbwaisenrente im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB VI, sodass der Rentenbescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2012 hinsichtlich der Gewährung einer Halbwaisenrente an die Klägerin ab dem 1. Februar 2014 im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X vollständig rechtswidrig geworden bzw. gewesen ist.

Die Beklagte war daher berechtigt, den Rentenbescheid über die Gewährung der Halbwaisenrente (§ 48 Abs. 1 SGB VI) an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X für die Vergangenheit und die Zukunft ab dem 1. Februar 2014 nachträglich vollständig aufzuheben.

Die Beklagte verlangt weiterhin zu Recht nach § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X von der Klägerin die Rückzahlung von insgesamt 1.079,66 EUR auf Grund der für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 30. September 2014 an die Klägerin zu Unrecht gezahlten Halbwaisenrente. Ein Rechenfehler der Beklagten lässt sich nach sorgfältiger Durchsicht der Verwaltungsakte der Beklagten nicht erkennen.

Die Klägerin hat nach den vorliegenden Unterlagen die nachträglich eingetretene Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides der Beklagten über die Gewährung der Halbwaisenrente (§ 48 Abs. 1 SGB VI) an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X zumindest grob fahrlässig nicht erkannt, sodass die Beklagte berechtigt gewesen ist, den Rentenbescheid der Beklagten über die Gewährung der Halbwaisenrente an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 für die Vergangenheit ab dem 1. Februar 2014 nachträglich vollständig aufzuheben.

Grobe Fahrlässigkeit ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X gegeben, wenn der Begünstigte (hier die Klägerin) die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nach der Rechtsprechung des BSG (statt vieler: Ur-teil des BSG vom 27. Januar 2009, Az.: B7/7a AL 30/07 R m. w. N., zitiert nach juris) kommt es für die Frage der groben Fahrlässigkeit auf die persönliche Urteils- und Kri-tikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Leistungsempfängers sowie auf die besonderen Umstände des Falles an (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff).

Die Beklagte hat in ihrem Rentenbescheid über die Gewährung der Halbwaisenrente im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB VI an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Halbwaisenrente ausführlich dargestellt und ausdrücklich ausgeführt, dass der Anspruch auf die Gewährung einer Halbwaisenrente von Gesetzes wegen mit dem Ende der Berufsausbildung beendet ist. Die Klägerin konnte somit beim einfachen Durchlesen des Rentenbescheides der Beklagten über die Gewährung der Halbwaisenrente (§ 48 Abs. 1 SGB VI) an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 erkennen, dass der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die Gewährung einer Halbwaisenrente wegen der Beendigung der Berufsausbildung zum 1. Februar 2014 beendet gewesen ist.

Die Beklagte war gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auch nicht verpflichtet, Ermessen hinsichtlich der Rückforderung der 1.079,66 EUR auszuüben. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X schreibt vor, dass der Verwaltungsakt für die Vergangenheit ab Änderung der Verhältnisse ohne Ermessensausübung aufgehoben werden soll, wenn eine tatsächliche Einkommenserzielung, wie im vorliegenden Fall der tatsächliche Bezug von Ar-beitsentgelt, zum vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs geführt hat. Die Klägerin ist nach ihrem Einkommen auch in der Lage, die Rückzahlungsforderung der Beklagten, gegebenenfalls in monatlichen Raten zu erfüllen, ohne hilfebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuchs XII (SGB XII) zu werden.

Die Beklagte hat auch die Jahresfrist für die Rücknahme des Verwaltungsaktes in der Vergangenheit des § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die für den Beginn der Jahresfrist maßgebliche Kenntnis der Behörde voraus, dass der zuständige Leistungsträger sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig kennt. Dies verlangt jedenfalls sowohl eine Kenntnis des rechtserheblichen äußeren Sachverhaltes sowie auch die Kenntnis der so genannten inneren Tatsachen, sofern diese ebenfalls zu den normierten Tatbestandsvoraussetzungen gehören (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg [LSG Baden-Württemberg] vom 6. Mai 2014, Az.: L 13 R 481/13, zitiert nach juris). Maßgeblich für den Beginn der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X für die Rücknahme für die Vergangenheit ist daher das Datum des Anhörungsschreibens gemäß § 24 Abs. 1 SGB X (Urteile des BSG vom 6. März 1997, Az.: 7 RAr 40/96 und vom 31. Januar 2008, Az.: B 13 R 23/07 R und des LSG Baden-Württemberg vom 6. Mai 2014, Az.: L 13 R 481/13; alle zitiert nach juris). Das Anhörungsschreiben der Beklagten nach § 24 Abs. 1 SGB X datiert vom 12. September 2014. Die Beklagte hat daher mit dem Aufhebungsbescheid vom 20. Oktober 2014 die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X für die Aufhebung des Rentenbescheides der Beklagten über die Gewährung der Halbwaisenrente (§ 48 Abs. 1 SGB VI) an die Klägerin vom 8. Oktober 2012 in der Vergangenheit ab dem 1. Februar 2014 in jedem Fall eingehalten.

Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.

Die Berufung gegen dieses Urteil ist von Gesetzes wegen gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ohne besonderen Beschluss der Kammer zulässig, da der notwendige Beschwerdewert von 750 EUR überschritten wird.
Rechtskraft
Aus
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