L 10 U 2893/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 3271/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2893/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird eine Klage auf Feststellung von Unfallfolgen rechtskräftig abgewiesen, steht diese Rechtskraft einem Anspruch auf Rücknahme des früheren, bestandskräftigen, Unfallfolgen verneinenden Bescheides nach § 44 SGB X entgegen. Denn es steht auf Grund der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung fest, dass Unfallfolgen nicht vorliegen, der frühere Bescheid also rechtmäßig ist.
2. Die Beteiligten sind an die Auslegung eines Bescheides durch das Gericht in dem ersten Klageverfahren gegen diesen Bescheid gebunden.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 18.07.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Feststellung von Rückenbeschwerden als Folge seines Arbeitsunfalls vom 16.08.2000.

Der am 1981 geborene Kläger war nebenberuflich bei der Firma C. -Team als Reinigungskraft tätig. Am 16.08.2000 rutschte er bei der Deckenreinigung von einem Gerüst ab und fiel auf den Rücken (Unfallschilderung des Klägers, S. 158 der Verwaltungsakten - VA -).

Mit Bescheid vom 20.12.2001 lehnte die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, weil sie nicht zuständig sei (S. 399 VA). Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Gesundheitsstörung als Folge eines unterstellten Unfalls vom 16.08.2000 liege nicht vor (S. 406 VA).

In dem dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG, S 8 U 912/02) geführten Rechtsstreit machte der damals anwaltlich vertretene Kläger insbesondere die Schmerzen im Lendenwirbelbereich als Unfallfolge geltend und beantragte zuletzt die gerichtliche Feststellung eines Wirbelgleitens im Bereich der Wirbelkörper L5/S1 als Folge des Arbeitsunfalls vom 16.08.2000. Der Orthopäde Dr. B. erstattete ein Gutachten auf Grund einer Untersuchung vom 21.01.2003, in dem er im Bereich der Lendenwirbelsäule (LSW) eine Spondylolisthese Grad I nach Meyerding bei beiderseitiger Spondylolyse L5 ohne weitere Instabilitätshinweise und einen rechts lateralen Bandscheibenvorfall LWK 5/SWK 1 ohne Hinweise auf L5-Nervenwurzelreize diagnostizierte. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Beschwerden des Klägers und dem Sturz am 16.08.2000 verneinte er. Hierauf wies das SG die Klage mit Urteil vom 27.08.2004 ab. Die dagegen gerichtete Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg, mit der der Kläger die Feststellung seiner als Dauerschmerz im unteren LWS-Bereich beschriebenen Wirbelsäulenbeschwerden als Folge des Arbeitsunfalls weiterverfolgte, war erfolglos (Beschluss vom 31.05.2005, L 10 U 4812/04). Der Senat legte den Bescheid vom 20.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2002 als Ablehnung der Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden als Folge eines Arbeitsunfalls am 16.08.2000 aus und sah das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach Einvernahme eines Zeugen als erwiesen an. Das Wirbelgleiten und auch die sonstigen Gesundheitsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule seien jedoch nicht auf dieses Unfallgeschehen zurückzuführen. Die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) wurde als unzulässig verworfen (Beschluss vom 12.09.2005, B 2 U 199/05 B). Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Entscheidung vom 19.09.2006, Az. 33583/04) wurde als unzulässig zurückgewiesen (S. 600 VA).

Ein im Jahre 2006 gestellter Antrag auf Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide, mit dem der Kläger die Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als Folge des Arbeitsunfalls vom 16.08.2000 durch die Beklagte verfolgte, hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 12.03.2007, S. 29 VA, Widerspruchsbescheid vom 07.09.2007, S. 49 VA, Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.08.2008, S 2 U 3480/07, Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.03.2010, L 8 U 4636/08, Beschluss des BSG vom 25.08.2010, B 2 U 130/10 B).

Im Mai 2014 stellte der Kläger einen "Neufeststellungsantrag" (S. 364 VA), mit dem er den Wunsch formulierte, dass die Spondylolisthesis posttraumatisch nach dem Arbeitsunfall nachgewiesen werde (S. 616 VA). Dazu legte er ärztliche Unterlagen vor, u.a. die Stellungnahme des Dr. B. von 2008 zu seiner Verwendungsfähigkeit in der Bundeswehr (S. 628 VA).

Mit Bescheid vom 20.01.2015 (S. 650 VA) lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 20.12.2001 ab. Richtig sei, dass das Landessozialgericht festgestellt habe, dass der Sturz und damit auch der Arbeitsunfall als vorliegend anzunehmen seien. Das Wirbelgleiten und die sonstigen Gesundheitsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule seien jedoch nicht Folge dieses Versicherungsfalls. Auch das habe bereits das Landessozialgericht festgestellt. Der dagegen gerichtete Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 16.10.2015, S. 723 VA).

Dagegen hat der Kläger am 27.10.2015 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, das im ersten sozialgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Dr. B. vom 21.01.2003 sei falsch. Dr. B. habe es im Jahr 2008 in seiner Stellungnahme zur seiner Verwendung in der Bundeswehr für möglich gehalten, dass ein Wirbelgleiten bei einem Sturz aus 5 m Höhe verursacht werde.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es ergäben sich keine Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit des Gutachtens des Dr. B. von 2003 sprächen.

Gegen den ihm am 19.07.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.08.2016 Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, das Gutachten des Dr. B. aus dem Jahr 2003 sei fehlerhaft.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 18.07.2016 und den Bescheid vom 20.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2015 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 20.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2002 zurückzunehmen und die Beschwerdesymptomatik im Bereich der LWS als Folge eines am 16.08.2000 erlittenen Arbeitsunfalls anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die beigezogenen Akten aus den Verfahren S 8 U 912/02, S 2 U 3480/07, L 10 U 4812/04 und L 8 U 4636/08 sowie die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Es steht rechtskräftig fest, dass die Beschwerden des Klägers im Bereich der LWS keine Unfallfolgen sind.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 20.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2015, mit dem die Beklagte den vom Kläger sinngemäß gestellten Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 20.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2002 mit dem Ziel der Anerkennung von Unfallfolgen im Bereich der LWS ablehnte.

Mit der erhobenen Anfechtungsklage begehrt der Kläger zulässigerweise die Aufhebung der den Antrag auf Rücknahme ablehnenden Bescheide, mit der Verpflichtungsklage begehrt er die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 20.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2002 und - mit einer weiteren Verpflichtungsklage in Anknüpfung an das Rücknahmebegehren - zur Anerkennung von Unfallfolgen, nämlich seiner Beschwerden im Bereich der LWS. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung von Unfallfolgen als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage).

Es bedarf keiner weiteren Erörterung der Frage, welchen Regelungsinhalt der Bescheid vom 20.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2002 hatte. Hierzu entschied der Senat in seinem die Abweisung der Anfechtungsklage bestätigenden Beschluss vom 31.05.2005 (L 10 U 4812/04), dass die Beklagte mit diesen Bescheiden (auch) entschied, dass die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers nicht Folgen des Arbeitsunfalles vom 16.08.2000 sind (Umdruck Seite 6 unten). Diese Auslegung der Bescheide bindet die Beteiligten (BVerwG, Urteil vom 07.08.2008, 7 C 7/08, u.a. in juris) und ist daher auch für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebend (BVerwG, a.a.O.).

Die Beklagte lehnte in Bezug auf die Anerkennung von Unfallfolgen zu Recht die Rücknahme des Bescheides vom 20.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2002 ab. Denn diese Bescheide sind in Bezug auf die hier allein in Rede stehende Ablehnung von Unfallfolgen nicht rechtswidrig.

Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf Rücknahme des Bescheides vom 20.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2002 ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach Abs. 1 Satz 1 der Regelung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Im Übrigen - so Abs. 2 Satz 1 - ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 2 Satz 2), wobei eine solche Entscheidung im Ermessen der Verwaltung steht. Diese Bestimmungen ermöglichen eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.

Im vorliegenden Fall findet § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X Anwendung (Urteil des Senats vom 17.12.2015, L 10 U 1502/14). Zwar wendet sich der Kläger bezüglich des Bescheids vom 20.12.2001 nur gegen die Ablehnung der Anerkennung von Unfallfolgen, sodass es nicht darum geht, ob unmittelbar "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind", wie dies § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt. Für die Anwendung dieser Regelung spricht jedoch, dass es bei der Anerkennung von Unfallfolgen letztendlich in der Regel doch (mittelbar) um Leistungsansprüche völlig unterschiedlichen Inhalts (vgl. §§ 26 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -) geht. Dabei ist im Anwendungsbereich des Abs. 1 eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 insoweit, was die Vergangenheit anbelangt, ein Ermessensspielraum zusteht. Dadurch würde der die Anerkennung von Unfallfolgen begehrende potentielle Leistungsempfänger - was die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides für die Vergangenheit anbelangt - schlechter gestellt, als wenn es unmittelbar um konkrete Leistungsansprüche ginge. Ein Grund für diese unterschiedliche Behandlung von schlussendlich doch sozialleistungsbezogenen Überprüfungsverfahren ist nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind jedoch nicht erfüllt. Denn im nach der gesetzlichen Regelung allein maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses des zur Überprüfung anstehenden Bescheides - hier also des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2002, der nach der verbindlichen Auslegung im Beschluss des Senats vom 31.05.2005 die für die Entscheidung über Unfallfolgen maßgebende Ausgestaltung gab - lagen keine Unfallfolgen im hier - nach der Konkretisierung des klägerischen Begehrens in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2018 - streitigen Bereich der LWS vor. Dies ergibt sich aus der Rechtskraft des Beschlusses des Senats vom 31.05.2005. Zwischen den Beteiligten steht dadurch rechtskräftig fest, dass die Beschwerden des Klägers im Bereich der LWS nicht Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.08.2000 sind.

Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Schlussfolgerungen des Dr. B. in seinem Gutachten von 2003 insoweit sachlich richtig sind, kommt es deshalb nicht an. Denn dasselbe Ziel - Feststellung, dass die Beschwerdesymptomatik in der LWS Folge des Arbeitsunfalls vom 16.08.2000 ist - verfolgte der Kläger bereits im früheren Berufungsverfahren L 10 U 4812/04 mit der Feststellungsklage.

Zwar beantragte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht die Feststellung seines Wirbelgleitens als Unfallfolge und diesen Antrag legte der Senat auch im Beschluss vom 31.05.2005 zu Grunde. Indessen war mit diesem Antrag gerade die durch das Wirbelgleiten verursachte Beschwerdesymptomatik erfasst. Der Kläger machte im damaligen Klageverfahren S 8 U 912/02 ausdrücklich die Schmerzen im Lendenwirbelbereich als Unfallfolge geltend (vgl. S. 2 Klagebegründung vom 25.09.2002 = Bl. 18 der SG-Akte S 8 U 912/02) und er konkretisierte sein Begehren - nachdem Dr. B. in seinem Gutachten mit dem Wirbelgleiten die aus seiner Sicht alleinige strukturelle Ursache dieser Beschwerden beschrieben hatte - in der mündlichen Verhandlung auf die Feststellung des die Beschwerden verursachenden Wirbelgleitens, so dass sein Antrag die gesamte, dadurch verursachte Beschwerdesymptomatik erfasste. Gerade hierüber entschied auch der Senat auf die Berufung des Klägers, mit der er wiederum einen Dauerschmerz im unteren LWS-Bereich als Unfallfolge geltend machte (vgl. S. 1 der Berufungsbegründung = Bl. 9 L 10 U 4812/04). Dies zeigt bereits der Eingangssatz des Beschlusses (Umdruck S. 2 oben: Wirbelsäulenerkrankung). Entsprechend umschrieb der Senat den Beschwerdegegenstand als "Wirbelsäulenbeschwerden" (Umdruck S. 6 unten) und er gelangte zu dem Ergebnis (Umdruck S. 8): "Das Wirbelgleiten und auch die sonstigen Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers im Bereich der Wirbelsäule sind jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf dieses Unfallgeschehen zurückzuführen."

Der Beschluss vom 31.05.2005 ist rechtskräftig, nachdem die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 12.09.2005 (B 2 U 199/05 B) als unzulässig verworfen wurde.

Mit der Abweisung einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage steht das Gegenteil der begehrten Feststellung, nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (BGH, Urteil vom 16.01.2008, XII ZR 216/05 u.a. in juris). Auf Grund der Rechtskraftwirkung (vgl. § 322 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -: Urteile sind der Rechtskraft ... fähig, als ... über den Anspruch entschieden ist) ist dies - das Nichtbestehen des zur Feststellung begehrten Rechtsverhältnisses - auch für spätere Auseinandersetzungen zu berücksichtigen. Denn aus dem Lebenssachverhalt, der der (abgewiesenen) Feststellungsklage zu Grunde lag, kann wegen der Rechtskraftwirkung auch künftig nichts hergeleitet werden (BGH, a.a.O. für eine Leistungsklage nach rechtskräftig abgewiesener Feststellungklage).

Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt Gleiches. Denn auch hier binden gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Ein sozialgerichtliches Urteil über eine Klage auf Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung (Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII) ist ebenfalls nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BSG, Urteil vom 28.06.1984, 2 RU 64/83, u.a. in juris). Mit der rechtskräftigen Abweisung einer auf Feststellung gerichteten Klage ist somit auch im sozialgerichtlichen Verfahren das Gegenteil der begehrten Feststellung festgestellt (BSG a.a.O.: mit der Abweisung einer Klage auf Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als Folgen eines Arbeitsunfalles steht fest, dass die Wirbelsäulenbeschwerden keine Unfallfolgen sind). Dies bedeutet, dass mit Rechtskraft des Beschlusses des Senats vom 31.05.2005 über die Abweisung der Klage auf Feststellung der LWS-Beschwerden als Folge des Arbeitsunfalls vom 16.08.2000 rechtskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat verbindlich feststeht, dass diese nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 16.08.2000 ist.

Diese Rechtskraftwirkung ist - anders als bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklagen (s. hierzu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 141 Rdnrn. 11 ff.) - nicht durch §§ 44 ff. SGB X "eingeschränkt". Denn mit der Feststellungklage wird nicht über den Regelungsgegenstand eines (mit Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage zum Erlass begehrten) Verwaltungsaktes über Ansprüche (z.B. auf bestimmte Leistungen, aber auch allgemein auf Anerkennung eines Versicherungsfalles oder von gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalles, zum subjektiv öffentlichen Recht auf "Anerkennung" s. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, u.a. in juris), dessen Bestandkraft nach den §§ 44 ff. SGB X durchbrochen werden kann, sondern über das Rechtsverhältnis als solches entschieden. Dem entsprechend stellt sich die Rechtsposition der Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender oder eine Feststellung ablehnender Verwaltungsakte - was die Durchbrechungsfähigkeit anbelangt - anders dar (BSG, Urteil vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R und Urteile vom 09.11.2010, B 2 U 6/10 R und B 2 U 14/10 R, alle u.a. in juris, für Fälle der Stattgabe der Feststellungsklage).

Steht somit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass es sich bei den Lendenwirbelsäulenbeschwerden des Klägers nicht um Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.08.2000 handelt, erweist sich der Bescheid vom 20.12.2001 über die Ablehnung einer Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden als Unfallfolgen als rechtmäßig. Folglich kann der Kläger auch nicht die Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X verlangen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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