S 31 EG 15/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
31
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 31 EG 15/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. Juni 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2016 verpflichtet, bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldes des Klägers in die Bemessungsgrundlage den Betrag von 16.800,- EUR als Bruttoeinkommen einzubeziehen, den der Kläger im Januar 2016 nach entsprechenden Abzügen ausgezahlt erhalten hat. 2. Die außergerichtlichen Auslagen des Klägers trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höheres Elterngeld, als ihm bewilligt wurde.

Unter dem 7.5.2016 beantragte er Elterngeld für seine am xxxxx2016 geborene Tochter N. für den 1. bis 12. Lebensmonat.

Mit Bescheid vom 22.6.2016 bewilligte ihm die Beklagte Elterngeld in Höhe von jeweils 706,95 EUR für den 1. bis 6. Lebensmonat des Kindes (19.4.2016 bis 18.10.2016) und in Höhe von 631,95 EUR für den 7. bis 12. Lebensmonat (19.10.2016 – 18.4.2017). Die Beklagte legte ihrer Berechnung die zwölf Monate vor der Geburt des Kindes als Bemessungszeitraum zu Grunde (April 2015 bis März 2016) und als Bemessungsgrundlage die laufenden monatlichen Bezüge des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit in diesem Zeitraum entsprechend den von dem Kläger vorgelegten Gehaltsnachweisen seines Arbeitsgebers. Nicht berücksichtigt wurde dabei eine Zahlung von 16.800,- EUR, die ausweislich der entsprechenden Gehaltsbescheinigung für den Monat Januar 2016 vom 27.1.2016 als sonstiger Bezug ausgewiesen war. Für Mai 2017 wurden wegen des Krankengeldbezugs des Klägers keine Einkünfte berücksichtigt. Für die Monate Juli bis Dezember 2015 wurden ebenfalls keine Einkünfte des Klägers berücksichtigt, weil er aufgrund einer Kündigung seines Arbeitgebers in diesem Monaten Arbeitslosengeld I bezog.

Am 6.7.2016 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Begründet wurde dieses damit, am 25.11.2015 habe das Arbeitsgericht Hamburg festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber weiterhin bestehe. Daraufhin habe er eine Gehaltsnachzahlung seit Juli 2015 i.H.v. 16.800,- EUR (6 x 2.800,- EUR für 7/15 bis 12/15) erhalten und zwar mit den Bezügen für Januar 2016. Diese Zahlung wäre bei der Bemessungsgrundlage heranzuziehen gewesen, weil es sich nicht um eine Sonderzahlung gehandelt habe.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 16.9.2016 zurück. Begründet wurde dieses damit, dass Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als "sonstige Bezüge" behandelt würden, nach § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG nicht zu berücksichtigen seien. Grundlage der Einkommensermittlung seien die Angaben des Arbeitgebers in den entsprechenden Gehaltsbescheinigungen (§ 2 c Abs. 2 BEEG). Der Gesetzgeber habe mit der Änderung des § 2 c BEEG klarstellend geregelt, dass alle Lohn– und Gehaltsbestandteile, die richtigerweise nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind, auch elterngeldrechtlich als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in der vorgelegten Entgeltabrechnung werde nach § 2 c Abs. 2 BEEG vermutet. Der Widerspruchsbescheid wurde am 21.9.2016 zugestellt

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 19.10.2016, vorliegende Klage erhoben, die er mit seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren begründet. Ergänzend führt er aus, dass allein die Tatsache, dass zwischen dem Zeitraum der Arbeitsleistung und der Gehaltszahlung ein Jahreswechsel stattgefunden habe, damit im Einkommensteuerrecht verspätet gezahltes Arbeitsentgelt zu einem sonstigen Bezug mache. Dieses strenge Zuflussprinzip sei aber im Zusammenhang mit der Bemessung des Elterngeldes nicht anzuwenden. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergebe sich, dass die Elterngeldbehörde sich in der Bewertung von Einnahmen als sonstige Bezüge nicht ausschließlich darauf stützen dürfe, wie der Arbeitgeber diese Einnahmen lohnsteuer- rechtlich behandelt hat. Daraus lasse sich schließen, dass auch weiterhin das sogenannte modifizierte Zuflussprinzip Anwendung finden solle. Im Übrigen habe er das während des Zeitraums Juli bis Dezember 2015 bezogene Arbeitslosengeld I nach Erhalt der Nachzahlung zurückzahlen müssen.

Weiter vorgelegt wurden im Januar 2016 nachträglich erstellte Gehaltsabrechnungen, nach denen der Kläger in den Monaten Juli bis Dezember 2015 monatlich ein laufendes Einkommen von 2.800,- EUR bezogen habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 22.6.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2016 bei der Berechnung des Elterngeldes des Klägers die Zahlung seines Arbeitgebers i.H.v. 16.800 EUR, ausgezahlt im Januar 2016, als Einkommen zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Zur Begründung wird folgendes ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Elterngeld in der Höhe, wie sie sich bei Berücksichtigung auch des im Januar 2016 nachträglichen Gehalts von 16.800,- EUR für die Monate Juli 2015 bis Dezember 2016 ergebe. Denn in der vorgelegten Abrechnung von Januar 2016 würden die gezahlten 16.800,- EUR als sonstiger Bezug ausgewiesen. Nach § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG seien Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien, nicht bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen. Grundlage für die Ermittlung der Einnahmen seien die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn– und Gehaltsabrechnung des Arbeitgebers. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 2 S. 1 BEEG. Der Kläger habe auch selbst vorgetragen, in den Monaten Juli 2015 bis Dezember 2016 keine Gehaltszahlung erhalten zu haben. Die Kennzeichnung als laufender Bezug in den Nachberechnungen für die Monate Juli 2015 bis Dezember 2015 resultierten nach Auffassung des Beklagten daraus, dass, wenn die Gehaltszahlungen in diesem Monat geleistet worden wären, sie tatsächlich laufende Lohnzahlung gewesen wären. Mithin sei die Kennzeichnung der Zahlungen in dem System DATEV für den Zweck der Nachberechnung als laufender Zahlungen zwar richtig, die tatsächliche Zahlung sei dann aber als sonstiger Bezug erfolgt.

Die Leistungsakte des Klägers ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Bei der Berechnung der Höhe des dem Kläger zustehenden Elterngeldes sind in die Bemessungsgrundlage weitere 16.800,- EUR als Bruttoeinnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum einzubeziehen.

Heranzuziehen ist das Bundeselterngeldgesetz in der ab dem 1.1.2015 geltenden Fassung, weil das Kind des Klägers nach dem 1.1.2015 geboren wurde (§ 27 BEEG).

Nach § 2 c Abs. 1 Satz 1 BEEG ist Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes bei Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben.

Nach § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG werden bei der Bemessungsgrundlage Einnahmen nicht berücksichtigt, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind. Hierbei ist von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Klägers (§ 2 c Abs. 2 BEEG) auszugehen.

Diese in § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG dargestellten Grundsätze sind auf den Fall des Klägers nach ihrem Normzweck nicht anzuwenden. Denn eine solche Anwendung würde dem Zweck des Bundeselterngeldgesetzes zuwiderlaufen. Der Elterngeldberechtigte soll für seine Einkommenseinbußen durch die Elternzeit das an Einkommen erhalten, was er voraussichtlich unter Zugrundelegung des Bemessungszeitraums während der Elternzeit als Prognose sicher erwarten konnte. Sicher zu erwarten für den Bemessungszeitraum war hier der regelmäßige Bezug der laufenden Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis. Diese beliefen sich auf monatlich 2.800,- EUR auch für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2015. Der Kläger ist aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg mithin so zu stellen, als hätte er diese Einkünfte in den genannten Monaten erhalten. Nur eine solche Vorgehensweise wird dem Elterngeldrecht gerecht. Die Norm des § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG hat nämlich nur den Zweck, die Einkünfte aus der Bemessung herauszunehmen, die ein Elterngeldberechtigter neben den laufenden Gehältern als Sonderzahlungen erhält. Um solche Sonderzahlungen handelt es sich bei den hier streitigen 16.800,- jedoch gerade nicht. Deutlich wird dieses aus den nachträglich gefertigten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen, die dem Kläger im Januar 2016 ausgestellt wurden. Diese weisen die Einkünfte des Klägers in den Monaten Juli bis Dezember 2105 als laufende Einkünfte aus. Es kann nicht zum Nachteil des Klägers führen, dass die im Januar 2016 erhaltenen 16.800,- EUR nach den Vorgaben des Einkommensteuerrechts nicht mehr als laufender Bezug ausgewiesen werden konnten.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Auslagen des Klägers beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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