L 4 AS 461/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 49 AS 3222/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 461/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Leistungsbewilligung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 21. März 2015, geändert mit Bescheid vom 21. April 2016, für die Monate Dezember 2015 bis Mai 2016 vorläufig Leistungen nach dem SGB II.

Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2016 verworfen wurde: Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums fehle es dem Kläger am Rechtsschutzbedürf-nis für den Widerspruch, da die Möglichkeit eines Antrages auf abschließende Festsetzung der Leistungen bestanden habe.

Der mit Rechtsmittelbelehrung versehene Widerspruchsbescheid (Absendevermerk vom 27.7.2016) ist dem Kläger nach seinen Angaben am 30. Juli 2016 zugegangen. Am 31. Au-gust 2016 (Mittwoch) hat er durch Vorlage einer auf den 30. August 2016 datierten Klage-schrift vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2016 hat der Beklagte die Leistungen endgültig festgesetzt. Dieser Bescheid ist auf den Widerspruch des Klägers hin aus formalen Gründen aufgehoben worden (Abhilfebescheid vom 20.12.2016).

Mit zwei weiteren Bescheiden vom 4. Mai 2017 hat der Beklagte den Leistungsanspruch für die fragliche Zeit abschließend auf 0,00 EUR festgesetzt sowie vom Kläger die Erstattung von 6.030,46 EUR verlangt. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. November 2017 abgewiesen: Die Klage sei unzulässig, da nicht fristgerecht erhoben. Wiedereinsetzung wegen Versäu-mung der Klagefrist sei nicht zu gewähren.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 24. November 2017 zugestellt worden. Am 27. De-zember 2017 hat er Berufung eingelegt. Er macht insbesondere geltend, dass er wegen Er-krankung seines Vaters und Beraters gehindert gewesen sei, rechtzeitig Klage zu erheben. Auch habe er geglaubt, dass sich, da der Widerspruchbescheid ihm an einem Samstag (30.7.2016) zugegangen sei, der Fristbeginn für die Klage auf den nächsten Werktag (1.8.2016) verschiebe.

Der Kläger beantragt ausdrücklich,

das Gericht möge seinem Antrag vom 14. November 2016 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechen, den Gerichtsbescheid der Kammer 49 des So-zialgerichts Hamburg vom 17. November 2016 aufheben und die Sache an das So-zialgericht zurückverweisen, damit er dort seinen Klagantrag stellen könne.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte stellt die Zulässigkeit der Berufung in Frage. Im Übrigen verteidigt er die angefochtenen Entscheidungen. Er meint, dass, jedenfalls solange die Unzulässigkeit der Klage nicht feststehe, die Bescheide vom 4. Mai 2017 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden seien.

Die Sachakten des Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG erhoben. Da der 24. Dezember 2017 ein Sonntag war, lief die Berufungsfrist erst nach Weihnachten, also am 27. Dezember 2017 ab (§ 64 Abs. 3 SGG).

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als verfristet an-gesehen. Die einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG endete gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG am 30. August 2016. Mit seiner am 31. August 2016 eingegangenen Klage hat der Kläger die Frist nicht eingehalten. Der Irrtum des Klägers bei der Fristberechnung ist unbeachtlich. Wiedereinsetzungsgründe im Sinne von § 67 SGG sind nicht genügend glaub-haft gemacht. Der Kläger mag wegen der Krankheit seines Vaters (Herzoperation) zwar be-sonders belastet gewesen sein. Es ist jedoch nicht zu sehen, warum er deswegen die Klage nicht rechtzeitig hätte erheben können. Auch sonst ist nicht erkennbar, dass der Kläger – etwa aus psychischen Gründen – seine Angelegenheiten damals nicht hätte wahrnehmen können. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen festzuhalten, dass er die Klagschrift be¬reits am 30. August 2016 verfasst hat, also noch innerhalb der Frist.

Eine Prüfung der Bescheide des Beklagten vom 4. Mai 2017 durch den Senat ist im vor-liegenden Verfahren nicht möglich; die Klage wird dadurch nicht zulässig. Zwar könnte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 19.8.2015, B 14 AS 13/14 R, Rn. 16; Urt. v. 11.5.2011, B 4 AS 139/10 R) zumin¬dest der endgültige Festsetzungsbescheid nach § 96 Abs. 1 SGG Klagegegenstand geworden sein (allerdings wohl nicht der Erstattungs-bescheid nach § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II, da den vorläufigen Bewilligungsbescheid nicht abändernd oder erset¬zend). Das gilt nach Auffassung des Senats jedoch nicht im Fall einer (wie hier) ursprünglich unzulässigen Klage (vgl. App, SGb 92, 344; Bienert, NZS 2011 S. 732; a.A. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 96, Rn. 2). Nur so kann im Übrigen ein verfahrensmäßiges Auseinanderdriften in Bezug auf Festsetzungs¬bescheid und Erstattungsbescheid vermieden werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen
Rechtskraft
Aus
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