L 7 AL 6/18 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 14 AL 201/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 6/18 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 14/18 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens wird als unzulässig verworfen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Aufgrund des klageabweisenden Urteils des Sozialgerichts Gießen vom 10. Juli 2017 (S 14 AL 201/16) war zwischen den Beteiligten unter dem Aktenzeichen L 7 AL 68/17 ein Berufungsverfahren anhängig. Nach vorangegangenem Hinweis des Berichterstatters, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt wurde, wurde die Berufung in der Folgezeit mit Beschluss des Senats vom 1. November 2017 als unzulässig verworfen. Ausweislich der sich in der Gerichtsakte befindlichen Zustellungsurkunde sei dem Kläger das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. Juli 2017 (Aktenzeichen: S 14 AL 201/16) nebst Sitzungsniederschrift am 28. Juli 2017 zugestellt worden. Die Berufungsfrist liefe damit unter Beachtung des § 64 SGG von Samstag, dem 29. Juli 2017, bis Montag, den 28. August 2017. Eingegangen sei das Berufungsschreiben des Klägers vom 19. August 2017 beim Sozialgericht Gießen lt. Eingangsstempel des Gerichts jedoch erst am 31. August 2017 (Bl. 44 der Gerichtsakte). Die Berufung sei folglich zu spät eingelegt worden. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG käme vorliegend nicht in Betracht, da der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert gewesen sei, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Insbesondere vermochten die – nicht weiter belegten – Andeutungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 29. September 2017, wonach das Versäumnis gesundheitliche Gründe habe, einen Wiedereinsetzungsgrund nicht zu begründen. Gründe, weshalb der Kläger, ggf. mit Hilfe eines Anwaltes, nicht innerhalb der Berufungsfrist vom 29. Juli 2017 bis 28. August 2017 beim Sozialgericht oder Landessozialgericht hätte Berufung einlegen können, seien nicht ansatzweise ersichtlich, zumal er offensichtlich das Berufungsschreiben schon am 19. August 2017 verfasst hatte.

Dieser Beschluss ist dem Kläger am 16. November 2017 zugestellt worden (vgl. Postzustellungsurkunde Bl. 57 der Gerichtsakte).

Mit Schreiben vom 19. November 2017, beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen am 11. Dezember 2017, hat sich der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Herr Dr. med. C., an das Hessische Landessozialgericht gewandt und mitgeteilt, dass er den Kläger als Konsiliarpsychiater der JVA A-Stadt regelmäßig seit dem 13. März 2016 betreue. Der Kläger leide an einer reaktiven Depression und an einer im Maßregelvollzug schon intensiv behandelten Polytoxikomanie. Wegen der Depression habe er eine Antriebsschwäche und sei krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, den vom Gericht gesetzten Termin für eine Antwort einzuhalten. Es werde deshalb gebeten, ihn "wieder in den vorigen Stand zu versetzen".

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. Februar 2018 mitgeteilt, dass ihrer Auffassung nach eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme. Der Kläger habe die Berufung am 19. August 2017, und somit innerhalb der Berufungsfrist verfasst. Wenn er in der Lage gewesen sei, die Berufung zu verfassen, sei er auch in der Lage gewesen, diese abzusenden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die bei der Entscheidung vorgelegen hat, Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte entsprechend § 158 S. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden.

Danach kann eine nicht statthafte oder aus sonstigen Gründen unzulässige Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen werden. Entsprechendes gilt, wenn eine Wiederaufnahmeklage nach § 179 SGG i.V.m. §§ 579, 580 Zivilprozessordnung (ZPO) unzulässig ist (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. März 2003 - L 8 LW 14/01; Bundessozialgericht, Beschluss vom 2. Juli 2003, B 10 LW 8/03 B; Meyer-Ladewig u.a., SGG, § 158, Rdnr. 6a m.w.Nw.).

Der Antrag des im Namen des Klägers – jedoch ohne Vorlage einer Vollmacht – tätig gewordenen, diesen als Konsiliarpsychiater der JVA A-Stadt regelmäßig betreuenden Dr. med. C. ist – orientiert an dem tatsächlichen Begehren – dahingehend auszulegen, dass er die Wiederaufnahme des unter dem Aktenzeichen L 7 AL 68/17 anhängig gewesenen Berufungsverfahrens begehrt.

Soweit er wörtlich einen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gestellt hat, geht dieser Antrag an dem offensichtlichen Begehren des Klägers vorbei. Nach § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelt, ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Vorliegend geht es jedoch erkennbar nicht um die Einhaltung oder Nichteinhaltung einer gesetzlichen Verfahrensfrist, sondern um die Frage, ob das anhängig gewesene Berufungsverfahren fortgeführt werden muss. Über eine mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hatte der Senat bereits in dem angefochtenen Beschluss abschlägig entschieden.

Die Wiederaufnahmeklage in Form einer Restitutionsklage nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 580 Abs. 1 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder in Form einer Nichtigkeitsklage nach § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 579 ZPO ist nicht zulässig.

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wieder aufgenommen werden, § 179 Abs. 1 SGG. Die Vorschrift verweist insoweit auf die Vorschriften der §§ 578 bis 591 ZPO. Das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren ist wieder aufzunehmen, wenn die Wiederaufnahmeklage zulässig und begründet ist.

Nach § 580 ZPO ist eine Restitutionsklage zulässig bei Mängeln der Urteilsgrundlagen, soweit zwischen Urteil und Restitutionsgrund ein ursächlicher Zusammenhang besteht (RGZ 130, 386, 387). § 580 ZPO nennt abschließend die Restitutionsgründe. Gemäß § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 589 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Die Klagefrist beträgt gemäß § 586 Abs. 1 ZPO einen Monat; sie beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Der Senat kann offenlassen, ob die Klagefrist eingehalten ist, da der Kläger jedenfalls einen Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig behaupten kann. Aus gleichen Gründen ist auch eine Nichtigkeitsklage nach § 179 Abs. 1 SGG, § 579 ZPO nicht zulässig. Denn zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage gehört die Behauptung eines Prozessverstoßes, der unter § 579 Abs. 1 ZPO abschließend genannt ist, so wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1), wenn ein kraft Gesetz ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat (Nr. 2), wenn ein wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat (Nr. 3) oder wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war (Nr. 4). Derartige Gründe werden nicht schlüssig behauptet.

Wird ein solcher Restitutionsgrund bzw. Nichtigkeitsgrund somit nicht einmal schlüssig behauptet, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (Hess. LSG, Beschluss vom 30. März 2007 - L 1 KR 303/06 WA m.w.Nw.).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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