S 14 KR 257/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 257/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 293/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 33/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte Behandlung mit dem Mistelpräparat Iscucin Salicis.

Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Die Klägerin leidet an seropositiver rheumatoider Arthritis mit Beschwerdebeginn im Jahr 1987.

Am 30. September 2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für das verordnete Arzneimittel Iscucin Salicis. Die Beklagte beauftragte den MDK mit der Prüfung der Kostenübernahme für die Behandlung mit Iscucin Salicis. In einem Gutachten vom 25. Oktober 2011 führte dieser aus, es handele sich um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel mit indikationsgerechtem Einsatz. Das Medikament sei nicht auf der OTC-Liste aufgeführt. Es sei nur verordnungsfähig, wenn es in der OTC-Liste in der entsprechenden Indikation enthalten sei, was bei der vorliegenden Diagnose nicht der Fall sei.

Mit Bescheid vom 02. November 2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Zur Begründung verwies die Beklagte auf die Ausführungen des MDK.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 04. Dezember 2011 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies die Klägerin auf ein Attest ihres Hausarztes Dr. med. B. Alle zur Verfügung stehenden Therapien seien ausgeschöpft, deshalb sehe er die alternative Misteltherapie als zentral an.

Die Beklagte holte erneut ein Gutachten beim MDK ein. Dieser führte aus, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wie Iscucin Salicis seien nach § 34 SGB V von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Ausnahmen würden vom GBA in der sogenannten OTC-Liste festgelegt. Mistelpräparate seien bei der bei der Klägerin vorliegenden Indikation nicht ausgeführt und daher nicht verordnungsfähig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Beklagte verwies zur Begründung auf die Gutachten des MDK.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. Juni 2013 Klage erhoben. Zur Begründung verweist die Klägerin auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt sie aus, das Medikament sei ihr vom Paracelsus-Krankenhaus empfohlen worden und sie habe bereits positive Auswirkungen durch eine innere Wärmebildung gespürt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 02. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin entstandenen Kosten der Behandlung mit dem Präparat Iscucin Salicis zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG vorher zu hören. Letzteres ist durch Anhörungsschreiben vom 21. April 2016 erfolgt.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Kostenerstattung für das Arzneimittel Iscucin Salicis.

Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten für die selbstbeschaffte Behandlung ist § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Eine Krankenkasse ist danach zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben.

Die dort genannten Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Weder handelte es sich bei den durchgeführten Mistelpräparat-Injektionen um einen Notfall, der sofortiges Handeln erfordert hätte, noch war eine (rechtsgrundlose) Weigerung der Kasse, die Klägerin mit einer entsprechenden Behandlung zu versorgen, vorausgegangen.

Auf eine unaufschiebbare Leistung (§ 13 Abs. 3 Alt. 1 SGB V) im Sinne einer Notfallbehandlung kann die Klägerin ihr Kostenerstattungsbegehren nicht stützen. Ein Fall einer dringenden Eilbehandlung gebietender Behandlungsbedürftigkeit hat nicht bestanden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R) ist auch für die erste Fallgruppe die medizinische Dringlichkeit nicht allein ausschlaggebend. Denn für diese wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehende Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden.

Die Beklagte hat die streitbefangene Versorgung der Klägerin mit dem Mistelpräparat als Sachleistung auch nicht zu Unrecht verweigert, so dass die Klägerin gezwungen gewesen wäre, sich eine notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Der Anspruch auf Gewährung von Sachleistungen (§ 2 Abs. 2 SGB V) hat sich nicht in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt.

Versicherte erhalten grundsätzlich die krankheitsbedingt notwendigen, nicht der Eigenverantwortung (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB V) zugeordneten Arzneimittel (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V) aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgrund vertragsärztlicher Verordnung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 3 Rn. 14 m.w.N.).

Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern; die Krankenbehandlung umfasst auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Der Anspruch beschränkt sich allerdings gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf die Versorgung mit Arzneimitteln, die apothekenpflichtig sind und nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind.

Bei Iscucin Salicis handelt sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel, für das kein Ausnahmetatbestand eingreift. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V (idF durch Art 1 Nr. 22 Buchst a Doppelbuchst aa des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003, BGBl I 2190, in Kraft getreten am 1.1.2004) sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der GBA legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (AMRL) erstmals bis zum 31.03.2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Regelung gilt nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V).

Der GBA macht hiervon in der AM-RL lediglich für Mistelpräparate beschränkt auf den Einsatz in der palliativen Therapie eine Ausnahme, indem er diese in die Liste der verordnungsfähigen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aufnahm. Die Anwendungsbeschränkung "in der palliativen Therapie" gilt auch für Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Anthroposophie. Die Anlage I der AM-RL bezeichnet in Nr. 32 als ausnahmsweise verordnungsfähige Arzneimittel Mistel-Präparate, parenteral, auf Mistellektin normiert, nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität. Die Regelung erfasst dagegen nicht die betroffene Versorgung der Klägerin mit Iscucin Salicis.

Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Er ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr. 7 RdNr. 55 m.w.N.; BVerfGE 117, 316 = SozR 4-2500 § 27a Nr. 3, stRspr.). Daran fehlt es. Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV begründet zwar eine Ungleichbehandlung: Versicherte, die zur Behandlung einer Krankheit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel bedürfen, müssen diese Arzneimittel selbst bezahlen. Demgegenüber trägt die GKV die Kosten verschreibungspflichtiger Arzneimittel für ihre Versicherten abzüglich der gesetzlich geregelten Zuzahlungen, soweit die gesetzlichen und untergesetzlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Versorgung mit Arzneimitteln nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V erfüllt sind.

Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Das Gewicht der Ungleichbehandlung ist beschränkt. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bereits vor dem 01.01.2004 in den Apotheken überwiegend ohne Rezept abgegeben wurden. Es handelte sich dabei um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als 11 Euro je Packung. Der Gesetzgeber hat deshalb die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der GKV für den einzelnen Versicherten als sozial vertretbar angesehen (vgl. insgesamt Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines GMG, BT-Drucks 15/1525 S 86 zu Nr. 22 zu Buchst a zu Doppelbuchst aa).

Zusätzlich hat der Gesetzgeber die Regelung abgemildert. Vertragsärzte können nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ausnahmsweise dann verordnen, wenn sie als Standardtherapie zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung medizinisch notwendig sind, soweit dies in den AMRL vorgesehen ist (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Beschränkung des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V), um die besonderen Belange von Familien mit Kindern zu berücksichtigen (vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 86). Weniger bedeutsame Arzneimittel hat der Gesetzgeber dagegen aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen. Er konzentriert die Leistungen insoweit auf das bei schwerwiegenden Erkrankungen medizinisch Notwendige.

Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV beruht auf Sachgründen. Die Regelungen über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (§ 48 AMG i.V.m. § 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung) dienen dem Schutz der Bevölkerung. Sie sollen sicherstellen, dass Arzneimittel, die gesundheitliche Risiken in sich bergen, nur über diejenigen Heilpersonen zur Anwendung kommen, die ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Gegenanzeigen und sonstigen Gefahren genau kennen (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.1985 - 6 RKa 28/84 - USK 85197; nachgehend - ebenfalls auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung abstellend - BVerfG SozR 5583 § 7 Nr. 1). In der Zusammenschau sind die Möglichkeit, sich ohne ärztliche Verschreibung die Arzneimittel selbst zu verschaffen, der typischerweise geringere Preis und damit die Zumutbarkeit, die entsprechenden Kosten selbst zu tragen, hinreichende sachliche Anknüpfungspunkte für die Entscheidung des Gesetzgebers.

Die GKV beruht zwar auf dem Grundkonzept, dass die Versicherten bei Eintritt von Krankheit unabhängig von der Höhe ihrer Beiträge eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung erhalten (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss 1. Senat 2. Kammer vom 28.2.2008 - 1 BvR 1778/05 – RdNr. 3; BVerfGE 115, 25, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die GKV den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V; vgl. BVerfGE 115, 25, 45 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 26).

Der Leistungskatalog der GKV darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein (vgl. BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 26, 30 = SozR 2200 § 376d Nr. 1). Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht (vgl. BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 4; BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 27; s auch BSG, Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 RdNr. 14 m.w.N.). Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungswegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl. BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 27; BVerfG NJW 1997, 3085; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 7, jeweils RdNr. 29 m.w.N.).

Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den GBA beauftragt hat, in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (vgl. zur Zulässigkeit der Regelung durch Richtlinien des GBA z.B. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12 RdNr. 14 f m.w.N., stRspr). Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 28) ist es dem Gesetzgeber von Verfassungswegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Nichts anderes gilt für die Abgrenzung des Pharmakotherapiestandards für schwerwiegende Erkrankungen durch die AMRL.

Auch im Übrigen ist die Leistungsbegrenzung in § 34 Abs. 1 SGB V verfassungsgemäß. Insbesondere verletzt sie weder das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) noch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (vgl. dazu BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 21, 24). Denn der Gesetzgeber hat lediglich in verhältnismäßiger Weise von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht, den Bereich der Eigenvorsorge zu umreißen, wie bereits in Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG dargelegt.

Ganz ausdrücklich hat das BSG mit seinem Urteil vom 11.05.2011 (B 6 KA 25/10 R) entschieden, dass keine Verpflichtung des Gemeinsamen Bundesausschusses bestehe, Arzneimittel der anthroposophischen oder homöopathischen Therapierichtungen von Anwendungsbeschränkungen freizustellen, die für allopathische Arzneimittel gelten (z.B. Beschränkung von Mistelpräparaten auf die palliative Therapie). Diese Aussage ist als Leitsatz 3. auch zentraler Punkt der Entscheidung.

Das Bundessozialgericht hat seine Auffassung, dass Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen nicht von den allgemeinen Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüssen freigestellt sind, darüber hinaus erneut im Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - (Leitsatz 3) bekräftigt. Die Einschränkungen durch die Richtlinie entsprechen danach dem Sinn der Ermächtigung in § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V unwirtschaftliche und unzweckmäßige Verordnungen auszuschließen und sind nicht in erster Linie an den Anwendungsvoraussetzungen einzelner Medikamente orientiert. Der therapeutischen Vielfalt ist hinreichend Rechnung getragen.

Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 193 SGG dem Ausgang des Rechtsstreites entsprechend.
Rechtskraft
Aus
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