Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 6/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 16/16 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Berufskrankheiten (BK) nach den Nummern 1302 und 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten - Verordnung (BKV).
Der 1941 geborene und im Jahr 2014 verstorbene frühere Kläger (Versicherter) war von 1956 bis 1966 als Maler beschäftigt, von 1967 bis 1977 als Chemiefacharbeiter bei der Firma B. (im Folgenden: B.) und danach als Kesselwärter und Anlagenfahrer bei der N. (jetzt A.) tätig. Wegen einer im September 1973 festgestellten Leberschädigung stellte der Versicherte erstmals 1974 einen Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. März 1975 ab.
Mit Schreiben vom 5. März 2006 stellte der Versicherte erneut einen Antrag auf Feststellung einer Berufskrankheit, den er mit Befindlichkeitsstörungen, Veränderungen des Fettstoffwechsels, Veränderungen der Blutgefäße und drei Schlaganfällen begründete. Diese Leiden seien auf die belastende Tätigkeit bei der Firma B. zurückzuführen. Nach Auswertung der Ermittlungen der Beklagten empfahl deren Beratungsarzt, Dr. P., eine Berufskrankheit nicht anzuerkennen. Dieser Empfehlung schloss sich die staatliche Gewerbeärztin an. Mit Bescheid vom 10. August 2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1302 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) bzw. Nr. 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Versicherte nach dem Untersuchungsbericht der Universität M. aus dem Jahr 1992 einer erhöhten Exposition gegenüber 2,3,7,8-TCDD (Tetrachlordibenzodioxin) bei der Firma B. ausgesetzt gewesen sei, dass diese Stoffe aber nicht geeignet seien, die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu verursachen. Die geklagten Befindlichkeitsstörungen könnten eventuell mit der beruflichen Tätigkeit bei der Firma B. in Zusammenhang stehen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Befindlichkeitsstörungen und der beruflichen Tätigkeit nachgewiesen werden könne. Ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang gehe aus den zahlreichen eingeholten medizinischen Unterlagen jedoch nicht hervor. Die zusätzlichen Gesundheitsstörungen, wie Nasenbluten und Magengeschwüre, die der Versicherte im laufenden Verfahren benannt habe, würden nach derzeitigem Erkenntnisstand ebenfalls nicht durch 2,3,7,8-TCDD oder HCH (Hexachlorcyclohexan, ein Halogenkohlenwasserstoff ("Lindan")) verursacht.
Der Versicherte legte gegen diesen Bescheid, der am 14. August 2006 zur Post gegeben wurde, am 11. September 2006 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei dem Versicherten liege kein typisches Erkrankungsbild der BK 1302 oder BK 1310 vor, sodass eine Berufskrankheit nicht anerkannt werden könne.
Mit Schreiben vom 24. Dezember 2006 hat der Versicherte am 28. Dezember 2006 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben, mit der er sein Begehren auf Anerkennung einer Berufskrankheit weiterverfolgt. Er habe seine Tätigkeit bei der Firma B. allein aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben und sei damals laufend in ärztlicher Behandlung gewesen, auch wenn ihm der Nachweis darüber heute kaum noch möglich sei. Seine damalige Ärztin habe dies der Beklagten auch angezeigt, die schweren Giftwirkungen der in dem Betrieb aufgetretenen Schadstoffe seien damals aber wohl noch nicht bekannt gewesen. Um eine erneute Anstellung nicht zu gefährden, habe er sich auch nicht wegen einer Dioxin-Vergiftung in Behandlung begeben, sondern allgemeine Gesundheitsstörungen vorgebracht. 1986 seien bei ihm anlässlich einer auch von der Beklagten mitveranlassten Reihenuntersuchung erhöhte Cholesterin- und Triglyzeridwerte festgestellt worden, für die die im Betrieb der Firma B. bei ihm verursachten Vergiftungen ursächlich gewesen seien. Auch sei es deshalb zu Störungen seiner Sexualfunktionen gekommen.
Die Beklagte hat demgegenüber erneut darauf verwiesen, dass einschlägige medizinische Befunde nicht vorlägen. Es habe kein Krankheitsbild nachgewiesen werden können, das eine toxische Hirnschädigung belege, abgesehen davon könne wegen der hohen zeitlichen Differenz ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem erstmaligen Nachweis einer Hirnschädigung nicht wahrscheinlich gemacht werden. Es gebe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine generelle Geeignetheit von 2,3,7,8-TCDD und HCH für Fettstoffwechselstörungen oder Arteriosklerose beim Menschen. Störungen der Sexualfunktion mache der Versicherte jetzt erstmals im Klageverfahren geltend, obwohl diese sei 20 Jahren bestehen sollen. Derartige Beschwerden seien bei der Dioxin-Nachuntersuchung 1985 nicht festgestellt worden, sie seien auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Umweltmedizin Dr. S. eingeholt. In seinem Gutachten vom 21. Oktober 2010 kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Versicherte unter Zugrundelegung der Untersuchungen der Universität M. während seiner Tätigkeit bei der Firma B. allenfalls einer leichten bis mittelgradigen Belastung mit Dioxinen und Furanen ausgesetzt gewesen sei. Genaue Angaben zur Konzentration der Belastung mit halogenierten Kohlenwasserstoffen lägen nicht vor, eine Belastung könne aber unterstellt werden und es sei davon auszugehen, dass eine potentiell schädigende Wirkung vorgelegen habe. Hinweise auf eine Erkrankung im Sinne der BK 1302 fänden sich jedoch nicht. Weder seien Krankheitsbilder, die das zentrale Nervensystem beträfen noch eine Nierenerkrankung bei dem Versicherten in der Vergangenheit beschrieben worden. Zwar sei der Gamma-GT-Wert etwas erhöht und es habe eine leichte Leberzellverfettung festgestellt werden können, die Leberfunktion sei aber nicht gestört. Auch die Voraussetzungen für eine BK 1310 lägen nicht vor. Zwar litte der Versicherte vor allem an einer generalisierten Gefäßsklerose, für deren Ausbildung beständen bei dem Versicherten aber ausreichende außerberufliche Risikofaktoren (langjähriges inhalatives Zigarettenrauchen, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Übergewicht). Zwar sei inzwischen wissenschaftlich gesichert, dass TCDD – Kontaminationen ein deutlich erhöhtes Risiko für ischämische Herzerkrankungen auslösten, dies gelte aber nur für die am höchsten belasteten Kollektive. Zu dieser am höchsten belasteten Gruppe gehöre der Versicherte nicht, deshalb ließe sich ein Zusammenhang zwischen der bei ihm bestehenden Gefäßarteriosklerose und der damaligen beruflichen Tätigkeit nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit belegen.
Auf Antrag des Versicherten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht weitere Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. F. und Prof. Dr. H. eingeholt. In seinem Gutachten vom 26. September 2011 kommt der Hauptgutachter Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, die Gesundheitsstörungen des Versicherten (Leberschaden, Fettstoffwechselstörung, Adipositas und neurologische Defizite) seien in dieser Kombination durch die berufliche Exposition bedingt erklärbar. Ohne die beruflichen Belastungen wäre es bei dem Versicherten nicht zu einer Leberschädigung gekommen, die zu einer toxisch bedingten Stoffwechselstörung geführt habe, die wiederum verantwortlich für den Ausbruch des Diabetes sei. Die sich wegen nicht optimaler Einstellung des Diabetes anschließenden arteriosklerotischen Mikroangiopathien (Arteriosklerose der kleineren Blutgefäße) hätten Mangeldurchblutungen im Gehirn zur Folge gehabt. Die Befunde des Testosteronmangels 1985 nach Beginn der Potenzstörungen bezeugten die toxisch bedingten neuroendokrinologische persistierende Wirkung der chlorierten und nicht-chlorierten Kohlenwasserstoffe als weiteres Brückensystem. Diese Gesundheitsstörungen würden von den BKen 1302 und 1310 erfasst, seien 1973 eingetreten und seitdem chronisch. In seinem Zusatzgutachten vom 3. August 2011 führt Prof. Dr. H. zusammengefasst aus, dass sozialrechtlich relevante Gesundheitsstörungen auf neuropsychologischem Gebiet erstmalig nach dem ersten Schlaganfall im Dezember 1997 aufgetreten seien. Inwieweit ein Zusammenhang mit der möglichen Dioxin- und Furanexposition bestehe, bleibe der Bewertung des medizinischen Hauptgutachters überlassen.
Während die Beklagte das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. unter Hinweis auf die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. P. für unschlüssig und nicht nachvollziehbar gehalten hat, hat sich der Versicherte den Ausführungen dieses Sachverständigen und seiner Stellungnahme vom 30. Januar 2012 zu den Einwänden der Beklagten angeschlossen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. März 2012 abgewiesen. Der Versicherte habe keinen Anspruch auf Feststellung seiner Gesundheitsörungen als BK 1302 bzw. BK 1310, da ein Zusammenhang zwischen seinen Erkrankungen und seiner versicherten Tätigkeit nicht habe festgestellt werden können. Im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. sei zwar davon auszugehen, dass der Versicherte einer Belastung durch halogene Kohlenwasserstoffe bei seiner Tätigkeit bei der Firma B. ausgesetzt gewesen sei, dass aber die typischen Krankheitsbilder der BK 1302 bei dem Versicherten fehlten. Die Gesundheitsstörungen auf neuropsychologischem Gebiet seien erst nach einem ersten Schlaganfall im Dezember 1997 dokumentiert, ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sei deshalb auszuschließen. Auch eine BK 1310 könne nicht festgestellt werden. Der Versicherte sei allenfalls einer leichten bis mittelgradigen Belastung mit TCDD ausgesetzt gewesen. Diese habe die Gesundheitsstörung nicht wesentlich im Sinne der im Unfallversicherungsrecht maßgeblichen "Theorie der wesentlichen Bedingung" verursacht. Auch insoweit werde den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. gefolgt, der auf den bei dem Versicherten vorliegenden Risikofaktor des langjährigen Zigarettenrauchens hingewiesen habe. Aus den zitierten wissenschaftlichen Studien ergebe sich, dass ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen nur bei den höchstbelasteten Mitarbeitern der Firma B. vorgelegen habe, zu denen der Versicherte aber nicht gehört habe. Den gutachterlichen Einschätzungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. folge die Kammer nicht, da in Anbetracht der Entscheidung des LSG Hamburg vom 6. November 2001 (Az.: L 3 U 11/01) der von dem Gutachter beschriebene Ursachenzusammenhang zwischen 2,3,7,8-TCDD bzw. HCH und den geltend gemachten Erkrankungen des Versicherten keinesfalls als gesichert gelte.
Der Versicherte hat gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 6. März 2012 zugestellte Urteil am 10. April 2012, dem Dienstag nach Ostern, Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung übersehen, dass er langjährig bei der Firma B. und der N. beschäftigt gewesen sei. Das Sozialgericht hätte sich die Frage stellen müssen, ob nicht aus dem Umstand, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit mit den Gefahrstoffen in Berührung gekommen sei, sich prima facie die geltend gemachten Gesundheitsstörungen erklären ließen. Im Rahmen des sogenannten "B. Skandals" sei es sogar zu Verkaufsverboten von Gemüse in den Vier- und Marschlanden gekommen. Wenn die Beeinträchtigungen für die "Nahrungsmittelkette" so ausgeprägt gewesen seien, dass man sogar zu dirigistischen Maßnahmen gegriffen hätte, liege auf der Hand, dass der täglich im Betrieb arbeitende Personenkreis in viel größerem Ausmaß diesen Einwirkungen ausgesetzt gewesen sei. Ein Zusammenhang mit der Lebererkrankung des Versicherten könne nicht verneint werden, da sich Krankheitsverläufe nicht explosiv ausgestalteten. Diese Sachzusammenhänge sowie die Ursache des Schlaganfalls 1997 habe keiner der Gutachter hinreichend untersucht. Das Sozialgericht habe sich auch völlig zu Unrecht einfach über das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. hinweggesetzt. Hinsichtlich der BK 1310 hätte geprüft werden müssen, inwieweit die angenommene Konzentration von Dioxinen und Furanen, denen der Versicherter ausgesetzt gewesen sei, geeignet gewesen seien, seine Gesundheitsstörungen hervorzurufen. Es sei übersehen worden, dass der langjährige Zigarettengenuss des Versicherten nur mitursächlich für seine Erkrankungen gewesen sein mag.
Nachdem der Versicherte im Jahr 2014 verstorben war, ist auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 13. November 2014 die Aussetzung des Verfahrens angeordnet worden. Auf Antrag der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch des Versicherten hat das Gericht das Verfahren mit Verfügung vom 10. Mai 2016 wieder aufgenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. März 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 aufzuheben und festzustellen, dass alle Gesundheitsstörungen des verstorbenen Harald Borchert Folgen der anzuerkennenden Berufskrankheit Nummer 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) bzw. Nr. 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide) waren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und verweist darauf, dass es für die Anerkennung einer BK1302 bereits an den typischen Krankheitsbildern bei dem Versicherten fehle und für eine Anerkennung einer BK 1310 ein kausaler Zusammenhang zwischen den Erkrankungen des Versicherten und den schädlichen beruflichen Einwirkungen nicht hinreichend wahrscheinlich sei.
Der Senat hat über die Berufung am 28. Februar 2018 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§§ 143, 144, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat es rechtsfehlerfrei abgelehnt, die von dem Versicherten geltend gemachten Beeinträchtigungen als Folgen von Berufskrankheiten nach den Nummern 1302 und 1310 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
1. Ob sich die vom Versicherten verfolgten Ansprüche nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) richten, braucht im Ergebnis nicht entschieden zu werden, da zunächst nur der Antrag auf Feststellung einer BK Streitgegenstand ist.
2. Nach § 551 Abs.1 Satz 2 RVO bzw. § 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit der Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 539, 540, 543, bis 545 RVO bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Dies setzt voraus, dass eine Krankheit vorliegt, die in der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls geltenden BKV aufgeführt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt dagegen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. zuletzt BSG, Urteile vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R, BSGE 120, 230 und vom 23. April 2015 – B 2 U 6/13 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 7). Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R, Juris) und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).
3. Für seine Entscheidung geht der Senat davon aus, dass der Versicherte während der versicherten Tätigkeit bei der Firma B. – anders als bei seiner späteren Tätigkeit bei der Firma A. – einer Belastung durch TCDD und HCH und damit den Listenstoffen der Berufskrankheiten nach den Nummern 1302 und 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ausgesetzt war.
a) Die BK 1302 zählt zu den BKen, die durch chemische Einwirkungen verursacht werden. Aus der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nr. 1302 (Bekanntmachung des damaligen Bundesministeriums für Arbeit (BMA) vom 29. März 1987, BArbBL 6/1985) ist zu entnehmen, dass die Halogenkohlenwasserstoffe (Verbindungen von Kohlenwasserstoffen mit Fluor, Chlor, Brom, Jod) eine heterogene Gruppe zahlreicher organischer Verbindungen sind, die auch in toxikologischer Hinsicht uneinheitlich sind. Im Streitfall ist der auch zu dieser Gruppe zählende Feststoff "HCH" (Gamma Isomer "Lindan") von Bedeutung, dem der Versicherte während seiner Beschäftigung bei der Firma B. ausgesetzt war. Dies ergibt sich aus einem Schreiben ("Memo") der Firma B. vom 9. Mai 2006 und wird auch von sämtlichen in diesem Verfahren tätigen Sachverständigen angenommen. In Übereinstimmung mit der genannten Bekanntmachung des BMA geht der Sachverständige Dr. S. davon aus, dass zu den wesentlichen Krankheitsbildern, die durch halogene Kohlenwasserstoffe hervorgerufen werden, Störungen des zentralen Nervensystems (z.B. Schwindel oder psychische Störungen), Nieren- und Lebererkrankungen zählen. Leber- und Nierenschäden können auch nach langfristiger Exposition gegenüber geringen Konzentrationen von Halogenkohlenwasserstoffen auftreten.
Derartige Krankheitsbilder konnten bei dem Versicherten aber nicht festgestellt werden. Der Versicherte litt weder an Störungen des zentralen Nervensystems noch an Nierenerkrankungen. Der Sachverständige Dr. S. diagnostizierte lediglich eine leichte Leberzellverfettung. Von den einschlägigen Laborwerten ("Leberwerten") war lediglich der Gamma-GT Wert erhöht. Da sich die beiden anderen relevanten Werte (GOT bzw. GPT) im Normalbereich bewegten, konnte der Sachverständige eine schwere Leberzellschädigung ausschließen, auch die Leberfunktion hinsichtlich ihrer Synthese- und Ausscheidungsfunktion war nicht gestört.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. an. Sie sind schlüssig, gut nachvollziehbar und durch eine gründliche Auswertung der Befundtatsachen sowie Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur belegt. Der abweichenden Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. F. folgt der Senat dagegen nicht. Dessen Gutachten leidet vor allem darunter, dass er die beiden Listenkrankheiten nicht getrennt voneinander betrachtet, sondern von einer Hypothese ausgeht, die kombinierte Wirkung der in BK 1303 genannten Lösungsmittel und der chlorierten Verbindungen (BK 1302 und BK 1310) seien bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden. Unter dieser Prämisse zeigt er eine Kausalkette auf, die unterstellt, die beruflichen Belastungen hätten frühzeitig zu einer reversiblen Erkrankung seiner Leber geführt, die dann "Brückensymptom" für toxische Einwirkungen gewesen sei und zu Stoffwechselstörungen und Diabetes geführt habe. Daraus zieht er den Schluss, dass diese Gesundheitsstörungen sehr wohl von den BKen 1302 bzw. 1310 erfasst seien. Jedenfalls für die hier fragliche BK 1302 ist diese Aussage nicht nachvollziehbar, denn bereits die haftungsbegründende Kausalität (Verursachung einer Krankheit durch die Einwirkung) steht damit noch nicht fest. Abgesehen von dem erhöhten Gamma-GT – Wert konnte eine Lebererkrankung (Leberschaden) ja gerade nicht festgestellt werden. Andere von der BK Nr. 1302 erfasste Krankheiten hat auch dieser Sachverständige nicht finden können.
b) Aber auch eine BK nach Nr. 1310, die wesentlich durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide verursacht worden sein müsste, lag bei dem Versicherten nicht vor. Zu den genannten Gefahrstoffen gehört auch TCDD. Vergiftungsbilder beim Menschen werden nach akuter Toxikation mit verhältnismäßig hohen Dosen beobachtet und betreffen vor allem die Haut, die Leber, das periphere und zentrale Nervensystem, Fettstoffwechselstörungen, Magen-Darmbeschwerden sowie Augen-, Nasen- und Rachenschleimhäute. Spätschäden durch TCDD- Einwirkungen kommen in Betracht, etwa die koronare Herzkrankheit (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 1318). Mit dem Sachverständigen Dr. S. ist davon auszugehen, dass die mehrfachen Schlaganfälle des Versicherten und sein früherer Herzinfarkt Folgen einer Arteriosklerose als sein "führendes Leiden" waren. Unter ausführlicher Auswertung der vorliegenden medizinischen Literatur (insbesondere der Untersuchung von Flesch-Janys, Berger, Gurn u.a., Exposure to polychlorinated dioxins an furans and mortality in a cohort of workers from a herbicide producing plant in Hamburg, 1995) kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass bei TCDD-exponierten Personen ein deutlich erhöhtes Risiko für ischämische Herzkrankheiten, zu denen auch die Arteriosklerose zählt, besteht, jedoch nur dann, wenn diese zur höchstbelasteten Gruppe gehören. Der Versicherte, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit einer Konzentration von höchstens 200ppm von 2,3,7,8 TCDD ausgesetzt war, gehört damit nicht zu dieser am höchsten belasteten Gruppe. Deshalb ist von Bedeutung, dass eine ganze Reihe außerberuflicher konkurrierender Faktoren vorlagen, die die Ausbildung dieses Krankheitsbildes begünstigten. Der Sachverständige weist insoweit zutreffend darauf hin, dass der Versicherte an Diabetes litt, bis 1979 täglich bis zu 80 Zigaretten rauchte und stark übergewichtig war. Unter diesen Umständen spricht nicht mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang, sodass ein Verursachung der Erkrankung durch die TCDD – Belastung nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Der Gutachter bezweifelt insoweit lediglich, ob der Studie von Flesch-Janys (die er im Übrigen falsch zitiert und teilweise mit einer 1998 veröffentlichten englischsprachigen Studie zur Krebsmortalität verwechselt) entnommen werden kann, dass für Mitarbeiter, die nicht zu der am höchsten belasteten Gruppe gehörten, überhaupt kein erhöhtes Risiko, an einer ischämischen Herzkrankheit zu erkranken, bestehe. Das hat der Sachverständige Dr. S. aber auch nicht behauptet, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass ein relevantes Mortalitäsrisiko nur für die am höchsten belastete Gruppe nachgewiesen werden konnte. Deshalb ist es für die rechtliche Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs von Bedeutung, dass es für die nicht am höchsten mit TCDD belastete Gruppe keine generelle Erkenntnisse über einschlägige Ursache-Wirkungsbeziehungen gibt.
Dies wirkt sich auf die Feststellung des Ursachenzusammenhangs aus: Dem Versicherten kommt nun die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII nicht zugute, die unter der Geltung der RVO zwar keine Entsprechung hatte, vor dem Inkrafttreten des SGB VII aber als eine Verpflichtung zur Beachtung der Grundsätze über den Anscheinsbeweis bei Kausalitätsfragen unter der damaligen Rechtslage bereits allgemein anerkannt war (vgl. Brandenburg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 9 SGB VII Rz. 100). Ein Ursachenzusammenhang kann daher im Streitfall nicht bereits deshalb vermutet werden, weil der Versicherte der Einwirkung in erhöhtem Maße ausgesetzt gewesen wäre, so dass mit der Erkrankung hätte gerechnet werden müssen.
Der Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit, der konkreten "Verrichtung", den Einwirkungen und der Krankheit ist damit nicht in dem hier erforderlichen Maße hinreichend wahrscheinlich, sodass die Berufung keinen Erfolg haben kann.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Berufskrankheiten (BK) nach den Nummern 1302 und 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten - Verordnung (BKV).
Der 1941 geborene und im Jahr 2014 verstorbene frühere Kläger (Versicherter) war von 1956 bis 1966 als Maler beschäftigt, von 1967 bis 1977 als Chemiefacharbeiter bei der Firma B. (im Folgenden: B.) und danach als Kesselwärter und Anlagenfahrer bei der N. (jetzt A.) tätig. Wegen einer im September 1973 festgestellten Leberschädigung stellte der Versicherte erstmals 1974 einen Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. März 1975 ab.
Mit Schreiben vom 5. März 2006 stellte der Versicherte erneut einen Antrag auf Feststellung einer Berufskrankheit, den er mit Befindlichkeitsstörungen, Veränderungen des Fettstoffwechsels, Veränderungen der Blutgefäße und drei Schlaganfällen begründete. Diese Leiden seien auf die belastende Tätigkeit bei der Firma B. zurückzuführen. Nach Auswertung der Ermittlungen der Beklagten empfahl deren Beratungsarzt, Dr. P., eine Berufskrankheit nicht anzuerkennen. Dieser Empfehlung schloss sich die staatliche Gewerbeärztin an. Mit Bescheid vom 10. August 2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1302 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) bzw. Nr. 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Versicherte nach dem Untersuchungsbericht der Universität M. aus dem Jahr 1992 einer erhöhten Exposition gegenüber 2,3,7,8-TCDD (Tetrachlordibenzodioxin) bei der Firma B. ausgesetzt gewesen sei, dass diese Stoffe aber nicht geeignet seien, die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu verursachen. Die geklagten Befindlichkeitsstörungen könnten eventuell mit der beruflichen Tätigkeit bei der Firma B. in Zusammenhang stehen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Befindlichkeitsstörungen und der beruflichen Tätigkeit nachgewiesen werden könne. Ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang gehe aus den zahlreichen eingeholten medizinischen Unterlagen jedoch nicht hervor. Die zusätzlichen Gesundheitsstörungen, wie Nasenbluten und Magengeschwüre, die der Versicherte im laufenden Verfahren benannt habe, würden nach derzeitigem Erkenntnisstand ebenfalls nicht durch 2,3,7,8-TCDD oder HCH (Hexachlorcyclohexan, ein Halogenkohlenwasserstoff ("Lindan")) verursacht.
Der Versicherte legte gegen diesen Bescheid, der am 14. August 2006 zur Post gegeben wurde, am 11. September 2006 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei dem Versicherten liege kein typisches Erkrankungsbild der BK 1302 oder BK 1310 vor, sodass eine Berufskrankheit nicht anerkannt werden könne.
Mit Schreiben vom 24. Dezember 2006 hat der Versicherte am 28. Dezember 2006 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben, mit der er sein Begehren auf Anerkennung einer Berufskrankheit weiterverfolgt. Er habe seine Tätigkeit bei der Firma B. allein aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben und sei damals laufend in ärztlicher Behandlung gewesen, auch wenn ihm der Nachweis darüber heute kaum noch möglich sei. Seine damalige Ärztin habe dies der Beklagten auch angezeigt, die schweren Giftwirkungen der in dem Betrieb aufgetretenen Schadstoffe seien damals aber wohl noch nicht bekannt gewesen. Um eine erneute Anstellung nicht zu gefährden, habe er sich auch nicht wegen einer Dioxin-Vergiftung in Behandlung begeben, sondern allgemeine Gesundheitsstörungen vorgebracht. 1986 seien bei ihm anlässlich einer auch von der Beklagten mitveranlassten Reihenuntersuchung erhöhte Cholesterin- und Triglyzeridwerte festgestellt worden, für die die im Betrieb der Firma B. bei ihm verursachten Vergiftungen ursächlich gewesen seien. Auch sei es deshalb zu Störungen seiner Sexualfunktionen gekommen.
Die Beklagte hat demgegenüber erneut darauf verwiesen, dass einschlägige medizinische Befunde nicht vorlägen. Es habe kein Krankheitsbild nachgewiesen werden können, das eine toxische Hirnschädigung belege, abgesehen davon könne wegen der hohen zeitlichen Differenz ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem erstmaligen Nachweis einer Hirnschädigung nicht wahrscheinlich gemacht werden. Es gebe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine generelle Geeignetheit von 2,3,7,8-TCDD und HCH für Fettstoffwechselstörungen oder Arteriosklerose beim Menschen. Störungen der Sexualfunktion mache der Versicherte jetzt erstmals im Klageverfahren geltend, obwohl diese sei 20 Jahren bestehen sollen. Derartige Beschwerden seien bei der Dioxin-Nachuntersuchung 1985 nicht festgestellt worden, sie seien auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Umweltmedizin Dr. S. eingeholt. In seinem Gutachten vom 21. Oktober 2010 kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Versicherte unter Zugrundelegung der Untersuchungen der Universität M. während seiner Tätigkeit bei der Firma B. allenfalls einer leichten bis mittelgradigen Belastung mit Dioxinen und Furanen ausgesetzt gewesen sei. Genaue Angaben zur Konzentration der Belastung mit halogenierten Kohlenwasserstoffen lägen nicht vor, eine Belastung könne aber unterstellt werden und es sei davon auszugehen, dass eine potentiell schädigende Wirkung vorgelegen habe. Hinweise auf eine Erkrankung im Sinne der BK 1302 fänden sich jedoch nicht. Weder seien Krankheitsbilder, die das zentrale Nervensystem beträfen noch eine Nierenerkrankung bei dem Versicherten in der Vergangenheit beschrieben worden. Zwar sei der Gamma-GT-Wert etwas erhöht und es habe eine leichte Leberzellverfettung festgestellt werden können, die Leberfunktion sei aber nicht gestört. Auch die Voraussetzungen für eine BK 1310 lägen nicht vor. Zwar litte der Versicherte vor allem an einer generalisierten Gefäßsklerose, für deren Ausbildung beständen bei dem Versicherten aber ausreichende außerberufliche Risikofaktoren (langjähriges inhalatives Zigarettenrauchen, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Übergewicht). Zwar sei inzwischen wissenschaftlich gesichert, dass TCDD – Kontaminationen ein deutlich erhöhtes Risiko für ischämische Herzerkrankungen auslösten, dies gelte aber nur für die am höchsten belasteten Kollektive. Zu dieser am höchsten belasteten Gruppe gehöre der Versicherte nicht, deshalb ließe sich ein Zusammenhang zwischen der bei ihm bestehenden Gefäßarteriosklerose und der damaligen beruflichen Tätigkeit nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit belegen.
Auf Antrag des Versicherten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht weitere Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. F. und Prof. Dr. H. eingeholt. In seinem Gutachten vom 26. September 2011 kommt der Hauptgutachter Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, die Gesundheitsstörungen des Versicherten (Leberschaden, Fettstoffwechselstörung, Adipositas und neurologische Defizite) seien in dieser Kombination durch die berufliche Exposition bedingt erklärbar. Ohne die beruflichen Belastungen wäre es bei dem Versicherten nicht zu einer Leberschädigung gekommen, die zu einer toxisch bedingten Stoffwechselstörung geführt habe, die wiederum verantwortlich für den Ausbruch des Diabetes sei. Die sich wegen nicht optimaler Einstellung des Diabetes anschließenden arteriosklerotischen Mikroangiopathien (Arteriosklerose der kleineren Blutgefäße) hätten Mangeldurchblutungen im Gehirn zur Folge gehabt. Die Befunde des Testosteronmangels 1985 nach Beginn der Potenzstörungen bezeugten die toxisch bedingten neuroendokrinologische persistierende Wirkung der chlorierten und nicht-chlorierten Kohlenwasserstoffe als weiteres Brückensystem. Diese Gesundheitsstörungen würden von den BKen 1302 und 1310 erfasst, seien 1973 eingetreten und seitdem chronisch. In seinem Zusatzgutachten vom 3. August 2011 führt Prof. Dr. H. zusammengefasst aus, dass sozialrechtlich relevante Gesundheitsstörungen auf neuropsychologischem Gebiet erstmalig nach dem ersten Schlaganfall im Dezember 1997 aufgetreten seien. Inwieweit ein Zusammenhang mit der möglichen Dioxin- und Furanexposition bestehe, bleibe der Bewertung des medizinischen Hauptgutachters überlassen.
Während die Beklagte das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. unter Hinweis auf die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. P. für unschlüssig und nicht nachvollziehbar gehalten hat, hat sich der Versicherte den Ausführungen dieses Sachverständigen und seiner Stellungnahme vom 30. Januar 2012 zu den Einwänden der Beklagten angeschlossen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. März 2012 abgewiesen. Der Versicherte habe keinen Anspruch auf Feststellung seiner Gesundheitsörungen als BK 1302 bzw. BK 1310, da ein Zusammenhang zwischen seinen Erkrankungen und seiner versicherten Tätigkeit nicht habe festgestellt werden können. Im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. sei zwar davon auszugehen, dass der Versicherte einer Belastung durch halogene Kohlenwasserstoffe bei seiner Tätigkeit bei der Firma B. ausgesetzt gewesen sei, dass aber die typischen Krankheitsbilder der BK 1302 bei dem Versicherten fehlten. Die Gesundheitsstörungen auf neuropsychologischem Gebiet seien erst nach einem ersten Schlaganfall im Dezember 1997 dokumentiert, ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sei deshalb auszuschließen. Auch eine BK 1310 könne nicht festgestellt werden. Der Versicherte sei allenfalls einer leichten bis mittelgradigen Belastung mit TCDD ausgesetzt gewesen. Diese habe die Gesundheitsstörung nicht wesentlich im Sinne der im Unfallversicherungsrecht maßgeblichen "Theorie der wesentlichen Bedingung" verursacht. Auch insoweit werde den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. gefolgt, der auf den bei dem Versicherten vorliegenden Risikofaktor des langjährigen Zigarettenrauchens hingewiesen habe. Aus den zitierten wissenschaftlichen Studien ergebe sich, dass ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen nur bei den höchstbelasteten Mitarbeitern der Firma B. vorgelegen habe, zu denen der Versicherte aber nicht gehört habe. Den gutachterlichen Einschätzungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. folge die Kammer nicht, da in Anbetracht der Entscheidung des LSG Hamburg vom 6. November 2001 (Az.: L 3 U 11/01) der von dem Gutachter beschriebene Ursachenzusammenhang zwischen 2,3,7,8-TCDD bzw. HCH und den geltend gemachten Erkrankungen des Versicherten keinesfalls als gesichert gelte.
Der Versicherte hat gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 6. März 2012 zugestellte Urteil am 10. April 2012, dem Dienstag nach Ostern, Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung übersehen, dass er langjährig bei der Firma B. und der N. beschäftigt gewesen sei. Das Sozialgericht hätte sich die Frage stellen müssen, ob nicht aus dem Umstand, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit mit den Gefahrstoffen in Berührung gekommen sei, sich prima facie die geltend gemachten Gesundheitsstörungen erklären ließen. Im Rahmen des sogenannten "B. Skandals" sei es sogar zu Verkaufsverboten von Gemüse in den Vier- und Marschlanden gekommen. Wenn die Beeinträchtigungen für die "Nahrungsmittelkette" so ausgeprägt gewesen seien, dass man sogar zu dirigistischen Maßnahmen gegriffen hätte, liege auf der Hand, dass der täglich im Betrieb arbeitende Personenkreis in viel größerem Ausmaß diesen Einwirkungen ausgesetzt gewesen sei. Ein Zusammenhang mit der Lebererkrankung des Versicherten könne nicht verneint werden, da sich Krankheitsverläufe nicht explosiv ausgestalteten. Diese Sachzusammenhänge sowie die Ursache des Schlaganfalls 1997 habe keiner der Gutachter hinreichend untersucht. Das Sozialgericht habe sich auch völlig zu Unrecht einfach über das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. hinweggesetzt. Hinsichtlich der BK 1310 hätte geprüft werden müssen, inwieweit die angenommene Konzentration von Dioxinen und Furanen, denen der Versicherter ausgesetzt gewesen sei, geeignet gewesen seien, seine Gesundheitsstörungen hervorzurufen. Es sei übersehen worden, dass der langjährige Zigarettengenuss des Versicherten nur mitursächlich für seine Erkrankungen gewesen sein mag.
Nachdem der Versicherte im Jahr 2014 verstorben war, ist auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 13. November 2014 die Aussetzung des Verfahrens angeordnet worden. Auf Antrag der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch des Versicherten hat das Gericht das Verfahren mit Verfügung vom 10. Mai 2016 wieder aufgenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. März 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 aufzuheben und festzustellen, dass alle Gesundheitsstörungen des verstorbenen Harald Borchert Folgen der anzuerkennenden Berufskrankheit Nummer 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) bzw. Nr. 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide) waren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und verweist darauf, dass es für die Anerkennung einer BK1302 bereits an den typischen Krankheitsbildern bei dem Versicherten fehle und für eine Anerkennung einer BK 1310 ein kausaler Zusammenhang zwischen den Erkrankungen des Versicherten und den schädlichen beruflichen Einwirkungen nicht hinreichend wahrscheinlich sei.
Der Senat hat über die Berufung am 28. Februar 2018 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§§ 143, 144, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat es rechtsfehlerfrei abgelehnt, die von dem Versicherten geltend gemachten Beeinträchtigungen als Folgen von Berufskrankheiten nach den Nummern 1302 und 1310 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
1. Ob sich die vom Versicherten verfolgten Ansprüche nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) richten, braucht im Ergebnis nicht entschieden zu werden, da zunächst nur der Antrag auf Feststellung einer BK Streitgegenstand ist.
2. Nach § 551 Abs.1 Satz 2 RVO bzw. § 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit der Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 539, 540, 543, bis 545 RVO bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Dies setzt voraus, dass eine Krankheit vorliegt, die in der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls geltenden BKV aufgeführt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt dagegen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. zuletzt BSG, Urteile vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R, BSGE 120, 230 und vom 23. April 2015 – B 2 U 6/13 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 7). Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R, Juris) und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).
3. Für seine Entscheidung geht der Senat davon aus, dass der Versicherte während der versicherten Tätigkeit bei der Firma B. – anders als bei seiner späteren Tätigkeit bei der Firma A. – einer Belastung durch TCDD und HCH und damit den Listenstoffen der Berufskrankheiten nach den Nummern 1302 und 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ausgesetzt war.
a) Die BK 1302 zählt zu den BKen, die durch chemische Einwirkungen verursacht werden. Aus der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nr. 1302 (Bekanntmachung des damaligen Bundesministeriums für Arbeit (BMA) vom 29. März 1987, BArbBL 6/1985) ist zu entnehmen, dass die Halogenkohlenwasserstoffe (Verbindungen von Kohlenwasserstoffen mit Fluor, Chlor, Brom, Jod) eine heterogene Gruppe zahlreicher organischer Verbindungen sind, die auch in toxikologischer Hinsicht uneinheitlich sind. Im Streitfall ist der auch zu dieser Gruppe zählende Feststoff "HCH" (Gamma Isomer "Lindan") von Bedeutung, dem der Versicherte während seiner Beschäftigung bei der Firma B. ausgesetzt war. Dies ergibt sich aus einem Schreiben ("Memo") der Firma B. vom 9. Mai 2006 und wird auch von sämtlichen in diesem Verfahren tätigen Sachverständigen angenommen. In Übereinstimmung mit der genannten Bekanntmachung des BMA geht der Sachverständige Dr. S. davon aus, dass zu den wesentlichen Krankheitsbildern, die durch halogene Kohlenwasserstoffe hervorgerufen werden, Störungen des zentralen Nervensystems (z.B. Schwindel oder psychische Störungen), Nieren- und Lebererkrankungen zählen. Leber- und Nierenschäden können auch nach langfristiger Exposition gegenüber geringen Konzentrationen von Halogenkohlenwasserstoffen auftreten.
Derartige Krankheitsbilder konnten bei dem Versicherten aber nicht festgestellt werden. Der Versicherte litt weder an Störungen des zentralen Nervensystems noch an Nierenerkrankungen. Der Sachverständige Dr. S. diagnostizierte lediglich eine leichte Leberzellverfettung. Von den einschlägigen Laborwerten ("Leberwerten") war lediglich der Gamma-GT Wert erhöht. Da sich die beiden anderen relevanten Werte (GOT bzw. GPT) im Normalbereich bewegten, konnte der Sachverständige eine schwere Leberzellschädigung ausschließen, auch die Leberfunktion hinsichtlich ihrer Synthese- und Ausscheidungsfunktion war nicht gestört.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. an. Sie sind schlüssig, gut nachvollziehbar und durch eine gründliche Auswertung der Befundtatsachen sowie Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur belegt. Der abweichenden Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. F. folgt der Senat dagegen nicht. Dessen Gutachten leidet vor allem darunter, dass er die beiden Listenkrankheiten nicht getrennt voneinander betrachtet, sondern von einer Hypothese ausgeht, die kombinierte Wirkung der in BK 1303 genannten Lösungsmittel und der chlorierten Verbindungen (BK 1302 und BK 1310) seien bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden. Unter dieser Prämisse zeigt er eine Kausalkette auf, die unterstellt, die beruflichen Belastungen hätten frühzeitig zu einer reversiblen Erkrankung seiner Leber geführt, die dann "Brückensymptom" für toxische Einwirkungen gewesen sei und zu Stoffwechselstörungen und Diabetes geführt habe. Daraus zieht er den Schluss, dass diese Gesundheitsstörungen sehr wohl von den BKen 1302 bzw. 1310 erfasst seien. Jedenfalls für die hier fragliche BK 1302 ist diese Aussage nicht nachvollziehbar, denn bereits die haftungsbegründende Kausalität (Verursachung einer Krankheit durch die Einwirkung) steht damit noch nicht fest. Abgesehen von dem erhöhten Gamma-GT – Wert konnte eine Lebererkrankung (Leberschaden) ja gerade nicht festgestellt werden. Andere von der BK Nr. 1302 erfasste Krankheiten hat auch dieser Sachverständige nicht finden können.
b) Aber auch eine BK nach Nr. 1310, die wesentlich durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide verursacht worden sein müsste, lag bei dem Versicherten nicht vor. Zu den genannten Gefahrstoffen gehört auch TCDD. Vergiftungsbilder beim Menschen werden nach akuter Toxikation mit verhältnismäßig hohen Dosen beobachtet und betreffen vor allem die Haut, die Leber, das periphere und zentrale Nervensystem, Fettstoffwechselstörungen, Magen-Darmbeschwerden sowie Augen-, Nasen- und Rachenschleimhäute. Spätschäden durch TCDD- Einwirkungen kommen in Betracht, etwa die koronare Herzkrankheit (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 1318). Mit dem Sachverständigen Dr. S. ist davon auszugehen, dass die mehrfachen Schlaganfälle des Versicherten und sein früherer Herzinfarkt Folgen einer Arteriosklerose als sein "führendes Leiden" waren. Unter ausführlicher Auswertung der vorliegenden medizinischen Literatur (insbesondere der Untersuchung von Flesch-Janys, Berger, Gurn u.a., Exposure to polychlorinated dioxins an furans and mortality in a cohort of workers from a herbicide producing plant in Hamburg, 1995) kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass bei TCDD-exponierten Personen ein deutlich erhöhtes Risiko für ischämische Herzkrankheiten, zu denen auch die Arteriosklerose zählt, besteht, jedoch nur dann, wenn diese zur höchstbelasteten Gruppe gehören. Der Versicherte, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit einer Konzentration von höchstens 200ppm von 2,3,7,8 TCDD ausgesetzt war, gehört damit nicht zu dieser am höchsten belasteten Gruppe. Deshalb ist von Bedeutung, dass eine ganze Reihe außerberuflicher konkurrierender Faktoren vorlagen, die die Ausbildung dieses Krankheitsbildes begünstigten. Der Sachverständige weist insoweit zutreffend darauf hin, dass der Versicherte an Diabetes litt, bis 1979 täglich bis zu 80 Zigaretten rauchte und stark übergewichtig war. Unter diesen Umständen spricht nicht mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang, sodass ein Verursachung der Erkrankung durch die TCDD – Belastung nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Der Gutachter bezweifelt insoweit lediglich, ob der Studie von Flesch-Janys (die er im Übrigen falsch zitiert und teilweise mit einer 1998 veröffentlichten englischsprachigen Studie zur Krebsmortalität verwechselt) entnommen werden kann, dass für Mitarbeiter, die nicht zu der am höchsten belasteten Gruppe gehörten, überhaupt kein erhöhtes Risiko, an einer ischämischen Herzkrankheit zu erkranken, bestehe. Das hat der Sachverständige Dr. S. aber auch nicht behauptet, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass ein relevantes Mortalitäsrisiko nur für die am höchsten belastete Gruppe nachgewiesen werden konnte. Deshalb ist es für die rechtliche Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs von Bedeutung, dass es für die nicht am höchsten mit TCDD belastete Gruppe keine generelle Erkenntnisse über einschlägige Ursache-Wirkungsbeziehungen gibt.
Dies wirkt sich auf die Feststellung des Ursachenzusammenhangs aus: Dem Versicherten kommt nun die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII nicht zugute, die unter der Geltung der RVO zwar keine Entsprechung hatte, vor dem Inkrafttreten des SGB VII aber als eine Verpflichtung zur Beachtung der Grundsätze über den Anscheinsbeweis bei Kausalitätsfragen unter der damaligen Rechtslage bereits allgemein anerkannt war (vgl. Brandenburg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 9 SGB VII Rz. 100). Ein Ursachenzusammenhang kann daher im Streitfall nicht bereits deshalb vermutet werden, weil der Versicherte der Einwirkung in erhöhtem Maße ausgesetzt gewesen wäre, so dass mit der Erkrankung hätte gerechnet werden müssen.
Der Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit, der konkreten "Verrichtung", den Einwirkungen und der Krankheit ist damit nicht in dem hier erforderlichen Maße hinreichend wahrscheinlich, sodass die Berufung keinen Erfolg haben kann.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
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