L 3 AL 192/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 24 AL 252/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 192/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es besteht kein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für eine Berufsausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme im Rahmen eines Kooperativen Studiums mit integrierter Berufsausbildung.
2. Die Ausschlussregelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG ist nicht auf das Kooperative Studium mit integrierter Berufsausbildung anwendbar.
3. Eine Berufsschulpflicht ist keine Voraussetzung für eine mit der Berufsausbildungsbeihilfe förderfähige Ausbildung.
4. Wenn die Berufsausbildung und das Studium sowohl zeitlich als auch inhaltlich eng miteinander und nicht zu trennend verwoben sind, stellen sie ausbildungsförderrechtlich eine Einheit dar.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. März 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. März 2015, durch welches sie verurteilt wurde, dem Kläger für eine im Rahmen eines dualen Studiums an der Hochschule Y ... absolvierte Ausbildung Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) zu gewähren.

Der am 1987 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 5. September 2011 die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe für eine von ihm in der Zeit vom 12. September 2011 bis zum 28. Februar 2014 zu absolvierende Ausbildung als "Elektroniker für Geräte und Systeme" in der Fachrichtung informations- und kommunikationstechnische Geräte. Die Ausbildung fand im Rahmen des Diplom-Studiengangs Elektrotechnik – Kooperatives Studium mit Integrierter Ausbildung (KIA) – an der Hochschule Y ... statt. Der Kläger war ab 1. September 2011 durchgängig bis zum 29. Februar 2016 an der Hochschule immatrikuliert und wohnte seit September 2011 auch am Studienort.

Die Hochschule war zugleich Ausbildungsbetrieb des Klägers. Hierzu schloss er mit ihr am 9. September 2011 einen Ausbildungsvertrag, der unter anderem folgenden Inhalt hatte: "C. Die Ausbildung findet vorbehaltlich der Regelungen nach § 3 Nr. 12 in

Hochschule Y ... im Rahmen der Kooperativen Ingenieursausbildung (KIA) mit Abnahme der Prüfung Teil I im Frühjahr 2013

und den mit dem Betriebssitz für die Ausbildung üblicherweise zusammenhängenden Bau-, Montage und sonstigen Arbeitsstellen statt." Die Ausbildungsvergütung betrug 714,13 EUR im ersten, 765,74 EUR im zweiten und 813,07 EUR im dritten Ausbildungsjahr. Die betriebliche Durchführung der Ausbildung erfolgte auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Der Vertrag wurde von der Industrie-und Handelskammer (IHK) Dresden unter der Register-Nr. in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse aufgenommen.

Die Abschlussprüfungen für den Ausbildungsberuf "Elektroniker für Geräte und Systeme" nahm die IHK ab. Die Zulassung hierzu erfolgte für die Studenten der Hochschule

Y ..., die an der kooperativen Ingenieursausbildung teilnahmen, auf der Grundlage der "Regelung zur Zulassung zur Abschlussprüfung in anerkannten Ausbildungsberufen für Studenten der Hochschule Y ... (FH) im Rahmen der kooperativen Ingenieurausbildung (KIA)" der Landesarbeitsgemeinschaft der Sächsischen Industrie- und Handelskammern vom 6. August 1999. Diese enthielt unter anderem folgende Regelungen: "Die Zulassung zur Prüfung ist für die Teilnehmer der KIA in den zwischen den sächsischen Industrie- und Handelskammern und der Hochschule Y ... (FH) vereinbarten Berufen wie folgt geregelt: - [ ] - Der Charakter der dualen Ausbildung ist anhand differenzierter Ausbildungs-/Lehrpläne, die durch die Hochschule mit Bestätigungsvermerk für verbindlich zu erklären sind für die vereinbarten Berufe nachweisen: [ ] Energieelektroniker/-in [ ] - die berufspraktische Ausbildung ist anhand der sachlich-zeitlichen Gliederung differenziert für zwei Jahre nachzuweisen, - [ ]:

Die Anmeldung zur Prüfung hat [ ] unter Vorlage der Befürwortung der Hochschule Y ... [ ] zu erfolgen. Zum Antrag auf Zulassung nach § 40 (3) BBiG sind einzureichen: - [ ] - Vorlage einer Einschätzung (Zeugnis) über die erfolge Ausbildung (Hochschule und Unternehmen) und Bestätigung der Lernfortschrittskontrollen - Nachweis über die erfolgreiche Teilnahme am Grundstudium KIA (Vorlage der Prüfungsergebnisse nach dem zweiten Teilzeitsemester und des bestätigten Teilnahmenachweises)."

Mit Schreiben vom 9. September 2011 teilte die Hochschule Y ... dem Kläger mit, dass durch die Annahme des Angebots der Hochschule für einen Ausbildungsplatz im Rahmen des Kooperativen Studiums mit integrierter Berufsausbildung ein Ausbildungsvertrag zustande gekommen sei, der eine der Zulassungsvoraussetzungen für ein Studium mit integrierter Berufsausbildung darstelle. Der Zulassungsbescheid zum Studiengang "Elektrotechnik (Kooperative Ingenieursausbildung)" erging am 12. September 2011. Beginn der Lehrveranstaltungen war der 4. Oktober 2011.

Die Studienordnung für den Diplom-Studiengang "Elektrotechnik – Kooperatives Studium mit Integrierter Ausbildung (KIA) – an der Hochschule Y ... vom 18. Mai 2011"

regelte unter anderem: "§ 2 Studienvoraussetzungen [ ] (4) Für die Zulassung zum Studiengang Elektrotechnik (KIA) ist der Abschluss eines Vertrages zur berufspraktischen Ausbildung des Bewerbers in einem dem Studium entsprechenden Beruf mit einem geeigneten Unternehmen erforderlich."

"§ 4 Beginn und Dauer des Studiums [ ] (2) Die Regelstudienzeit einschließlich der berufspraktischen Ausbildung und der Diplom-Arbeit beträgt zehn Semester. (3) Das Studium im Diplom-Studiengang Elektrotechnik (KIA) beinhaltet vier Teilzeitsemester. Dieses sind die Semester 2.1, 2.2, 3.1 und 3.1 entsprechend Anlage 1 dieser Studienordnung. In diesen Semestern findet eine mehrfach wechselnde Tätigkeit der Studierenden an der Hochschule und in Unternehmen entsprechend § 2 Abs. 4 statt. Über die genauen Zeiträume an der Hochschule und in den Unternehmen wird zu Beginn des jeweiligen Studienjahres informiert. Die Anwesenheitsphasen an der Hochschule und in den Unternehmen teilen sich annähernd paritätisch auf. (4) Die Teilzeitsemester dienen gleichzeitig der Berufsausbildung."

Der nach Kalenderwochen unterteilte Studienablaufplan sah insgesamt fünf Studienjahre mit acht Semestern vor, wobei die ersten drei Studienjahre in die Semester 1 und 2.1, 2.2 und 3.1 sowie 3.2 und 4 gegliedert waren. In den ersten zweieinhalb Studienjahren waren die Kalenderwochen blockweise in berufspraktische Arbeit im Ausbildungsbetrieb sowie Studientage an der Hochschule unterteilt. Jedes Semester enthielt Prüfungszeiten der Hochschule. Im zweiten Studienjahr (Semester 3.1) fand die IHK-Kammerprüfung Teil I und im dritten Studienjahr (Semester 3.2) die abschließende IHK-Kammerprüfung Teil II statt. Ab Mitte des dritten Studienjahres (Semester 4) wurde die berufspraktische Arbeit im Ausbildungsbetrieb durch eine ingenieurnahe praktische Tätigkeit im Unternehmen abgelöst, die sich blockweise mit den Studientagen an der Hochschule abwechselte. Im sechsten Semester erfolgte die ingenieurnahe praktische Tätigkeit im Unternehmen im Rahmen eines Praxissemester von 20 Wochen und im achten Semester im Rahmen der Diplomarbeit.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe ab. Seine Ausbildung sei nicht nach § 60 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) förderfähig, da sie im Rahmen der Kooperativen Ingenieursausbildung (KIA) absolviert werde.

Den hiergegen eingelegte Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2012 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 19. April 2012 Klage erhoben. Es bestehe ein gültiger Ausbildungsvertrag auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes, der auch im Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse bei der IHK eingetragen sei. Seine Berufsausbildung ende mit einer ordentlichen Prüfung vor der IHK.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. März 2015 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2012 verpflichtet, dem Kläger ab dem 12. September 2011 Berufsausbildungsbeihilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Ausbildung des Klägers sei förderungsfähig, da sie nach § 60 Abs. 1 SGB III in einem nach §§ 3, 4 BBiG staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich durchgeführt werde und der hierfür notwendige Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden sei. Es sei auf die Anerkennung des Berufsabschlusses durch die IHK durch die Eintragung in das Berufsausbildungsverzeichnis abzustellen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 6. Juli 2015 zugestellte Urteil am 23. Juli 2015 Berufung eingelegt. Die vom Kläger absolvierte Ausbildung sei integraler Bestandteil des von ihm absolvierten Studienganges und könne nicht isoliert betrachtet werden. Es handele sich hierbei um ein duales Studium mit integrierter Berufsausbildung, bei dem die berufspraktischen Phasen Bestandteil des Studiums und nicht förderfähig im Sinne der Berufsausbildungsbeihilfe seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. März 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die nach seiner Auffassung zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Seine für ihn in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2017 anwesende Mutter hatte keine Prozessvollmacht. Hierauf war der Kläger mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 hingewiesen worden.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht mit Urteil vom 26. März 2015 stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2012 ist rechtmäßig. Das Urteil des Sozialgerichts ist somit aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für die von ihm im Rahmen des Kooperativen Studiums mit integrierter Berufsausbildung (KIA) an der Hochschule Y ... absolvierte Ausbildung. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine förderfähige Ausbildung im Sinne von § 59 Nr. 1 SGB III (in der hier maßgebenden, bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997 [BGBl. I S. 594, 595]) i. V. m. § 60 Abs. 1 SGB III (in der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 25 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 [BGBl. I S. 2917]).

1. Der Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Maßnahme setzte unter anderem voraus, dass die berufliche Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderfähig war (vgl. § 59 Nr. 1 SGB III a. F.). Eine berufliche Ausbildung war nach § 60 Abs. 1 SGB III a. F. förderfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wurde und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen war.

Der Kläger, der als Deutscher [im Sinne des Grundgesetzes] zum förderungsfähigen Personenkreis gehörte (vgl. § 59 Nr. 2 Alt. 1 SGB III a. F. i. V. m. § 63 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a. F.) und auch die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung (vgl. § 59 Nr. 2 Alt. 2 SGB III a. F. i. V. m. § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 1 SGB III a. F.) erfüllte, absolvierte zwar während seines Studiums auch eine beruflichen Ausbildung in dem beschriebenen Sinne (a). Dem geltend gemachten Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe steht weder die Ausschlussregelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG (b) noch der Umstand, dass der Kläger keine Berufsschule besuchte (c) entgegen. Bei der Prüfung eines möglichen Anspruches auf Berufsausbildungsbeihilfe ist jedoch die Besonderheit der Berufsausbildung des Klägers zu beachten, welche nicht, auch nicht teilweise, zeitversetzt, sondern zeitlich parallel zu dem von ihm betriebenen Studium und mit diesem im Ausbildungsablauf verzahnt absolviert wurde. In diesem Fall ist für die Frage der Förderfähigkeit maßgebend, ob die berufliche Ausbildung oder das Studium der zeitlich verzahnten Ausbildung das Gepräge verliehen hat (d).

a) Der Kläger absolvierte eine berufliche Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme. Hierbei handelt es sich um einen nach §§ 3, 4 BBiG staatlich anerkannten Ausbildungsberuf (vgl. § 1 Nr. 4 der Verordnung über die Berufsausbildung in den industriellen Elektroberufen vom 24. Juli 2007 [BGBl. I S. 1678], zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 28. Juni 2013 [BGBl. I S. 2201]). Der in der Prüfungszulassungsregelung der Landesarbeitsgemeinschaft der Sächsischen Industrie- und Handelskammern vom 6. August 1999 aufgeführte Begriff des Energieelektronikers war die bis zum 31. Juli 2003 geltende, in § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Berufsausbildung in den industriellen Elektroberufen und zum Kommunikationselektroniker/zur Kommunikationselektronikerin im Bereich der Deutschen Bundespost (BGBl. I S. 199) enthaltene Vorgängerbezeichnung zum Elektroniker für Geräte und Systeme. Die praktische Berufsausbildung des Klägers erfolgte betrieblich.

Für einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe ist es allerdings nicht ausreichend, wenn das Ausbildungsziel ein anerkannter Ausbildungsberuf ist. Vielmehr fordert das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung, dass die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nur dann gefördert wird, wenn sie in der durch das Berufsbildungsgesetz vorgeschriebenen Form geschieht (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 1990 – 9b/7 RAr 18/89SozR 3-4100 § 40 Nr. 2 = juris Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 18. August 2005 – B 7a/7 AL 100/04 – juris Rdnr. 17). Dies ist hier der Fall. Der nach §§ 10 und 11 BBiG vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag war abgeschlossen und von der IHK gemäß § 34 BBiG in das von ihr geführte Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen worden. Durch die Aufnahme des Berufsausbildungsverhältnisses in das nach § 34 BBiG zu führende Verzeichnis entscheidet die hierfür zuständige Stelle, ob eine Ausbildung der durch das Berufsbildungsgesetz vorgeschriebenen Form entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 18. August 2005 – B 7a/7 AL 100/04 – juris Rdnr. 16 f.; Sächs. LSG, Urteil vom 10. November 2011 – L 3 AL 60/10 – juris Rdnr. 21)

b) Dem geltend gemachten Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe steht nicht § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG entgegen. Danach gilt das Berufsbildungsgesetz nicht für die Berufsbildung, die in berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes und der Hochschulgesetze der Länder durchgeführt wird.

In Bezug auf duale Studiengänge unterscheidet das Bundessozialgerichts zwischen vier Varianten (vgl. zur Frage der Feststellung der Sozialversicherungspflicht in dualen Studiengängen: BSG, Urteil vom 1. Dezember 2009 – B 12 R 4/08 RBSGE 105, 56 ff. = SozR 4-2400 § 7 Nr. 11 – juris Rdnr. 19). Bei einem ausbildungsintegrierten dualen Studiums wird das Studium mit einer betrieblichen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf verknüpft, so dass in der Regel neben dem Studienabschluss ein Abschluss in einem Ausbildungsberuf erworben wird. Bei sogenannten berufsintegrierten dualen Studiengängen wird die bisherige Tätigkeit den Erfordernissen des Studiums angepasst. Bei der dritten Variante, dem sogenannten berufsbegleitenden Studium, wird die Ausbildung – einem Fernstudium ähnlich – nach einer Vollzeitberufstätigkeit absolviert. Das sogenannte praxisintegrierte duale Studium schließlich ist durch eine organisatorische und curricale Verbindung zwischen "dem Lernort Hochschule und dem Lernort Betrieb" gekennzeichnet. Bei derartigen Studiengängen ist die Tätigkeit im Betrieb – unabhängig von einer finanziellen Förderung durch einen Arbeitgeber/Kooperationsbetrieb – weder eine gegen Arbeitsentgelt verrichtete Beschäftigung noch eine Berufsausbildung, da die während der Praktikumszeit im Kooperationsbetrieb ausgeübten Tätigkeit im Rahmen und als Bestandteil einer Hochschulausbildung verzogen werden soll. Solche berufspraktischen Phasen können trotz Vorliegens zweier eigenständiger Verträge (z. B. Studienvertrag und Praktikumsvertrag) sozialversicherungsrechtlich nicht als abtrennbar und gesondert zu betrachtendes Rechtsverhältnis verstanden werden, wobei es unerheblich ist, ob der Einstieg ins Studium direkt über die Hochschule bzw. Berufsakademie oder durch Bewerbung bei einem Unternehmen erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Dezember 2009, a. a. O.,; so auch BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 R 16/09 RBSGE 109, 22 ff. = SozR 4-2400 § 7 Nr. 14 = juris, jeweils Rdnr. 22 in entsprechender Anwendung bei Ausbildungsgängen nichtakademischer Berufe; Sächs. LSG, Urteil vom 18. Juni 2015 – L 3 AL 110/13 – juris Rdnr 68 zur Frage des Vorliegens einer versicherungspflichtige Beschäftigung in einem praxisintegrierten dualen Studium).

Diese Unterscheidung vorangestellt wird zu § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG die Auffassung vertreten, dass ausbildungsintegrierte duale Studiengänge nicht vom Berufsbildungsgesetz umfasst und damit auch nicht förderfähig seien (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. August 2017 – L 14 AL 35/16 – info also 2017, 266 f. = juris Rdnr. 28; Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB II/SGB III [67. Erg.-Lfg, Sept. 2017], § 57 SGB III Rdnr. 19; Herbst, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III [2014], § 57 Rdnr. 32). Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Ausschlussvorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nur bei praxisintegrierten Studiengängen greifen soll (vgl. SG Speyer, Urteil vom 3. September 2014 – S 1 AL 13/14 – info also 2015, 17 [18] = juris Rdnr. 17; Petzold, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: 4/17, Okt. 2017], § 56 Rdnr. 8; zur Einbeziehung ausbildungsintegrierter Studiengänge in den Geltungsbereich des BBiG auch Koch-Rust/Rosentreter, NJW 2009, 3005 [3007], Wohlgemuth, in: Wohlgemuth [Hrsg.], Berufsbildungsgesetz [2011], § 3 Rdnr. 7, m. w. N.; im Ergebnis ebenso: Benecke, in: Benecke / Hergenröder, Berufsbildungsgesetz [2009], § 3 Rdnr. 5). Zum Teil wird auch darauf abgestellt, ob bei einem zweistufigen Modell eine betriebliche Ausbildungsphase vor der Aufnahme eines Vollzeitstudiums erfolgt. Für die Zeit der Ausbildungsphase bis zur Immatrikulation soll ein Anspruch aus Berufsausbildungsbeihilfe bestehen können (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 11. September 2013 – L 2 AL 86/10 – juris Rdnr. 32). Das Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht schließlich hat im Urteil vom 12. Mai 2017 die Auffassung vertreten, dass eine berufliche Ausbildung, die in einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten Ausbildungsberuf und nach den vorgeschriebenen Formen erfolgt, keine mit Berufsausbildungsbeihilfe förderungsfähige Ausbildung sei, wenn sie im Rahmen eines ausbildungsintegrierten dualen Studiengangs an einer Fach-/Hochschule durchgeführt werde, da mit Aufnahme des Studiums, das heißt der Immatrikulation, der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG greife. Dies gelte auch für die Aufnahme eines Studiums an einer Berufsakademie, auch wenn eine Förderung nach dem Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung – Bundesausbildungsförderungsgesetz – (BAföG) nicht gegeben sei (vgl. Schlesw.-Holst. LSG, Urteil vom 12. Mai 2017 – L 3 AL 15/15 – info also 2018, 21 ff. = juris Rdnr. 30 ff.).

Ausgangspunkt der Auslegung einer Regelung ist deren Wortlaut (vgl. u. a. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 [Deal im Strafprozess] – BVerfGE 133, 168 ff. = NJW 2013, 1058 ff. = juris Rdnr. 66). In § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG stellt der Gesetzgeber auf den Begriff des Studienganges ab. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) führen die Studiengänge in der Regel zu einem berufsqualifizierenden Abschluss. Unter Bezugnahme auf § 10 HRG hat das Bundesverwaltungsgericht den Begriff des Studienganges dahingehend beschrieben, dass er im Hochschulrahmengesetz vorausgesetzt werde und ein durch Studien- und Prüfungsordnung geregeltes, in der Regel auf einen berufsqualifizierenden Abschluss ausgerichtetes Studium bedeute (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 1985 – 7 C 85/84DVBl 1986, 53 ff. = NVwZ 1986, 839 f. = juris Rdnr. 15).

Bei dem vom Kläger im Diplom-Studiengang Elektrotechnik (KIA) erworbenen akademischen Grad "Diplom-Ingenieur/Diplom-Ingenieurin (FH)" handelt es sich um einen berufsqualifizierenden Abschluss. Ein Abschluss in einem Bachelor- oder Diplomstudiengang stellt als solcher bereits einen berufsqualifizierenden Hochschulabschluss dar (vgl. VG Frankfurt, Beschluss vom 10. Juni 2009 – 12 L 856/09.F – juris Rdnr. 12; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16. Januar 2012 – 2 B 409/11 – juris Rdnr. 4). In diesem Sinn ist in § 1 Satz 1 der Prüfungsordnung geregelt, dass die Diplom-Prüfung den berufsqualifizierenden Abschluss des Diplom-Studiengangs "Elektrotechnik (KIA)" bildet. Nach bestandener Diplom-Prüfung verleiht die Hochschule Y ... den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur/Diplom-Ingenieurin (FH)" (vgl. § 2 der Prüfungsordnung) und fertigt ein Zeugnis, eine Diplom-Urkunde und ein Diploma Supplement aus (vgl. § 25 der Prüfungsordnung).

Demgegenüber absolvierte der Kläger seine Berufsausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme nicht "in" (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG) einem berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengang an einer Hochschulen auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes und der Hochschulgesetze der Länder, sondern im Zusammenhang mit dem Studium. Auch erwarb der Kläger seinen Berufsabschluss nicht im Studium an der Hochschule, sondern auf Grund einer Prüfung durch die IHK, die lediglich zeitlich während des Studiums durchgeführt wurde.

Damit ist § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG bereits nach seinem Wortlaut nicht auf das vom Kläger absolvierte Kooperative Studium mit Integrierter Ausbildung (KIA) anwendbar.

Im Übrigen wird von denjenigen, die die Ausschlussregelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG auf ausbildungsintegrierte Studiengänge anwenden möchten, nicht erklärt, auf welcher Rechtsgrundlage der Auszubildende/Student seinen Berufsabschluss erwerben soll. So ist zum Beispiel im Berufsbildungsgesetz geregelt, dass der Berufsausbildungsvertrag in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse aufzunehmen ist (vgl. §§ 34, 35 BBiG), dass in einem anerkannten Ausbildungsberuf eine Abschlussprüfung durchzuführen ist (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 BBiG), dass für die Abnahme der Abschlussprüfung ein Prüfungsausschuss zu errichten ist (vgl. §§ 39 bis 42 BBiG), oder dass dem Prüfling ein Zeugnis auszustellen ist (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 BBiG). Wenn aber auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG "dieses Gesetz", das heißt das Berufsbildungsgesetz, nicht gilt, gelten sämtliche Regelungen des Berufsbildungsgesetzes einschließlich der beispielhaft genannten nicht. Hochschulrechtliche Regelungen betreffend die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf im Sinne von § 1 Abs. 2 BBiG, die Durchführung einer Abschlussprüfung oder die Erteilung eines Zeugnis über den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf gibt es nicht. Übertragen auf den Kläger würde dies bedeuten, dass es keine Rechtsgrundlage gegeben hätte, auf Grund derer die IHK befugt gewesen wäre, seine Prüfung zum Elektriker für Geräte und Systeme abzunehmen und ihm hierüber ein Prüfungszeugnis auszustellen.

Die Frage, ob die Berufsausbildung des Klägers mit einer Berufsausbildungsbeihilfe gefördert werden kann, ist somit nicht über § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG zu lösen.

c) Zum Teil wird die Auffassung vertreten (vgl. Petzold, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: 4/17, Okt. 2017], § 57 Rdnr. 4), dass eine mit der Berufsausbildungsbeihilfe förderfähige Ausbildung nur vorliege, wenn die Berufsschulpflicht bestehe. Den in diesem Zusammenhang vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Urteil vom 29. August 2017 (a. a. O.) zitierten Urteilen des Thüringischen Landessozialgerichtes (vgl. Thür. LSG, Urteil vom 21. April 2005 – L 3 AL 775/02 – juris Rdnr. 20 f.) und des Landessozialgerichtes Hamburg (vgl. LSG Hamburg; Urteil vom 11. September 2013 – L 2 AL 86/10 – juris) ist dieser Rechtsstandpunkt nicht zu entnehmen. Die Entscheidungen sind im Übrigen auch zu einem anderen Kontext ergangen.

Diesem Ansatz ist zuzugeben, dass der Besuch der Berufsschule an mehreren Stellen im Berufsbildungsgesetz erwähnt wird. So haben Ausbildende Auszubildende zum Besuch der Berufsschule anzuhalten (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 4 BBiG) und sie unter anderem für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen (vgl. § 15 Satz 1 BBiG). In der Abschlussprüfung soll der Prüfling unter anderem nachweisen, dass er mit dem im Berufsschulunterricht zu vermittelnden, für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff vertraut ist (vgl. § 38 Satz 2 BBiG).

Die Berufsschulpflicht als solche ist allerdings weder im Berufsbildungsgesetz noch in die Ausbildungsförderung betreffenden Bundesgesetzen geregelt. Sie ist vielmehr in den landesrechtlichen Schulgesetzen verankert. So gliedert sich nach § 28 Abs. 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Schulgesetz – SächsSchulG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 (SächsGVBl. S. 298, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. April 2017 [SächsGVBl. S. 242]) die Schulpflicht in 1. die Pflicht zum Besuch der Grundschule oder der Klassenstufen 1 bis 4 der allgemein bildenden Förderschule und einer weiterführenden allgemein bildenden Schule (Vollzeitschulpflicht) und 2. die Pflicht zum Besuch der Berufsschule oder der entsprechenden berufsbildenden Förderschule (Berufsschulpflicht). Die Vollzeitschulpflicht dauert neun Schuljahre; die Berufsschulpflicht dauert in der Regel drei Schuljahre (vgl. § 28 Abs. 2 SächsSchulG). Die Berufsschulpflicht eines Auszubildenden endet mit dem Ende des Berufsausbildungsverhältnisses (vgl. § 28 Abs. 3 SächsSchulG). Nach § 28 Abs. 4 Satz 2 SächsSchulG können Auszubildende, die nach Beendigung der Berufsschulpflicht ein Berufsausbildungsverhältnis beginnen, die Berufsschule oder die entsprechende berufsbildende Förderschule bis zum Ende des Berufsausbildungsverhältnisses besuchen.

Nicht nur die Gesetzgebungskompetenzen bezüglich der Förderung einer beruflichen oder schulischen Ausbildung auf der einen Seite und der allgemeinen Schulpflicht auf der anderen Seite sind getrennt, sondern es unterscheiden sich auch die Regelungszwecke. Die allgemeine Schulpflicht versteht das Bundesverfassungsgericht als Konkretisierung des dem Staat in Artikel 7 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erteilten Erziehungsauftrags, die das elterliche Erziehungsrecht in grundsätzlich zulässiger Weise beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2006 – 2 BvR 1693/04 [Schulpflicht] – FamRZ 2006, 1094 ff. = juris Rdnr. 9, m. w. N.; vgl. auch Rdnr. 16 ff.). Der staatliche Erziehungsauftrag richtet sich, so das Bundesverfassungsgericht, "nicht nur auf die Vermittlung von Wissen und die Erziehung zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit. Er richtet sich auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilhaben. Soziale Kompetenz im Umgang auch mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung können effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichen Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung sind" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2006, a. a. O., Rdnr. 16). Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten "Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2006, a. a. O., Rdnr. 18 f.). Demgegenüber ist es, so das Bundessozialgericht im Urteil vom 23. Mai 1990, Zweck der Förderung mit Berufsausbildungsbeihilfe, eine Berufsausbildung zu ermöglichen, die eine breit angelegte berufliche Grundbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang vermittelt und Gelegenheit zum Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen bietet (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 1990 – 9b/7 RAr 18/89SozR 3-4100 § 40 Nr. 2 = juris Rdnr. 15). Die Förderung der Berufsausbildung dient letztlich der Verwirklichung der Berufsfreiheit im Sinne von Artikel 12 GG. Sie soll die Wahl eines Berufes und die dafür notwendige Ausbildung ermöglichen, unabhängig von den eigenen (oder familiären) finanziellen Möglichkeiten (vgl. Petzold, a. a. O., § 56 Rdnr. 2).

Die Forderung nach einer Berufsschulpflicht als Voraussetzung für einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hätte zur Folge, dass ältere Auszubildende keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hätten. Denn die neunjährige Vollzeitschulpflicht und die dreijährige Berufsschulpflicht ergeben eine Gesamtdauer der Schulpflicht von 12 Jahren. Da alle Kinder, die bis zum 30. Juni des laufenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben, mit dem Beginn des Schuljahres schulpflichtig werden (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 SächsSchulG), endet in Sachsen die Schulpflicht im vollendeten 18. Lebensjahr. Damit wäre der Kläger, der zu Beginn seiner Berufsausbildung im September 2011 sein 23. Lebensjahr vollendet hatte, dem Grunde nach von einer Förderung mit Berufsausbildungsbeihilfe ausgeschlossen gewesen. Dies hätte für ihn selbst in den Ländern gegolten, in denen die Berufsschulpflicht bis zum Ende des Schuljahres, in dem das 21. Lebensjahr vollendet wird, andauert (vgl. Artikel 39 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen [BayEUG]; § 21 Abs. 1 Satz 3 des Thüringer Schulgesetzes [ThürSchulG]).

Im Recht der Berufsausbildungsbeihilfe gibt es aber keine Altersbegrenzung. Vielmehr ergibt sich aus § 60 Abs. 2 Nr. 1 SGB III, dass auch ältere Auszubildende bei einer Berufsausbildung gefördert werden können. Danach werden zwar auch Auszubildende, die 18 Jahre oder älter sind, nur gefördert, wenn sie außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils wohnen (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Für sie gilt aber gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 1 SGB III nicht die weitere Anforderung, dass die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreichen kann.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat es bereits im Urteil vom 24. Oktober 2007 als für den Charakter einer betrieblichen Ausbildung als Berufsausbildung unerheblich erachtet, dass der Erwerb der theoretischen Kenntnisse für die Abschlussprüfung statt an der Berufsschule ("duale Ausbildung") durch das Studium an der Fachhochschule ("duales Studium") erfolgt ist (zur Abgrenzung von "dualer Berufsausbildung" und "dualem Studiengang": Natzel, NZA 2008, 567). Denn das Berufsbildungsgesetz lasse auch Raum für neuartige Formen der Ausbildung in den anerkannten Ausbildungsberufen, indem etwa der herkömmliche Berufsschulunterricht durch gleich- oder höherwertige theoretische Unterweisungen ersetzt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2007 – 6 C 9/07NVwZ-RR 2008, 263 ff. = juris Rdnr. 17).

d) Da die Berufsausbildung des Klägers und sein Studium sowohl zeitlich als auch inhaltlich eng miteinander und nicht zu trennend verwoben waren, stellt das Kooperative Studium mit Integrierter Ausbildung eine Einheit dar. Demzufolge ist die Entscheidung darüber, ob die Berufsausbildung, die im Rahmen eines dualen Studiums absolviert wird, mit Berufsausbildungsbeihilfe gefördert werden kann, auf Grund einer wertenden Entscheidung zu diesem dualen Studium zu treffen.

Dies beruht darauf, dass eine gleichzeitige Förderung mit Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III und Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ausgeschlossen ist (vgl. Brecht-Heitzmann, a. a. O., § 56 SGB III Rdnr. 17; Herbst, a. a. O., § 56 Rdnr. 15; Wagner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III [6. Aufl., 2017], § 56 Rdnr. 2). Denn während nach näheren Maßgaben Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nur für den Besuch von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen, Berufsfachschulklassen und Fachschulklassen, Fach- und Fachoberschulklassen, Abendhauptschulen, Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs, höheren Fachschulen und Akademien sowie Hochschulen (vgl. § 2 BAföG) und für die Teilnahme an Fernunterrichtslehrgängen (vgl. § 3 BAföG) geleistet wird, besteht ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe nur während einer Berufsausbildung (vgl. § 56 Abs. 1 SGB III), einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme nach § 51 SGB III (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB III) und – seit 1. Mai 2015 (vgl. Artikel 1b Nr. 3 des Gesetzes vom 15. April 2015 [BGBl. I S. 583]) – einer Teilnahme an einer ausbildungsvorbereitenden Phase nach § 130 SGB III (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Wegen der sich gegenseitig anschließenden Förderungssysteme scheidet auch eine Förderung der Aus- und Weiterbildung in akademischen Berufen an Hochschulen und hochschulähnlichen Einrichtungen durch die Bundesagentur für Arbeit aus (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 15. März 2016 – L 9 AL 284/15 B ER – juris Rdnr. 29; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. August 2017 – L 14 AL 35/16 – juris Rdnr. 28; Mutschler, a. a. O., § 56 Rdnr. 2).

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 24. Oktober 2007 zu einer dualen Ingenieurausbildung, bei der der dortige Kläger neben dem Fachhochschulabschluss auch den Berufsabschluss eines Mechatroniker erworben hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2007, a. a. O., juris Rdnr. 2), festgestellt, dass das Ziel dieser besonderen Ausbildungsform die Erlangung von zwei verschiedenen Abschlüssen, nämlich sowohl des Facharbeiterbriefes in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf als auch eines Hochschulgrades sei. Diese Doppelqualifikation der Absolventen kennzeichne den dualen Studiengang (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2007, a. a. O., juris Rdnr. 16). Der aus einem betrieblichen und einem Hochschulteil bestehende duale Studiengang sei als Einheit zu betrachten. Es hat sodann geprüft, welches der beiden Elemente für das duale Studium prägend war. Hierbei hat es ausgeführt: "Obwohl beide Teile des dualen Studiengangs – die betriebliche Ausbildung und die Fachhochschulausbildung – formal selbständig sind, sind sie doch zeitlich und inhaltlich miteinander verzahnt. Typischerweise laufen beide Ausbildungen parallel; jedenfalls beginnt das Fachhochschulstudium deutlich vor dem Ende der betrieblichen Ausbildung. Während der Besuch der Fachhochschule den die betriebliche Ausbildung sonst begleitenden Berufsschulbesuch ersetzt, liefert die betriebliche Ausbildung ihrerseits dem Fachhochschulstudium den sinnvollen und gewünschten Praxisbezug." (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2007, a. a. O., juris Rdnr. 23). Im Ergebnis sah es das duale Studium als durch das Hochschulelement geprägt an (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2007, a. a. O., juris Rdnr. 23, 30).

Auf diese Entscheidung und die eingehenden Ausführungen hat das Bundessozialgericht ein dreiviertel Jahr später in zwei Urteilen ausdrücklich Bezug genommen. Im Urteil vom 10. Juni 2008 hat es bestätigt, dass der aus einem betrieblichen und einem Hochschulteil bestehende duale Studiengang als Einheit zu betrachten sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 2008 – 6 C 10/08 – juris Rdnr. 16). Dieser Entscheidung hat ein kombinierter Bildungsgang mit einer Berufsausbildung zum Industriemechaniker und einem Fachhochschulstudium mit dem Abschluss als Bachelor of Engineering, Fachrichtung Maschinenbau, zugrunde gelegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 2008, a. a. O., Rdnr. 1, 16). Auch hier ist nach Auffassung des Bundessozialgerichtes das Hochschulelement prägend gewesen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 2008, a. a. O., Rdnr. 16). Entsprechend ist das Urteil vom 11. Juni 2008 ausgefallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 – 6 C 35/07 – juris Rdnr. 13 ff.), bei dem es ebenfalls um einen kombinierten Bildungsgang von Berufsausbildung zum Industriemechaniker und Fachhochschulstudium mit Abschluss als Bachelor of Engineering gegangen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008, a. a. O., juris Rdnr. 1, 3, 13). Neu sind in letzterer Entscheidung die Ausführungen dazu, dass die gleichzeitige Durchführung einer regulären betrieblichen und einer regulären Hochschulausbildung im Normalfall ausgeschlossen sei, weil beide Ausbildungen sich in Vollzeitform vollzögen. Gerade deswegen bedürfe es der Koordinierung, wie sie vorliegend in Gestalt des dualen Studienganges erfolgt sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008, a. a. O., juris Rdnr. 18).

Die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist zwar zu § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b Alt. 1 des Wehrpflichtgesetzes (WPflG) in der bis zum 8. August 2008 geltenden Fassung (seit 9. August 2008: § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b WPflG, i. d. F. der Bekanntmachung vom 16. September 2008 [BGBl. I S. 1886]) ergangen. Danach hat für die Zurückstellung vom Wehrdienst eine besondere Härte vorgelegen, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium, in dem zum vorgesehenen Diensteintritt das dritte Semester bereits erreicht gewesen ist, unterbrochen hätte. Diese Regelung hat für duale Studien seit 9. August 2008 an Bedeutung verloren, weil seither auch die Unterbrechung eines zum vorgesehenen Diensteintritt begonnenen dualen Bildungsganges (Studium mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung), dessen Regelstudienzeit acht Semester nicht überschreitet und bei dem das Studium spätestens drei Monate nach Beginn der betrieblichen Ausbildung aufgenommen wird, als besondere Härte gilt (vgl. § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG).

Gleichwohl kann diese Rechtsprechung zur Beurteilung der Förderungsfähigkeit eines dualen Studiums herangezogen werden, weil auch hier die mittelbar in Gesetzen zum Ausdruck kommende Vorstellung des Gesetzgebers, dass eine reguläre betriebliche und eine reguläre Hochschulausbildung im Normalfall nicht gleichzeitig durchgeführt werden können mit der Folge, dass es auch keine Konkurrenz von Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geben kann, Auslöser für die Frage nach der Abgrenzung der beiden Förderungsinstrumente ist.

Ausgehend von den vom Bundessozialgericht herangezogenen Kriterien ergibt sich für das vom Kläger absolvierte Kooperative Studium mit integrierter Ausbildung hinsichtlich der zeitlichen Verteilung der auf die Berufsausbildung und das Studium entfallenden Anteile folgendes Bild: In den fünf Studienjahren fielen nach dem Studienablaufplan 98 Wochen für Studientage an der Hochschule, 71 Wochen für berufspraktische Arbeiten im Ausbildungsbetrieb und 46 Wochen für ingenieurnahe Tätigkeit im Unternehmen an. Allein die Zeiten der Studientage überwogen schon die der berufspraktischen Arbeiten. Wenn zu den Studienzeiten noch die Zeiten der ingenieurnahen Tätigkeit hinzugerechnet werden, entspricht dies einem Verhältnis von etwa 2: 1 bezogen auf die Zeiten der berufspraktischen Arbeiten. Allein dies verdeutlicht, dass der auf das Studium entfallende Zeitanteil überwog. Hierbei sind noch nicht einmal das 6. Semester (Sommersemester im 4. Studienjahr) mit dem Praxissemester von 20 Wochen und das 8. Semester (Sommersemester im 5. Studienjahr), in dem die Diplomarbeit zu fertigen war, berücksichtigt.

Der theoretische Teil der Berufsausbildung des Klägers erfolgte ausschließlich im Rahmen von Studienveranstaltungen. Dort gibt es keine allgemeinbildenden Fächer wie Deutsch/Kommunikation, Englisch, Gemeinschaftskunde, Wirtschaftskunde, Evangelische Religion, Katholische Religion oder Ethik oder Sport, die in Sachsen für den Berufsschulunterricht vorgesehen sind (vgl. das vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus herausgegebene Arbeitsmaterial für die Berufsschule – Elektroniker für Geräte und Systeme/Elektronikerin für Geräte und Systeme – Berufsbezogener Bereich – Klassenstufen 1 bis 4 [Stand: 2003/2012]), und die bei der Entscheidung, ob die Berufsschule in der dualen Berufsausbildung (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Berufsschule im Freistaat Sachsen [Schulordnung Berufsschule – BSO] vom 21. August 2006 [SächsGVBl. S. 446], zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 10. Dezember 2012 [SächsGVBl. S. 789]) oder das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundbildungsjahr (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BSO) erfolgreich abgeschlossen worden ist, zum Teil von Bedeutung sind. Die theoretische Ausbildung des Klägers war mithin auf den fachspezifischen Teil konzentriert. Zudem war sie, weil sie – zumindest auch – auf den Hochschulabschluss gerichtet war, im Vergleich zum Berufsschulunterricht höherwertiger.

Der erfolgreiche Hochschulabschluss war das mit Beginn des dualen Studiums und des im Fall der Kooperativen Ingenieursausbildung (KIA) zeitgleich begonnenen Berufsausbildungsverhältnisses das angestrebte Ziel des Klägers. Die Berufsausbildung war notwendige Voraussetzung für das Studium und integraler Bestandteil des Studiums. So setzte der Zugang zum Studium eine einschlägige berufspraktische Tätigkeit (Vorpraxis) im Umfang von acht Wochen voraus (vgl. § 2 Abs. 2 der Studienordnung für den Diplom-Studiengang Elektrotechnik – Kooperatives Studium mit Integrierter Ausbildung [KIA] – [Stand: 18. Mai 2011]). Mit dem erfolgreichen Abschluss des beruflichen Ausbildungsteils galt die berufspraktische Tätigkeit (Vorpraxis) als erbracht (vgl. § 3 Satz 6 der Prüfungsordnung für den Diplom-Studiengang Elektrotechnik – Kooperatives Studium mit Integrierter Ausbildung (KIA) – [Stand: 18. Mai 2011]). Ferner war für die Zulassung zum Studium der Abschluss eines Vertrages zur berufspraktischen Ausbildung des Bewerbers in einem dem Studium entsprechenden Beruf mit einem geeigneten Unternehmen erforderlich (vgl. § 2 Abs. 4 der Studienordnung). Die Teilzeitsemester 2.1, 2.2 und 3.1, 3.2 beinhalteten die "integrierte Berufsausbildung" (vgl. § 3 Satz 2 der Prüfungsordnung).

Zusammenfassend hatte im Rahmen des vom Kläger absolvierten Kooperativen Ingenieurstudiums das Studium im Vergleich zur zeitgleich erfolgten Berufsausbildung das höhere Gewicht und war damit für das Kooperative Studium prägend. Förderungsrechtlich hat dies zur Folge, dass ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für die berufliche Ausbildung des Klägers im Rahmen des Kooperativen Ingenieurstudiums nicht gegeben ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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