Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
53
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 53 R 435/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für deren Tätigkeit als Referentin bei der Beigeladenen zu 1).
Die 1981 geborene Klägerin ist Volljuristin. Seit dem 01.02.2010 ist sie bei der Beigeladenen zu 1) tätig als Referentin Vertragsmanagement; der Arbeitsvertrag wurde am 06./07.01.2010 geschlossen. Die Beigeladene zu 1) ist ein Netzwerk von Fachbetrieben der Orthopädietechnik, Rehabilitation und häuslichen Pflege. Die Zentrale, für die die Klägerin tätig ist, verantwortet das überregionale Vertrags- und Beschaffungsmanagement.
Am 27.01.2010 trafen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) eine Ergänzungsvereinbarung zum Anstellungsvertrag. In dieser heißt es wörtlich: "Frau G. ist berechtigt sich zur Anwartschaft der Versorgungsbezüge als freie Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer anzumelden. Eine Freistellung von der Arbeitszeit gilt ausschließlich für Pflichtmandate. Diese, ebenso wie alle anderen Termine und Handlungen in der Funktion als Rechtsanwältin, müssen im Rahmen der Urlaubs- bzw. Gleitzeitregelung getätigt werden".
Am 09.03.2011 wurde die Klägerin als Rechtsanwältin zugelassen, seitdem ist sie Mitglied der H. Rechtsanwaltskammer H1 und Mitglied des V. der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der H2 (Beigeladener zu 2)).
Die Klägerin beantragte am 23.03.2011 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit als Referentin bei der Beigeladenen zu 1). Dem Antrag beigefügt war die Stellenausschreibung. Danach wurde für die Stelle der Klägerin ausdrücklich ein Volljurist bzw. eine Volljuristin gesucht. Ebenfalls mit beigefügt war eine Stellenbeschreibung. In dieser werden als Hauptaufgaben der Klägerin genannt: Erstellung von Angeboten, Vertragsverhandlungen mit Leistungsträgern sowie Mitarbeit an neuen Vertragskonzeptionen. Dem Bereich der Rechtsberatung seien folgende Tätigkeiten zuzuordnen: Prüfung von Verträgen (z. B. Beitrittsverträge, Verträge von Lizenznehmern); Beratung von Lizenznehmern bei deren Vertragsverhandlungen; Lizenznehmer- und Leistungsträgerbetreuung in allen relevanten Fragen, insbesondere juristischen Fragestellungen; Sichtung/Auswertung von Ausschreibungen; Koordination und rechtliche Beratung bei Ausschreibungen. Zum Bereich der Rechtsentscheidung gehörten: Erstellung von Angeboten; Vertragsverhandlungen mit Leistungsträgern; Mitarbeit an neuen Vertragskonzeptionen; Sichtung/Auswertung von Ausschreibungen; Koordination und rechtliche Beratung bei Ausschreibungen. Dem Bereich Rechtsgestaltungen seien zuzuordnen: Vertragsverhandlungen mit Leistungsträgern; Erstellung von Angeboten; Mitarbeit an neuen Vertragskonzeptionen. Schließlich gehörten zum Bereich Rechtsvermittlungen die folgenden Tätigkeiten: Durchführung von Arbeitskreisen; Durchführung von Schulungen, insbesondere Vertragsgrundschulungen; Aufarbeitung von Urteilen und juristischer Sachverhalte, juristische Kurzgutachten, Stellungnahmen; Informationsaufbereitung aus dem Arbeitsgebiet für Lizenznehmer und Mitarbeiter Vertragsmanagement.
Auf Nachfrage der Beklagten reichte die Klägerin ferner eine Kopie ihres Arbeitsvertrages, ein Organigramm der Beigeladenen zu 1) sowie eine ergänzenden Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) ein. Ausweislich des eingereichten Arbeitsvertrags wurde die Klägerin als "Referentin Vertragsmanagement" eingestellt. In der ergänzenden Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) führte diese zur Erläuterung der Funktion der Klägerin aus, deren Hauptaufgabe bestehe darin, Angebote an Krankenkassen zu erstellen und diese zu verhandeln. Diese Verhandlungen führe die Klägerin eigenständig durch. Derzeit sei sie hauptverantwortlich für alle Verträge der Beigeladenen zu 1) mit privaten Krankenversicherungen zuständig. Der Inhalt der Verträge werde von der Klägerin eigenständig mit den Vertragspartnern verhandelt und auch dementsprechend umgesetzt. Die Klägerin sei innerhalb der Beigeladenen zu 1) an Abstimmung- und Entscheidungsbefugnissen in ihrem Aufgabenbereich wesentlich beteiligt. Sie sei zusammen mit einer weiteren Referentin als Vertretung der Bereichsleitung für wesentliche Entscheidungen innerhalb des Vertragsmanagements zuständig. Durch die Erarbeitung von rechtlichen Leitfäden für die Mitgliedsbetriebe der Beigeladenen zu 1) und die Erarbeitung neuer Vertragskonzepte wirke die Klägerin rechtsgestaltend mit. Sie erstelle in diesem Zusammenhang juristische Gutachten und halte regelmäßig bundesweit Vertragsgrundschulungen für die Mitglieder der Beigeladenen zu 1). Im Vertragsmanagement der Beigeladenen arbeiteten derzeit 7 Mitarbeiter. Dieses Team unterstehe einer Bereichsleitung, die selbst Volljuristin sei. Die Klägerin sei als Vertretung der Bereichsleitung eingesetzt.
Mit Bescheid vom 01.08.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) lägen nicht vor. Bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit handele es sich nicht um eine berufsständische (anwaltliche) Tätigkeit. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sei tätigkeits- und nicht personenbezogen, sodass die Zulassung als Rechtsanwältin allein nicht ausreiche. Voraussetzung für eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei, dass eine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Tätigkeit ausgeübt wird. Dafür sei erforderlich, dass die Tätigkeitsfelder der Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung abgedeckt werden. Aus den Angaben des Arbeitgebers ergebe sich nicht, dass die Klägerin das Aufgabenfeld der Rechtsentscheidung wahrnehme. Daraus gehe weder hervor, dass die Klägerin eine von allen Weisungen unabhängige Alleinentscheidungsbefugnis habe, noch dass sie an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen wesentlich teilhabe. Beratende, unterstützende oder mitwirkende Funktionen, die die Tätigkeit der Klägerin nach den vorliegenden Unterlagen prägten, seien nicht rechtsentscheidend. Nach Würdigung der Gesamtumstände werde die Tätigkeit der Klägerin auch nicht frei, sondern weisungsgebunden ausgeübt, was nicht dem in § 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zugrunde gelegten Bild der freien Berufsausübung als Rechtsanwalt entspreche. Ferner könne die Beschäftigung der Klägerin schon deshalb nicht als anwaltlich qualifiziert werden, weil ihre Ausübung nicht die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verlange. Die Kläger übe ihre Beschäftigung schon seit dem 01.02.2010 aus, sei aber erst seit dem 09.03.2011 als Rechtsanwältin zugelassen.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27.08.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) umfasse sehr wohl das Aufgabenfeld der Rechtsentscheidung. Sie leite die Vertragsverhandlungen mit den privaten Versicherungen eigenständig. Die Ergebnisse aus diesen Verhandlungen würden bei der Beigeladenen zu 1) verbindlich umgesetzt, ohne dass eine Überprüfung stattfinde. Sie nehme außerdem Gremienarbeit im Rechtsausschuss des übergeordneten Verbands BVMed wahr. Dort würden neue rechtspolitische Konzepte entwickelt sowie Positionspapiere für die Politik zur Einwirkung auf Gesetzesinitiativen erstellt. Schließlich gehöre zu ihren Aufgabengebieten auch die Koordination und die Auswertung von Ausschreibungen sowohl für die Beigeladene zu 1) selbst als auch in beratender Funktion für deren Mitglieder. Dazu gehörten die Erhebung von Rügen und das Verfahren vor der Vergabekammer. Die Bewertung der Verdingungsunterlagen und die rechtliche Empfehlung zum Vorgehen gegen die ausschreibenden Krankenkassen würden von ihr weisungsfrei ausgeübt. Sie übe alle beschriebenen Tätigkeiten in dem nach § 3 BRAO beschriebenen Maße weisungsfrei aus. Sie sei ein unabhängiger Berater, dessen Entscheidungen und Empfehlungen nicht auf einer Weisung beruhen. Durch ihre Tätigkeit der selbständigen Vertragsverhandlungen erfülle sie zudem das Merkmal der Rechtsgestaltung. In diesem Zusammenhang trete sie nach außen als rechtskundiger Entscheidungsträger für die Beigeladene zu 1) auf. In ihrem Verantwortungsbereich obliege ihr die Entscheidungsbefugnis über die wesentlichen Prozesse und Abläufe im Unternehmen sowie die juristische Ausgestaltung. In Verhandlungen mit von ihr selbst neu akquirierten Vertragspartnern entwickele sie zudem eigenständig neue Vertragskonzepte. Hierbei erfolge weder eine fachliche Überprüfung noch eine andere Art der Weisung. Durch die laufende juristische Beratung der Lizenznehmer der Beigeladenen zu 1) werde sie selbständig rechtsberatend tätig. Diese Rechtsberatung erfolge weisungsfrei. Das Merkmal der Rechtsvermittlung erfülle sie schon allein durch ihre regelmäßige Dozententätigkeit. Sie halte deutschlandweit ca. 7 – 8 Mal im Jahr eine Vertragsgrundschulung, die von ihr alleine und eigenständig durchgeführt werde. Eine gewisse disziplinarische Weisungsgebundenheit in der Hierarchie des Unternehmens sei selbstverständlich gegeben; sie unterstehe einer Bereichsleitung und dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Dies unterscheide sich aber nicht wesentlich von der Hierarchie, die in einer Anwaltskanzlei zwischen dem anwaltlichen Arbeitgeber und einem angestellten Anwalt herrsche. Die Tatsache, dass sie erst nach Ablauf ihres ersten Berufsjahres die Zulassung zur Anwaltschaft beantragt habe, könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Tätigkeit keiner Zulassung bedarf. Vielmehr habe die intensive Einarbeitungszeit solange gedauert. Erst ab Anfang 2011 habe sie die eigenständigen Vertragsverhandlungen im eigenverantwortlichen Bereich übernommen. Die von ihr ausgeübte Tätigkeit sei nicht ohne die Zulassung zur Anwaltschaft ausführbar, zumal ihr Arbeitgeber auch Wert darauf lege, nach außen hin zu kommunizieren, dass sie Rechtsanwältin ist. In der Stellenausschreibung sei ausdrücklich nach einem Volljuristen gesucht worden. Diese Qualifikation sei auch zwingende Voraussetzung für ihre Tätigkeit, da die sehr anspruchsvollen Themengebiete und Aufgabenstellungen die Kenntnisse eines Volljuristen mit zweitem Staatsexamen zwingend erforderten. Allein die rechtliche Beratung und die Bewertung von Verträgen und Ausschreibungen sowie die anspruchsvolle Gremienarbeit bedürften dieser speziellen Ausbildung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2012 zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie die Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom 01.08.2011. Erforderlich für eine Befreiung sei insbesondere, dass die Tätigkeit tatsächlich nur von Volljuristen ausgeübt werden könne. Dies sei bei der Tätigkeit der Klägerin nicht der Fall. Das juristische Referendariat diene dem Auf- und Ausbau praktischer Kompetenzen in prozessualen Fragestellungen und der Abwicklung von Prozessverfahren. Diese Fähigkeiten und Kenntnisse seien für die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit nicht erforderlich. Ob der Arbeitgeber für die fragliche Beschäftigung bevorzugt Volljuristen einstelle, sei nicht entscheidungserheblich.
Am 16.02.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, ein Rechtsanwalt könne grundsätzlich auch bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber eine anwaltliche Tätigkeit ausüben, die die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht erfüllt. Auch § 46 BRAO sehe ausdrücklich vor, dass ein Rechtsanwalt in einem ständigen Dienstverhältnis stehen und nicht nur als freier Rechtsanwalt tätig sein könne. Diese Norm betreffe nach einhelliger Meinung nicht nur die Angestelltentätigkeit eines Rechtsanwalts in einer Rechtsanwaltskanzlei, sondern auch die anwaltliche Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber. Erforderlich für eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei, dass es sich um eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne einer berufstypischen Tätigkeit als Rechtsanwalt handele. Das Spektrum anwaltlicher Tätigkeiten sei heute sehr weit, sodass ein einheitliches Berufsbild kaum mehr festzustellen sei. Die Frage der berufstypischen Tätigkeit sei daher anhand der vier Merkmale Rechtsberatung, Rechtsgestaltung, Rechtsentscheidung und Rechtsvermittlung zu beurteilen. Weitere Voraussetzungen als diese vier Merkmale seien für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht zu fordern. Dies entspreche auch der ganz überwiegenden Auffassung der Sozialgerichte. Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz dürften an eine anwaltliche Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber zudem keine höheren Anforderungen gestellt werden als an einen Rechtsanwalt, der als Angestellter in einer Rechtsanwaltskanzlei arbeitet. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfülle die Tätigkeit der Klägerin alle vier genannten Merkmale, insbesondere auch das der Rechtsentscheidung. Ob die Stelle objektiv zwingend einen Volljuristen erforder, sei unerheblich. Es stehe im alleinigen Ermessen des Arbeitgebers, wie er eine Stelle konkret ausgestalte. Wenn er der Auffassung sei, dass für eine bestimmte Stelle ein Volljurist eingestellt werden soll, so müsse die Beklagte dies akzeptieren.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 01.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab dem 09.03.2011 für ihre anwaltliche Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält daran fest, dass eine Befreiung nur erfolgen könne, wenn die Tätigkeit als objektiv unabdingbare Einstellungsvoraussetzung die durch das Zweite Juristische Staatsexamen erlangte Befähigung zum Richteramt vorsehe. Daneben müsse die Tätigkeit so ausgestaltet sein, dass sie die berufsspezifischen Kriterien der Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung abdecke. Die Beschäftigung der Klägerin verlange weder die Befähigung zum Richteramt als objektiv unabdingbare Einstellungsvoraussetzung, noch seien die vier Kriterien einer anwaltlichen Tätigkeit erfüllt, da es an dem Kriterium der Rechtsentscheidung fehle.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1) hat mit Schreiben vom 06.09.2012 zu der Tätigkeit der Klägerin Stellung genommen. Sie hat vorgetragen, der Abschluss des zweiten Staatsexamens und die spätere Anwaltszulassung sei eine wesentliche Voraussetzung für die Tätigkeit der Klägerin und sich im Übrigen zu den vier Merkmalen Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung geäußert. Der Beigeladene zu 2) hat erklärt, er schließe sich dem Vortrag der Klägerin an.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin weiter zu ihren Arbeitsbedingungen geäußert: Sie führe die Vertragsverhandlungen mit den privaten Krankenversicherungen alleine und handele die Verträge soweit aus, dass sie dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) unterschriftsreif vorgelegt werden. Der Geschäftsführer entscheide dann nur noch darüber, ob der Vertrag gewollt ist oder nicht. Hinsichtlich der Beratung der Mitgliedsunternehmen bei Vergabeverfahren tue sie das gleiche wie eine Anwaltskanzlei, wenn die Beigeladene zu 1) diesen Tätigkeitsbereich ausgelagert hätte. Der Zeitpunkt der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hänge auch mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Probezeit zusammen. Diese habe ein halbes Jahr betragen; nach ihrem Ablauf habe die Klägerin die Zulassung beantragt, das Verfahren habe sich dann eine Weile hingezogen. Die Zulassung habe sie beantragt, weil die Beigeladene zu 1) das so gewollt habe. Außerdem sei ihr auch wichtig gewesen, nebenbei als freie Rechtsanwältin arbeiten zu können. Dies mache sie auch im kleineren Umfang. Ohne Anwaltszulassung hätte sie auch Schwierigkeiten beim Standing, da sie auch nach außen als Rechtsanwältin auftrete. Für die Mitgliedsbetriebe sei es wichtig, dass sich eine Rechtsanwältin ihrer Probleme annehme. Sie arbeite z.T. – insbesondere im Zusammenhang mit Vergabeverfahren – mit externen Rechtsanwaltskanzleien zusammen. Dort trete sich dann als Kollegin auf. Die am 27.01.2010 geschlossen Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag sei Voraussetzung für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gewesen. Man müsse sichergestellt haben, dass man seinen Arbeitsplatz verlassen kann, um Mandate wahrnehmen zu können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die beigezogenen Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 01.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden Angestellte auf Antrag für die Beschäftigung, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständische Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, auf Antrag unter gewissen weiteren Voraussetzungen von der Versicherungspflicht befreit.
Die Klägerin war zwar ab dem 09.03.2011 Mitglied der H. Rechtsanwaltskammer H1 und Mitglied des V. der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der H2. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI liegen dennoch in Bezug auf ihre Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) nicht vor.
Zweck der Ausnahme von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist es, eine doppelte Beitragspflicht zu verhindern (vgl. Gürtner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 6 SGB VI Rn. 4). Als Ausnahmevorschrift ist die Regelung abschließend und eine erweiternde Auslegung ausgeschlossen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03 mwN; SG Leipzig, Urteil vom 05.07.2011, Az.: S 27 R 867/10; SG Kiel, Urteil vom 27.06.2011, Az.: S 17 R 336/08; SG Münster, Urteil vom 05.04.2012, Az.: S 14 R 923/10). Das Rentenversicherungsverhältnis kann grundsätzlich nicht Gegenstand privatautonomer Gestaltung sein; die Ausnahmevorschrift bedeutet daher nicht, dass dem Einzelnen ein freies Wahlrecht zwischen der berufsständischen Versorgungseinrichtung und der gesetzlichen Rentenversicherung eingeräumt wird (vgl. SG Kiel, Urteil vom 27.06.2011, Az.: S 17 R 336/08; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03). Dementsprechend ist die Befreiung nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen. Sie erfolgt nur wegen der jeweiligen Beschäftigung, aufgrund derer eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1998, Az.: B 5/4 80/97 R und Urteil vom 31.10.2012, Az.: B 12 R 5/10 R).
Die Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) begründet aber keine Pflichtmitgliedschaft in der H. Rechtsanwaltskammer H1 und dem V. der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der H2.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sind Mitglieder der Rechtsanwaltskammer die Rechtsanwälte, die von ihr zugelassen oder aufgenommen worden sind. Nach § 10 Abs. 1 der Satzung des V. der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der H2 sind Pflichtmitglied alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der H2 vom 21.11.2000 (HbgGVBl 2000, 349, 350) Mitglied der H. Rechtsanwaltskammer ist und zu diesem Zeitpunkt das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes Mitglied der H. Rechtsanwaltskammer wird und das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Die Zulassung der Klägerin als Rechtsanwältin erfolgte nicht für die Tätigkeit bei der Beigeladenen, sondern für eine nebenberufliche Tätigkeit als freie Rechtsanwältin. Dies ergibt sich bereits aus der Ergänzungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) vom 27.01.2010. Die Ergänzungsvereinbarung sieht zum einen vor, dass eine "Anmeldung" bei der Rechtsanwaltskammer "als freie Rechtsanwältin" erfolgen solle. Zum anderen regelt sie, dass sowohl Pflichtmandate wie auch "alle anderen Termine und Handlungen in der Funktion als Rechtsanwältin" im Rahmen der Urlaubs- bzw. Gleitzeitregelung getätigt werden müssen – also gerade nicht von der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1) umfasst sind, sondern neben dieser stehen. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass diese Vereinbarung, in der auch eine Freistellung von der Arbeitszeit für Pflichtmandate geregelt ist, Voraussetzung für die Zulassung als Rechtsanwältin durch die Hanseatische Rechtsanwaltskammer H1, war. Daran wird deutlich, dass die Zulassung eben nur für die Nebentätigkeit, nicht aber für die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) erfolgte. Denn wäre die Klägerin bereits für die Tätigkeit bei der Beigeladenen als Rechtsanwältin zugelassen worden, so hätte es der zitierten Ergänzungsvereinbarung nicht bedurft.
Die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1) und ihre Tätigkeit als freie Rechtsanwältin sind nach Auffassung des Gerichts zwei voneinander unabhängige Tätigkeiten, die auch in Hinblick auf die Frage der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gesondert zu betrachten sind (vgl. für die Annahme zweier unterschiedlicher Tätigkeiten in ähnlich gelagerten Fällen auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.08.2005, Az.: L 3 RA 72/04 und Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03 mwN; SG Leipzig, Urteil vom 05.07.2011, Az.: S 27 R 867/10; SG Kiel, Urteil vom 27.06.2011, Az.: S 17 R 336/08). Beide Tätigkeiten sind mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet; die Tätigkeit als freie Anwältin richtet sich nach dem Berufsrecht der BRAO, während die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) wesentlich durch arbeitsrechtliche Vorschriften geprägt ist.
Sofern die Beigeladene zu 1) vorgetragen hat, die Anwaltszulassung der Klägerin sei eine wesentliche Voraussetzung für deren Tätigkeit, hat sie dies nicht näher erläutert. Dass eine Zulassung als Anwältin für diese Tätigkeit tatsächlich erforderlich ist, ist nicht erkennbar. In der Stellenanzeige wurde explizit ein "Volljurist", nicht aber ein "Rechtsanwalt" gesucht. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zudem zunächst über einen Zeitraum von gut einem Jahr ausgeübt, ohne als Rechtsanwältin zugelassen gewesen zu sein.
Das Gericht folgt damit nicht der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung, wonach für die Befreiung von der Versicherungspflicht entscheidend ist, dass im Rahmen der abhängigen Beschäftigung eine anwaltstypische Tätigkeit ausgeübt wird, was der Fall sein soll, wenn die Tätigkeit die vier Merkmale Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung umfasst. Vielmehr schließt es sich der Auffassung an, dass die Tätigkeit eines Syndikusanwaltes, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienstverhältnis zu einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber steht, keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.08.2005, Az.: L 3 RA 72/04 und Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03 mwN; SG Leipzig, Urteil vom 05.07.2011, Az.: S 27 R 867/10; SG Kiel, Urteil vom 27.06.2011, Az.: S 17 R 336/08). Die Eigenschaft als Syndikusanwalt ist kein sachgerechtes Kriterium zur Unterscheidung anwaltlicher von sonstiger juristischer Tätigkeit. Dem steht insbesondere der Sinn und Zweck des § 6 Abs.1 SGB VI als – abschließende und einer erweiternden Auslegung nicht zugängliche – Ausnahmevorschrift (siehe dazu oben) zuwider. Denn die Zulassung als Syndikusanwalt erfordert nicht, dass die Tätigkeit als freier Rechtsanwalt auch tatsächlich in gewissem Umfang ausgeübt wird. Es muss lediglich durch Zustimmung des Arbeitgebers gesichert sein, dass die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit neben der Angestelltentätigkeit möglich ist. Dann aber würde einem Syndikusanwalt, der lediglich eine zeitlich unbedeutende Nebenbeschäftigung ausübt, die Möglichkeit eröffnet, die Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung allein aufgrund dieser Nebentätigkeit zu verlassen und sich stattdessen in einer eigenen Gruppe mit günstigerer Risikostruktur abzusichern. § 6 Abs.1 SGB VI will aber gerade eine fortschreitende Auszehrung des beitragspflichtigen Personenkreises durch eine Ausweitung berufsständischer Versorgungswerke und damit eine Gefährdung der finanziellen Stabilität der Rentenversicherung verhindern (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.08.2005, Az.: L 3 RA 72/04 und Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03 mwN). Im Übrigen entspricht die angestellte Tätigkeit des Syndikusanwalts nicht dem anwaltlichen Berufsbild, das maßgeblich durch den unabhängigen freiberuflich tätigen und im Verhältnis zum Mandanten eigenverantwortlich handelnden Rechtsanwalt geprägt ist (vgl. BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 07.02.2011, Az.: AnwZ (B) 20/10). Die mit dem Dienst- und Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen mit diesem Berufsbild nicht in Einklang. Dementsprechend wird der Syndikusanwalt in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (vgl. BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 07.02.2011, Az.: AnwZ (B) 20/10, unter Berufung auf eine gefestigte Rechtsprechung; Anwaltsgerichtshof München, Beschluss vom 12.11.2009, Az.: BayAGH I – 47/2008). Auch der Gesetzgeber selbst hat in diesem Sinne bei Neuregelung des Berufsausübungsrechts für Rechtsanwälte betont, dass ein Rechtsanwalt, der im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, in dieser Eigenschaft nicht Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten sei. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leiste, seien die durch das Recht der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmten, aufgrund des Über- und Unterordnungsverhältnisses nicht gegeben (vgl. BT-Drucks. 12/7656, S. 49).
Ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht folgt auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG). Insbesondere liegt in der Ungleichbehandlung von angestellten Syndikusanwälten bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern gegenüber angestellten Anwälten bei anwaltlichen Arbeitgebern kein Verstoß gegen Art. 3 GG. Die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sich daraus, dass bei einem anwaltlichen Arbeitgeber dieser standesrechtlich gebunden ist. Zudem ist ein Rechtsanwalt als Arbeitgeber standesrechtlich verpflichtet, den von ihm beschäftigten Rechtsanwälten die Einhaltung des Standesrechts zu ermöglichen. Demgegenüber unterliegt der nichtanwaltliche Arbeitgeber nicht den standesrechtlichen Regelungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für deren Tätigkeit als Referentin bei der Beigeladenen zu 1).
Die 1981 geborene Klägerin ist Volljuristin. Seit dem 01.02.2010 ist sie bei der Beigeladenen zu 1) tätig als Referentin Vertragsmanagement; der Arbeitsvertrag wurde am 06./07.01.2010 geschlossen. Die Beigeladene zu 1) ist ein Netzwerk von Fachbetrieben der Orthopädietechnik, Rehabilitation und häuslichen Pflege. Die Zentrale, für die die Klägerin tätig ist, verantwortet das überregionale Vertrags- und Beschaffungsmanagement.
Am 27.01.2010 trafen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) eine Ergänzungsvereinbarung zum Anstellungsvertrag. In dieser heißt es wörtlich: "Frau G. ist berechtigt sich zur Anwartschaft der Versorgungsbezüge als freie Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer anzumelden. Eine Freistellung von der Arbeitszeit gilt ausschließlich für Pflichtmandate. Diese, ebenso wie alle anderen Termine und Handlungen in der Funktion als Rechtsanwältin, müssen im Rahmen der Urlaubs- bzw. Gleitzeitregelung getätigt werden".
Am 09.03.2011 wurde die Klägerin als Rechtsanwältin zugelassen, seitdem ist sie Mitglied der H. Rechtsanwaltskammer H1 und Mitglied des V. der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der H2 (Beigeladener zu 2)).
Die Klägerin beantragte am 23.03.2011 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit als Referentin bei der Beigeladenen zu 1). Dem Antrag beigefügt war die Stellenausschreibung. Danach wurde für die Stelle der Klägerin ausdrücklich ein Volljurist bzw. eine Volljuristin gesucht. Ebenfalls mit beigefügt war eine Stellenbeschreibung. In dieser werden als Hauptaufgaben der Klägerin genannt: Erstellung von Angeboten, Vertragsverhandlungen mit Leistungsträgern sowie Mitarbeit an neuen Vertragskonzeptionen. Dem Bereich der Rechtsberatung seien folgende Tätigkeiten zuzuordnen: Prüfung von Verträgen (z. B. Beitrittsverträge, Verträge von Lizenznehmern); Beratung von Lizenznehmern bei deren Vertragsverhandlungen; Lizenznehmer- und Leistungsträgerbetreuung in allen relevanten Fragen, insbesondere juristischen Fragestellungen; Sichtung/Auswertung von Ausschreibungen; Koordination und rechtliche Beratung bei Ausschreibungen. Zum Bereich der Rechtsentscheidung gehörten: Erstellung von Angeboten; Vertragsverhandlungen mit Leistungsträgern; Mitarbeit an neuen Vertragskonzeptionen; Sichtung/Auswertung von Ausschreibungen; Koordination und rechtliche Beratung bei Ausschreibungen. Dem Bereich Rechtsgestaltungen seien zuzuordnen: Vertragsverhandlungen mit Leistungsträgern; Erstellung von Angeboten; Mitarbeit an neuen Vertragskonzeptionen. Schließlich gehörten zum Bereich Rechtsvermittlungen die folgenden Tätigkeiten: Durchführung von Arbeitskreisen; Durchführung von Schulungen, insbesondere Vertragsgrundschulungen; Aufarbeitung von Urteilen und juristischer Sachverhalte, juristische Kurzgutachten, Stellungnahmen; Informationsaufbereitung aus dem Arbeitsgebiet für Lizenznehmer und Mitarbeiter Vertragsmanagement.
Auf Nachfrage der Beklagten reichte die Klägerin ferner eine Kopie ihres Arbeitsvertrages, ein Organigramm der Beigeladenen zu 1) sowie eine ergänzenden Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) ein. Ausweislich des eingereichten Arbeitsvertrags wurde die Klägerin als "Referentin Vertragsmanagement" eingestellt. In der ergänzenden Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) führte diese zur Erläuterung der Funktion der Klägerin aus, deren Hauptaufgabe bestehe darin, Angebote an Krankenkassen zu erstellen und diese zu verhandeln. Diese Verhandlungen führe die Klägerin eigenständig durch. Derzeit sei sie hauptverantwortlich für alle Verträge der Beigeladenen zu 1) mit privaten Krankenversicherungen zuständig. Der Inhalt der Verträge werde von der Klägerin eigenständig mit den Vertragspartnern verhandelt und auch dementsprechend umgesetzt. Die Klägerin sei innerhalb der Beigeladenen zu 1) an Abstimmung- und Entscheidungsbefugnissen in ihrem Aufgabenbereich wesentlich beteiligt. Sie sei zusammen mit einer weiteren Referentin als Vertretung der Bereichsleitung für wesentliche Entscheidungen innerhalb des Vertragsmanagements zuständig. Durch die Erarbeitung von rechtlichen Leitfäden für die Mitgliedsbetriebe der Beigeladenen zu 1) und die Erarbeitung neuer Vertragskonzepte wirke die Klägerin rechtsgestaltend mit. Sie erstelle in diesem Zusammenhang juristische Gutachten und halte regelmäßig bundesweit Vertragsgrundschulungen für die Mitglieder der Beigeladenen zu 1). Im Vertragsmanagement der Beigeladenen arbeiteten derzeit 7 Mitarbeiter. Dieses Team unterstehe einer Bereichsleitung, die selbst Volljuristin sei. Die Klägerin sei als Vertretung der Bereichsleitung eingesetzt.
Mit Bescheid vom 01.08.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) lägen nicht vor. Bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit handele es sich nicht um eine berufsständische (anwaltliche) Tätigkeit. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sei tätigkeits- und nicht personenbezogen, sodass die Zulassung als Rechtsanwältin allein nicht ausreiche. Voraussetzung für eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei, dass eine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Tätigkeit ausgeübt wird. Dafür sei erforderlich, dass die Tätigkeitsfelder der Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung abgedeckt werden. Aus den Angaben des Arbeitgebers ergebe sich nicht, dass die Klägerin das Aufgabenfeld der Rechtsentscheidung wahrnehme. Daraus gehe weder hervor, dass die Klägerin eine von allen Weisungen unabhängige Alleinentscheidungsbefugnis habe, noch dass sie an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen wesentlich teilhabe. Beratende, unterstützende oder mitwirkende Funktionen, die die Tätigkeit der Klägerin nach den vorliegenden Unterlagen prägten, seien nicht rechtsentscheidend. Nach Würdigung der Gesamtumstände werde die Tätigkeit der Klägerin auch nicht frei, sondern weisungsgebunden ausgeübt, was nicht dem in § 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zugrunde gelegten Bild der freien Berufsausübung als Rechtsanwalt entspreche. Ferner könne die Beschäftigung der Klägerin schon deshalb nicht als anwaltlich qualifiziert werden, weil ihre Ausübung nicht die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verlange. Die Kläger übe ihre Beschäftigung schon seit dem 01.02.2010 aus, sei aber erst seit dem 09.03.2011 als Rechtsanwältin zugelassen.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27.08.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) umfasse sehr wohl das Aufgabenfeld der Rechtsentscheidung. Sie leite die Vertragsverhandlungen mit den privaten Versicherungen eigenständig. Die Ergebnisse aus diesen Verhandlungen würden bei der Beigeladenen zu 1) verbindlich umgesetzt, ohne dass eine Überprüfung stattfinde. Sie nehme außerdem Gremienarbeit im Rechtsausschuss des übergeordneten Verbands BVMed wahr. Dort würden neue rechtspolitische Konzepte entwickelt sowie Positionspapiere für die Politik zur Einwirkung auf Gesetzesinitiativen erstellt. Schließlich gehöre zu ihren Aufgabengebieten auch die Koordination und die Auswertung von Ausschreibungen sowohl für die Beigeladene zu 1) selbst als auch in beratender Funktion für deren Mitglieder. Dazu gehörten die Erhebung von Rügen und das Verfahren vor der Vergabekammer. Die Bewertung der Verdingungsunterlagen und die rechtliche Empfehlung zum Vorgehen gegen die ausschreibenden Krankenkassen würden von ihr weisungsfrei ausgeübt. Sie übe alle beschriebenen Tätigkeiten in dem nach § 3 BRAO beschriebenen Maße weisungsfrei aus. Sie sei ein unabhängiger Berater, dessen Entscheidungen und Empfehlungen nicht auf einer Weisung beruhen. Durch ihre Tätigkeit der selbständigen Vertragsverhandlungen erfülle sie zudem das Merkmal der Rechtsgestaltung. In diesem Zusammenhang trete sie nach außen als rechtskundiger Entscheidungsträger für die Beigeladene zu 1) auf. In ihrem Verantwortungsbereich obliege ihr die Entscheidungsbefugnis über die wesentlichen Prozesse und Abläufe im Unternehmen sowie die juristische Ausgestaltung. In Verhandlungen mit von ihr selbst neu akquirierten Vertragspartnern entwickele sie zudem eigenständig neue Vertragskonzepte. Hierbei erfolge weder eine fachliche Überprüfung noch eine andere Art der Weisung. Durch die laufende juristische Beratung der Lizenznehmer der Beigeladenen zu 1) werde sie selbständig rechtsberatend tätig. Diese Rechtsberatung erfolge weisungsfrei. Das Merkmal der Rechtsvermittlung erfülle sie schon allein durch ihre regelmäßige Dozententätigkeit. Sie halte deutschlandweit ca. 7 – 8 Mal im Jahr eine Vertragsgrundschulung, die von ihr alleine und eigenständig durchgeführt werde. Eine gewisse disziplinarische Weisungsgebundenheit in der Hierarchie des Unternehmens sei selbstverständlich gegeben; sie unterstehe einer Bereichsleitung und dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Dies unterscheide sich aber nicht wesentlich von der Hierarchie, die in einer Anwaltskanzlei zwischen dem anwaltlichen Arbeitgeber und einem angestellten Anwalt herrsche. Die Tatsache, dass sie erst nach Ablauf ihres ersten Berufsjahres die Zulassung zur Anwaltschaft beantragt habe, könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Tätigkeit keiner Zulassung bedarf. Vielmehr habe die intensive Einarbeitungszeit solange gedauert. Erst ab Anfang 2011 habe sie die eigenständigen Vertragsverhandlungen im eigenverantwortlichen Bereich übernommen. Die von ihr ausgeübte Tätigkeit sei nicht ohne die Zulassung zur Anwaltschaft ausführbar, zumal ihr Arbeitgeber auch Wert darauf lege, nach außen hin zu kommunizieren, dass sie Rechtsanwältin ist. In der Stellenausschreibung sei ausdrücklich nach einem Volljuristen gesucht worden. Diese Qualifikation sei auch zwingende Voraussetzung für ihre Tätigkeit, da die sehr anspruchsvollen Themengebiete und Aufgabenstellungen die Kenntnisse eines Volljuristen mit zweitem Staatsexamen zwingend erforderten. Allein die rechtliche Beratung und die Bewertung von Verträgen und Ausschreibungen sowie die anspruchsvolle Gremienarbeit bedürften dieser speziellen Ausbildung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2012 zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie die Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom 01.08.2011. Erforderlich für eine Befreiung sei insbesondere, dass die Tätigkeit tatsächlich nur von Volljuristen ausgeübt werden könne. Dies sei bei der Tätigkeit der Klägerin nicht der Fall. Das juristische Referendariat diene dem Auf- und Ausbau praktischer Kompetenzen in prozessualen Fragestellungen und der Abwicklung von Prozessverfahren. Diese Fähigkeiten und Kenntnisse seien für die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit nicht erforderlich. Ob der Arbeitgeber für die fragliche Beschäftigung bevorzugt Volljuristen einstelle, sei nicht entscheidungserheblich.
Am 16.02.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, ein Rechtsanwalt könne grundsätzlich auch bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber eine anwaltliche Tätigkeit ausüben, die die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht erfüllt. Auch § 46 BRAO sehe ausdrücklich vor, dass ein Rechtsanwalt in einem ständigen Dienstverhältnis stehen und nicht nur als freier Rechtsanwalt tätig sein könne. Diese Norm betreffe nach einhelliger Meinung nicht nur die Angestelltentätigkeit eines Rechtsanwalts in einer Rechtsanwaltskanzlei, sondern auch die anwaltliche Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber. Erforderlich für eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei, dass es sich um eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne einer berufstypischen Tätigkeit als Rechtsanwalt handele. Das Spektrum anwaltlicher Tätigkeiten sei heute sehr weit, sodass ein einheitliches Berufsbild kaum mehr festzustellen sei. Die Frage der berufstypischen Tätigkeit sei daher anhand der vier Merkmale Rechtsberatung, Rechtsgestaltung, Rechtsentscheidung und Rechtsvermittlung zu beurteilen. Weitere Voraussetzungen als diese vier Merkmale seien für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht zu fordern. Dies entspreche auch der ganz überwiegenden Auffassung der Sozialgerichte. Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz dürften an eine anwaltliche Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber zudem keine höheren Anforderungen gestellt werden als an einen Rechtsanwalt, der als Angestellter in einer Rechtsanwaltskanzlei arbeitet. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfülle die Tätigkeit der Klägerin alle vier genannten Merkmale, insbesondere auch das der Rechtsentscheidung. Ob die Stelle objektiv zwingend einen Volljuristen erforder, sei unerheblich. Es stehe im alleinigen Ermessen des Arbeitgebers, wie er eine Stelle konkret ausgestalte. Wenn er der Auffassung sei, dass für eine bestimmte Stelle ein Volljurist eingestellt werden soll, so müsse die Beklagte dies akzeptieren.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 01.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab dem 09.03.2011 für ihre anwaltliche Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält daran fest, dass eine Befreiung nur erfolgen könne, wenn die Tätigkeit als objektiv unabdingbare Einstellungsvoraussetzung die durch das Zweite Juristische Staatsexamen erlangte Befähigung zum Richteramt vorsehe. Daneben müsse die Tätigkeit so ausgestaltet sein, dass sie die berufsspezifischen Kriterien der Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung abdecke. Die Beschäftigung der Klägerin verlange weder die Befähigung zum Richteramt als objektiv unabdingbare Einstellungsvoraussetzung, noch seien die vier Kriterien einer anwaltlichen Tätigkeit erfüllt, da es an dem Kriterium der Rechtsentscheidung fehle.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1) hat mit Schreiben vom 06.09.2012 zu der Tätigkeit der Klägerin Stellung genommen. Sie hat vorgetragen, der Abschluss des zweiten Staatsexamens und die spätere Anwaltszulassung sei eine wesentliche Voraussetzung für die Tätigkeit der Klägerin und sich im Übrigen zu den vier Merkmalen Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung geäußert. Der Beigeladene zu 2) hat erklärt, er schließe sich dem Vortrag der Klägerin an.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin weiter zu ihren Arbeitsbedingungen geäußert: Sie führe die Vertragsverhandlungen mit den privaten Krankenversicherungen alleine und handele die Verträge soweit aus, dass sie dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) unterschriftsreif vorgelegt werden. Der Geschäftsführer entscheide dann nur noch darüber, ob der Vertrag gewollt ist oder nicht. Hinsichtlich der Beratung der Mitgliedsunternehmen bei Vergabeverfahren tue sie das gleiche wie eine Anwaltskanzlei, wenn die Beigeladene zu 1) diesen Tätigkeitsbereich ausgelagert hätte. Der Zeitpunkt der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hänge auch mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Probezeit zusammen. Diese habe ein halbes Jahr betragen; nach ihrem Ablauf habe die Klägerin die Zulassung beantragt, das Verfahren habe sich dann eine Weile hingezogen. Die Zulassung habe sie beantragt, weil die Beigeladene zu 1) das so gewollt habe. Außerdem sei ihr auch wichtig gewesen, nebenbei als freie Rechtsanwältin arbeiten zu können. Dies mache sie auch im kleineren Umfang. Ohne Anwaltszulassung hätte sie auch Schwierigkeiten beim Standing, da sie auch nach außen als Rechtsanwältin auftrete. Für die Mitgliedsbetriebe sei es wichtig, dass sich eine Rechtsanwältin ihrer Probleme annehme. Sie arbeite z.T. – insbesondere im Zusammenhang mit Vergabeverfahren – mit externen Rechtsanwaltskanzleien zusammen. Dort trete sich dann als Kollegin auf. Die am 27.01.2010 geschlossen Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag sei Voraussetzung für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gewesen. Man müsse sichergestellt haben, dass man seinen Arbeitsplatz verlassen kann, um Mandate wahrnehmen zu können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die beigezogenen Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 01.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden Angestellte auf Antrag für die Beschäftigung, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständische Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, auf Antrag unter gewissen weiteren Voraussetzungen von der Versicherungspflicht befreit.
Die Klägerin war zwar ab dem 09.03.2011 Mitglied der H. Rechtsanwaltskammer H1 und Mitglied des V. der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der H2. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI liegen dennoch in Bezug auf ihre Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) nicht vor.
Zweck der Ausnahme von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist es, eine doppelte Beitragspflicht zu verhindern (vgl. Gürtner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 6 SGB VI Rn. 4). Als Ausnahmevorschrift ist die Regelung abschließend und eine erweiternde Auslegung ausgeschlossen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03 mwN; SG Leipzig, Urteil vom 05.07.2011, Az.: S 27 R 867/10; SG Kiel, Urteil vom 27.06.2011, Az.: S 17 R 336/08; SG Münster, Urteil vom 05.04.2012, Az.: S 14 R 923/10). Das Rentenversicherungsverhältnis kann grundsätzlich nicht Gegenstand privatautonomer Gestaltung sein; die Ausnahmevorschrift bedeutet daher nicht, dass dem Einzelnen ein freies Wahlrecht zwischen der berufsständischen Versorgungseinrichtung und der gesetzlichen Rentenversicherung eingeräumt wird (vgl. SG Kiel, Urteil vom 27.06.2011, Az.: S 17 R 336/08; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03). Dementsprechend ist die Befreiung nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen. Sie erfolgt nur wegen der jeweiligen Beschäftigung, aufgrund derer eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1998, Az.: B 5/4 80/97 R und Urteil vom 31.10.2012, Az.: B 12 R 5/10 R).
Die Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) begründet aber keine Pflichtmitgliedschaft in der H. Rechtsanwaltskammer H1 und dem V. der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der H2.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sind Mitglieder der Rechtsanwaltskammer die Rechtsanwälte, die von ihr zugelassen oder aufgenommen worden sind. Nach § 10 Abs. 1 der Satzung des V. der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der H2 sind Pflichtmitglied alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der H2 vom 21.11.2000 (HbgGVBl 2000, 349, 350) Mitglied der H. Rechtsanwaltskammer ist und zu diesem Zeitpunkt das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes Mitglied der H. Rechtsanwaltskammer wird und das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Die Zulassung der Klägerin als Rechtsanwältin erfolgte nicht für die Tätigkeit bei der Beigeladenen, sondern für eine nebenberufliche Tätigkeit als freie Rechtsanwältin. Dies ergibt sich bereits aus der Ergänzungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) vom 27.01.2010. Die Ergänzungsvereinbarung sieht zum einen vor, dass eine "Anmeldung" bei der Rechtsanwaltskammer "als freie Rechtsanwältin" erfolgen solle. Zum anderen regelt sie, dass sowohl Pflichtmandate wie auch "alle anderen Termine und Handlungen in der Funktion als Rechtsanwältin" im Rahmen der Urlaubs- bzw. Gleitzeitregelung getätigt werden müssen – also gerade nicht von der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1) umfasst sind, sondern neben dieser stehen. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass diese Vereinbarung, in der auch eine Freistellung von der Arbeitszeit für Pflichtmandate geregelt ist, Voraussetzung für die Zulassung als Rechtsanwältin durch die Hanseatische Rechtsanwaltskammer H1, war. Daran wird deutlich, dass die Zulassung eben nur für die Nebentätigkeit, nicht aber für die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) erfolgte. Denn wäre die Klägerin bereits für die Tätigkeit bei der Beigeladenen als Rechtsanwältin zugelassen worden, so hätte es der zitierten Ergänzungsvereinbarung nicht bedurft.
Die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1) und ihre Tätigkeit als freie Rechtsanwältin sind nach Auffassung des Gerichts zwei voneinander unabhängige Tätigkeiten, die auch in Hinblick auf die Frage der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gesondert zu betrachten sind (vgl. für die Annahme zweier unterschiedlicher Tätigkeiten in ähnlich gelagerten Fällen auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.08.2005, Az.: L 3 RA 72/04 und Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03 mwN; SG Leipzig, Urteil vom 05.07.2011, Az.: S 27 R 867/10; SG Kiel, Urteil vom 27.06.2011, Az.: S 17 R 336/08). Beide Tätigkeiten sind mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet; die Tätigkeit als freie Anwältin richtet sich nach dem Berufsrecht der BRAO, während die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) wesentlich durch arbeitsrechtliche Vorschriften geprägt ist.
Sofern die Beigeladene zu 1) vorgetragen hat, die Anwaltszulassung der Klägerin sei eine wesentliche Voraussetzung für deren Tätigkeit, hat sie dies nicht näher erläutert. Dass eine Zulassung als Anwältin für diese Tätigkeit tatsächlich erforderlich ist, ist nicht erkennbar. In der Stellenanzeige wurde explizit ein "Volljurist", nicht aber ein "Rechtsanwalt" gesucht. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zudem zunächst über einen Zeitraum von gut einem Jahr ausgeübt, ohne als Rechtsanwältin zugelassen gewesen zu sein.
Das Gericht folgt damit nicht der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung, wonach für die Befreiung von der Versicherungspflicht entscheidend ist, dass im Rahmen der abhängigen Beschäftigung eine anwaltstypische Tätigkeit ausgeübt wird, was der Fall sein soll, wenn die Tätigkeit die vier Merkmale Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung umfasst. Vielmehr schließt es sich der Auffassung an, dass die Tätigkeit eines Syndikusanwaltes, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienstverhältnis zu einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber steht, keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.08.2005, Az.: L 3 RA 72/04 und Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03 mwN; SG Leipzig, Urteil vom 05.07.2011, Az.: S 27 R 867/10; SG Kiel, Urteil vom 27.06.2011, Az.: S 17 R 336/08). Die Eigenschaft als Syndikusanwalt ist kein sachgerechtes Kriterium zur Unterscheidung anwaltlicher von sonstiger juristischer Tätigkeit. Dem steht insbesondere der Sinn und Zweck des § 6 Abs.1 SGB VI als – abschließende und einer erweiternden Auslegung nicht zugängliche – Ausnahmevorschrift (siehe dazu oben) zuwider. Denn die Zulassung als Syndikusanwalt erfordert nicht, dass die Tätigkeit als freier Rechtsanwalt auch tatsächlich in gewissem Umfang ausgeübt wird. Es muss lediglich durch Zustimmung des Arbeitgebers gesichert sein, dass die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit neben der Angestelltentätigkeit möglich ist. Dann aber würde einem Syndikusanwalt, der lediglich eine zeitlich unbedeutende Nebenbeschäftigung ausübt, die Möglichkeit eröffnet, die Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung allein aufgrund dieser Nebentätigkeit zu verlassen und sich stattdessen in einer eigenen Gruppe mit günstigerer Risikostruktur abzusichern. § 6 Abs.1 SGB VI will aber gerade eine fortschreitende Auszehrung des beitragspflichtigen Personenkreises durch eine Ausweitung berufsständischer Versorgungswerke und damit eine Gefährdung der finanziellen Stabilität der Rentenversicherung verhindern (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.08.2005, Az.: L 3 RA 72/04 und Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03 mwN). Im Übrigen entspricht die angestellte Tätigkeit des Syndikusanwalts nicht dem anwaltlichen Berufsbild, das maßgeblich durch den unabhängigen freiberuflich tätigen und im Verhältnis zum Mandanten eigenverantwortlich handelnden Rechtsanwalt geprägt ist (vgl. BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 07.02.2011, Az.: AnwZ (B) 20/10). Die mit dem Dienst- und Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen mit diesem Berufsbild nicht in Einklang. Dementsprechend wird der Syndikusanwalt in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (vgl. BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 07.02.2011, Az.: AnwZ (B) 20/10, unter Berufung auf eine gefestigte Rechtsprechung; Anwaltsgerichtshof München, Beschluss vom 12.11.2009, Az.: BayAGH I – 47/2008). Auch der Gesetzgeber selbst hat in diesem Sinne bei Neuregelung des Berufsausübungsrechts für Rechtsanwälte betont, dass ein Rechtsanwalt, der im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, in dieser Eigenschaft nicht Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten sei. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leiste, seien die durch das Recht der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmten, aufgrund des Über- und Unterordnungsverhältnisses nicht gegeben (vgl. BT-Drucks. 12/7656, S. 49).
Ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht folgt auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG). Insbesondere liegt in der Ungleichbehandlung von angestellten Syndikusanwälten bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern gegenüber angestellten Anwälten bei anwaltlichen Arbeitgebern kein Verstoß gegen Art. 3 GG. Die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sich daraus, dass bei einem anwaltlichen Arbeitgeber dieser standesrechtlich gebunden ist. Zudem ist ein Rechtsanwalt als Arbeitgeber standesrechtlich verpflichtet, den von ihm beschäftigten Rechtsanwälten die Einhaltung des Standesrechts zu ermöglichen. Demgegenüber unterliegt der nichtanwaltliche Arbeitgeber nicht den standesrechtlichen Regelungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Rechtskraft
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