Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
164
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 164 SF 5306/14 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Kein genereller Abschlag auf die Verfahrensgebühr im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren infolge Vorbefassung im erstinstanzlichen Verfahren.
2. Sind die Tatsachen geklärt und unstreitig und gehen die rechtlichen Erwägungen nicht über dasjenige hinaus, was auch im erstinstanzlichen Verfahren diskutiert wurde, handelt es sich grundsätzlich nur um eine unterdurchschnittliche Tätigkeit.
2. Sind die Tatsachen geklärt und unstreitig und gehen die rechtlichen Erwägungen nicht über dasjenige hinaus, was auch im erstinstanzlichen Verfahren diskutiert wurde, handelt es sich grundsätzlich nur um eine unterdurchschnittliche Tätigkeit.
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. September 2014 (S 201 AS 25885/13 ER) wird zurückgewiesen. Der Erinnerungsführer hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I. Gegenstand des Eilantrags vom 29. Oktober 2013 im Verfahren S 201 AS 25885/13 ER war die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei Versagung wegen eines Anspruchsausschlusses für Ausländer. Gegen den ablehnenden Beschluss der 201. Kammer erhoben die Antragsteller (hier: Erinnerungsgegner) Beschwerde zum LSG Berlin-Brandenburg. Nach dem Beschluss des 32. Senats vom 20. Januar 2014 im Verfahren L 32 AS 3316/13 B ER trägt der Antragsgegner (hier: Erinnerungsführer) die außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen.
Mit am 22. Januar 2014 beim Sozialgericht Berlin eingegangenem Schriftsatz beantragte der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner Kostenfestsetzung, und zwar: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 270,00 EUR Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 112,10 EUR Summe: 702,10 EUR Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG 370,00 EUR Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 333,00 EUR Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 137,37 EUR Summe: 860,37 EUR
Der Erinnerungsführer wandte Unbilligkeit ein. Er hielt für das erstinstanzliche Verfahren eine halbe Mittelgebühr und für das Beschwerdeverfahren ebenfalls eine unterhalb der Mittelgebühr liegende Gebühr für angemessen. Dem trat der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 13. Mai 2014 insoweit entgegen, als die Gebühr nach Nr. 3102, 1008 VV RVG um mehr als zwei Drittel der Mittelgebühr vermindert werde. Mit der Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren in dieser Höher erklärte sich der Erinnerungsführer daraufhin einverstanden.
Mit Beschluss vom 4. September 2014 setzte die Urkundsbeamtin unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen 1336,37 EUR fest: I. Instanz Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 380,00 EUR Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 76,00 EUR II. Instanz Verfahrensgebühr Nr. 3204, 1008 VV RVG 703,00 EUR Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 137,37 EUR Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Erinnerung ist am 23. September 2014 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Der Erinnerungsführer macht geltend, im Beschwerdeverfahren seien Synergien zu berücksichtigen. Wenn der Gesetzgeber an anderen Stellen des RVG eine Klarstellung treffe, dies aber vorliegend unterlasse, sei davon auszugehen, dass eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung dahingehend, dass die Mittelgebühr der Nr. 3204 VV RVG von einer vorangegangenen erstinstanzlichen Tätigkeit ausgehe, nicht beabsichtigt gewesen sei.
Im Übrigen wird auf den Erinnerungsschriftsatz und den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet.
Sie ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen gemäß § 153 Abs. 2 SGG in entsprechender Anwendung.
Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Erinnerungsführers im Erinnerungsverfahren keine Herabbemessung der Verfahrensgebühr für das zweitinstanzliche Verfahren – die hier allein streitig ist - gerechtfertigt ist.
Soweit der Erinnerungsführer meint, bereits aus dem Wortlaut bzw. Regelungszusammenhang des RVG sei ersichtlich, dass die Vorbefassung im erstinstanzlichen Verfahren sich mindernd bei der Gebührenbestimmung nach Nr. 3204 VV RVG auswirke, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Weder hat der Gesetzgeber die Novelle des RVG zum 1. August 2013 zum Anlass genommen, sämtliche streitigen Fragen klarstellend zu regeln (etwa den Streit über den Anfall einer fiktiven Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleich), noch enthielt bzw. enthält das Gesetz Auslegungsregeln zu § 14 RVG. Ob die Vorbefassung im erstinstanzlichen Verfahren der Regelfall der anwaltlichen Tätigkeit im zweitinstanzlichen Rechtsstreit darstellt oder nicht, betrifft auch das Verhältnis von Klage und Berufung. Für letztere war bereits nach der bis 31. Juli 2013 geltenden Rechtslage der Gebührenrahmen der Nr. 3104 VV RVG einschlägig.
Soweit hat der Gesetzgeber in den Vorbemerkungen 2.3. (Abs. 4 Satz 3) und 3. (Abs. 4 Satz 4) VV RVG bei Betragsrahmengebühren die Berücksichtigung von Synergien aus Vorbefassung auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ausdrücklich ausgeschlossen hat, betrifft dies allein den Anrechnungsfall. Dass eine entsprechende Regelung im Kontext der Nr. 3204 VV RVG fehlt, besagt nicht zwingend, dass die Vorbefassung mindernd zu berücksichtigen ist, da dort gerade keine Anrechnung der Verfahrensgebühr aus einer Vortätigkeit stattfindet. Ebenso gut lässt sich das Gesetz dahingehend auslegen, dass die Vorbefassung schon vor der Gesetzesreform in den Gebührensatz "eingepreist" war, weil diese den Regelfall darstellt.
Letztlich ist bei der Gebührenbestimmung nach § 14 RVG stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Maßstab für die Mittelgebühr ist ein durchschnittliches Verfahren, für das die Gebühr der jeweiligen Gebührenziffer verdient wird. Der Anwendungsbereich der Nr. 3204 VV RVG umfasst Berufungs- und seit 1. August 2013 auch Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz (vgl. Vorbemerkung 3.2.1. Ziff. 3a VV RVG).
Allein die Vorbefassung im erstinstanzlichen Verfahren rechtfertigt nach Auffassung der Kammer keinen Abschlag auf die Mittelgebühr im Regelfall. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist der Bevollmächtigte mit der Sach- und Rechtsmaterie bei der Vertretung im zweitinstanzlichen Verfahren bereits befasst gewesen. Auch wenn dies nicht der Fall war, bei Anwaltswechsel zwischen den Instanzen oder weil sich der Rechtssuchende erst im zweitinstanzlichen Verfahren anwaltlichen Beistandes bediente, kann der Rechtskundige aber den Sachverhalt und die Entscheidungsgründe im Regelfall der erstinstanzlichen Entscheidung entnehmen. Sofern die Tatsachen geklärt und unstreitig sind und die rechtlichen Erwägungen nicht über dasjenige hinausgehen, was bereits im erstinstanzlichen Verfahren diskutiert wurde, handelt es sich zweitinstanzlich grundsätzlich nur um eine unterdurchschnittliche anwaltliche Tätigkeit. Wird darüber hinausgehend vorgetragen, liegt die Tätigkeit im Durchschnitt. Sie übersteigt ihn (bis hin zur Ausschöpfung des Gebührenrahmens an den oberen Rand), wenn eine Vielzahl tatsächlicher Fragen durch den Rechtsanwalt aufgeklärt bzw. ermittelt und zudem sich auch (schwierige) rechtliche Fragen, die im erstinstanzlichen Verfahren noch keine Rolle spielten, schriftsätzlich vorgetragen bzw. erörtert werden. Hinsichtlich der Anzahl und des Umfangs der Schriftsätze gilt gegenüber der Bemessung der Verfahrensgebühr des erstinstanzlichen Verfahrens nichts wesentlich Anderes: Auch lediglich ein einziger, umfassender Schriftsatz kann für den Anfall einer Mittelgebühr ausreichen. Diverse kurze Schriftsätze, aus denen kein erheblicher Aufwand ersichtlich wird, wirken sich nicht gebührensteigernd aus.
Unter Berücksichtigung des vorstehend Aufgeführten erachtet die Kammer hier den Ansatz der Mittelgebühr als billig im Sinne von § 14 Abs. 1 RVG. Der Bevollmächtigte fertigte die Beschwerdeschrift, in der weder im Tatsächlichen noch im Rechtlichen Vortrag erfolgte, der über dasjenige im erstinstanzlichen Verfahren hinausging. Darüber hinaus hat er aber eine Auflage des Gerichts erfüllt. Die Konkretisierung des Antrags für sich wäre nicht gebührensteigernd zu berücksichtigen, anders verhält es sich aber mit dem Vortrag zur Frage des Überziehungskredits (der erstinstanzlich keine Rolle spielte) sowie zu den (Nicht-)Änderungen in den Verhältnissen der Erinnerungsgegner. Der Bevollmächtigte setzte sich in diesem Zusammenhang auch mit obergerichtlicher Rechtsprechung zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes bei Aufnahme von Schulden auseinander. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Behörde im Beschwerdeverfahren gar nicht äußerte und insoweit nicht zu replizieren war, ist die anwaltliche Tätigkeit insgesamt als leicht unterdurchschnittlich zu bewerten.
Die zugrunde liegenden Rechtsfragen erachtet die Kammer als durchschnittlich schwierig. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Erinnerungsgegner war herausragend, aufgrund der Versagung existenzsichernder Leistungen auch noch in der erstinstanzlichen Entscheidung. Dieser Umstand wird durch deren schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vollständig kompensiert. Insgesamt erachtet die Kammer daher den Ansatz einer Mittelgebühr als gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Erinnerungsverfahrens.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.
Gründe:
I. Gegenstand des Eilantrags vom 29. Oktober 2013 im Verfahren S 201 AS 25885/13 ER war die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei Versagung wegen eines Anspruchsausschlusses für Ausländer. Gegen den ablehnenden Beschluss der 201. Kammer erhoben die Antragsteller (hier: Erinnerungsgegner) Beschwerde zum LSG Berlin-Brandenburg. Nach dem Beschluss des 32. Senats vom 20. Januar 2014 im Verfahren L 32 AS 3316/13 B ER trägt der Antragsgegner (hier: Erinnerungsführer) die außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen.
Mit am 22. Januar 2014 beim Sozialgericht Berlin eingegangenem Schriftsatz beantragte der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner Kostenfestsetzung, und zwar: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 270,00 EUR Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 112,10 EUR Summe: 702,10 EUR Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG 370,00 EUR Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 333,00 EUR Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 137,37 EUR Summe: 860,37 EUR
Der Erinnerungsführer wandte Unbilligkeit ein. Er hielt für das erstinstanzliche Verfahren eine halbe Mittelgebühr und für das Beschwerdeverfahren ebenfalls eine unterhalb der Mittelgebühr liegende Gebühr für angemessen. Dem trat der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 13. Mai 2014 insoweit entgegen, als die Gebühr nach Nr. 3102, 1008 VV RVG um mehr als zwei Drittel der Mittelgebühr vermindert werde. Mit der Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren in dieser Höher erklärte sich der Erinnerungsführer daraufhin einverstanden.
Mit Beschluss vom 4. September 2014 setzte die Urkundsbeamtin unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen 1336,37 EUR fest: I. Instanz Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 380,00 EUR Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 76,00 EUR II. Instanz Verfahrensgebühr Nr. 3204, 1008 VV RVG 703,00 EUR Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 137,37 EUR Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Erinnerung ist am 23. September 2014 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Der Erinnerungsführer macht geltend, im Beschwerdeverfahren seien Synergien zu berücksichtigen. Wenn der Gesetzgeber an anderen Stellen des RVG eine Klarstellung treffe, dies aber vorliegend unterlasse, sei davon auszugehen, dass eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung dahingehend, dass die Mittelgebühr der Nr. 3204 VV RVG von einer vorangegangenen erstinstanzlichen Tätigkeit ausgehe, nicht beabsichtigt gewesen sei.
Im Übrigen wird auf den Erinnerungsschriftsatz und den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet.
Sie ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen gemäß § 153 Abs. 2 SGG in entsprechender Anwendung.
Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Erinnerungsführers im Erinnerungsverfahren keine Herabbemessung der Verfahrensgebühr für das zweitinstanzliche Verfahren – die hier allein streitig ist - gerechtfertigt ist.
Soweit der Erinnerungsführer meint, bereits aus dem Wortlaut bzw. Regelungszusammenhang des RVG sei ersichtlich, dass die Vorbefassung im erstinstanzlichen Verfahren sich mindernd bei der Gebührenbestimmung nach Nr. 3204 VV RVG auswirke, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Weder hat der Gesetzgeber die Novelle des RVG zum 1. August 2013 zum Anlass genommen, sämtliche streitigen Fragen klarstellend zu regeln (etwa den Streit über den Anfall einer fiktiven Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleich), noch enthielt bzw. enthält das Gesetz Auslegungsregeln zu § 14 RVG. Ob die Vorbefassung im erstinstanzlichen Verfahren der Regelfall der anwaltlichen Tätigkeit im zweitinstanzlichen Rechtsstreit darstellt oder nicht, betrifft auch das Verhältnis von Klage und Berufung. Für letztere war bereits nach der bis 31. Juli 2013 geltenden Rechtslage der Gebührenrahmen der Nr. 3104 VV RVG einschlägig.
Soweit hat der Gesetzgeber in den Vorbemerkungen 2.3. (Abs. 4 Satz 3) und 3. (Abs. 4 Satz 4) VV RVG bei Betragsrahmengebühren die Berücksichtigung von Synergien aus Vorbefassung auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ausdrücklich ausgeschlossen hat, betrifft dies allein den Anrechnungsfall. Dass eine entsprechende Regelung im Kontext der Nr. 3204 VV RVG fehlt, besagt nicht zwingend, dass die Vorbefassung mindernd zu berücksichtigen ist, da dort gerade keine Anrechnung der Verfahrensgebühr aus einer Vortätigkeit stattfindet. Ebenso gut lässt sich das Gesetz dahingehend auslegen, dass die Vorbefassung schon vor der Gesetzesreform in den Gebührensatz "eingepreist" war, weil diese den Regelfall darstellt.
Letztlich ist bei der Gebührenbestimmung nach § 14 RVG stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Maßstab für die Mittelgebühr ist ein durchschnittliches Verfahren, für das die Gebühr der jeweiligen Gebührenziffer verdient wird. Der Anwendungsbereich der Nr. 3204 VV RVG umfasst Berufungs- und seit 1. August 2013 auch Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz (vgl. Vorbemerkung 3.2.1. Ziff. 3a VV RVG).
Allein die Vorbefassung im erstinstanzlichen Verfahren rechtfertigt nach Auffassung der Kammer keinen Abschlag auf die Mittelgebühr im Regelfall. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist der Bevollmächtigte mit der Sach- und Rechtsmaterie bei der Vertretung im zweitinstanzlichen Verfahren bereits befasst gewesen. Auch wenn dies nicht der Fall war, bei Anwaltswechsel zwischen den Instanzen oder weil sich der Rechtssuchende erst im zweitinstanzlichen Verfahren anwaltlichen Beistandes bediente, kann der Rechtskundige aber den Sachverhalt und die Entscheidungsgründe im Regelfall der erstinstanzlichen Entscheidung entnehmen. Sofern die Tatsachen geklärt und unstreitig sind und die rechtlichen Erwägungen nicht über dasjenige hinausgehen, was bereits im erstinstanzlichen Verfahren diskutiert wurde, handelt es sich zweitinstanzlich grundsätzlich nur um eine unterdurchschnittliche anwaltliche Tätigkeit. Wird darüber hinausgehend vorgetragen, liegt die Tätigkeit im Durchschnitt. Sie übersteigt ihn (bis hin zur Ausschöpfung des Gebührenrahmens an den oberen Rand), wenn eine Vielzahl tatsächlicher Fragen durch den Rechtsanwalt aufgeklärt bzw. ermittelt und zudem sich auch (schwierige) rechtliche Fragen, die im erstinstanzlichen Verfahren noch keine Rolle spielten, schriftsätzlich vorgetragen bzw. erörtert werden. Hinsichtlich der Anzahl und des Umfangs der Schriftsätze gilt gegenüber der Bemessung der Verfahrensgebühr des erstinstanzlichen Verfahrens nichts wesentlich Anderes: Auch lediglich ein einziger, umfassender Schriftsatz kann für den Anfall einer Mittelgebühr ausreichen. Diverse kurze Schriftsätze, aus denen kein erheblicher Aufwand ersichtlich wird, wirken sich nicht gebührensteigernd aus.
Unter Berücksichtigung des vorstehend Aufgeführten erachtet die Kammer hier den Ansatz der Mittelgebühr als billig im Sinne von § 14 Abs. 1 RVG. Der Bevollmächtigte fertigte die Beschwerdeschrift, in der weder im Tatsächlichen noch im Rechtlichen Vortrag erfolgte, der über dasjenige im erstinstanzlichen Verfahren hinausging. Darüber hinaus hat er aber eine Auflage des Gerichts erfüllt. Die Konkretisierung des Antrags für sich wäre nicht gebührensteigernd zu berücksichtigen, anders verhält es sich aber mit dem Vortrag zur Frage des Überziehungskredits (der erstinstanzlich keine Rolle spielte) sowie zu den (Nicht-)Änderungen in den Verhältnissen der Erinnerungsgegner. Der Bevollmächtigte setzte sich in diesem Zusammenhang auch mit obergerichtlicher Rechtsprechung zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes bei Aufnahme von Schulden auseinander. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Behörde im Beschwerdeverfahren gar nicht äußerte und insoweit nicht zu replizieren war, ist die anwaltliche Tätigkeit insgesamt als leicht unterdurchschnittlich zu bewerten.
Die zugrunde liegenden Rechtsfragen erachtet die Kammer als durchschnittlich schwierig. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Erinnerungsgegner war herausragend, aufgrund der Versagung existenzsichernder Leistungen auch noch in der erstinstanzlichen Entscheidung. Dieser Umstand wird durch deren schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vollständig kompensiert. Insgesamt erachtet die Kammer daher den Ansatz einer Mittelgebühr als gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Erinnerungsverfahrens.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.
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