L 10 R 4488/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 1348/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4488/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.10.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1961 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Kfz-Mechanikers und war anschließend bei der D. AG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde zum einen 30.12.2009 beendet. Seither ist der Kläger ohne Beschäftigung. In der Zeit vom 01.06.2010 bis 30.06.2011 bezog der Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten (Bl. 27 Verwaltungsakte - VA). Ab Juli 2011 erhielt er Arbeitslosengeld, seit 2013 bezieht er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II, Angaben des Klägers im Antrag vom 18.12.2015, Bl. 1, Versicherungsverlauf Bl. 28 VA).

Ein Antrag auf Weiterzahlung der Erwerbsminderungsrente ab 01.07.2011 hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 11.07.2011 und Widerspruchsbescheid vom 05.12.2011, Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe - SG - vom 12.03.2013, S 9 R 74/12, Beschluss des Senats vom 10.02.2015, L 10 R 1728/13).

Am 18.12.2015 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er legte eine Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, ausgeprägter Tinnitus, Bl. 11 VA ärztlicher Teil) und einen Entlassungsbericht der A. O. , Fachkrankenhaus für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom Mai 2015 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen, Tinnitus aurium, undifferenzierte Somatisierungsstörung, Bl. 13 VA ärztlicher Teil) vor.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Arztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. S. lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung mit Bescheid vom 02.12.2015 (Bl. 59 VA) und Widerspruchsbescheid vom 11.04.2016 (Bl. 25 VA RMG) ab.

Dagegen hat der Kläger am 22.04.2016 Klage zum SG erhoben. Er hat den Entlassungsbericht der M. Klinik G. , Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 11.05.2016 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, Albträume, Tinnitus aurium, Glaukom nicht näher bezeichnet, Bl. 23 SG Akte) vorgelegt. Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. H. hat von unregelmäßigen Vorstellungen wegen mäßiger Bewegungseinschränkungen an der Halswirbelsäule (HWS) berichtet. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger in der Lage sechs Stunden bis untervollschichtig täglich zu arbeiten (Bl. 32 SG Akte). Der Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut Dr. van Q. hat von der Behandlung des Klägers durch seinen Praxisvorgänger Dr. S. wegen psychischer Belastungen berichtet. Es liege aktuell Arbeitsunfähigkeit vor, es handele sich um eine chronifizierte Erkrankung, so dass eine absehbare Besserung nicht wahrscheinlich sei (Bl. 33 SG Akte). Der Arzt für Innere Medizin und Hausarzt Dr. G. hat angegeben, im Vordergrund stünden Ohrgeräusche beidseits, eine depressive Herabgestimmtheit mit Niedergeschlagenheit und Zukunftsangst sowie eine Zwangs- und Angststörung. Der Kläger sei aus hausärztlicher Sicht nicht in der Lage, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden zu verrichten. Das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgebliche Leiden liege auf dem psychiatrischen Fachgebiet (Bl. 38 SG Akte).

Das SG hat das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapeutische Medizin Dr. W. vom November 2016 aus einem parallel beim SG geführten Rechtsstreit um eine medizinische Rehabilitation (S 17 R 3857/15) beigezogen (Bl. 58 SG Akte), der die Diagnosen kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dysthymen Zügen, beklagte Ein- und Durchschlafstörungen bei fehlendem Schlaf-Wach-Rhythmus und geklagter Tinnitus beidseits gestellt hat. Unter Verzicht auf sekundären Krankheitsgewinn und unter Anspannung aller ihm zumutbaren Willensanstrengungen sei es dem Kläger möglich, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben (Bl. 81 SG Akte).

Der Kläger hat den Kurzentlassungsbericht der Klinik G. vom März 2017 vorgelegt, in der er wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, Tinnitus, Glaukom, Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung behandelt worden ist (Bl. 103 SG Akte). Das SG hat auf Antrag des Klägers das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. auf Grund einer Untersuchung im April 2017 eingeholt (Bl. 105 SG Akte). Er hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom, eine Dysthymia, eine Double Depression, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine nichtorganische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Albträume, eine Essstörung und einen Tinnitus diagnostiziert (Bl. 126 SG Akte). Der Kläger könne derzeit unter drei Stunden täglich arbeiten. Der Zustand bestehe seit 2011. Eine Besserung sei bei richtiger Behandlung binnen ein bis zwei Jahren zu erwarten (Bl. 127 SG Akte).

Das SG hat den endgültigen Entlassungsbericht der Klinik G. über die stationäre Behandlung im Februar und März 2017 beigezogen (Bl. 138 SG Akte).

Mit Urteil vom 24.10.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Gestützt auf das Gutachten des Dr. W. ist es davon ausgegangen, dass die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers eine rentenbegründende Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens nicht begründeten. Das Gutachten des Dr. S. überzeuge nicht, denn die dort herangezogenen Fragebögen gäben lediglich das subjektive Empfinden des Klägers wieder und die Angaben seien durch seine und die seitens der Klinik G. erhobenen objektiven Befunde nicht nachvollziehbar.

Gegen das ihm am 25.10.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 27.11.2017 Berufung eingelegt und Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. W. erhoben. Er habe insbesondere unrichtige Schlüsse daraus gezogen, dass der Kläger sich 2016 habe öffnen und traumatische Erlebnisse in der Kindheit habe berichten können. Jedenfalls verhindere sein fehlender Schlaf-Wach-Rhythmus eine vollschichtige Tätigkeit. Es sei dem Gutachten des Dr. S. Vorrang zu geben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.10.2017 und des Bescheids vom 02.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.04.20016 die Beklagte zu verurteilen, eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung seit Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 02.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.04.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab Dezember 2015 nicht zu. Streitgegenstand ist der Zeitraum ab Dezember 2015 - so der ausdrückliche Antrag des rechtskundig vertretenen Klägers (Rente ab Antragstellung am 18.12.2015).

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen zumindest noch leichte berufliche Tätigkeiten in einem Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Die Einwände des Klägers gegen das Urteil greifen nicht durch. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers nicht zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich führen. Den qualitativen Einschränkungen des Klägers trug schon die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid hinreichend Rechnung, indem sie ihm nur noch Tätigkeiten in Tagesschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen und ohne Publikumsverkehr zumutete.

Soweit der Kläger gegen das Urteil einwendet, dass seine behandelnden Ärzte und der auf seinen Antrag hin beauftragte Sachverständige Dr. S. anderer Meinung seien, überzeugt das den Senat ebenso wenig wie das SG. Dr. G. hat keinen aussagekräftigen Befund mitgeteilt, der eine Einschränkung des Leistungsvermögens belegt, Dr. van Q. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage lediglich den Befund seines Praxisvorgängers referiert, den Kläger aber selbst nicht behandelt (so jeweils zutreffend Dr. N. in seiner Stellungnahme vom August 2017, Bl. 150 SG Akte). Die vom Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dipl.-Psych. Dr. F.-V. in seinem vom Kläger vorgelegten Attest (Bl. 92 SG Akte) formulierte Auffassung einer Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil keine Befunde mitgeteilt werden. Gleiches gilt für die Einschätzung des Klägers als erwerbsunfähig durch Dres. van Q. und S. in ihrem Attest vom 07.12.2016 (Bl. 93 SG Akte). Dr. F.-V. bezeichnet die von ihm diagnostizierte Depression als durch die nunmehr bekannt gewordene Traumatisierung in der Kindheit als verstehbar und schließt daraus auf eine fehlende Erwerbsfähigkeit auf Dauer. Demgegenüber leitet schon Dr. S. aus der Öffnung des Klägers betreffend seine Kindheitserlebnisse eine Besserungsmöglichkeit ab und nimmt insofern keine dauerhafte Beeinträchtigung an. Dr. W. weist für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar darauf hin, dass die behandelnden Ärzte das Vermeidungsverhalten des Klägers und seine Erwartung auf Verständnis nicht hinreichend berücksichtigen.

Die Einschätzung der behandelnden Ärzte hat sich in der Sachaufklärung durch das SG auch nicht bestätigt. Dr. W. hat nur eine dysthyme Stimmungslage feststellen können. Er hat keine Auffassungs-, Konzentrations- oder Merkfähigkeitsstörungen oder formale oder inhaltliche Denkstörungen feststellen können. Es hat ein ausreichendes emotionales Schwingungsvermögen bestanden, die affektive Resonanzfähigkeit ist nicht gestört gewesen. Die Stimmung ist dysthym, hoffnungslos-resigniert, aber nicht stärkergradig depressiv ausgelenkt gewesen. Der Sachverständige hat trotz einer Neigung des Klägers zum Grübeln keine krankheitswertige Grübelneigung und trotz eines gewissen sozialen Rückzugs keine Phobie feststellen können. Dr. W. hat daraus nachvollziehbar auf eine dysthyme Stimmungslage und fehlende höhergradige Depression geschlossen.

Die Bedenken des Klägers gegen das Gutachten des Dr. W. greifen nicht durch. Er beanstandet, dass Dr. W. Details aus seinen Angaben nicht richtig wiedergegeben habe, ohne dass allerdings deutlich wird, wie diese Details (Depression seit sechs statt 16 Jahren, früher Fotografieren, Sehvermögen nicht intakt) das Ergebnis beeinflusst haben sollen. Vielmehr hat Dr. W. ausführlich und insoweit vom Kläger unbeanstandet dessen Angaben zu seinem Befinden, seinem Tagesablauf und zur Eigenanamnese im Gutachten wiedergegeben und diese mit den von ihm festgestellten Befunden in Beziehung gesetzt, um dann nachvollziehbar auf die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung mit dysthymen Zügen zu schließen. Aus seinen eigenen Befunden und einer Würdigung der vorhandenen Befunde anderer Ärzte ist er nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Leistungsminderung auf unter sechs Stunden täglich nicht besteht. Soweit der Kläger kritisiert, Dr. W. habe nicht erklärt, inwiefern eine ambulante Therapie ausreichend sein solle, eine stationäre Rehabilitation nicht erfolgversprechend sei, er den Eindruck vermittelt habe, dass die Störung so leichtgradig sei, dass eine Behandlung nicht erforderlich sei, ist dieser Vortrag im hiesigen Rechtsstreit nicht relevant. Es wird um eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht aber um eine Rehabilitation oder um die Notwendigkeit einer Behandlung wegen einer psychischen Erkrankung gestritten.

Der Hinweis des Klägers auf ein Gutachten des Dr. B. aus dem Jahr 2011 ist nicht geeignet, das Gutachten des Dr. W. aus dem Jahr 2016 zu widerlegen, denn die Gutachten können jeweils nur den aktuellen Gesundheitszustand beschreiben. Das Gutachten des Dr. B. beschreibt den Gesundheitszustand im Jahr 2011, der Kläger begehrt aber Rente ab Antragstellung im Dezember 2015. Im Übrigen hat dieses Gutachten bereits im vorhergehenden Rechtsstreit nicht zum Erfolg geführt. Sofern der Kläger eine Auseinandersetzung des Dr. W. mit einem Gutachten von Dr. S. aus vorhergehenden Verfahren verlangt, ist dieser Vortrag nicht geeignet das Gutachten des Dr. W. in Frage zu stellen. Der Kläger kritisiert insofern, dass Dr. W. sich S. dem Gutachten des Dr. S. anschließe. Welche weitere Auseinandersetzung der Kläger mit den Argumenten der in vorherigen Verfahren beauftragten Sachverständigen verlangt, wenn der in diesem Verfahren beauftragte Sachverständige aufgrund seiner Untersuchung zu demselben Ergebnis kommt, erschließt sich aus seinem Vortrag nicht und ist auch sonst nicht erkennbar.

Aus den vorliegenden Entlassungsberichten der Klinik G. und der A. ergeben sich keine weitergehenden Einschränkungen. Vielmehr bestätigen diese Berichte die Einschätzung des Dr. W. , dass eine schwerergradige Depression nicht vorliegt, die vorliegende psychische Beeinträchtigung medikamentös behandelbar ist und der Kläger bei zumutbarer Willensanstrengung seine Haltung überwinden kann. In der Klinik O. im Jahr 2015 verhielt sich der Kläger passiv und setzte die gestellten Aufgaben nicht um, ohne dass sich Hinweise darauf ergeben, dass es dem Kläger nicht möglich war, aktiv an den Therapien teilzunehmen. Dennoch konnte durch Optimierung der Medikation eine Besserung erreicht werden (Bl. 51 SG Akte). Im G. im Jahr 2016 ist er trotz deutlicher Ambivalenz gegenüber den verschiedenen Therapien (Bl. 25 SG Akte) in gebessertem Zustand entlassen worden. Der Befund der Klinik G. aus dem Jahr 2017 eines "zielgerichtet reduzierten Antriebs bei leicht getrieben wirkender Psychomotorik" weist auf eine willentliche Steuerbarkeit der Beeinträchtigung hin. Die übrigen Befunde zeigen leichte bis mittelgradige kognitive Auffälligkeiten, die die Annahme einer schweren depressiven Episode nicht stützen (so nachvollziehbar Dr. N. , Bl. 150R SG Akte).

Die Einschätzung des Dr. S. überzeugt den Senat ebenso wenig wie das SG. Aus den von ihm dokumentierten Befunden ergibt sich keine Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden. Dr. S. hat die kognitiven Fähigkeiten als leicht eingeschränkt mitgeteilt, ohne allerdings zu konkretisieren, auf welche Erkenntnisse er diese Annahme stützt. Im Übrigen hat Dr. S. eben nur eine leichtgradige Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit beschrieben, die nicht zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit führt (so zutreffend Dr. N. , Bl. 151 SG Akte). Die übrigen von Dr. S. mitgeteilten Befunde tragen seine Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode und einer Double Depression nicht. Er hat den Affekt nicht als depressiv, sondern als freundlich beschrieben. Das entspricht gerade keiner Depression, worauf Dr. N. (Bl. 151 SG Akte) nachvollziehbar hingewiesen hat. Die von Dr. S. mitgeteilten Ergebnisse einer Auswahl aus einer Symptomenliste durch den Kläger geben lediglich dessen subjektive Einschätzung wieder, ersetzen aber nicht die objektiven Befunde (so zutreffend Dr. N. , Bl. 151 SG Akte). Im Ergebnis und in der Begründung erschließt sich deshalb aus diesem Gutachten eine Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit des Klägers nicht.

Die vom Kläger im Berufungsverfahren als anspruchsbegründend angeführten Ein- und Durchschlafstörungen bedingen keine quantitative Leistungseinschränkung. Dr. W. hat insofern nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der Kläger fast ständig im Bett liege und in diesem Zusammenhang einen unregelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus habe. Die daraus vom Kläger in seiner Berufungsbegründung gezogene Schlussfolgerung, dass er deswegen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, wird von den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht getragen. Dr. W. hat nachvollziehbar angenommen, dass der Kläger mit zumutbarer Willensanstrengung den Tag-Nacht-Rhythmus herstellen und damit die Ein- und Durchschlafstörungen beherrschen kann (Bl. 86 SG Akte). Dafür spricht auch der Entlassungsbericht der Klinik G. von 2016, nach dem eine Verbesserung der Schlafhygiene mit strukturiertem Tagesablauf und bewegungsreichen Zeitblöcken im Laufe des Tages möglich gewesen ist (Bl. 25 SG Akte) und auch zu einer Besserung der Ein- und Durchschlafschwierigkeiten geführt hat (Bl. 26 SG Akte). Im Übrigen führen die Ein- und Durchschlafstörungen nicht zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Nach den Befunden von Dr. W. ist der Kläger bewusstseinsklar gewesen, es haben weder Auffassungs- noch Konzentrations- oder Merkfähigkeitsstörungen bestanden, obwohl der Kläger zuvor über 90 Minuten allein mit dem Auto zur Untersuchung gefahren ist. Eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit ergibt sich daraus nicht.

Die beim Kläger vorliegende Persönlichkeitsstörung bestand bereits vor dessen Eintritt in das Berufsleben (so Dr. W. und Dr. S. , Bl. 83, 123 SG Akte) und hinderte ihn in der Vergangenheit nicht an einer Berufstätigkeit (so überzeugend Dr. W. , Bl. 83 SG Akte), die gegenteilige Auffassung des Dr. F.-V. (Bl. 92 SG Akte) überzeugt schon deshalb nicht, weil seine Annahme, dass die stationären Aufenthalte keine Besserung erbracht hätten, nicht nachvollziehbar ist (vgl. Dr. N. , Bl. 151 SG Akte). Der Tinnitus führt nicht zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens (so überzeugend Dr. W. und Dr. S. , Bl. 126 SG Akte unten).

Den Antrag des Klägers, von Amts wegen ein weiteres fachpsychiatrisches Gutachten einzuholen, lehnt der Senat ab. Der Sachverhalt ist durch das Gutachten des Dr. W. , die vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte und die vorliegenden Entlassungsberichte der Kliniken O. und G. geklärt. Der Umstand, dass widersprechende Gutachten vorliegen, zwingt nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens, sondern ist Gegenstand der – oben dargelegten – Beweiswürdigung (vgl. BSG, Beschluss vom 16.02.2017, B 9 V 48/16 B). Insbesondere sieht der Senat keinen weiteren Aufklärungsbedarf betreffend die traumatischen Kindheits- und Jugenderlebnisse und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers. Die Kindheits- und Jugenderlebnisse sind durch die vorliegenden Entlassungsberichte der Klinik G. dokumentiert. Deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen hat Dr. W. ausreichend berücksichtigt, indem er von einer Persönlichkeitsstörung ausgegangen ist und dabei auch die traumatischen Kindheits- und Jugenderlebnisse berücksichtigt hat (Bl. 81, 83 SG Akte). Auch Dr. S. hat diese Erlebnisse in seinem Gutachten angeführt, sie bei seiner Diagnosestellung berücksichtigt, aber hier eine Besserungsmöglichkeit gesehen (Bl. 127 SG Akte). Weiterer Sachaufklärungsbedarf ergibt sich deshalb nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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