S 24 KR 242/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 24 KR 242/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 520/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt drei Fünftel der erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Klageverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Kläger war in der Zeit vom 15.09.2010 bis 31.07.2011 als Arbeitnehmer bei der Firma F B GmbH freiwilliges Mitglied der Beklagten. Weitere Arbeitnehmer dieser Firma waren bei der Beklagten nicht freiwillig krankenversichert. Der Kläger und seine Arbeitgeberin hatten sich darauf verständigt, dass die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zusammen mit den Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen vom Nettoarbeitsentgelt des Klägers abgezogen und direkt an die Beklagte überwiesen werden sollten. Zu diesem Zweck hatte die Arbeitgeberin der Beklagten eine Einzugsermächtigung erteilt.

Zwischen Januar 2010 und Mai 2011 kam es insgesamt elf Mal zu Rückbuchungen von Zahlungen, die die Beklagte vom Konto der F B GmbH abgebucht hatte.

Am 28.04.2011 buchte die Beklagte vom Konto der F B GmbH einen Betrag in Höhe von 13.756,38 EUR ab. Als Verwendungszweck wurde dabei "Beiträge 03/2011 bis 04/2011" angegeben.

Am 16.05.2011 erfolgte eine Abbuchung in Höhe von 647,83 EUR unter dem Verwendungszweck "Beiträge 04/2011", die jedoch wieder zurückgebucht wurde.

Mit einem Schreiben vom 17.06.2011 beantragte die F B GmbH beim Amtsgericht Hannover die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Mit einem Beschluss vom 07.10.2011 eröffnete das Amtsgericht Hannover über das Vermögen der F B GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn Rechtsanwalt T zum Insolvenzverwalter.

Die Beiträge für den Monat März 2011 hatte die Insolvenzschuldnerin (unstreitig) an die Beklagte abgeführt. Ob auch der Beitrag für den April 2011 an die Beklagte entrichtet wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Beiträge für die Monate Mai bis Juli 2011 zahlte der Kläger direkt an die Beklagte.

Mit einem Schreiben vom 15.12.2014 focht der Insolvenzverwalter T die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte vom 28.04.2011 in Höhe von 13.756,38 EUR an und forderte die Rückzahlung dieses Betrages gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 133 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO). Zur Begründung führte der Insolvenzverwalter aus, dass die Beklagte angesichts der zahlreichen Lastschriftrückgaben durch die Insolvenzschuldnerin vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der drohenden Zahlungsunfähigkeit Kenntnis gehabt haben müsse. Nach ständiger Rechtsprechung stelle die Rückgabe von Lastschriften ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar (Bundesgerichtshof [BGH] Urteil vom 01.07.2010 - IX ZR 70/08 -).

Die Beklagte teilte dem Insolvenzverwalter mit einem Schreiben vom 16.12.2014 mit, dass sie den Betrag in Höhe 13.756,38 EUR nebst Zinsen in den nächsten Tagen erstatten werde. Diesen Betrag erhielt der Insolvenzverwalter dann am 19.12.2014.

Am 13.01.2015 meldete die Beklagte nach erfolgter Anfechtung eine Forderung in Höhe von 12.460,72 EUR zur Insolvenztabelle an.

Mit einem Bescheid vom 29.12.2014 forderte die Beklagte vom Kläger die Zahlung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum von März bis Juli 2011 in Höhe von 3.285,60 EUR.

Der Kläger legte dagegen sinngemäß Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er die Beiträge für den Juni und Juli 2011 bereits beglichen habe. Unter Hinweis auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Dresden vom 12.02.2014 (S 25 KR 485/12) vertrat er die Ansicht, dass die Beitragsschuld für den Zeitraum von März bis Mai 2011 als erfüllt gelte. Die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter berühre die Erfüllungswirkung nicht mehr.

Die Beklagte zog die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den März und April 2011 in Höhe von 1.295,66 EUR vom Kläger ein.

Mit einem weiteren Bescheid vom 27.01.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Beitragsschuld für den März und April 2011 nicht als erfüllt gelte. Der BGH habe in einem Urteil vom 22.11.2012 (IX ZR 22/12) entschieden, dass bei einer erfolgreichen Anfechtung der Beiträge die Forderung gegen das Mitglied direkt wieder auflebe. Der BGH führe weiterhin aus, dass der freiwillig versicherte Arbeitnehmer ein vermeidbares insolvenzrechtliches Risiko eingehe, wenn er die Abführung der von ihm geschuldeten Beiträge den Rechtshandlungen des Arbeitgebers überlasse. Der Kläger müsse daher zahlen. Die Rückforderung in Höhe von 1.295,66 EUR sei daher berechtigt.

Dagegen legte der Kläger am 30.01.2015 Widerspruch ein. Er reichte Lohnabrechnungen vom März und April 2011 ein, wonach die Insolvenzschuldnerin die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für diese beiden Monate beglichen haben soll.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit einem Widerspruchsbescheid vom 16.04.2015 zurück. Sie führte aus, dass der Insolvenzverwalter die Beiträge für den März 2011 erfolgreich angefochten habe. Dadurch sei die entsprechende Beitragsschuld des Klägers wieder aufgelebt. Auf das vom Kläger zitierte Urteil des SG Dresden komme es nicht an, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Für den April 2011 habe die Insolvenzschuldnerin keine Zahlungen vorgenommen. Notwendige Aufwendungen im Widerspruchsverfahren würden nicht erstattet.

Dagegen richtet sich die am 18.05.2015 erhobene Klage. Der Kläger erklärt, er bestreite mit Nichtwissen, dass in der vom Insolvenzverwalter angefochtenen Zahlung in Höhe von 13.756,38 EUR nur sein Beitrag für den März 2011 enthalten gewesen sein soll. Es sei auch offensichtlich keine nähere Prüfung der Forderung und der Insolvenzanfechtung durch die Beklagte erfolgt. Der Kläger ist ferner der Ansicht, dass die Beitragsforderungen als erfüllt gelten und nicht durch die Anfechtung des Insolvenzverwalters wieder aufleben würden. Der Anfechtungsgrund nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO greife nicht, weil durch die von der Beklagten vom Konto der Insolvenzschuldnerin eingezogenen Beiträge keine Schuld der Insolvenzschuldnerin, sondern eine Schuld von ihm getilgt worden sei. Insoweit habe der Insolvenzverwalter die Anfechtung gegenüber dem falschen Anfechtungsgegner erklärt. Auch § 133 InsO sei nicht anwendbar. Die Zahlung der Beiträge sei zwar rein tatsächlich durch die Insolvenzschuldnerin dadurch erfolgt, dass sie der Beklagten eine Einzugsermächtigung erteilt habe. Die Leistung sei jedoch aus seinem Vermögen erbracht worden. Er habe mit der Insolvenzschuldnerin vereinbart, dass sie die Beiträge aus dem Nettoarbeitsentgelt bezahle. Die erste Zahlung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sei daher eine Zahlung von ihm an die Beklagte gewesen. Er verweise erneut auf das Urteil des SG Dresden vom 12.02.2014.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 zu verurteilen, an den Kläger 1.295,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit (18.05.2015) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen. Sie wiederholt, dass der Insolvenzverwalter nur den Beitrag für den März 2011 angefochten habe. Den Beitrag für den April 2011 habe die Insolvenzschuldnerin nicht gezahlt. Nach erfolgter Anfechtung habe sie insgesamt 13.756,38 EUR an den Insolvenzverwalter gezahlt. Dies resultiere aus zwei Einzügen, die sie am 28.04.2011 durchgeführt habe: 7.068,61 EUR im Beitragsmonat März 2011 und 6.687,77 EUR im Beitragsmonat April 2011. Der Beitrag des Klägers sei nur in dem Einzug für den März 2011 enthalten gewesen. Der Betrag in Höhe von 13.756,38 EUR habe sich zusammen gesetzt aus Pflichtbeiträgen für den März 2011 in Höhe von 6.351,28 EUR, dem freiwilligen Beitrag für den Kläger für den März 2011 in Höhe von 647,83 EUR, Säumniszuschlägen in Höhe von 63,50 EUR und Retourkosten in Höhe von 6,- EUR für den März 2011 sowie aus den Pflichtbeiträgen für den April 2011 in Höhe von 6.687,77 EUR. Für den Kläger sei dann am 16.05.2011 der Beitrag für den April 2011 in Höhe von 647,83 EUR gesondert abgebucht worden, der jedoch retourniert worden sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des Insolvenzverwalters T. Auf dessen entsprechendes Schreiben vom 28.04.2016 wird verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden waren (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Streitgegenstand ist allein der Bescheid vom 27.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015. Den Bescheid vom 29.12.2014 hat die Beklagte konkludent dadurch aufgehoben, dass sie mit dem Bescheid vom 27.01.2015 nur noch Beiträge für den März und April 2011 in Höhe von 1.295,66 EUR geltend gemacht hat. Dementsprechend hat sie im Widerspruchsbescheid vom 16.04.2015 auch nur noch Bezug genommen auf den Bescheid vom 27.01.2015.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 27.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Beitragsmonate März und April 2011.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 26 Abs. 2 Halbsatz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat die hier streitigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Kläger für die Monate März und April 2011 zu Recht eingezogen.

Gemäß § 250 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) tragen freiwillige Mitglieder den Krankenversicherungsbeitrag allein. Gleiches gilt nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) auch für den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung.

Der Anspruch auf die Beiträge für die Monate März und April 2011 ist (unstreitig) entstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Anspruch nicht durch Erfüllung erloschen.

Zunächst steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Insolvenzschuldnerin vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Monat April 2011 keine Zahlung an die Beklagte vorgenommen und die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter diesen Beitrag daher nicht tangiert hat. Die Beklagte hat für die Kammer nachvollziehbar aufgeschlüsselt, wie sich der angefochtene Betrag von 13.756,38 EUR zusammen gesetzt hat, nämlich aus Pflichtbeiträgen in Höhe von 6.351,28 EUR, dem freiwilligen Beitrag für den Kläger in Höhe von 647,83 EUR, Säumniszuschlägen in Höhe von 63,50 EUR und Retourkosten in Höhe von 6,- EUR, jeweils für den März 2011 sowie aus den Pflichtbeiträgen für den April 2011 in Höhe von 6.687,77 EUR. Dem entspricht auch die Tatsache, dass am 16.05.2011 in Höhe des vom Kläger geschuldeten monatlichen Beitrags von 647,83 EUR unter dem Verwendungszweck "Beiträge 04/2011" eine weitere Abbuchung erfolgte, die jedoch wieder retourniert wurde. Da es keine weiteren freiwilligen Mitglieder der Beklagten bei der Insolvenzschuldnerin gab, kann sich diese Abbuchung nur auf den Kläger beziehen. Damit steht gleichsam fest, dass tatsächlich eine Zahlung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Insolvenzschuldnerin für den April 2011 nicht erfolgt war.

Ferner steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zahlung des Monatsbeitrags für den März 2011 an den Insolvenzverwalter rechtens war. Die durch die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte eingetretene Erfüllungswirkung ist durch die von dem Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 15.12.2014 erklärte Anfechtung mit nachfolgender Zahlung des entsprechenden Betrages der Beklagten an den Insolvenzverwalter erloschen. Die Forderung des Empfängers einer anfechtbaren Leistung lebt wieder auf, wenn er das Erlangte zurück gewährt (§ 144 Abs. 1 InsO). Das ist hier Fall.

Der von dem Insolvenzverwalter angegebene Anfechtungsgrund gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO liegt vor. Nach der vorgenannten Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Gemäß § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Am 28.04.2011 - und damit weniger als drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrags (17.06.2011) - nahm die Beklagte eine Beitragsabbuchung vom Konto der Insolvenzschuldnerin vor; enthalten darin war u.a. der Beitrag für den März 2011 betreffend den Kläger. Wegen der zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin vereinbarten Einzugsermächtigung lag damit eine Rechtshandlung vor, die eine Befriedigung auf Seiten der Beklagten gewährte. Zu dieser Zeit war die Insolvenzschuldnerin zahlungsunfähig. Durch die zahlreichen Lastschriftrückgaben - es handelte sich um elf Rückbuchungen allein zwischen Januar 2010 und Mai 2011 - gab es für die Beklagte deutliche Beweisanzeichen, dass die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin drohte. In der Zivilrechtsprechung ist auch anerkannt, dass die Rückgabe von Lastschriften ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit darstellt (vgl. BGH Urteil vom 01.07.2010 - IX ZR 70/08 -; Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil vom 03.02.2012 - 8 U 39/11 -, jeweils juris). Dass die Beklagte hier Anlass gehabt hätte, aufgrund der Lastschriftrückgaben auf die drohende bzw. tatsächlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin zu schließen, ergibt sich auch aus der Höhe der Rückbuchungen. Zwischen Januar 2010 und April 2011 wurden zehn Beträge zwischen 4.840,65 EUR und 8.284,51 EUR zurückgebucht. Diese Rückgaben von Lastschriften haben deutlich gemacht, dass keine ausreichende Liquidität mehr vorhanden ist. Aus diesen Umständen war für die Beklagte zu folgern, dass die Insolvenzschuldnerin nicht in der Lage war, alle laufenden Verbindlichkeiten zu erfüllen und für eine ausreichende Deckung ihres Geschäftskontos zu sorgen, etwa durch Umschichtungen ihres Vermögens oder die Aufnahme von Krediten. Damit hatte die Beklagte Kenntnis von Umständen, die den sicheren Rückschluss zuließen, dass es einen nicht geschlossenen Liquiditätsengpass gab und damit zumindest die Zahlungsunfähigkeit drohte. Vor diesem Hintergrund ist es für die Kammer auch nicht verwunderlich, dass die Beklagte unmittelbar nach Bekanntwerden der Anfechtung die Erstattung des angefochtenen Betrages veranlasste.

Die Rechtsansicht des SG Dresden im Urteil vom 12.02.2014 (S 25 KR 485/12), auf das sich der Kläger beruft, ist nicht überzeugend. Das SG Dresden argumentiert in dieser Entscheidung, dass mit dem Einzug der Beitragsforderung keine Schuld der Insolvenzschuldnerin als Arbeitgeberin, sondern eine Schuld des Versicherten getilgt werde. Die Anfechtung müsse daher gegenüber dem Versicherten erklärt werden. Es liege bereits keine Rechtshandlung der nachmaligen Schuldnerin vor. Die Zahlung der freiwilligen Versicherungsbeiträge erfolge zwar rein tatsächlich durch die Arbeitgeberin, die der Beklagten eine entsprechende Einzugsermächtigung erteilt habe. Die Leistung sei jedoch im Rechtssinne aus dem Vermögen des Versicherten erbracht worden. Daher sei eine Zahlung des Versicherten gegeben. Auch eine anfechtbare mittelbare Zuwendung liege nicht vor. Zwar habe der BGH für die Zahlung der Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag durch den Arbeitgeber angenommen, dass diese aus dem Vermögen des Arbeitgebers entnommen würden (BGH Urteil vom 05.11.2009 - IX ZR 233/08 -). Diese Rechtsprechung sei jedoch nicht auf den hier zu entscheidenden Fall anwendbar, da freiwillige Mitglieder gemäß § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V ihre Beiträge selber an die Krankenversicherung zahlten. Zudem liege vorliegend eine Rechtshandlung des Arbeitnehmers vor, und zwar in Gestalt der Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, dieser solle die freiwilligen Beiträge aus dem Nettoarbeitsentgelt zahlen. Daher sei die erfolgte Zahlung an die Beklagte als zweiter Teil einer Leistungskette zu verstehen mit der Folge, dass eine Anfechtung nur gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen könne. Zwar habe der BGH in einem ähnlichen Fall (Urteil vom 22.11.2012 - IX ZR 22/12 -), in dem der Arbeitgeber ebenfalls freiwillige Beiträge an den Sozialversicherungsträger zahlte, entschieden, dass eine Rechtshandlung der Arbeitgeberin vorgelegen habe. Es habe sich jedoch nicht um eine vergleichbare Konstellation gehandelt, da der BGH davon ausgegangen sei, dass durch ein und dieselbe Rechtshandlung der Schuldnerin sowohl die Beitragsschuld nach den Vorschriften des SGB V erfüllt worden sei als auch die Verpflichtung im Deckungsverhältnis zu dem Beschäftigten. Vorliegend stelle sich die Zahlung mit Blick auf die vorhergehende Vereinbarung jedoch als zweiter Teil einer Leistungskette dar.

Diese Entscheidung des SG Dresden überzeugt nicht. Zwar ist in der Vereinbarung des Arbeitnehmers mit der Arbeitgeberin eine Rechtshandlung des Arbeitnehmers zu sehen. Die Vereinbarung beruht aber gleichwohl auch auf einer Rechtshandlung der Arbeitgeberin, genau wie die tatsächliche Zahlung der Arbeitgeberin bzw. die Erteilung der Einzugsermächtigung eine Rechtshandlung der Arbeitgeberin darstellt, die dann auch seitens des Insolvenzverwalters jedenfalls konkludent angefochten wurde. Es ist gerade Aufgabe des Insolvenzverwalters, im Falle mehrerer Rechtshandlungen diejenige anzufechten, die konkret ursächlich für die spätere Gläubigerbenachteiligung ist (Kayser, in: MünchKomm InsO, 3. Aufl., 2013, § 129 Rn. 55 ff.). Der Insolvenzverwalter hat daher zu Recht auf die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Krankenkasse als maßgebliche Rechtshandlung abgestellt.

Diese Zahlung wurde - entgegen der Auffassung des SG Dresden - auch aus dem Vermögen der Arbeitgeberin erbracht. Hieran vermögen die monatlichen Brutto-Netto-Abrechnungen nichts zu ändern, die allein buchhalterischen Zwecken dienen. Entscheidend ist vielmehr, dass der Arbeitnehmer die streitgegenständliche Beträge nie erhalten hat, sie also unmittelbar vom Vermögen der Arbeitgeberin in das Vermögen der Krankenkasse übergegangen sind (Zeuner, jurisPR-InsR 10/2014 Anm. 2).

In diesem Zusammenhang ist auch die erfolgte Abgrenzung des SG Dresden zum Urteil des BGH vom 22.11.2012 (a.a.O.) verfehlt, in dem gerade der Fall der direkten Weiterleitung von freiwilligen Krankenversicherungsbeiträgen entschieden wurde. Zu Recht kommt der BGH in dieser Entscheidung zu dem Ergebnis, es liege die anfechtbare Tilgung einer fremden Schuld vor. Die insoweit entschiedenen Sachverhalte sind auch vergleichbar. Der Einwand des SG Dresden, im vorliegenden Sachverhalt sei die Vereinbarung zur Weiterleitung der Beiträge zwischen Arbeitnehmer und Schuldnerin als Rechtshandlung ausschlaggebend, wohingegen der BGH sich auf eine einheitliche Rechtshandlung der Arbeitgeberin bezüglich der Beitrags- als auch der Arbeitsentgeltzahlung beziehe, greift nicht (Zeuner, jurisPR-InsR 10/2014 Anm. 2).

Wie der BGH im amtlichen zweiten Leitsatz ausdrücklich ausführt, lebt durch die erfolgreiche Anfechtung gegen den Gläubiger (Krankenkasse) dessen Forderung gegen den Leistungsschuldner (Arbeitnehmer) wieder auf, auch wenn dieser im Drei-Personen-Verhältnis mit dem Insolvenzschuldner nicht identisch ist. Der BGH sieht, dass der freiwillig versicherte Arbeitnehmer bei entsprechenden Konstellationen ein vermeidbares insolvenzrechtliches Risiko eingeht, wenn er die Abführung der Krankenversicherungsbeiträge dem Arbeitgeber überlässt. Diesem Risiko hätte der Kläger leicht entgehen können, wenn er seine Beiträge unmittelbar selbst abgeführt hätte.

In diesem Zusammenhang hält die Kammer auch die Bedenken von Plagemann (FD-SozVR 2014, 357884, beck-online), der eine Ungleichbehandlung zwischen Pflicht- und freiwilligen Mitgliedern der Krankenversicherung sieht, für nicht stichhaltig. Denn der freiwillig versicherte Arbeitnehmer hat es selbst in der Hand, seine Beiträge direkt abzuführen. Wenn er den Umweg über seinen Arbeitgeber wählt, geht er - wie oben ausgeführt - ein vermeidbares insolvenzrechtliches Risiko ein. Die Konsequenzen dieses Verhaltens muss der freiwillig Versicherte dann selbst tragen und kann sich nicht auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Von Verfassungs wegen ist jedenfalls eine Korrektur nicht geboten.

Die Voraussetzungen einer Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO liegen auch vor. Anfechtbar ist danach eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte (Satz 1). Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (Satz 2). In der Zivilrechtsprechung wird vertreten, dass die Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 InsO im Einzelfall angenommen werden kann, wenn im Abstand von einem Monat zwei Lastschriften wegen fehlender Deckung des Geschäftskontos zurückgegeben wurden (Landgericht Stuttgart Urteil vom 25.08.2014 - 27 O 152/14 -, juris). Gleiches muss nach Ansicht der Kammer auch in diesem Fall gelten, weil die Beklagte innerhalb eines überschaubaren Zeitraums fast ein Dutzend Rückbuchungen in nicht unwesentlicher Höhe feststellen musste. Von ihrer Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz ist daher auszugehen. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Da bereits kein Anspruch auf Erstattung der gezahlten Beiträge festzustellen ist, entfällt auch ein akzessorischer Zinsanspruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Da der Kläger mit seinem Klagebegehren vollständig unterlegen war, sind von der Beklagten keine außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Etwas anderes gilt jedoch für das Widerspruchsverfahren, weil die Beklagte nach Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29.12.2014 mit einem weiteren Bescheiden vom 27.01.2015 nur noch 1.295,66 EUR statt der ursprünglichen 3.285,60 EUR forderte. Damit erfolgte eine Teilabhilfe, die in einer entsprechenden Kostenquote im Widerspruchsbescheid hätte Ausdruck finden müssen. Die Teilabhilfe entsprach einem Obsiegen in Höhe von etwa 60 % des noch im Widerspruchsverfahren streitigen Forderungsbetrages, insofern waren drei Fünftel der Kosten des Widerspruchsverfahrens für erstattungsfähig zu erklären. Dieser Entscheidung steht nicht der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung entgegen. Denn dieser besagt lediglich, dass die Kostenentscheidung des Gerichts alle durch den Rechtsstreit und das Vorverfahren entstandenen erstattungsfähigen Kosten erfasst und dass es nicht zulässig ist, etwa über die Kosten des Widerspruchsverfahrens getrennt zu entscheiden (Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmdit, SGG, 12. Aufl., 2017, § 193 Rn. 2, 12d). Dem ist bereits dadurch Genüge getan, dass die Kammer (einheitlich) im Urteil sowohl über die außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens als auch des Klageverfahrens entschieden hat.
Rechtskraft
Aus
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