Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 39 KR 1873/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 883/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 15/17 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.10.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit dem Medikament Armour Thyroid (fortan: AT) im Wege der Sachleistung und der Kostenerstattung i.H.v. 220,92 Euro. AT ist ein natürliches Schilddrüsenhormon, welches in den vereinigten Staaten von Amerika von der Firma Forest Pharm. hergestellt wird.
Die 1964 geborene Klägerin leidet unter anderem unter einer Immunthyreoditis der Schilddrüse mit Hashimoto-Syndrom. Sie ist seit 2009 wegen einer psychischen Erkrankung berentet.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten in den Jahren 2010, 2011 und 2012 die Kostenübernahme für AT. Ärztliche Unterlagen legte sie nicht vor. Gegen die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten leitete sie keine gerichtlichen Schritte ein. Am 19.8.2013 beantragte die Klägerin erneut bei der Beklagten die Versorgung mit AT sowie mit einem natürlichen Progesteron für Beschwerden in den Wechseljahren. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die Klägerin habe die medizinische Notwendigkeit einer Einnahme von AT nicht belegt. Hinsichtlich des Progesterons fehle es jedenfalls an einer vertragsärztlichen Verordnung.
Mit ihrem Widerspruch führte die Klägerin die zahlreichen Nebenwirkungen auf, die die verordneten Schilddrüsenpräparate, insbesondere Prothyrid, bei ihr verursacht hätten und die sie dem Arzt schriftlich vorgetragen habe. Mündlich teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde keine ärztlichen Unterlagen einreichen, sondern zum Rechtsanwalt gehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 3.12.2013 als unbegründet zurück. Den Antrag der Klägerin wertete sie als Antrag auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie habe weder bei der aktuellen Entscheidung noch bei den in 2010, 2011 und 2012 abgelehnten Anträgen das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. AT sei weder auf dem deutschen noch europäischen Markt zugelassen und gehöre daher nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor. Vielmehr wiederhole die Klägerin seit Jahren ihr Vorbringen ohne die behaupteten Nebenwirkungen medizinisch zu belegen. Hinsichtlich des Progesterons habe die Klägerin nach wie vor keine Verordnung vorgelegt.
Mit ihrer am 17.12.2013 erhobenen Klage hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie die zahlreichen Nebenwirkungen alle vorgetragen habe. Ihr seien zwei Fälle bekannt, bei denen die Beklagte die Kosten für AT übernommen habe. Sie hat eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin T aus Mai 2014 vorgelegt. Darin gibt dieser an, die Klägerin habe ihm gegenüber erklärt, an zahlreichen (im Einzelnen aufgeführten) Nebenwirkungen zu leiden und eine Verbesserung nur unter einer Medikation mit AT erreicht zu haben. Daher befürworte er die dauerhafte Einnahme von AT im Falle der Klägerin. Desweiteren hat die Klägerin insgesamt fünf Rechnungen und Privatverordnungen über AT vom 5.8.2013, 10.10.2013 (2 Stück), 17.1.2014 und 14.1.2014 (dreimal 100 Tabletten mit 60 mg zu 44,14 Euro [ = 132,42 Euro zuzüglich 5,36 Euro Beschaffungskosten] und einmal zu 39,22 Euro sowie einmal 100 Tabletten mit 30 mg zu 39,12 Euro [zzgl. 4,80 Euro Porto]; insgesamt 220,92 Euro) zu den Akten gereicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.12.2013 zu verurteilen, die bereits erbrachten Kosten für das Medikament Armour Thyroid in Höhe von 220,92 Euro sowie zukünftig die Kosten für das begehrte Medikament Armour Thyroid zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug genommen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Vielmehr deuteten die medizinischen Unterlagen auf eine mangelnde Compliance der Klägerin und eine Überdosierung von AT hin.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat auf Nachfrage des Sozialgerichts im März 2014 angegeben, dass AT derzeit nicht in Deutschland zugelassen sei.
Herr T hat in seinem Befundbericht im September 2015 ausgeführt, dass die Klägerin auf die Einnahme von AT bestehe, obwohl er ihr andere Schilddrüsenpräparate verordnet habe. Sie halte sich nicht an die Packungsbeilage und überdosiere die Medikamente. Solange die Klägerin, die auch an depressiven Verstimmungszuständen und Somatisierungsstörungen leide, eine psychiatrische Mitbehandlung nicht akzeptiere, werde eine Besserung nicht eintreten. Er hat dem SG u. a. ärztliche Unterlagen betreffend die Klägerin aus den Jahren 2010 bis 2014 übersandt. Der Internist, Endokrinologe und Diabethologe Dr. L hat im September 2015 angegeben, die Klägerin 2012 bis 2013 behandelt zu haben. Man habe ihr als individuellen Heilversuch im Jahr 2012 AT verordnet, da sie berichtet habe, andere Präparate nicht zu vertragen. Da sie die Medikation entgegen des ärztlichen Rats wiederholt geändert habe, habe er das Arzt-Patienten-Verhältnis beendet. AT sei seines Wissens nach weder in Deutschland zugelassen, noch sei eine Zulassung beantragt. Als alternative Standardtherapie stehe L-Thyroxin (reines T4) oder eine Kombinationstherapie aus T3- und T4-Präperaten zur Verfügung. Die Klägerin habe berichtet, dass sie unter AT leistungsfähiger sei und weder Haarausfall erleide noch an Gewicht zunehme.
Auf Antrag der Klägerin hat Internist Dr. S die Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 22.3.2016 untersucht. Er hat in seinem Gutachten vom 23.5.2016 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1.7.2016 ausgeführt, die Klägerin vermute derzeit eine Unterdosierung der Schilddrüsenmedikation. Sie nehme Euthyrox zur Behandlung ihrer Schilddrüsenerkrankung ein, die sie nach Gefühl dosiere. Das begehrte AT, mit dem die Klägerin eine Zeit lang behandelt worden sei, sei in Europa weder zugelassen, noch sei eine Zulassung beantragt. Als Standardtherapie komme bei der Klägerin eine Behandlung mit T4 oder einer Kombination aus T3- und T4-Präparaten (alles synthetisch) in Betracht, mittels derer sich eine Stabilisierung erreichen lasse. Die Klägerin gebe jedoch an, dass sie darunter keine Stabilisierung empfinde und daher die Dosierung verändere. Bei der Erkrankung der Klägerin handele es sich um eine bei Frauen häufig vorkommende, nicht tödlich verlaufende Erkrankung. Es fehle an doppelblind-placebokontrollierten Studien zur Wirksamkeit von AT. Der Hersteller verweise auf Zufriedenheitsstudien von Patienten. Bei einer in 2013 durchgeführten Studie (Huang) sei es nicht um eine RCT (Randomized clinical trial) gegangen. Nach den medizinischen Unterlagen habe die Klägerin auch während der Einnahme von AT Nebenwirkungen beklagt. Auch wenn sie sich nach eigenen Angaben unter der Einnahme von AT besser gefühlt habe, seien ihre Laborwerte in dieser Zeit intolerabel gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2016 abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Kostenerstattungs- noch einen Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit dem Medikament AT. Es sei weder in Deutschland noch in Europa zugelassen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Ferner handele es sich weder bei der Erkrankung um eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung, noch fehle es an einer alternativen Standardtherapie. Die behaupteten Nebenwirkungen seien nicht belegt. Auch liege kein sog. "Seltenheitsfall" vor.
Mit ihrem am 7.11.2016 eingelegten "Widerspruch gegen Ihre Entscheidung vom 27.10.2016" hat die Klägerin ihr Vorbringen wiederholt, vertieft und eine bessere Aufklärung und Behandlung von Schilddrüsenpatienten gefordert. Anwaltlich hat sie zur Berufungsbegründung vortragen lassen, dass es ihr wegen der zahlreichen Nebenwirkungen nicht zumutbar sei, alternative Präparate einzunehmen. Herr T habe in seinem Attest die Einnahme von AT auf Dauer befürwortet. Zudem sei nicht bedacht worden, dass sie neben den Hormonen T3 und T4 auch die Hormone T1 und T2 benötige, die nur AT enthalte.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.10.2016 aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das erstinstanzliche Urteil, die Ausführungen des Sachverständigen und ihre bisherigen Ausführungen.
Der Senat hat die Beteiligten dazu angehört, dass er beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens durch Beschluss, § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise angehört worden.
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 27.10.2016 abgewiesen. Der Bescheid vom 10.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.12.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten nach § 54 Abs. 2 SGG.
Die Klägerin greift die Bescheide nur insoweit an, als darin die Versorgung mit AT ab dem Jahr 2013 abgelehnt worden ist. Die Rechtmäßigkeit der in 2010-2012 erfolgten Ablehnungen bestreitet die Klägerin ebenso wenig wie die Entscheidung der Beklagten hinsichtlich des Progesterons. Dies ergibt sich sowohl aus ihrem Vortrag als auch ihren Anträgen.
Die Klägerin hat hinsichtlich des in 2013 und 2014 selbst beschafften AT keinen Kostenerstattungsanspruch, da ihr schon kein Sachleistungsanspruch auf eine Versorgung mit AT zur Seite steht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 und 4 SGG) Bezug.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin die Kosten für die am 5.8.2013 beschafften Tabletten (44,14 Euro) schon nicht durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 10.9.2013 entstanden sein dürften und sie insoweit den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat (§ 13 Abs. 3 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch).
Aus dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dass die von der Klägerin auch hier wieder angeführten Nebenwirkungen der synthetischen Präparate bei ihr tatsächlich auftreten, ist medizinisch nach wie vor nicht belegt. Sowohl ihre behandelnden Ärzte als auch der gerichtliche Sachverständige haben ausgeführt, dass ihre Erkrankung mit T4 oder einer Kombination aus T3- und T4-Präparaten ausreichend behandelbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen; § 160 Abs.2 SGG
Gründe:
I.
Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit dem Medikament Armour Thyroid (fortan: AT) im Wege der Sachleistung und der Kostenerstattung i.H.v. 220,92 Euro. AT ist ein natürliches Schilddrüsenhormon, welches in den vereinigten Staaten von Amerika von der Firma Forest Pharm. hergestellt wird.
Die 1964 geborene Klägerin leidet unter anderem unter einer Immunthyreoditis der Schilddrüse mit Hashimoto-Syndrom. Sie ist seit 2009 wegen einer psychischen Erkrankung berentet.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten in den Jahren 2010, 2011 und 2012 die Kostenübernahme für AT. Ärztliche Unterlagen legte sie nicht vor. Gegen die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten leitete sie keine gerichtlichen Schritte ein. Am 19.8.2013 beantragte die Klägerin erneut bei der Beklagten die Versorgung mit AT sowie mit einem natürlichen Progesteron für Beschwerden in den Wechseljahren. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die Klägerin habe die medizinische Notwendigkeit einer Einnahme von AT nicht belegt. Hinsichtlich des Progesterons fehle es jedenfalls an einer vertragsärztlichen Verordnung.
Mit ihrem Widerspruch führte die Klägerin die zahlreichen Nebenwirkungen auf, die die verordneten Schilddrüsenpräparate, insbesondere Prothyrid, bei ihr verursacht hätten und die sie dem Arzt schriftlich vorgetragen habe. Mündlich teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde keine ärztlichen Unterlagen einreichen, sondern zum Rechtsanwalt gehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 3.12.2013 als unbegründet zurück. Den Antrag der Klägerin wertete sie als Antrag auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie habe weder bei der aktuellen Entscheidung noch bei den in 2010, 2011 und 2012 abgelehnten Anträgen das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. AT sei weder auf dem deutschen noch europäischen Markt zugelassen und gehöre daher nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor. Vielmehr wiederhole die Klägerin seit Jahren ihr Vorbringen ohne die behaupteten Nebenwirkungen medizinisch zu belegen. Hinsichtlich des Progesterons habe die Klägerin nach wie vor keine Verordnung vorgelegt.
Mit ihrer am 17.12.2013 erhobenen Klage hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie die zahlreichen Nebenwirkungen alle vorgetragen habe. Ihr seien zwei Fälle bekannt, bei denen die Beklagte die Kosten für AT übernommen habe. Sie hat eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin T aus Mai 2014 vorgelegt. Darin gibt dieser an, die Klägerin habe ihm gegenüber erklärt, an zahlreichen (im Einzelnen aufgeführten) Nebenwirkungen zu leiden und eine Verbesserung nur unter einer Medikation mit AT erreicht zu haben. Daher befürworte er die dauerhafte Einnahme von AT im Falle der Klägerin. Desweiteren hat die Klägerin insgesamt fünf Rechnungen und Privatverordnungen über AT vom 5.8.2013, 10.10.2013 (2 Stück), 17.1.2014 und 14.1.2014 (dreimal 100 Tabletten mit 60 mg zu 44,14 Euro [ = 132,42 Euro zuzüglich 5,36 Euro Beschaffungskosten] und einmal zu 39,22 Euro sowie einmal 100 Tabletten mit 30 mg zu 39,12 Euro [zzgl. 4,80 Euro Porto]; insgesamt 220,92 Euro) zu den Akten gereicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.12.2013 zu verurteilen, die bereits erbrachten Kosten für das Medikament Armour Thyroid in Höhe von 220,92 Euro sowie zukünftig die Kosten für das begehrte Medikament Armour Thyroid zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug genommen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Vielmehr deuteten die medizinischen Unterlagen auf eine mangelnde Compliance der Klägerin und eine Überdosierung von AT hin.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat auf Nachfrage des Sozialgerichts im März 2014 angegeben, dass AT derzeit nicht in Deutschland zugelassen sei.
Herr T hat in seinem Befundbericht im September 2015 ausgeführt, dass die Klägerin auf die Einnahme von AT bestehe, obwohl er ihr andere Schilddrüsenpräparate verordnet habe. Sie halte sich nicht an die Packungsbeilage und überdosiere die Medikamente. Solange die Klägerin, die auch an depressiven Verstimmungszuständen und Somatisierungsstörungen leide, eine psychiatrische Mitbehandlung nicht akzeptiere, werde eine Besserung nicht eintreten. Er hat dem SG u. a. ärztliche Unterlagen betreffend die Klägerin aus den Jahren 2010 bis 2014 übersandt. Der Internist, Endokrinologe und Diabethologe Dr. L hat im September 2015 angegeben, die Klägerin 2012 bis 2013 behandelt zu haben. Man habe ihr als individuellen Heilversuch im Jahr 2012 AT verordnet, da sie berichtet habe, andere Präparate nicht zu vertragen. Da sie die Medikation entgegen des ärztlichen Rats wiederholt geändert habe, habe er das Arzt-Patienten-Verhältnis beendet. AT sei seines Wissens nach weder in Deutschland zugelassen, noch sei eine Zulassung beantragt. Als alternative Standardtherapie stehe L-Thyroxin (reines T4) oder eine Kombinationstherapie aus T3- und T4-Präperaten zur Verfügung. Die Klägerin habe berichtet, dass sie unter AT leistungsfähiger sei und weder Haarausfall erleide noch an Gewicht zunehme.
Auf Antrag der Klägerin hat Internist Dr. S die Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 22.3.2016 untersucht. Er hat in seinem Gutachten vom 23.5.2016 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1.7.2016 ausgeführt, die Klägerin vermute derzeit eine Unterdosierung der Schilddrüsenmedikation. Sie nehme Euthyrox zur Behandlung ihrer Schilddrüsenerkrankung ein, die sie nach Gefühl dosiere. Das begehrte AT, mit dem die Klägerin eine Zeit lang behandelt worden sei, sei in Europa weder zugelassen, noch sei eine Zulassung beantragt. Als Standardtherapie komme bei der Klägerin eine Behandlung mit T4 oder einer Kombination aus T3- und T4-Präparaten (alles synthetisch) in Betracht, mittels derer sich eine Stabilisierung erreichen lasse. Die Klägerin gebe jedoch an, dass sie darunter keine Stabilisierung empfinde und daher die Dosierung verändere. Bei der Erkrankung der Klägerin handele es sich um eine bei Frauen häufig vorkommende, nicht tödlich verlaufende Erkrankung. Es fehle an doppelblind-placebokontrollierten Studien zur Wirksamkeit von AT. Der Hersteller verweise auf Zufriedenheitsstudien von Patienten. Bei einer in 2013 durchgeführten Studie (Huang) sei es nicht um eine RCT (Randomized clinical trial) gegangen. Nach den medizinischen Unterlagen habe die Klägerin auch während der Einnahme von AT Nebenwirkungen beklagt. Auch wenn sie sich nach eigenen Angaben unter der Einnahme von AT besser gefühlt habe, seien ihre Laborwerte in dieser Zeit intolerabel gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2016 abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Kostenerstattungs- noch einen Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit dem Medikament AT. Es sei weder in Deutschland noch in Europa zugelassen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Ferner handele es sich weder bei der Erkrankung um eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung, noch fehle es an einer alternativen Standardtherapie. Die behaupteten Nebenwirkungen seien nicht belegt. Auch liege kein sog. "Seltenheitsfall" vor.
Mit ihrem am 7.11.2016 eingelegten "Widerspruch gegen Ihre Entscheidung vom 27.10.2016" hat die Klägerin ihr Vorbringen wiederholt, vertieft und eine bessere Aufklärung und Behandlung von Schilddrüsenpatienten gefordert. Anwaltlich hat sie zur Berufungsbegründung vortragen lassen, dass es ihr wegen der zahlreichen Nebenwirkungen nicht zumutbar sei, alternative Präparate einzunehmen. Herr T habe in seinem Attest die Einnahme von AT auf Dauer befürwortet. Zudem sei nicht bedacht worden, dass sie neben den Hormonen T3 und T4 auch die Hormone T1 und T2 benötige, die nur AT enthalte.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.10.2016 aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das erstinstanzliche Urteil, die Ausführungen des Sachverständigen und ihre bisherigen Ausführungen.
Der Senat hat die Beteiligten dazu angehört, dass er beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens durch Beschluss, § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise angehört worden.
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 27.10.2016 abgewiesen. Der Bescheid vom 10.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.12.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten nach § 54 Abs. 2 SGG.
Die Klägerin greift die Bescheide nur insoweit an, als darin die Versorgung mit AT ab dem Jahr 2013 abgelehnt worden ist. Die Rechtmäßigkeit der in 2010-2012 erfolgten Ablehnungen bestreitet die Klägerin ebenso wenig wie die Entscheidung der Beklagten hinsichtlich des Progesterons. Dies ergibt sich sowohl aus ihrem Vortrag als auch ihren Anträgen.
Die Klägerin hat hinsichtlich des in 2013 und 2014 selbst beschafften AT keinen Kostenerstattungsanspruch, da ihr schon kein Sachleistungsanspruch auf eine Versorgung mit AT zur Seite steht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 und 4 SGG) Bezug.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin die Kosten für die am 5.8.2013 beschafften Tabletten (44,14 Euro) schon nicht durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 10.9.2013 entstanden sein dürften und sie insoweit den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat (§ 13 Abs. 3 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch).
Aus dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dass die von der Klägerin auch hier wieder angeführten Nebenwirkungen der synthetischen Präparate bei ihr tatsächlich auftreten, ist medizinisch nach wie vor nicht belegt. Sowohl ihre behandelnden Ärzte als auch der gerichtliche Sachverständige haben ausgeführt, dass ihre Erkrankung mit T4 oder einer Kombination aus T3- und T4-Präparaten ausreichend behandelbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen; § 160 Abs.2 SGG
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