Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 66 AS 14621/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2313/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Den im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) stehenden und in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Klägerinnen (Mutter und Tochter, geboren 1957 bzw 1994) hatte der Beklagte mit Bescheid vom 19. März 2014 ein Darlehen iHv 929,99 EUR gewährt und mtl Aufrechnung iHv 39,90 EUR erklärt. Mit weiterem Darlehensbescheid vom 23. März 2015 zahlte der Beklagte für Stromschulden 358,50 EUR; nach einem gerichtlichen Eilverfahren sah er von der erklärten Aufrechnung iHv 39,90 EUR mtl ab und erstattete den Klägerinnen bereits einbehaltene Aufrechnungsbeträge für April bis Juli 2015.
Für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen SGB II-Leistungen iHv zuletzt 1.219,30 EUR mtl (April bis Juni 2015, davon Re-gelleistungen für die Klägerin zu 1. iHv 399,- EUR mtl und für die Klägerin zu 2. iHv 320,- EUR mtl), 1.700,96 EUR (Juli 2015; Berücksichtigung einer Betriebs- und Heizkostennnachzahlung für 2014), 1.282,30 EUR mtl (August 2015 bis Dezember 2015), 1.251,- EUR mtl (Januar und Februar 2016) bzw mtl 1.210,60 EUR (März 2016). Auf die Bescheide vom 24. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2015, 28. Juli 2015, 29. November 2015 (Regelsatzerhöhung) und 29. April 2016 wird hinsichtlich der Berechnungsbögen Bezug genommen.
Die auf Gewährung "höherer Regel- und Mehrbedarfe" gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 28. August 2017 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Den Klägerinnen stünden im Streitzeitraum keine höheren Regelleistungen bzw Leistungen für Mehrbedarfe zu. Die gesetzlichen Regelbedarfe, auch der abgesenkte Regelbedarf für die Klägerin zu 2), seien verfassungskonform. Die Klägerinnen hätten zudem keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein Mehrbedarf ersehen ließe. Die zuletzt noch aufrecht erhaltene Aufrechnung iHv mtl 39,90 EUR zugunsten des Beklagten folge aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 19. März 2014.
Mit der Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter. Auch der Klägerin zu 2) stehe der volle Regelsatz zu. Damit sei für den streitigen Zeitraum von zwölf Monaten auch der für eine Berufung erforderliche Beschwerdewert erreicht.
Die Klägerinnen beantragen nach ihrem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 24. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2015 und in der Fassung der Bescheide vom 28. Juli 2015, 29. November 2015 und 29. April 2016 zu verurteilen, ihnen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten (Behelfsakte 12/15) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerinnen durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist zulässig. Bereits mit der Klageschrift hat die Klägerin zu 2) eine Regelleistung iHv 100 vH des maßgebenden Regelsatzes für Alleinstehende geltend gemacht, dh vorliegend iHv 399,- EUR mtl bzw – ab 1. Januar 2016 – iHv 404,- EUR mtl. Damit ist der erforderliche Beschwerdewert im maßgebenden Streitzeitraum vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 von mehr als 750,- EUR ohne weiteres erreicht (vgl § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGG).
Die Berufung ist indes nicht begründet. Die Klägerinnen begehren mit ihrem Klageantrag für den streitigen Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 im Wege der insoweit statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs. 4 SGG) höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter zusätzlicher Berücksichtigung höherer Regelleistungen und von Leistungen für Mehrbedarfe. Die Gewährung einer höheren Regelleistung bzw eines Mehrbedarfs allein kann nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft, die vorliegend nicht in Streit stehen) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streit-gegenstände aufspalten (vgl etwa Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 71 Nr 2, jeweils Rn 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11; BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 10; BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 53/12 R = SozR 4-4200 § 11b Nr 4 – Rn 17) Die Klägerinnen erfüllten im Streitzeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) II. Sie und insbesondere die Klägerin zu 2) haben aber keinen Anspruch auf höhere Regelleistungen. Die Voraussetzungen für weitere Ansprüche, insbesondere für Mehrbedarfe, sind ebenfalls nicht zu erkennen.
Den Klägerinnen standen in dem in Rede stehenden Zeitraum keine höheren mtl Regelleistungen als die zuletzt vom Beklagten bewilligten und damit auch kein höheres Alg II zu. Der Beklagte hat die Regelbedarfe (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II der Klägerinnen – gegen deren Höhe verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (vgl BVerfGE 137, 34 ff) -zutreffend ermittelt. Der Gesetzgeber nimmt dabei eine pauschale Bestimmung existenzsichernder Leistungen in Bedarfsgemeinschaften vor, indem er den Bedarf für einen Elternteil mit einem volljährigen, unter 25-jährigen Kind – wie hier - mit insgesamt 180 % des entsprechenden Bedarfs zweier Alleinstehender berechnet, hiervon 100 % auf den Elternteil und 80 % auf das Kind verteilt, zudem elterliches Vermögen berücksichtigt und elterliches Einkommen auf den Bedarf des Kindes anrechnet, auch wenn diesem kein Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil zusteht. Damit ist die anerkannte Leistung zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht evident unterschritten. Die Leistungen lassen sich auch nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen. Mit dem Grundgesetz (GG) ist es vereinbar, Sozialleistungen an der Bedürftigkeit der Betroffenen zu orientieren und insoweit Einsparungen zu berücksichtigen, die im familiären Zusammenleben typischerweise auftreten. Desgleichen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, in eine solche Bedarfsgemeinschaft auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einzubeziehen (vgl zum Ganzen Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 371/11 = BVerfGE 142, 353-388; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 51/09 R – juris). Der Senat nimmt auf die zitierten Entscheidungen Bezug und sieht von weiteren Ausführungen insoweit ab.
Auch die Ungleichbehandlung der Klägerin zu 2) gegenüber volljährigen Kindern in einer Einstandsgemeinschaft, wie sie im Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) normiert ist, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das BVerfG (aaO Rn 74) hat hierzu ausgeführt: "Der Gesetzgeber hat Leistun-gen zur Existenzsicherung für Eltern und Kinder in unterschiedlichen Leistungssys-temen unterschiedlich ausgestaltet. Er behandelt hier den Beschwerdeführer im Sys-tem des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit den Regeln der Bedarfsgemeinschaft zu seinem Nachteil anders als ein volljähriges Kind in der Einstandsgemeinschaft, wie sie im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch normiert ist. Dort wird Einkommen und Vermögen nicht über das 18. Lebensjahr hinaus angerechnet. Die Zielgruppen der jeweiligen Sicherungssysteme unterscheiden sich in einem Maße voneinander, das es bereits fraglich erscheinen lässt, ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen; jedenfalls sind unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich gerechtfertigt. Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch erfasst Hilfebedürftige, die entweder insbesondere vorübergehend (Drittes Kapitel) oder dauerhaft voll erwerbsgemindert (Viertes Kapitel), deren Möglichkeiten, sich selbst zu unterhalten, also deutlich eingeschränkt sind. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, dass Einkommen der Eltern nicht auf Leistungen an entsprechend erwerbsgeminderte, volljährige Kinder anzurechnen ist, die noch bei ihren Eltern wohnen, um so ihre Selbstständigkeit zu stärken. Demgegenüber zielt das Zweite Buch Sozialgesetzbuch auf Bedürftige, die ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbst sichern könnten. Die Leistungen zur Existenzsicherung werden vorübergehend gewährt und sie werden durch Leistungen zur Vermittlung in Arbeit ergänzt. Diese Unterschiede genügen, um auch unterschiedliche Anrech-nungsregeln sachlich zu begründen". Dem ist nichts hinzuzufügen.
Leistungen für Mehrbedarfe waren bei den Klägerinnen in dem in Rede stehenden Zeitraum, in dem die Klägerin zu 2) das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, nicht zu berücksichtigen. Die Klägerinnen haben Tatsachen, aus denen sich konkrete Mehrbedarfe nach dem SGB II herleiten ließen, schon nicht dargetan. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG Bezug (S 4 letzter Absatz Zeile 1 bis S 5 erster Absatz letzte Zeile). Soweit die Klägerinnen auf gesundheitliche Probleme abheben, fehlt es überdies im Rahmen der Härtefallregelung des § 21 Abs. 6 SGB II jedenfalls an dem Merkmal der Unabweisbarkeit. Unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts kann wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer Bedarf nämlich grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 6/13 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 16 – Rn 22). Eine Kranken-behandlung ist indes zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzufüh-ren, was vorliegend auch der Fall war.
Ausgehend davon ist die nach den Bescheiden vom 24. März 2015 (April bis Juni 2015), 28. Juli 2015 (Juli bis Dezember 2015) und 29. April 2016 (Januar bis März 2016) zuletzt maßgebende Leistungsberechnung des Beklagten, soweit diese vom Senat zu prüfen war, nicht zu beanstanden. Auf die entsprechenden, zutreffenden Berechnungsbögen wird verwiesen. Soweit der Beklagte einen Aufrechnungsbetrag iHv mtl 39,90 EUR zu seinen Gunsten in Ansatz gebracht hat, folgt dies aus dem bestandskräftigen und die Beteiligten und das Gericht daher bindenden (vgl § 77 SGG) Darlehens- und Aufrechnungsbescheid vom 19. März 2014. Die Absenkung der Regelleistungen für die Klägerin zu 1) im März 2016 iHv 40,40 EUR und für die Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis 31. März 2016 iHv mtl 64,- EUR beruht auf den ebenfalls bestandskräftigen Absenkungsbescheiden vom 27. November 2015, 11. Dezember 2015 und 18. Dezember 2015, die der Beklagte in Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) iVm § 40 Abs. 1 SGB II mit dem Bescheid vom 29. April 2016 verlautbart hat. Ein zwischenzeitlich insoweit anhängiges Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ändert nichts an der Bestandskraft der genannten Verwaltungsakte, solange der Beklagte diese nicht aufhebt oder ändert (vgl zum Verhältnis zwischen dem Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung einerseits und dem Umsetzungsverwaltungsakt andererseits BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr 1 – Rn 18 ff). Bei einem Erfolg des Zugunstenverfahrens gegen die Minderungsbescheide stünde der nachträglichen Korrektur der Bewilligung die zeitliche Grenze des § 48 Abs. 4 Satz 1 iVm § 44 Abs. 4 SGB X sowie § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen (vgl BSG aaO Rn 21).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Den im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) stehenden und in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Klägerinnen (Mutter und Tochter, geboren 1957 bzw 1994) hatte der Beklagte mit Bescheid vom 19. März 2014 ein Darlehen iHv 929,99 EUR gewährt und mtl Aufrechnung iHv 39,90 EUR erklärt. Mit weiterem Darlehensbescheid vom 23. März 2015 zahlte der Beklagte für Stromschulden 358,50 EUR; nach einem gerichtlichen Eilverfahren sah er von der erklärten Aufrechnung iHv 39,90 EUR mtl ab und erstattete den Klägerinnen bereits einbehaltene Aufrechnungsbeträge für April bis Juli 2015.
Für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen SGB II-Leistungen iHv zuletzt 1.219,30 EUR mtl (April bis Juni 2015, davon Re-gelleistungen für die Klägerin zu 1. iHv 399,- EUR mtl und für die Klägerin zu 2. iHv 320,- EUR mtl), 1.700,96 EUR (Juli 2015; Berücksichtigung einer Betriebs- und Heizkostennnachzahlung für 2014), 1.282,30 EUR mtl (August 2015 bis Dezember 2015), 1.251,- EUR mtl (Januar und Februar 2016) bzw mtl 1.210,60 EUR (März 2016). Auf die Bescheide vom 24. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2015, 28. Juli 2015, 29. November 2015 (Regelsatzerhöhung) und 29. April 2016 wird hinsichtlich der Berechnungsbögen Bezug genommen.
Die auf Gewährung "höherer Regel- und Mehrbedarfe" gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 28. August 2017 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Den Klägerinnen stünden im Streitzeitraum keine höheren Regelleistungen bzw Leistungen für Mehrbedarfe zu. Die gesetzlichen Regelbedarfe, auch der abgesenkte Regelbedarf für die Klägerin zu 2), seien verfassungskonform. Die Klägerinnen hätten zudem keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein Mehrbedarf ersehen ließe. Die zuletzt noch aufrecht erhaltene Aufrechnung iHv mtl 39,90 EUR zugunsten des Beklagten folge aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 19. März 2014.
Mit der Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter. Auch der Klägerin zu 2) stehe der volle Regelsatz zu. Damit sei für den streitigen Zeitraum von zwölf Monaten auch der für eine Berufung erforderliche Beschwerdewert erreicht.
Die Klägerinnen beantragen nach ihrem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 24. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2015 und in der Fassung der Bescheide vom 28. Juli 2015, 29. November 2015 und 29. April 2016 zu verurteilen, ihnen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten (Behelfsakte 12/15) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerinnen durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist zulässig. Bereits mit der Klageschrift hat die Klägerin zu 2) eine Regelleistung iHv 100 vH des maßgebenden Regelsatzes für Alleinstehende geltend gemacht, dh vorliegend iHv 399,- EUR mtl bzw – ab 1. Januar 2016 – iHv 404,- EUR mtl. Damit ist der erforderliche Beschwerdewert im maßgebenden Streitzeitraum vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 von mehr als 750,- EUR ohne weiteres erreicht (vgl § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGG).
Die Berufung ist indes nicht begründet. Die Klägerinnen begehren mit ihrem Klageantrag für den streitigen Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 im Wege der insoweit statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs. 4 SGG) höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter zusätzlicher Berücksichtigung höherer Regelleistungen und von Leistungen für Mehrbedarfe. Die Gewährung einer höheren Regelleistung bzw eines Mehrbedarfs allein kann nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft, die vorliegend nicht in Streit stehen) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streit-gegenstände aufspalten (vgl etwa Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 71 Nr 2, jeweils Rn 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11; BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 10; BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 53/12 R = SozR 4-4200 § 11b Nr 4 – Rn 17) Die Klägerinnen erfüllten im Streitzeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) II. Sie und insbesondere die Klägerin zu 2) haben aber keinen Anspruch auf höhere Regelleistungen. Die Voraussetzungen für weitere Ansprüche, insbesondere für Mehrbedarfe, sind ebenfalls nicht zu erkennen.
Den Klägerinnen standen in dem in Rede stehenden Zeitraum keine höheren mtl Regelleistungen als die zuletzt vom Beklagten bewilligten und damit auch kein höheres Alg II zu. Der Beklagte hat die Regelbedarfe (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II der Klägerinnen – gegen deren Höhe verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (vgl BVerfGE 137, 34 ff) -zutreffend ermittelt. Der Gesetzgeber nimmt dabei eine pauschale Bestimmung existenzsichernder Leistungen in Bedarfsgemeinschaften vor, indem er den Bedarf für einen Elternteil mit einem volljährigen, unter 25-jährigen Kind – wie hier - mit insgesamt 180 % des entsprechenden Bedarfs zweier Alleinstehender berechnet, hiervon 100 % auf den Elternteil und 80 % auf das Kind verteilt, zudem elterliches Vermögen berücksichtigt und elterliches Einkommen auf den Bedarf des Kindes anrechnet, auch wenn diesem kein Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil zusteht. Damit ist die anerkannte Leistung zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht evident unterschritten. Die Leistungen lassen sich auch nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen. Mit dem Grundgesetz (GG) ist es vereinbar, Sozialleistungen an der Bedürftigkeit der Betroffenen zu orientieren und insoweit Einsparungen zu berücksichtigen, die im familiären Zusammenleben typischerweise auftreten. Desgleichen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, in eine solche Bedarfsgemeinschaft auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einzubeziehen (vgl zum Ganzen Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 371/11 = BVerfGE 142, 353-388; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 51/09 R – juris). Der Senat nimmt auf die zitierten Entscheidungen Bezug und sieht von weiteren Ausführungen insoweit ab.
Auch die Ungleichbehandlung der Klägerin zu 2) gegenüber volljährigen Kindern in einer Einstandsgemeinschaft, wie sie im Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) normiert ist, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das BVerfG (aaO Rn 74) hat hierzu ausgeführt: "Der Gesetzgeber hat Leistun-gen zur Existenzsicherung für Eltern und Kinder in unterschiedlichen Leistungssys-temen unterschiedlich ausgestaltet. Er behandelt hier den Beschwerdeführer im Sys-tem des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit den Regeln der Bedarfsgemeinschaft zu seinem Nachteil anders als ein volljähriges Kind in der Einstandsgemeinschaft, wie sie im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch normiert ist. Dort wird Einkommen und Vermögen nicht über das 18. Lebensjahr hinaus angerechnet. Die Zielgruppen der jeweiligen Sicherungssysteme unterscheiden sich in einem Maße voneinander, das es bereits fraglich erscheinen lässt, ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen; jedenfalls sind unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich gerechtfertigt. Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch erfasst Hilfebedürftige, die entweder insbesondere vorübergehend (Drittes Kapitel) oder dauerhaft voll erwerbsgemindert (Viertes Kapitel), deren Möglichkeiten, sich selbst zu unterhalten, also deutlich eingeschränkt sind. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, dass Einkommen der Eltern nicht auf Leistungen an entsprechend erwerbsgeminderte, volljährige Kinder anzurechnen ist, die noch bei ihren Eltern wohnen, um so ihre Selbstständigkeit zu stärken. Demgegenüber zielt das Zweite Buch Sozialgesetzbuch auf Bedürftige, die ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbst sichern könnten. Die Leistungen zur Existenzsicherung werden vorübergehend gewährt und sie werden durch Leistungen zur Vermittlung in Arbeit ergänzt. Diese Unterschiede genügen, um auch unterschiedliche Anrech-nungsregeln sachlich zu begründen". Dem ist nichts hinzuzufügen.
Leistungen für Mehrbedarfe waren bei den Klägerinnen in dem in Rede stehenden Zeitraum, in dem die Klägerin zu 2) das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, nicht zu berücksichtigen. Die Klägerinnen haben Tatsachen, aus denen sich konkrete Mehrbedarfe nach dem SGB II herleiten ließen, schon nicht dargetan. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG Bezug (S 4 letzter Absatz Zeile 1 bis S 5 erster Absatz letzte Zeile). Soweit die Klägerinnen auf gesundheitliche Probleme abheben, fehlt es überdies im Rahmen der Härtefallregelung des § 21 Abs. 6 SGB II jedenfalls an dem Merkmal der Unabweisbarkeit. Unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts kann wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer Bedarf nämlich grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 6/13 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 16 – Rn 22). Eine Kranken-behandlung ist indes zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzufüh-ren, was vorliegend auch der Fall war.
Ausgehend davon ist die nach den Bescheiden vom 24. März 2015 (April bis Juni 2015), 28. Juli 2015 (Juli bis Dezember 2015) und 29. April 2016 (Januar bis März 2016) zuletzt maßgebende Leistungsberechnung des Beklagten, soweit diese vom Senat zu prüfen war, nicht zu beanstanden. Auf die entsprechenden, zutreffenden Berechnungsbögen wird verwiesen. Soweit der Beklagte einen Aufrechnungsbetrag iHv mtl 39,90 EUR zu seinen Gunsten in Ansatz gebracht hat, folgt dies aus dem bestandskräftigen und die Beteiligten und das Gericht daher bindenden (vgl § 77 SGG) Darlehens- und Aufrechnungsbescheid vom 19. März 2014. Die Absenkung der Regelleistungen für die Klägerin zu 1) im März 2016 iHv 40,40 EUR und für die Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis 31. März 2016 iHv mtl 64,- EUR beruht auf den ebenfalls bestandskräftigen Absenkungsbescheiden vom 27. November 2015, 11. Dezember 2015 und 18. Dezember 2015, die der Beklagte in Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) iVm § 40 Abs. 1 SGB II mit dem Bescheid vom 29. April 2016 verlautbart hat. Ein zwischenzeitlich insoweit anhängiges Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ändert nichts an der Bestandskraft der genannten Verwaltungsakte, solange der Beklagte diese nicht aufhebt oder ändert (vgl zum Verhältnis zwischen dem Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung einerseits und dem Umsetzungsverwaltungsakt andererseits BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr 1 – Rn 18 ff). Bei einem Erfolg des Zugunstenverfahrens gegen die Minderungsbescheide stünde der nachträglichen Korrektur der Bewilligung die zeitliche Grenze des § 48 Abs. 4 Satz 1 iVm § 44 Abs. 4 SGB X sowie § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen (vgl BSG aaO Rn 21).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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