L 9 U 53/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 U 1500/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 53/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Ereignisses vom 27.07.2010 als Arbeitsunfall streitig.

Der 1956 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Ereignisses in der Oldtimerrestauration der D.AG, M.-B.-Werk in Fellbach als Kfz-Mechaniker versicherungspflichtig beschäftigt. Am 27.07.2010 gegen 10.30 Uhr arbeitete der Kläger ohne Gehörschutz an einer Schleifmaschine, als ein Kollege am Arbeitstisch hinter ihm in einer Entfernung von etwa 50 bis 70 cm mit einem etwa 2 kg schweren Hammer einmalig auf ein Flacheisen oder eine Metallplatte schlug. Unmittelbar darauf klagte er über Schmerzen im rechten Ohr sowie eine Hörminderung, Ohrgeräusche und Drehschwindel und stellte die Arbeit ein.

Am selben Tag gegen 14.35 Uhr suchte der Kläger den Durchgangsarzt Dr. W. auf, der in dem D-Arztbericht vom 27.07.2010 als Erstdiagnose ein Knalltrauma rechts angab, als Befund "Hörminderung rechts (fraglich vorbestehend)" vermerkte und Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 02.08.2010 bescheinigte. Am Folgetag stellte sich der Kläger bei dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. R. vor, der ein Tonaudiogramm anfertigte und in seinem Bericht vom 28.07.2010 als Diagnosen eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits, ein Lärmtrauma und Tinnitus angab und weiterhin Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Eine Behandlung erfolgte mittels Infusionstherapie. Am 02.08.2010 und am 09.08.2010 folgten weitere Tonaudiogramme durch Dr. R ... Am 31.07.2010 und am 01.08.2010 wurden wegen eines Knalltraumas durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. K. Infusionen verabreicht. In der Folge stellte sich der Kläger nochmals bei Dr. R. (Bericht vom 13.09.2010) und in der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Universitätsklinikum Tübingen, vor. Im dortigen Bericht vom 01.09.2010 wurden als Diagnosen ein Zustand nach Lärm-/Knalltrauma, chronischer Tinnitus aurium und Innenohrschwerhörigkeit beidseits angegeben. Als Therapie wurden u.a. ein Tinnituscounceling, Hörgeräteversorgung beidseits sowie eine kognitive Verhaltenstherapie vorgeschlagen. Vom 02.11.2010 bis 13.01.2011 befand sich der Kläger zu Lasten der Beklagten in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Schön Klinik in Bad A. mit den Diagnosen mittelgradige depressive Episode, Tinnitus aurium, Lärmschädigung des Innenohres, Schwindel und Taumel sowie Hyperakusis (Entlassungsbericht vom 24.01.2011). Daran anschließend befand er sich zu Lasten der Beklagten in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie P.

Im Rahmen ihrer Ermittlungen zog die Beklagte einen Auszug der D. Betriebskrankenkasse über Arbeitsunfähigkeitsfälle vom 13.09.2010 bei, in dem für den 18.05.2006 wegen Lärmschädigung des Innenohrs und für den 04.12.2009 wegen Schwindel und Taumel sowie Tinnitus aurium Arbeitsunfähigkeit vermerkt ist. In seiner Auskunft vom 15.10.2010 gab der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R. an, den Kläger einmalig am 03.12.2009 behandelt und wegen Erkältung, Schwindel und Tinnitus für den 04.12.2009 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt zu haben. Der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. H. teilte der Beklagten unter dem 10.10.2010 mit, er habe den Kläger einmalig am 04.07.2001 untersucht. Der Kläger habe angegeben, dass im Rahmen einer betriebsärztlichen Untersuchung eine Hörminderung aufgefallen sei. Einen Lärmuntersuchungsbogen vom 26.04.2001 habe er mitgebracht. Auf dem beigefügten Tonaudiogram vom 26.04.2001 ist handschriftlich vermerkt "Auf Gehörschutz angewiesen. Hat Ohrgeräusche. Kopie für HNO-Arzt mitgegeben." Seine Untersuchung vom 04.07.2001 habe beidseits einen regelrechten Trommelfellbefund, rechts eine ausschließliche Schallempfindungsschwerhörigkeit, links eine kombinierte Schwerhörigkeit mit SL-Komponente im Tieftonbereich bis 1,0 kHz erbracht.

Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Prof. Dr. T. kam in den beratungsärztlichen Stellungnahmen nach Aktenlage vom 08.11.2010 und vom 06.12.2010 zu dem Ergebnis, das angeschuldigte Ereignis sei, insbesondere bei belegtem Vorschaden, in der Lage gewesen, eine einschlägige Hörschädigung und eine Tinnitusauslösung zu bewirken. Die Hörminderung sei als im Wesentlichen vorbestehend zu bewerten; der Tinnitus sei zumindest im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung unfallbedingt.

Die Beklagte veranlasste dann Begutachtungen des Klägers durch den Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. J. und den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. S ... Dr. J. untersuchte den Kläger am 25.01.2012 und gelangte in seinem Gutachten vom 07.02.2012 zu dem Ergebnis, dass das Ereignis vom 27.07.2010 kausal für die rechts stärker ausgeprägten innenohrbedingten Hochtonverluste und für den verstärkt in Erscheinung tretenden Tinnitus aurium sei. Eine Vorschädigung beider Ohren, möglicherweise als Folge langjähriger beruflicher Exposition gegenüber potentiell gehörschädigendem Lärm, sei zwar nicht auszuschließen, aber auch nicht zu sichern, da einerseits audiologische Befundungen längerfristig nicht dokumentiert seien, andererseits im Rahmen der durchgeführten Begutachtung wider Erwarten eine Haarzellschädigung beide Ohren betreffend nicht nachzuweisen gewesen sei. Möglicherweise habe schon vor dem Ereignis ein Tinnitus aurium bestanden, der aber wohl nicht mit hohem Leidensdruck verbunden gewesen sei. Erst als unmittelbare Unfallfolge sei ein hochfrequentes pfeifendes und zischendes Ohrgeräusch rechts empfunden und als psychisch stark beeinträchtigend beschrieben worden.

Dr. S. führte in seinem Gutachten vom 09.03.2012 nach ambulanter Untersuchung des Klägers und unter Einbeziehung eines psychologischen Befundberichts der Dipl.-Psychologin T. vom 08.03.2012 aus, es sei weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet eine Diagnose zu stellen. Ergänzend merkte der Gutachter an, dass nach den hals-nasen-ohren-ärztlichen Ausführungen weder eine lärmbedingte Ohrschädigung gesichert sei noch ein Knalltrauma oder eine Verschlimmerung der zuvor dokumentierten Hörleistung. Von daher bestünden erhebliche Zweifel daran, dass der geschilderte Unfall überhaupt zu einer Gesundheitsstörung geführt habe.

Die Beklagte holte schließlich eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Prof. Dr. S., Facharzt für HNO-Heilkunde, ein. Dieser gab in seiner Stellungnahme vom 22.07.2012 an, dass die Schädigung des Hörvermögens bereits vor dem Unfall im jetzigen Ausmaß bestanden habe. Die Abweichungen in den Tonaudiogrammen lägen im Bereich der Fehlerbreite der Messmethoden. Eine wesentliche Verschlechterung des Hörvermögens oder eine wesentliche Zunahme des Tinnitus lasse sich den Unterlagen nicht entnehmen. Der Hammerschlag sei allenfalls als Gelegenheitsursache anzusehen.

Mit Bescheid vom 28.08.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 27.07.2010 als Arbeitsunfall ab. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht. Die Überprüfung und Auswertung aller erhobenen HNO-Befunde habe ergeben, dass der Kläger bereits vor dem genannten Ereignis unter einer Innenohrschwerhörigkeit gelitten habe. Eine wesentliche Verschlechterung der unfallunabhängigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits sowie eine Zunahme des vorbestehenden Tinnitus habe man nicht feststellen können. Unfallfolgen auf hno-ärztlichem Gebiet lägen daher nicht vor. Auch auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestünden keine Unfallfolgen. Die neurologisch-psychiatrischen Befunde seien regelgerecht. Eine depressive Störung liege unter Bezugnahme der diagnostischen Kriterien der Psychiatrie ebenso wenig wie eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Der Geschehensgang sei zudem nicht geeignet, eine neurologische oder psychologische Gesundheitsstörung herbeizuführen.

Zur Begründung des hiergegen am 27.09.2012 eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung das Gutachten des Dr. J. vom 07.02.2012 und die fachärztliche Stellungnahme des Dr. T. vom 06.12.2010 nicht berücksichtigt. Im Übrigen habe Dr. R. in Ergänzung seiner schriftlichen Auskunft am 18.10.2012 bestätigt, dass die Schwindelsymptomatik mit leichten Ohrgeräuschen am 03.12.2009 als Begleitsymptom eines akuten Infekts aufgetreten sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und verwies zur Begründung auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 28.08.2012. Ausweislich der aktenkundigen, audiometrischen Unterlagen sei bereits im Jahr 2001 eine Hörminderung mit Ohrgeräuschen festgestellt worden bzw. Gegenstand einer ärztlichen Behandlung gewesen. Ein berufsgenossenschaftliches Feststellungsverfahren betreffend eine Lärmschwerhörigkeit sei zwischenzeitlich eingeleitet worden. Prof. Dr. T. habe eine traumatische Verstärkung der (vorbestehenden) Ohrgeräusche für möglich gehalten, aber nicht im Sinne des erforderlichen Vollbeweises für nachgewiesen angesehen.

Hiergegen hat der Kläger am 11.03.2013 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, nach den derzeitigen ärztlichen Gutachten bzw. Stellungnahmen sei von einem Arbeitsunfall auszugehen.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen und den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Prof. Dr. Z. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dr. R. hat mit Schreiben vom 07.10.2013 und 17.12.2013 angegeben, er stimme mit den Einschätzungen des Dr. J. im Gutachten vom 07.02.2012 überein. Unfallhergang und Folgen legten einen Haarzellschaden als Folge des Knalltraumas nahe.

Prof. Dr. Z. kommt in seinem aufgrund einer Untersuchung am 07.05.2014 erstellten Gutachten vom 03.06.2014 zu dem Ergebnis, dass zwischen dem beidseitigen Tinnitus und der gesteigerten Hörempfindlichkeit (Hyperakusis) des Klägers und dem Ereignis vom 27.07.2010 ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang besteht. Selbst beim Vorbestehen eines geringgradigen Tinnitus beidseits wäre das Ereignis zumindest kausal im Sinne einer richtungsgebenden Verschlimmerung. Eine Schallempfindungsschwerhörigkeit des Klägers müsse hingegen als vorbestehend angesehen werden. Bei der Schwerhörigkeit handle es sich um eine Lärmschwerhörigkeit, die ihren Ursprung jedoch nicht in dem in Rede stehenden Ereignis habe. Die durchgeführten Messungen hätten eine Haarzellenschädigung ergeben. Prinzipiell könne nicht ausgeschlossen werden, dass die vorbestehende Hörminderung die Entstehung des Ohrgeräusches oder der Hyperakusis begünstigt habe, es müsse allerdings davon ausgegangen werden, dass der Kläger auch bei vollkommener Normalhörigkeit einen Schaden der Hörschnecke mit ähnlicher Symptomatik erlitten hätte.

Hiergegen hat die Beklagte eingewandt, den Ausführungen des Prof. Dr. Z. hinsichtlich des Tinnitus aurium könne nicht gefolgt werden, da unfallbedingt keine Hörverschlechterung vorliege und daher auch der Tinnitus nicht traumatisch bedingt sein könne. Ein Tinnitus trete nur als Symptom einer lärmbedingten Schwerhörigkeit auf.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.10.2014 hat Prof. Dr. Z. ausgeführt, es treffe grundsätzlich zu, dass ein Tinnitus ohne Hörverlust nicht lärmbedingt sei; vorliegend könne dieser Grundsatz aber nicht gelten, weil bei dem Kläger eine lärmbedingte Hörminderung vorbestanden habe und dies eine Beurteilung des Einzelfalls erfordere. Nach seiner Einschätzung sei der Tinnitus zumindest im Sinne einer richtungsgebenden Verschlimmerung verursacht worden.

Mit Urteil vom 01.12.2015 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2013 verpflichtet, das Ereignis vom 27.07.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Anerkennung des Ereignisses vom 27.07.2010 als Versicherungsfall lägen vor. Bei dem Kläger sei durch das in Rede stehende Ereignis vom 27.07.2010 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Gesundheitserstschaden in Form eines Tinnitus aurium oder zumindest in Form einer Verschlimmerung des Tinnitus aurium verursacht worden. Die Hörminderung des Klägers sei dagegen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das in Rede stehende Ereignis verursacht worden. Zwar sei ein sog. Knalltrauma grundsätzlich geeignet, eine Innenohrschwerhörigkeit zu verursachen oder zu verschlimmern, vorliegend habe die Innenohrschwerhörigkeit des Klägers aber bereits vor dem Ereignis vom 27.07.2010 bestanden, wie sich aus den Tonaudiogrammen vom 26.04.2001 und 04.07.2001 sowie den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. Z. in seinem Gutachten vom 13.10.2014 ergebe. Das Ereignis sei auch nicht kausal im Sinne einer Verschlimmerung der Innenohrschwerhörigkeit gewesen, da die Tonaudiogramme nach dem Ereignis vom 27.07.2010 keinen größeren Hörverlust aufwiesen als die Tonaudiogramme vor dem 27.07.2010. Der bei dem Kläger beidseitig vorliegende Tinnitus aurium sei hingegen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zumindest im Sinne einer Verschlimmerung durch das Ereignis vom 27.07.2010 verursacht worden. Das Ereignis sei dem Grunde nach geeignet gewesen, einen Tinnitus aurium beim Kläger hervorzurufen oder zu verschlimmern, wie sich aus den überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des Prof. Dr. Z. in seinem Gutachten vom 03.06.2014 und der beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. T. ergebe. Die Beklagte habe hiergegen unter Verweis auf unfallversicherungsrechtliche Literatur ausgeführt, ein Tinnitus ohne Hörverlust sei niemals lärmbedingt. Dem stimme die Kammer grundsätzlich zu. Die Beklagte lasse jedoch außer Betracht, dass bei dem Kläger eine wohl lärmbedingte Schwerhörigkeit vorbestehend gewesen sei und damit die genannten medizinischen Grundsätze, die sich auf ein gesundes Hörvermögen beziehen, nicht ohne Weiteres Anwendung finden könnten. Prof. Dr. T. habe überzeugend ausgeführt, dass bei einem vorgeschädigten Gehör eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber weiterer akustischer Schädigung bestehe. Auch Prof. Dr. Z. habe ausgeführt, dass in Fällen, in denen bereits vor dem angeschuldigten Ereignis ein Hörschaden vorgelegen und eine weitere Verschlechterung nicht eingetreten sei, auf den Einzelfall abzustellen sei. Der Tinnitus aurium sei nach den glaubhaften Angaben des Klägers direkt nach dem angeschuldigten Ereignis eingetreten. Das traumatische Ereignis sei auch erheblich gewesen. Es könne dahinstehen, ob der Hammerschlag tatsächlich eine solche Schallstärke, wie sie grundsätzlich bei einem sogenannten Knalltrauma vorausgesetzt werde, gehabt habe, denn bei einem bestehenden Vorschaden könnten auch schon geringere Schallstärken als 160 dB eine richtungsgebende Verschlimmerung auslösen. Gegen die Verursachung des Tinnitus aurium durch das Ereignis spreche, dass der Kläger ausweislich des Protokolls der Lärmuntersuchung vom 26.04.2001 bereits damals an Ohrgeräuschen gelitten habe. Es existierten allerdings keine Höruntersuchungen, die einen Tinnitus aurium auf einer bestimmten Frequenz und Lautstärke bestimmten. Unmittelbar nach dem Ereignis sei hingegen eine Infusionstherapie durchgeführt worden. Der Kläger habe eine Verhaltenstherapie aufgenommen, um den Umgang mit dem Tinnitus aurium zu erlernen. Auch wenn es sich bei dem Tinnitus aurium um eine subjektive Wahrnehmung handle und ein objektiver Nachweis nicht möglich sei, er sich durch audiometrische Verdeckungstests lediglich objektivieren lasse, sprächen nicht nur die Schilderungen des Klägers, sondern auch sein Verhalten im Anschluss an das Ereignis vom 27.07.2010 und die daraus zu ziehenden Rückschlüsse auf seinen Leidensdruck für einen erstmaligen Auftritt des Tinnitus aurium oder zumindest für eine richtungsgebende Verschlimmerung des Tinnitus aurium; Anzeichen für Aggravation hätten sich in dem Gutachten von Prof. Dr. Z. nicht ergeben. Die Kammer sei der Überzeugung, dass die Krankheitsanlage des Klägers gegenüber dem Ereignis auch nicht von überragender Bedeutung gewesen sei. Prof. Dr. Z. habe überzeugend ausgeführt, dass der Kläger selbst bei vollkommener Normalhörigkeit einen cochleären Schaden mit ähnlicher Symptomatik hätte erleiden können. Im Ergebnis stelle das Ereignis einen Arbeitsunfall dar.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, da unfallbedingt keine Hörverschlechterung vorliege, könne auch der Tinnitus nicht unfallbedingt sein, denn Ohrgeräusche seien lediglich Begleitsymptome einer lärmbedingten Schwerhörigkeit. Durch das Ereignis sei keine weitere Schädigung des Hörvermögens und folglich auch keine Verschlimmerung des Tinnitus belegt, da dieser lediglich ein Begleitsymptom sei. Bei der Erstvorstellung bei Dr. W. am 27.07.2010 habe der Kläger über keinen Tinnitus berichtet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. Dezember 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten, der Berufungsausschließungsgründe im Sinne des § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht entgegenstehen und über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, aber nicht begründet.

Das SG hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 01.12.2015 zu Recht verpflichtet, das Ereignis vom 27.07.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004 – B 2 U 46/03 R –, Juris) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (BSG, Urteile vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R – und vom 15.05.2012 – B 2 U 8/11 R –, Juris).

Die Klage ist auch begründet; die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2013 zu Unrecht die Anerkennung des Ereignisses vom 27.07.2010 als Arbeitsunfall abgelehnt.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte zur Zeit des Unfalls durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt; nur dann ist er kraft Gesetzes Versicherter. Sodann muss diese Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dieses einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 R –, Juris).

Für einen Arbeitsunfall ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U 2/11 R – unter Hinweis auf Urteile vom 29.11.2011 – B 2 U 10/11 R –, vom 18.01.2011 – B 2 U 9/10 R – und vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 R –, jeweils Juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserstschaden" erfüllen sollen, im Grade des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012, a.a.O., unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 30/07 R –, Juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht – hier die Anerkennung eines Arbeitsunfalls – für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012, a.a.O., unter Hinweis auf Urteile vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 R – und vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –, Juris).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im vorliegenden Fall erfüllt.

Der Kläger war zum Zeitpunkt des streitigen Ereignisses als Kfz-Mechaniker bei der D. AG beschäftigt und damit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes versichert. Im Rahmen dieser versicherten Tätigkeit bediente er am 27.07.2010 gegen 11.30 Uhr in den Werkräumen seines Arbeitgebers eine Schleifmaschine, so dass ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestand und die Verrichtung des Klägers der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. In engem zeitlichen Zusammenhang wirkten durch den Schlag seines etwa 50 bis 70 cm hinter ihm stehenden Kollegen mit einem etwa 2 kg schweren Hammer auf ein Flacheisen oder eine Eisenplatte Schallwellen auf ihn ein. Der Hergang dieses Ereignisses ergibt sich aus den unmittelbaren Angaben des Klägers gegenüber dem Durchgangsarzt Dr. W. am 27.07.2010, deckt sich mit seinen späteren Angaben und Schilderungen und ist im Wesentlichen zwischen den Beteiligten unumstritten.

Mit dem durch den D-Arzt Dr. W. am 27.07.2010 festgestellten Knalltrauma rechts und den Schmerzen im rechten Ohr liegen auch Gesundheitserstschäden vor, die durch das Unfallereignis rechtlich wesentlich verursacht worden sind.

Gesundheitserstschaden im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenze) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolge) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 SGB VII als Versicherungsfall zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolge) (BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 16/11 R –, Juris). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R –, Juris). Führt das auf den Körper einwirkende Ereignis aber nicht zu einem Erstschaden – und sei er auch gering – handelt es sich nicht um einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (BSG, Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 6/04 R –, Juris).

Die Schmerzen im rechten Ohr gab der Kläger unmittelbar nach dem Unfall gegenüber Dr. R. an. Ein Knalltrauma rechts wurde durch den D-Arzt Dr. W. am 27.07.2010 als Erstdiagnose erhoben und durch Dr. R. in dem HNO-Arztbericht vom 28.07.2010 und dem Befundbericht vom 13.09.2010 bestätigt. Die Diagnose "Z. n. Lärm-/Knalltrauma" wurde auch durch das Universitätsklinikum Tübingen im Bericht vom 01.09.2010 mitgeteilt. Ein Knalltrauma erfüllt ohne weiteres die Merkmale des gesetzlich definierten Unfallbegriffs, kann also als Arbeitsunfall zu entschädigen sein (BSG, Urteil vom 12.04.2005, a.a.O.). Die für ein Knalltrauma erforderlichen Kriterien sind erfüllt. Charakteristisch für das Knalltrauma ist die ausschließliche Innenohrschwerhörigkeit ohne Verletzung des Trommelfells oder Zerreißung der Gehörknöchelchen, häufig mit Tinnitus einhergehend. Bisweilen tritt sie einseitig auf. Die doppelseitige Symptomatik zeigt oft Unterschiede im audiometrischen Bild, bedingt durch den Schallschatten des Kopfes. Das Ausmaß der Innenohrschädigung wird durch Druckspitze, Sprengladung und Kaliber bestimmt. Pathologisch besteht eine Haarzellschädigung des cortischen Organs, das durch ein Recruitment nachweisbar ist (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., 2017, Seite 340, 7.3.2.1 ff.).

Bei dem Kläger besteht eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Dies entnimmt der Senat dem HNO-Arztbericht von Dr. R. vom 28.07.2010 sowie den Gutachten von Dr. J. und Prof. Dr. Z. und ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Laut dem zuletzt durch Prof. Dr. Z. erstellten Gutachten besteht bei dem Kläger eine beidseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit mit einer diskreten Schalleitungskomponente bei der Frequenz von 6 kHz beidseits. Das Tonaudiogramm vom 07.05.2014 (Bl. 70 der SG-Akte) weist beidseits eine breite c5-Senke (Senke um 4096 Hz) auf. Im rechten Ohr beträgt der Hörverlust bei 1 kHz 20 dB, bei 2 kHz 60 dB, bei 3 kHz 65 dB und bei 4 kHz 65 dB. Auf dem linken Ohr beträgt der Hörverlust bei 1 kHz 20 dB, bei 2 kHz 50 dB, bei 3 kHz 55 dB und bei 4 kHz 55 dB. Der maximale Hörverlust liegt rechts bei 10 kHz mit 65 dB und links bei 10 kHz mit 80 dB. Darüber hinaus ist auch eine Haarzellschädigung durch die Untersuchungen durch Prof. Dr. Z. nachgewiesen. Mit den durch ihn durchgeführten Tests konnte eindeutig ein Haarzellenschaden festgestellt werden. Der sog. SISI-Tests war auf beiden Ohren bei 4 kHz positiv, bei der Geräuschaudiometrie nach Langenbeck lag die Mithörschwelle des Klägers im Niveau der benutzten Geräuschlautstärke und mündete in diesem Niveau in den Bezugspunkt der Tonschwelle ein, so dass ein Recruitment (Lautheitsausgleich) als Beleg für eine Haarzellschädigung nachgewiesen werden konnte. Der Senat folgt insoweit dem Gutachten von Prof. Dr. Z., der mit den durchgeführten Recruitmenttests eine Haarzellenschädigung eindeutig nachweisen konnte. Soweit Dr. J. – "wider Erwarten" – eine cochleäre Läsion nicht nachweisen konnte, ist dies für Prof. Dr. Z. nicht nachvollziehbar. Er teilt für den Senat überzeugend mit, dass die von ihm durchgeführten Untersuchungen, die Messungen der otoakustischen Emissionen als auch die Recruitmenttest eindeutig auf eine Haarzellschädigung mit cochleärer Läsion hinweisen.

Bei dem Kläger besteht darüber hinaus ein beidseitiger Tinnitus aurium. Dies ergibt sich aus den überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des Prof. Dr. Z ... Der Kläger hat bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Z. ein dumpfes Ohrgeräusch angegeben. Zudem hat er angegeben, es trete regelmäßig ein hoher Ton auf. Bei der Tinnitusbestimmung durch Prof. Dr. Z. war der Tinnitus auf dem rechten Ohr bei 4 kHz mit einem Sinuston von 75 dB/HL bestimmbar, auf dem linken Ohr ließ sich bei 4 kHz ein Sinuston von 65 dB/HL bestimmen. Auf beiden Ohren ließ sich der Tinnitus im gesamten Frequenzbereich mit einem Schmalbandrauschen verdecken. Im Mittel- und Hochtonbereich war hierfür beidseits ein Schmalbandrauschen von 10 bis 20 dB über der Hörschwelle, im Frequenzbereich von 0,125 bis 1 kHz war ein Schmalbandrauschen von 30 bis 45 dB notwendig. Dass bei dem Kläger ein Tinnitus aurium besteht, ergibt sich auch aus dem HNO-Arztbericht von Dr. R. vom 28.07.2010, dessen Befundbericht vom 13.09.2010, dem Entlassbericht der S. Klinik vom 24.01.2011 und dem Gutachten von Dr. J ... Die Beratungsärzte Prof. Dr. T. und Prof. Dr. S. gehen in ihren Stellungnahmen ebenfalls vom Vorliegen eines Tinnitus aurium aus. Damit besteht bei dem Kläger eine Innenohrschwerhörigkeit ohne Verletzung des Trommelfells oder Zerreißung des Gehörknöchels, aber mit einer Haarzellenschädigung, und ein Tinnitus aurium. Die charakteristischen Kriterien für ein Knalltrauma sind somit erfüllt.

Das Knalltrauma wurde auch rechtlich wesentlich durch das angeschuldigte Ereignis verursacht. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die Innenohrschwerhörigkeit des Klägers nicht mit zumindest hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das in Rede stehende Ereignis vom 27.07.2010 verursacht worden ist. Die Innenohrschwerhörigkeit des Klägers bestand bereits vor diesem Ereignis. Dies ergibt sich aus den Tonaudiogrammen vom 26.04.2001 und 04.07.2001, sowie den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. Z. in seinem Gutachten vom 13.10.2014. Bei den Tonaudiogrammen des Klägers vom 26.04.2001 und vom 04.07.2001 verlaufen die Kurven für Luft- und Knochenleitung bei beiden Ohren nahezu identisch, so dass sich auch hier bereits das Bild einer Schallempfindungsschwerhörigkeit zeigt. Das Tonaudiogramm vom 04.07.2001 weist zusätzlich eine Schallleitungskomponente im Mittel- und Tieffrequenzbereich auf. Der Hörverlust beträgt bei dem Tonaudiogramm vom 26.04.2001 rechts bei 1 kHz 15 DB, bei 2 kHz 60 DB, bei 3 kHz 65 DB und bei 4 kHz 65 DB, links bei 1 kHz 20 DB, bei 2 kHz 60 DB, bei 3 kHz 60 DB und bei 4 kHz 40 DB. Bei dem Tonaudiogramm vom 04.07.2001 beträgt der Hörverlust rechts bei 1 kHz 30 DB, bei 2 kHz 65 DB und bei 4 kHz 50 DB, links bei 1 kHz 40 DB, bei 2 kHz 60 DB, bei 3 kHz 50 DB und bei 4 kHz 30 DB. Damit bestand schon bei den Tonaudiogrammen vom 26.04.2001 und vom 04.07.2001 die nahezu identische c5-Senke, wie sie sich bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Z. zeigte und wie sie sich im Tonaudiogramm am 28.07.2010, also am Tag direkt nach dem Geschehen und auch in den weiteren folgenden Tonaudiogrammen vom 02.08.2010, 09.08.2010, 01.09.2010 und 25.01.2012 darstellte. Die Innenohrschwerhörigkeit bestand folglich bereits vor dem Ereignis vom 27.07.2000. Das Ereignis war auch nicht kausal im Sinne einer Verschlimmerung der Innenohrschwerhörigkeit, da die Tonaudiogramme nach dem Ereignis vom 27.07.2010 keinen größeren Hörverlust aufweisen als die Tonaudiogramme vor diesem Datum. Auch wenn der Kläger angibt, seit dem Ereignis vom 27.07.2010 sei subjektiv eine weitere Hörminderung eingetreten, so überwiegen doch die Umstände, die gegen eine weitere Verschlechterung des Hörvermögens sprechen. Den Ausführungen von Dr. J. kann hinsichtlich des von ihm angenommenen Ursachenzusammenhangs nicht gefolgt werden, da seiner Einschätzung zu Grunde legt, dass audiologische Befundungen längerfristig nicht dokumentiert seien und eine Vorschädigung daher nicht angenommen werden könne. Derartige Befundungen liegen aber gerade in den Tonaudiogramm vom 26.04.2001 und 04.07.2001 vor.

Durch das Ereignis wurde aber jedenfalls eine Verschlimmerung des Tinnitus aurium verursacht. Zwar mag der Kläger bereits vor dem Ereignis an Ohrgeräuschen gelitten haben, allerdings wurden diese durch das Ereignis vom 27.07.2010 jedenfalls richtungsgebend verschlimmert. Das Ereignis vom 27.07.2010 war dem Grunde nach geeignet, einen Tinnitus aurium beim Kläger hervorzurufen oder zu verschlimmern. Dies ergibt sich aus den überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen von Prof. Dr. Z. sowie aus den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. T. vom 08.11.2010 und 06.12.2010, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden können. Beide gehen übereinstimmend davon aus, dass das in Rede stehende Ereignis gerade aufgrund der vorbestehenden Hörschädigung als Auslöser für einen Tinnitus aurium in Betracht kommt. Soweit die Beklagte hiergegen unter Verweis auf unfallversicherungsrechtliche Literatur ausführt, es könne auch der Tinnitus und die Hyperakusis (als Folge des Tinnitus) nicht traumatisch bedingt vorliegen, da unfallbedingt keine Hörverschlechterung vorliege und diese Krankheitsbilder nur Symptome einer lärmbedingten Schwerhörigkeit seien und ein Tinnitus ohne Hörverlust niemals lärmbedingt sein kann, ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Die Beklagte lässt hierbei jedoch außer Betracht, dass bei dem Kläger eine Schwerhörigkeit vorbestehend war und damit die genannten Grundsätze, die sich auf ein gesundes Hörvermögen beziehen, nicht ohne weiteres Anwendung finden können. Prof. Dr. T. hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass bei einem vorgeschädigten Gehör eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber weiterer akustischer Schädigung besteht. Auch Prof. Dr. Z. hat dargelegt, dass in Fällen, in denen bereits vor dem angeschuldigten Ereignis ein Hörschaden vorlag und eine weitere Verschlechterung des Hörvermögens nicht eingetreten ist, auf den Einzelfall abzustellen ist. Zu beurteilen ist nach Einschätzung des Gutachters insoweit, ob das Trauma erheblich gewesen ist und ob der Tinnitus sofort nach dem Unfall eingetreten ist. Der Tinnitus aurium ist nach den glaubhaften Angaben des Klägers unmittelbar nach dem angeschuldigten Ereignis eingetreten. Zur Überzeugung des Senats war das traumatische Ereignis auch erheblich. Bei einem sog. Knalltrauma werden Druckstärken zwischen 160 dB und 180 dB als schädigend und damit erheblich angesehen (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, a.a.O., Seite 340 f., 7.3.2.1 ff.). Es kann hier dahinstehen, ob der Hammerschlag tatsächlich eine solche Schallstärke hatte, da bei einem bestehenden Vorschaden (des Hörvermögens) nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. T. auch eine geringere Schallstärke für eine richtungsgebende Verschlimmerung ausreicht. Dieser Einschätzung hat sich auch Prof. Dr. Z. angeschlossen.

Der Senat verkennt nicht, dass aus dem Auszug der Krankenkasse vom 16.09.2010 hervorgeht, dass der Kläger am 04.12.2009 wegen "Schwindel und Taumel, Tinnitus aurium" arbeitsunfähig erkrankt war, und in dem Protokoll der betrieblichen Lärmuntersuchung vom 26.04.2001 "hat Ohrgeräusche" vermerkt ist. Der die Arbeitsunfähigkeit am 04.12.2009 bescheinigende Arzt Dr. R. hat jedoch angegeben, dass die Schwindelsymptomatik mit den leichten Höhergeräuschen als Begleitsymptome eines akuten Erkältungsinfekts aufgetreten sei. Die Ohrgeräusche vom 04.12.2009 sind daher nicht im Sinne eines chronischen Tinnitus aurium zu bewerten und nicht geeignet, das Fortbestehen eines Tinnitus aurium zu belegen. Dr. T. führt in diesem Zusammenhang für den Senat überzeugend aus, dass aus den Angaben von Dr. R. zu schließen ist, dass bei der (einmaligen) Behandlung die Erkältungsbehandlung im Vordergrund stand und die Hinweise auf Schwindel und Tinnitus wohl mehr beiläufig und ausgestaltend erfolgten. Es bleibt insoweit offen, ob der Tinnitus im Rahmen eines akuten Tubenmittelohrkatarrhs, wie häufig eine akute Erkältungserkrankung begleitend, entstanden war und damit eine völlig andere und im Zusammenhang mit dem streitigen Ereignis völlig unerhebliche Ursache hatte. Ein klassisches innenohrtypisches Geschehen bestand, worauf der Beratungsarzt zutreffend hinweist, im Rahmen dieser Behandlung nicht. Außerdem bestand hinsichtlich des Tinnitus aurium in der Folgezeit jedenfalls kein Leidensdruck, da eine Behandlung nach dem 04.12.2009 nicht stattgefunden hat. Auch hinsichtlich der auf dem Protokoll vom 26.04.2001 vermerkten Ohrgeräusche existieren keinerlei Höruntersuchungen, die einen Tinnitus aurium hinsichtlich einer konkreten Frequenz und Lautstärke bestimmen würden. Art und Intensität der Ohrgeräusche, die der Kläger im Jahr 2001 bei der betriebsärztlichen Untersuchung angegeben hat, bleiben daher unklar. Fest steht aber, dass der Kläger in der Folge nicht wegen eines Tinnitus in Behandlung war. Das Protokoll der Lärmuntersuchung mag daher gegen eine (Erst-)Auslösung des Tinnitus aurium sprechen, aber nicht gegen eine Verschlimmerung. Der Kläger war ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse wegen der Ohrgeräusche vor dem 27.07.2010 nicht arbeitsunfähig erkrankt. Dies spricht gegen einen großen Leidensdruck und damit gegen einen vorliegenden Tinnitus aurium vor dem 27.07.2010 oder zumindest gegen eine besondere Schwere und Intensität der Ohrgeräusche. Unmittelbar nach dem streitigen Ereignis wurde hingegen eine Infusionstherapie durch Dr. R. eingeleitet. Der Kläger hat sofort nach dem Knall die Arbeit niedergelegt und sich noch am selben Tag in ärztliche Behandlung begeben. Desweiteren begab sich der Kläger am 24.01.2011 in eine Verhaltenstherapie, um den Umgang mit dem Tinnitus aurium zu erlernen. Auch wenn es sich bei einem Tinnitus aurium um eine subjektive Wahrnehmung handelt und ein objektiver Nachweis nicht möglich ist, er sich durch audiometrisch Verdeckungstests lediglich objektivieren lässt, sprechen nicht nur die Schilderungen des Klägers, sondern auch sein Verhalten im Anschluss an das Ereignis und die daraus zu ziehenden Rückschlüsse auf seinen Leidensdruck für einen erstmaligen Auftritt des Tinnitus aurium oder zumindest für dessen richtungsgebende Verschlimmerung dessen. Die im Zusammenhang mit dem Tinnitus aurium durchgeführte Befragung des Klägers durch Bewertungsbögen sowie das Anamnesegespräch mit Prof. Dr. Z. haben im Übrigen keine Anzeichen für eine Aggravation ergeben.

Die Krankheitsanlage des Klägers war gegenüber dem Ereignis vom 27.07.2010 nicht von überragender Bedeutung. Prof. Dr. Z. hat überzeugend ausgeführt, dass der Kläger selbst bei vollkommener Normalhörigkeit einen cochleären Schaden mit ähnlicher Symptomatik hätte erleiden können. Die bestehende, wohl lärmbedingte, Innenohrschwerhörigkeit war auch nicht so leicht ansprechbar, dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis den Tinnitus aurium des Klägers hätte auslösen oder verschlimmern können. Der Gutachter hat insoweit überzeugend dargelegt, dass es eines sehr lauten Geräuschs bedurfte, um den Tinnitus aurium des Klägers auszulösen oder zu verstärken.

Einer abschließenden Feststellung, ob der Tinnitus aurium des Klägers durch das Ereignis vom 27.07.2010 (lediglich) richtungsgebend verschlimmert oder tatsächlich ausgelöst wurde, bedarf es, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, vorliegend nicht, da die Beteiligten nur um die Anerkennung als Arbeitsunfall streiten, wofür die Verursachung eines Gesundheitserstschadens ausreicht. Um die Feststellung einzelner konkreter Unfallfolgen streiten die Beteiligten hingegen nicht. Die durch Dr. W. am Tag des Unfalls angegebene Erstdiagnose "Knalltrauma, rechts" stellt nach alledem den Gesundheitserstschaden dar, der rechtlich wesentlich durch das Unfallereignis verursacht worden ist.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind daher erfüllt, das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, das Ereignis vom 27.07.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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