L 9 U 445/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 1826/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 445/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der 1969 geborene Kläger war zur Zeit des geltend gemachten Unfalls am 27.01.2017 als Mechaniker bei der A. AG in N. versicherungspflichtig beschäftigt. Die Arbeitszeit begann an diesem Tag um 06:00 Uhr und endete um 14:30 Uhr.

Nach Angaben des Klägers im Unfallfragebogen vom 14.02.2017 habe er sich am 27.01.2017 um ca. 13:00 Uhr während einer Arbeitspause auf dem Betriebsgelände seiner Arbeitgeberin in einem Gebäude im 1. Obergeschosse zur Toilette begeben, sei dort im Toilettenbereich – als er sich die Hände waschen wollte – auf "nasser Fläche (Seife)" ausgerutscht und habe sich den Kopf am Waschbecken angeschlagen. Nach dem Aufprall auf das Waschbecken sei ihm schwindelig geworden. Er sei zunächst kurz ohnmächtig gewesen. Dann sei er aufgestanden und der Schwindel habe begonnen. Zeugen dafür gebe es nicht. Nach dem Unfall habe er noch wie in Trance bis Schichtende weitergearbeitet. Auf die Frage, wer zuerst vom Unfall Kenntnis erhalten habe, gab der Kläger an, er habe das Meisterbüro angerufen, dort aber keine Antwort erhalten. Dann habe er den Betriebsrat W. per SMS informiert und (später) im Lohnbüro (Herr B.) eine Krankmeldung abgegeben. Auf Grund psychischer Probleme könne er sich nicht mehr genau erinnern. Er habe wie in Trance bis Schichtende um 14:30 Uhr weitergearbeitet.

Der Kläger stellte sich am selben Tag um 16:33 Uhr im S. in H. vor. Im Durchgangsarztbericht vom Unfalltag ist zu den Angaben des Versicherten zum Unfallhergang vermerkt: "Unfalltag 27.01.2017, Uhrzeit 13:00 Uhr. Versicherter ist ausgerutscht und schwarz vor Augen geworden und anschließend gegen das Waschbecken geprallt, hat ein Krachen gehört und war anschließend bewusstlos, beschreibt seither Schwindelgefühl und verschwommene Bilder". Der D-Arzt Prof. Dr. L. stellte die Erstdiagnosen Nackenprellung und Gehirnerschütterung (Commotio cerebri). Der Kläger wurde dort wegen von ihm angegebener initialer Bewusstseinsstörung für 30 Sekunden und eines Druckschmerzes im Bereich des Occiputs und retroaurikulär im Bereich des Mastoids stationär aufgenommen, bis zum 30.01.2017 behandelt und bei subjektiver Beschwerdefreiheit am 30.01.2017 um 11:10 Uhr entlassen (vgl. stationärer Zwischenbericht vom 08.02.2017, Entlassungsanzeige vom 30.01.2017). Bildgebende Untersuchungen des Schädels und der HWS am Unfalltag zeigten einen unauffälligen Befund. Es konnten keine intrakranielle Blutung, keine Schädelfraktur, keine Blutungen und Prellmarken im Bereich des Schädels festgestellt werden. Die stationäre Überwachung von Neurologie und Kreislauf war unauffällig. Der Kläger war zu jedem Zeitpunkt wach, ansprechbar und kreislaufstabil (vgl. stationärer Zwischenbericht vom 20.02.2017).

Am 21.02.2017 teilte ein Mitarbeiter der Abteilung für Arbeitssicherheit der A. AG der Beklagten auf Anfrage telefonisch mit, dass die Unfallanzeige derzeit nicht ausgefüllt werden könne, da der Kläger seinem Chef mitgeteilt habe, er sei zu Hause in der Dusche ausgerutscht. Der Kläger müsse daher zum Hergang erneut befragt werden (vgl. Aktenvermerk der Beklagten vom 21.02.2017). Eine Unfallanzeige wurde auch im weiteren Verlauf nicht von der Arbeitgeberin erstattet.

Mit Bescheid vom 21.02.2017 entschied die Beklagte, dass 1.) der Unfall vom 27.01.2017 nicht als Arbeitsunfall anerkannt wird und 2.) ein Anspruch auf Leistungen nicht besteht. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger am 27.01.2017 im Toilettenbereich auf einer nassen Fläche (Seife) ausgerutscht sei und sich den Kopf am Waschbecken angeschlagen habe. Er habe sich eine Gehirnerschütterung und eine Nacken- und Schulterzerrung zugezogen. Der Aufenthalt auf der Toilette sei grundsätzlich privater Natur und stehe nicht unter Unfallversicherungsschutz. Versicherungsschutz bestehe erst wieder ab dem Durchschreiten der Toilettenaußentür. Besondere Gefahrenmomente innerhalb der Toilettenanlage seien rechtlich für den Versicherungsschutz unbeachtlich. Zudem stellten die Nässe des Bodens und das Waschbecken keine besondere Betriebsgefahr dar, da auch bei Sanitäranlagen außerhalb des Betriebes mit einer Bodenverunreinigung zu rechnen und ein Waschbecken im Toilettenbereich üblich sei. Aus diesem Grund bestehe kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die weitere Behandlung erfolgte zu Lasten der Krankenkasse. Die behandelnden Ärzte und die Krankenkasse würden entsprechend informiert.

Bei einer MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule im K. wurde am 22.02.2017 eine "unklare Läsion in HWK 7 ( ) am ehesten im Sinne einer No-touch-Läsion zu werten" festgestellt (vgl. MRT-Bericht vom 02.036.2017).

Am 24.02.2017 wurde der Kläger im S. vorstellig und klagte über eine diffuse Schmerzsymptomatik vom Nacken bis in den Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) ausstrahlend sowie das gelegentliche Sehen von Doppelbildern, vor allen Dingen morgens, was augenärztlich abgeklärt wurde. Der Kläger erschien dort "ausgeprägt stigmatisiert und ängstlich", es handele sich um eine ausgeprägt verbliebene funktionelle Störung der Nacken- und Schultermuskulatur (vgl. Zwischenbericht vom 24.02.2017).

Am 14.03.2017 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 21.02.2017 Widerspruch und führte aus, er sei im Toilettenbereich seiner Arbeitgeberin ausgerutscht. Der Aufenthalt auf der Toilette sei nicht privater Natur gewesen. Auch Arbeitspausen und Zeiten betrieblich bedingter Unterbrechungen würden grundsätzlich zur versicherten Tätigkeit gehören. Versichert sei der Weg zur Toilette. Auch der Aufenthalt auf der Toilette sei versichert, wenn sich – wie hier – dort besondere betriebliche Gefahren, wie zum Beispiel die Glätte des Fußbodens, konkretisieren würden. Aus diesen Gründen sei der Unfall vom 27.01.2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Bei einer augenärztlichen Untersuchung am 28.03.2017 gab der Kläger an, er sei in der Pause auf einer Seite, die sich im WC befand, ausgerutscht und mit seinem Kopf gegen das Waschbecken geknallt, nun sehe er morgens für ca. 30 Minuten Doppelbilder (vgl. Augenarztbericht Dr. U. vom 24.04.2017).

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 12.06.2017 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben und zur Begründung sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertiefend ausgeführt, dass er aufgrund des Zustandes des Bodens ausgerutscht sei. Es habe sich die Rutschgefahr auf der Toilette konkretisiert. Dieser Bereich sei der Sphäre des Arbeitgebers zuzuordnen. Die Beschaffenheit der Unfallstelle und die Verletzung würden in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang stehen. Daher handele es sich vorliegend um einen Arbeitsunfall.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.12.2017 abgewiesen und unter Zugrundelegung des vom Kläger behaupteten Unfallereignisses ausführlich dargelegt, dass sich der Unfall während einer nicht versicherten Tätigkeit ereignet habe. Versichert seien fremdwirtschaftliche, unversichert seien eigen- oder privatwirtschaftliche Tätigkeiten. Das unfallbringende Verhalten müsse der versicherten Tätigkeit zurechenbar sein. Der hiernach erforderliche innere Zusammenhang sei wertend zu ermitteln, indem untersucht werde, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liege, bis zu welcher nach den gesetzlichen Vorgaben der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Der Unfall des Klägers habe sich nicht während einer versicherten Tätigkeit ereignet. Die Verrichtung der Notdurft diene eigenen Interessen und sei eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Während des Aufenthalts in der betrieblichen Toilettenanlage als grundsätzlich unversichertem Bereich bestehe kein Unfallversicherungsschutz. Zwar bestehe Versicherungsschutz auf dem Weg zu einem Ort in der Betriebsstätte, an dem die Notdurft verrichtet werden soll, weil der Versicherte durch die Anwesenheit auf der Betriebsstätte gezwungen sei, seine Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten, als er dies von seinem häuslichen Bereich aus getan hätte. Zudem handele es sich um eine regelmäßig unaufschiebbare Handlung, die der Fortsetzung der Arbeit direkt im Anschluss daran diene und somit auch im mittelbaren Interesse des Arbeitgebers liege. Entsprechendes gelte für den Rückweg von der Toilette auf dem Betriebsgelände. Der unversicherte Bereich umfasse nach natürlicher Betrachtungsweise nicht nur das Verrichten der Notdurft selbst, sondern den gesamten Aufenthalt in der Toilettenanlage, denn das Reinigen der Hände danach sei auch dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen. Die Grenze, bei deren Erreichen ein Risikobereich verlassen und in einen neuen eingetreten werde, sei mit der Tür zum Zugang der Toilettenräumlichkeit zu ziehen. Nicht maßgeblich sei, ob es sich um eine einzelne Toilettenkabine oder eine aus mehreren Räumen bestehende Toilettenanlage handele. Da das Aufsuchen der Toilette einen einheitlichen Vorgang bilde, ende der Versicherungsschutz mit dem Betreten der zur Toilette zählenden Räumlichkeiten und lebe mit deren Verlassen wieder auf. Als Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung der Risikobereiche innerhalb der Toilettenräume und außerhalb der Toilettenräume könne dabei nur das Durchschreiten der Toilettenaußentür als geeignet angesehen werden. Entsprechende Abgrenzungskriterien habe die Rechtsprechung auch für den Versicherungsschutz hinsichtlich der ebenfalls eigenwirtschaftlichen Tätigkeit der Nahrungsaufnahme aufgestellt und auch hier nicht nur die Nahrungsaufnahme selbst, sondern den Aufenthalt in der Kantine als grundsätzlich unversichert angesehen und die Grenze zum versicherten Weg sowohl bei der Nahrungsaufnahme in der Kantine als auch außerhalb des Betriebes jeweils an der Außentür der Kantine bzw. der Gaststätte gesehen. Auch sei vorliegend kein Versicherungsschutz aufgrund einer besonderen betrieblichen Gefahr gegeben. Versicherungsschutz unter diesem Gesichtspunkt bei einem Unfall während einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit komme nur in Betracht, wenn durch die örtlichen Gegebenheiten eine besondere Gefahrenquelle geschaffen werde, die wesentliche Ursache eines Unfalls sei. Nicht hierzu zählten solche, die einem in ihren speziellen Eigenarten während des normalen Verweilens am Wohn- oder Betriebsort begegnen, z.B. die gewöhnliche Härte des Fußbodens, der Toilettenarmaturen oder des Materials der Kabinenverschalung oder deren Tür. Vorliegend sei der Kläger auf dem nach seinen Angaben nassen und mit Seife verunreinigten Boden ausgerutscht. Es habe hierdurch aber keine besondere betriebliche Gefahr bestanden. Vielmehr sei dieser Sachverhalt mit der Situation eines Unfallereignisses bei der Nahrungsaufnahme in der Betriebskantine aufgrund eines verunreinigten Kantinenbodens gleichzusetzen. So weise die Rechtsprechung zutreffend darauf hin, dass entsprechende Verunreinigungen nicht nur in Kantinenbereichen, sondern auch in anderen Selbstbedienungsrestaurants vorkommen, weshalb kein Versicherungsschutz begründet sei. Es müsse also eine Gefahrenlage bestehen, die bei entsprechenden Einrichtungen, die privatwirtschaftlich genutzt werden, üblicherweise nicht gegeben sei. Nicht nur in betrieblichen Toilettenanlagen, sondern auch in anderen öffentlichen Toilettenanlagen sei ein nasser Fußboden oder auch eine Verunreinigung mit Seife im Bereich des Waschbeckens nicht unüblich; dies könne im Übrigen auch im häuslichen Bereich vorkommen. Es verwirkliche sich hierdurch gerade keine spezifische betriebliche Gefahr.

Der Kläger hat am 01.02.2018 gegen den ihm am 02.01.2018 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und sein bisheriges Vorbringen, auch unter Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17.11.2016 (2 C 17/16) vertieft. Vorliegend habe sich die Rutschgefahr auf der Toilette konkretisiert. Der Bereich sei der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen. Zudem diene die Verrichtung der Notdurft der versicherten Tätigkeit. Die angefochtene Entscheidung sei völlig lebensfremd. Der Arbeitgeber habe ein besonderes Interesse daran, dass der Versicherte seinen Arbeitsplatz verlasse und seine Notdurft in den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten verrichte. Wenn man die starre Abgrenzung anhand der Toilettentür vornehme, stelle sich die Frage, ob der Arbeitnehmer versichert wäre, wenn er seine Notdurft auf dem Weg zur Toilette verrichte.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Dezember 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2017 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 27. Januar 2017 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die angefochtene Entscheidung Bezug. Auf Anfrage des Senats hat die A. AG mit Schriftsatz vom 04.07.2018 mitgeteilt, dass der Kläger keinen Arbeitsunfall gemeldet habe. Am 27.01.2018 (gemeint: 2017) habe er bis Schichtende um 14:30 Uhr ohne Auffälligkeiten weitergearbeitet. Bei einem Telefonat mit seinem damaligen Vorgesetzten habe der Kläger zu seinem Unfall widersprüchliche Aussagen gemacht, u.a. dass er zu Hause in der Dusche ausgerutscht sei. In einem weiteren Gespräch habe er dies dann wieder dementiert. Zur Bodenbeschaffenheit in den Toilettenräumen hat die A. AG ausgeführt, dass in jeder Schicht der Boden nass gewischt und während des Vorgangs besonders darauf geachtet werde, dass durch das Aufstellen von Warnhinweisen auf eine Rutschgefahr aufmerksam gemacht werde. Im Anschluss der Reinigung werde der Boden getrocknet, so dass keine Gefahr mehr bestehe. Im Normalfall finde die Reinigung in der Frühschicht von 8 bis 12 Uhr statt.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zum Sachverhalt angegeben, er habe schon am Morgen des Unfalltags Streit mit seinem Vorgesetzten A. N. gehabt. Da er davon noch aufgebracht gewesen sei, habe er sich in der Pause um 13 Uhr in den Toilettenräumen frisch machen wollen. Er habe Gesicht und Hände am Waschbecken abgewaschen und sei, als er die Toilettenanlage verlassen wollte, auf dem feuchten Boden ausgerutscht und mit dem Hinterkopf (rechte Seite) an das Waschbecken geschlagen. Nach Schichtende sei er mit dem Auto in Richtung seiner Wohnung gefahren, als er plötzlich Schmerzen bekommen habe. Er habe dann mit dem Auto angehalten und sich kurz ausgeruht, weil er gedacht habe, dass die Schmerzen weggehen würden. Da letzteres nicht der Fall gewesen sei, sei er dann direkt zum Krankenhaus nach H. weitergefahren. Er habe nach der Endkontrolle im Krankenhaus am Unfalltag mit seiner Arbeitgeberin telefonisch Kontakt aufgenommen, mit wem genau, wisse er nicht mehr. Er wisse nicht mehr, ob er auch tatsächlich mit jemandem gesprochen habe. Am Tag seiner Krankenhausentlassung am 30.01.2017 habe er den Betriebsrat W. angerufen, der ihm gesagt habe, er sei in einer Sitzung und habe keine Zeit. Danach habe er mit seinem Meister A. telefoniert und diesem gesagt, dass er krankgeschrieben sei. Diesem habe er auch am 07.02.2017 eine SMS geschrieben, dass er noch bis 11.02.2017 krankgeschrieben sei. Wegen des Unfalls sei er ca. acht Monate krankgeschrieben gewesen. Der Kläger hat einen Screenshot über die am 30.01.2017 geführten Telefonate (E. W. Betriebsrat 11:13 Uhr, A. Meister 14:55 Uhr, A. 14:56 Uhr) zu den Akten gereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung (§ 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG und der Bescheid der Beklagten vom 21.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2017 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls hat.

Die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist zulässig (zum Wahlrecht zwischen der Feststellungs- und der Verpflichtungsklage Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R -, vom 18.01.2011 - B 2 U 15/10 R - und vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R -, juris), aber unbegründet.

Die Beklagte hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass auf Grund des vorliegenden Sachverhalts kein Arbeitsunfall festzustellen ist. Entgegen den Feststellungen und Ausführungen des SG und der Beklagten scheidet der Versicherungsschutz nach dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) jedoch nicht (erst) wegen des Aufenthalts auf den Toilettenräumen in der Betriebsstätte der Arbeitgeberin und damit – je nach Bewertung – auf Grund der Verrichtung einer unversicherten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zur Zeit eines Unfallereignisses aus. Vielmehr lässt sich vorliegend schon nicht im Sinne des Vollbeweises feststellen, dass der Kläger das von ihm konkret hinsichtlich Ort, Zeit, Art und Ausmaß behauptete Unfallereignis in den Räumlichkeiten seiner Arbeitgeberin erlitten hat. Damit fehlt es am Nachweis einer grundlegenden Voraussetzung zur Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 29.11.2011 und 18.01.2011, a.a.O., m.w.N. und Urteile vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R -, vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R - und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris) ist für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis - dem Unfallereignis (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" – hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Ausmaß – sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grade des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R -, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R -, juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht – hier die Feststellung eines Arbeitsunfalls – für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012, a.a.O., unter Hinweis auf BSG, Urteile vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - und vom 09.05.2006, a.a.O., juris). Kann der Nachweis nicht erbracht werden und besteht sog. objektive Beweislosigkeit, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Im vorliegenden Fall lässt sich zur Überzeugung des Senats nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses der durchgeführten Ermittlungen schon nicht der - erforderliche - Vollbeweis für das vom Kläger behauptete Unfallereignis erbringen. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger – wie von ihm behauptet – am 27.01.2017 gegen ca. 13:00 Uhr in der Toilettenanlage seiner Arbeitgeberin auf nassem Boden ausgerutscht ist, sich den Kopf am Waschbecken angestoßen hat und auf den Boden gestürzt ist. Diese Auffassung stützt der Senat auf die sich widersprechenden Angaben des Klägers einerseits und auf die Angaben der Arbeitgeberin im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren andererseits, wonach der Kläger seinem damaligen Vorgesetzten gegenüber nach dem Unfalltag erklärt habe, dass er zu Hause in der Dusche ausgerutscht sei. Die Angaben des Klägers lassen sich zudem durch nichts objektivieren. Zeugen waren seinen Angaben zufolge zur Zeit des behaupteten Ereignisses nicht zugegen. Der D-Arztbericht und die Tatsache, dass der Kläger noch am 27.01.2017 im Krankenhaus war, ergeben ebenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er das behauptete Unfallereignis hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Ausmaß erlitten hat. Denn im D-Arzt-Bericht wurden die Angaben des Klägers zu den Unfallumständen ungeprüft übernommen. Zudem erschien er um 16:33 Uhr im Krankenhaus, also zwei Stunden nach Schichtende. Ein Unfall hätte sich somit gut denkbar auch zu Hause in dem Zeitfenster zwischen 14:30 Uhr und 16:33 Uhr ereignen können. Der Kläger hat am 27.01.2017 bis Schichtende um 14:30 Uhr (weiter) gearbeitet. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und stellt der Senat hiermit fest. Dieser Umstand spricht angesichts der Angaben des Klägers, er sei durch den Aufprall am Waschbecken zunächst ohnmächtig geworden und ihm sei – nach dem Aufstehen vom Boden – schwindelig gewesen, eher gegen das behauptete Unfallereignis zu der geltend gemachten Zeit (ca. 13 Uhr) und an dem geltend gemachten Ort (Toilettenanlage der Arbeitgeberin). Soweit er behauptet, wie in Trance weiter gearbeitet zu haben, ist diesem – beweislosen – Vortrag entgegen zu halten, dass von Seiten der Arbeitgeberin bzw. dem Vorgesetzten/Gruppensprecher des Klägers bis Schichtende keine Auffälligkeiten im Verhalten des Klägers beobachtet wurden. Nicht nachvollziehbar ist auch, dass der Kläger keiner Person in seinem Arbeitsumfeld vor dem Verlassen der Firma von dem erlittenen Unfall Mitteilung gemacht hat. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit dem Vorgesetzten Neumann, mit dem er zuvor schon Streit hatte, nicht nochmals in Kontakt treten wollte, verwundert, dass er sich gegenüber keiner (anderen) Person in seinem Arbeitsumfeld mitgeteilt, sondern bis Schichtende weitergearbeitet hat, um dann den Heimweg anzutreten. Auch aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er eine der von ihm genannten Personen, mit denen er nach der Krankenhausentlassung am 30.01.2017 Kontakt hatte, darüber informierte, dass er in den Räumlichkeiten seiner Arbeitgeberin gestürzt war. Vielmehr hat er diesen Personen stets nur mitgeteilt, dass er krankgeschrieben sei. Hieraus lässt sich eine Unfallanzeige durch ihn aber nicht ableiten. Dies war (wohl) letzten Endes auch der Anlass dafür, dass die Arbeitgeberin gegenüber der Beklagten nie eine Unfallanzeige erstattet hat. Unter Berücksichtigung all dieser Gesamtumstände verbleiben für den Senat nicht unerhebliche Restzweifel hinsichtlich des vorgetragenen Unfallereignisses, weshalb der Senat dieses nicht im Sinne des Vollbeweises als nachgewiesen betrachtet.

Da sich schon das konkrete Unfallereignis in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin des Klägers nicht nachweisen und feststellen lässt, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Kläger zur Zeit des Unfallereignisses als Beschäftigter eine den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) verrichtet hat. Nur nebenbei merkt der Senat an, dass der Unfall, wenn er sich so zugetragen hätte, wie vom Kläger behauptet, nicht nach dem SGB VII versichert gewesen wäre, da der Aufenthalt in der betrieblichen Toilettenanlage sogenannter eigenwirtschaftlicher Natur ist und nicht betrieblichen Interessen dient. Der für den Weg zur Toilettenanlage bestehende Versicherungsschutz endet grundsätzlich an der Außentür der Toilettenanlage und beginnt wiederum erst bei Verlassen der Toilettenanlage mit Durchschreiten der Außentür. Besondere betriebliche Gefahrenmomente, die ausnahmsweise einen Versicherungsschutz begründen könnten, hätten auch bei dem behaupteten Unfallereignis nicht vorgelegen. Dies hat bereits das SG ausführlich unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 30.7.2015 - L 6 U 526/13 -, vom 20.09.2012 - L 6 U 2770/12 -, vom 25.10.2001 - L 10 U 1968/00 -, vom 29.01.2016 - L 8 U 2950/14 -, jeweils m.w.N., juris) und des BSG (Urteile vom 24.06.2003 - B 2 U 24/02 R, vom 02.07.1996 - 2 RU 34/95 - SozR 3-2200 § 550 Nr. 15; vom 06.12.1989 - B 2 RU 5/89 -, vom 30.07.1971 - 2 RU 200/69 -, jeweils m.w.N., juris) dargestellt. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Klarzustellen ist, dass der Unfallversicherungsschutz für ein Unfallereignis auch während des Aufenthalts im unversicherten Bereich in der Betriebsstätte unter dem Gesichtspunkt der besonderen betrieblichen Gefahr nach der Rechtsprechung des BSG nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn eine Betriebseinrichtung, die in besonderem Maße gefahrenträchtig ist, den Unfall wesentlich mitbewirkt hat (BSG, Urteil vom 22.06.1976 - 8 RU 146/75 -, SozR 2200 § 548 Nr. 20, juris, Rdnr. 16 – bejaht für eine Drehtür). Das BSG hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass eine solche besonders gefahrenträchtige Betriebseinrichtung nicht schon dadurch auszuschließen ist, dass Gefahrenquellen solcher und ähnlicher Art (dort: Drehtüren, Schwingtüren, selbstschließende Türen) im täglichen Leben an vielen Stellen anzutreffen sind. Erheblich ist gerade nicht die Häufigkeit, mit der betriebliche Gefahrenquellen auch außerhalb des Betriebes auftreten, sondern allein, ob eine objektiv gefährliche Betriebseinrichtung den Unfall wesentlich mitverursacht hat (BSG, a.a.O.). Das Gefahrenmoment einer Toilettenanlage ist indes mit dem Gefahrenmoment einer Drehtür oder vergleichbaren Einrichtungen nicht im Ansatz vergleichbar (so auch LSG Bayern, Urteil vom 06.05.2003 - L 3 U 323/01 -, juris). Auch wenn man so weit wie das LSG Bayern (Urteil vom 15.01.2014 - L 2 U 204/13 -, juris) gehen wollte – was der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich offen lässt –, dass (wohl) eine solch besondere betriebliche Gefahrensituation in einer Toilette bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch den Arbeitgeber vorliegen könne, würde im vorliegenden Fall kein Versicherungsschutz vorliegen. Denn für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten der Arbeitgeberin ergeben sich auf Grund ihrer Auskunft vom 04.07.2018 keine Anhaltspunkte. Diese wurde im Übrigen auch vom Kläger nicht behauptet.

Auch aus dem vom Kläger zitierten Urteil des BVerwG vom 17.11.2016 (2 C 17/16), wonach der Dienstunfallschutz von Beamten grundsätzlich auch den Aufenthalt des Beamten in einem Toilettenraum des Dienstgebäudes umfasst, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Denn das BVerwG hat zutreffend ausgeführt, dass § 31 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamtinnen und Beamten sowie der Richterinnen und Richter des Landes Berlin vom 21.06.2011 (LBeamtVG BE) für ein Unfallereignis an dem vom Dienstherrn vorgegebenen Dienstort nur voraussetzt, dass es "in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist" und beamtenrechtliche Unfallfürsorge damit grundsätzlich abstrakt an die Dienstausübung im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn anknüpft, während sozialversicherungsrechtlicher Unfallschutz nach § 8 SGB VII nach der Rechtsprechung des BSG einen inneren Zusammenhang zwischen der konkreten Verrichtung zum Unfallzeitpunkt und der versicherten Tätigkeit erfordert und dieser Zusammenhang wertend zu ermitteln ist, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht, mithin die sozialgerichtliche Rechtsprechung auf einer anderen gesetzlichen Regelung beruht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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