Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 739/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1746/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum (vorläufigen) Anspruch auf Begleitung beim Besuch eines Kindergartens für ein unter anderem an Diabetes mellitus Typ I erkranktes Kind.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 9. Mai 2018 abgeändert und die Antragsgegnerin verpflichtet, vorläufig die Kosten für die vollumfängliche Begleitung des Antragstellers beim Besuch des Kindergartens durch eine Krankenschwester vom 25. Juli 2018 bis einschließlich 14. September 2018, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 22. März 2018, zu tragen.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz über die Gewährung einer Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens.
Der am 2011 geborene Antragsteller leidet an Diabetes mellitus Typ 1 mit instabiler Stoffwechsellage mit Neigung zu Hypo- und Hyperglykämien, Asthma bronchiale, generalisierter Entwicklungsverzögerung und ADHS. Er wird mit Insulin behandelt und verwendet ein FreeStyle Libre Gerät zur Zuckermessung ohne Hypoglykämiealarm. Es sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie die Merkzeichen G, B und H anerkannt. Seit dem 1. November 2017 gewährt die bei der Antragsgegnerin errichtete Pflegekasse Pflegegeld bei Pflegegrad 3 (Bescheid vom 6. Juni 2018).
Der Antragsteller besucht noch bis einschließlich 14. September 2018 einen von der Beigeladenen betriebenen Regelkindergarten. Seit März 2018 wurde er von einer Krankenschwester begleitet, die ein ambulanter Pflegedienst stellte. Im Schreiben vom 3. Juli 2018 teilte der Pflegedienst mit, er könne die Versorgung des Antragstellers ohne Bezahlung nicht weiterführen. Es seien bereits Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt EUR 14.730,00 offen.
Bereits am 20. Dezember 2017 beantragte der Antragsteller bei der Beigeladenen die Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe zum Besuch des Kindergartens. Seinem Antrag fügte er Atteste seiner behandelnden Kinderärztin Dr. K. vom 20. Dezember 2017 und seiner Ergotherapeutin M. W. vom 19. September 2017 bei, wonach aufgrund der Erkrankungen des Antragstellers eine Eingliederungshilfe erforderlich sei. Dr. K. verordnete außerdem am 21. Dezember 2017 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2018 häusliche Krankenpflege im Umfang von 1 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektion im Haushalt des Antragstellers. Die Beigeladene leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 an die Antragsgegnerin weiter, weil sie sich nicht für zuständig hielt.
Mit Bescheiden vom 12. und 22. März 2018 bewilligte die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege im Umfang von 1 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektion für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2018.
Den Antrag auf Eingliederungshilfe lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22. März 2018 ab. Die Voraussetzungen der §§ 53 und 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) lägen nicht vor.
Hiergegen legte der Antragsteller am 23. April 2018 Widerspruch ein.
Bereits am 12. März 2018 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Mannheim (SG) einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren, vorläufig vom Tage der Entscheidung an, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, eine Fachkraft als Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens täglich von 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr sowie bei Ausflügen und Exkursionen vollumfänglich zu bewilligen und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen. Aufgrund des schwer einstellbaren Diabetes mellitus könne er nur in Begleitung einer Fachkraft den Kindergarten besuchen. Sowohl die Messzeiten als auch die Insulingaben seien zeitlich nicht planbar. Da die begehrten Leistungen primär dem Ziel dienten, ihn als behinderten Menschen in die Gesellschaft zu integrieren, handele es sich um Leistungen der Eingliederungshilfe und nicht zum Leistungen der Behandlungspflege. Es wurde unter anderem eine E-mail der Leiterin des Kindergartens vom 9. Februar 2018, ein Gutachten des Pflegesachverständigen B. vom 2. Juni 2017 aus einem Verfahren gegen die bei der Antragsgegnerin errichteten Pflegekasse beim SG (S 15 P 732/17) und eine Stellungnahme des Pflegedienstes vom 13. April 2018 nebst Pflegeberichten vorgelegt, wonach die starken Schwankungen des Blutzuckers des Antragstellers eine genaue Patientenbeobachtung erforderten, um in den jeweiligen Situationen die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Körperliche Anstrengungen und Aufregung hätten beim Antragsteller häufig ein plötzliches Absacken des Blutzuckerwertes zur Folge. Eine Eins-zu-Eins-Betreuung sei unabdingbar notwendig. Ferner legte sie die Verordnung der Dr. K. vom 13. April 2018 über häusliche Krankenpflege im Umfang von 6 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektionen für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 2018 vor.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Sie habe entsprechend der ärztlichen Verordnung häusliche Krankenpflege bewilligt. Die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe und Behandlungspflege erfolge nach der Zielrichtung. Danach seien die begehrten Maßnahmen vorliegend der Behandlungspflege zuzuordnen, weil diese durch die Diabeteserkrankung verursacht würden und speziell auf diesen Krankheitszustand ausgerichtet seien. Ein Bedarf an Eingliederungshilfe sei nicht nachvollziehbar. Sie sei zur Beendigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereit, für die Zeit vom 1. April 2018 bis 30. Juni 2018 häusliche Krankenpflege im Umfang von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektionen zu gewähren. Nach dem (vorgelegten) Gutachten des Dr. Ri., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 27. April 2018 sei eine spezielle Krankenbeobachtung des Antragstellers nicht notwendig, weil diese bei Kindern mit Diabetes mellitus Typ I nicht üblich bzw. erforderlich sei. Eine Krankenschwester müsse lediglich die planbaren Insulingaben übernehmen, soweit dies durch das Personal des Kindergartens nicht vorgenommen werden könne.
Die durch Beschluss des SG vom 10. April 2018 Beigeladene äußerte sich nicht.
Mit Beschluss vom 9. Mai 2018 lehnte das SG den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, es fehle bereits ein Anordnungsanspruch. Die Notwendigkeit einer speziellen Krankenbeobachtung als Leistung der häuslichen Krankenpflege sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zunächst habe die Antragsgegnerin im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens angeboten, häusliche Krankenpflege im Umfang von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektionen zu gewähren. Vor dem Hintergrund des Medikationsplans des ambulanten Pflegedienstes vom 23. März 2018 von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessungen um 10.00 Uhr, 12.00 Uhr, 14.00 Uhr und 16.00 Uhr sowie bei Bedarf entsprechend Insulininjektionen erscheine das Angebot der Antragsgegnerin ausreichend, um die Versorgung des Antragstellers während der Kindergartenzeit zu gewährleisten. Dr. K. sei zudem in ihrer Verordnung vom 21. Dezember 2017 noch von einer notwendigen häuslichen Krankenpflege von 1 x täglich und 5 x wöchentlich ausgegangen. In diesem Umfang sei in den letzten Monaten auch eine Versorgung des Antragstellers erfolgt. Aus dem Schreiben des Kindergartens vom 9. Februar 2018 lasse sich zudem entnehmen, dass die Mitarbeiter des Kindergartens alle zwei Stunden die Blutzuckerwerte des Antragstellers messen würden, bei Bedarf auch öfters. Das Spritzen von Insulin übernehme eine Pflegekraft der Sozialstation. Aus alledem sei die Notwendigkeit einer ununterbrochenen Beobachtung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Darüber hinaus mangele es auch an einer hinreichenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Zwar sei ausgeführt worden, dass die Eltern des Antragstellers die Kosten des Pflegedienstes, der derzeit die Versorgung des Antragstellers während der Kindergartenzeit sicherstelle, nicht mehr länger tragen könnten. Entsprechende Unterlagen seien aber nicht eingereicht worden.
Am 16. Mai 2018 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des SG beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, ohne Eins-zu-Eins-Begleitung könne er den Kindergarten nicht besuchen. Dabei müssten auch seine Verhaltensauffälligkeiten berücksichtigt werden. Die angebotene Behandlungspflege im Umfang von 4 x täglich genüge nicht. Seine Eltern könnten die Leistungen des Pflegedienstes (über EUR 3.000,00 monatlich) nicht vorfinanzieren. Die Mutter sei erwerbslos. Die Einkünfte des Vaters reichten nicht einmal, um den Bedarf der Familie zu decken. Er hat unter anderem Verdienstbescheinigungen, Atteste der Ärztin für pädiatrische Endokrinologie Dr. Kr. vom 17. Mai 2018 und der Dr. Kl. vom 24. Mai 2018, eine Stellungnahme des der Leiterin des Kindergartens vom 11. Juni 2018, das (Pflege-)Gutachten der Pflegefachkraft Mi., MDK, vom 9. Mai 2018, eine Stellungnahme des Pflegedienstes vom 3. Juli 2018 und ein Befundbericht von Kinder- und Jugendpsychiater Dr. A.-M. vom 26. Juni 2018 vorgelegt.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Mai 2018 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig vom Tage der Entscheidung an, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, eine Fachkraft als Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens täglich von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr und bei Ausflügen und Exkursionen vollumfänglich zu bewilligen und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend. Zur Begründung verweist sie auf ihr bisheriges Vorbringen und den Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2018, mit dem der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22. März 2018 zurückgewiesen hat. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, die Antragsgegnerin habe durch die Bewilligung der Kostenübernahme von häuslicher Krankenpflege im Umfang von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Insulininjektionen im Zeitraum vom 1. April bis 25. Juli 2018 ihre Leistungspflicht vollumfänglich erfüllt. Der MDK habe in seinem Gutachten vom 28. Mai 2018 die medizinische Notwendigkeit der am 13. April 2018 verordneten häuslichen Krankenpflege bestätigt, jedoch nur im Umfang von 4 x täglich (10.00 Uhr, 12.00 Uhr, 14.00 Uhr und 16.00 Uhr) und 5 x wöchentlich. Soweit es zu einer Unterzuckerung komme, die sich insbesondere durch Kaltschweißigkeit bemerkbar mache, müsse Traubenzucker oder entsprechende Nahrung verabreicht werden. Das Kindergartenpersonal könne hierfür geschult werden. Die Überwachung der Nahrungsaufnahme und das Abwiegen der Mahlzeiten sei von den Leistungen des Pflegegrades 2 abgedeckt. Im Übrigen bestünde kein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe.
Unter dem 26. Juni 2018 ist im Rahmen eines Antragsverfahrens für die Gewährung von Integrationshilfe für den Schulbesuch ab dem kommenden Schuljahr 2018/2019 auf Veranlassung der Beigeladenen eine ärztliche Beurteilung durch das Gesundheitsamt der Beigeladenen erfolgt. Dr. De. führt darin aus, der Antragsteller könne altersentsprechend die Blutzuckermessungen und Insulingaben nicht selbst bewältigen. Zusätzlich bestünde ein Integrationsbedarf aufgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten und der Entwicklungsverzögerung. Daher benötige er im Kindergarten und auch zu Beginn der Schulzeit eine vollumfängliche Begleitung, die sowohl die medizinische Behandlungspflege als auch den pädagogischen Unterstützungsbedarf leisten könne.
Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Die Kosten für die begehrte Integrationshilfe übersteigt den Beschwerdewert von EUR 750,00.
2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit – wie hier – nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Orientieren in solchen Fällen die Gerichte ihre Entscheidung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, so sind sie gemäß Art 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, die, wenn dazu Anlass besteht, Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - juris Rn. 7 und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris Rn. 25, 26). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
3. Unter Beachtung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für die begehrte einstweilige Anordnung vor. Sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.
a) Der Antragsteller hat einen Anspruch auf vollumfängliche Begleitung beim Besuch des Kindergartens durch eine Krankenschwester hinreichend glaubhaft gemacht.
aa) Als Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen kommen einerseits §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und andererseits §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII in Verbindung mit § 12 Eingliederungshilfe-Verordnung in Betracht.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes vom 21. Dezember 2015, BGBl. I, S. 2424) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs. 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V noch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Der GBA hat in Umsetzung seiner gesetzlichen Verpflichtung in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL vom 17. September 2009, BAnz vom 9. Februar 2010, zuletzt geändert am 16. März 2017, BAnz AT 1. Juni 2017 B3) nähere Festlegungen vorgenommen.
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen der Eingliederungshilfe an Personen erbracht, die durch eine Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach § 140 SGB XII und neben den Leistungen nach den §§ 26 und 55 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Nach § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG, Urteil vom 13. Juni 2006 – B 8 KN 4/04 KR R, juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 P 4/13 R – juris, Rn. 16). Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es hingegen, wie aus § 53 Abs. 3 SGB XII folgt, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Ziel der Leistungen ist gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1 SGB IX einerseits, den Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, die Teilhabe zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 32/07 R – juris, Rn. 16).
bb) Es kann vorliegend offenbleiben, ob die begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII oder der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V zuzuordnen sind. Denn die Antragsgegnerin ist im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller für beide Leistungen zuständig.
Dies folgt zunächst aus § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
Die vom Antragsteller bei der Beigeladenen beantragte Leistung einer Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens ist eine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 14 SGB IX. Ausweislich der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin wurde der Antragsgegnerin der Antrag vom 20. Dezember 2017 auf Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe zum Besuch des Kindergartens von der Beigeladenen binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags weitergeleitet. Damit hat sie über den Anspruch des Antragstellers auf Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens umfassend zu entscheiden.
Es kann vorliegend dahin gestellt bleiben, ob es sich bei der begehrten Leistung auch nach dem Leistungsrecht des SGB V um eine Rehabilitationsleistung handelt; denn § 14 SGB IX gilt seiner Intention nach auch in den Fällen, in denen eine Leistung beantragt wird, die von einem anderen in § 6 SGB IX genannten Träger als Rehabilitationsleistung zu erbringen wäre, wenn wie hier der erstangegangene Leistungsträger (hier der beigeladene Sozialhilfeträger) jedenfalls Rehabilitationsträger i.S. des § 6 SGB IX ist (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – juris, Rn. 12). Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin ohnehin originär, d.h. ohne Anwendung des § 14 SGB IX, zuständig ist, wenn es sich um einen Fall der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V handelt.
cc) Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung sowohl Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege als auch Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe.
Der Antragsteller gehört zum leistungsberechtigten Personenkreis nach der Regelung des § 53 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die personengebundene Vorrausetzung einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist (unstreitig) erfüllt. Der Antragsteller leidet an Diabetes mellitus Typ 1 mit instabiler Stoffwechsellage mit Neigung zu Hypo- und Hyperglykämien, Asthma bronchiale, generalisierter Entwicklungsverzögerung und ADHS. Es sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie die Merkzeichen G, B und H anerkannt. Auf die Einkommensverhältnisse des Antragstellers und seiner Eltern kommt es nicht an, da gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen lediglich die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ist, welche hier nicht betroffen sind. Eine Berücksichtigung gegebenenfalls vorhandenen Vermögens erfolgt ebenfalls nicht (vgl. § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Leistungen nach § 55 Abs. 2 SGB IX umfassen auch Leistungen der Eingliederungshilfe zum Zweck des Kindergartenbesuches (z.B. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. August 2015 – L 8 SO 177/15 B ER – juris, Rn. 18).
Der Antragsteller unterfällt auch dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege erbringt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege sind auch in Kindergärten zu erbringen, wenn dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
dd) Nach derzeitiger Sachlage kann der Antragsteller nicht ohne ständige Begleitung den Kindergarten besuchen. Dies entnimmt der Senat dem Akteninhalt, insbesondere der zuletzt vorgelegten ärztlichen Stellungnahme von Dr. De. vom Gesundheitsamt der Beigeladenen. Danach besteht aufgrund der Diabetes-Erkrankung, der Verhaltensauffälligkeiten und der Entwicklungsverzögerung die Notwendigkeit einer vollumfänglichen Begleitung, die sowohl die medizinische Behandlungspflege als auch den pädagogischen Unterstützungsbedarf leisten kann. Gestützt wird diese Einschätzung von der Pflegefachkraft Mi. im MDK-Gutachten für die bei der Antragsgegnerin errichteten Pflegekasse vom 9. Mai 2018, wonach der Besuch des Kindergartens nur mit unterstützender Begleitung möglich ist. Auch Dr. A.-M. (Befundbericht vom 26. Juni 2018) und Dr. K. (Attest vom 24. Mai 2018) sehen die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung des Antragstellers.
Die im Rahmen der häuslichen Krankenpflege zuletzt bewilligte viermalige Blutzuckermessung und Insulingabe genügt nach Auswertung der aktenkundigen Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen nicht. Soweit im Beschluss des SG und im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2018 (unter Verweis auf ein – von der Antragsgegnerin nicht vorgelegtes – MDK-Gutachten vom 28. Mai 2018) auf den Medikationsplan des ambulanten Pflegedienstes vom 23. März 2018 von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessungen um 10.00 Uhr, 12.00 Uhr, 14.00 Uhr und 16.00 Uhr Bezug genommen wird, wird übersehen, dass aus den aktenkundigen Pflegeberichten zu entnehmen ist, dass die Blutzuckermessungen und Insulingaben gerade nicht nur zu den geplanten festen Uhrzeiten stattfinden, sondern je nach Bedarf auch dazwischen (z.B. am 15. März 2018 zusätzlich um 14.45 Uhr). Außerdem sind weitere Maßnahmen zwischen den Messungen erforderlich wie z.B. die Verabreichung von Traubenzucker (am 15. März 2018 um 14.30 Uhr oder am 21. März 2018 um 11.30 Uhr). Bestätigt wird dies in der Stellungnahme des Pflegedienstes vom 13. April 2018, wonach die starken Schwankungen des Blutzuckers des Antragstellers eine genaue Patientenbeobachtung erfordern, um in den jeweiligen Situationen die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Körperliche Anstrengungen und Aufregung haben beim Antragsteller häufig ein plötzliches Absacken des Blutzuckerwertes zur Folge. Eine Eins-zu-Eins-Betreuung ist auch aus Sicht des Pflegedienstes unabdingbar notwendig.
Soweit die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2018 darauf verweist, dass das Kindergartenpersonal für die Gabe des Traubenzuckers oder anderer Nahrung bei Unterzuckerungen geschult werden könne, wird übersehen, dass die Mitarbeiter des Kindergartens des Antragstellers (Stellungnahme vom 11. Juli 2018) eine entsprechende Betreuung ablehnen. Sie begründen dies damit, dass ihnen aufgrund der sehr starken Schwankungen des Blutzuckers die zeitlichen Ressourcen und medizinischen Kenntnisse fehlten. Solange aber der Kindergarten nicht bereit und/oder nicht in der Lage ist, den zusätzlichen Betreuungsbedarf abzudecken, kann der Antragsteller nicht auf (theoretische) Leistungen des Kindergartens verwiesen werden.
ee) Da der Antragsteller bislang von einer Krankenschwester beim Besuch des Kindergartens begleitet wurde und der Kindergartenbesuch nur noch bis zum 14. September 2018 stattfinden wird, hält es der Senat für notwendig, aber auch ausreichend, wenn die Antragsgegnerin vorläufig die Kosten für die Begleitung durch eine Krankenschwester im tenorierten Umfang übernimmt. Die Klärung der endgültigen Tragung der (auch bereits aufgelaufenen) Kosten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
b) Auch ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Der Pflegedienst, der bislang die Krankenschwester gestellt hat, ist nicht länger bereit, in Vorleistung zu treten. Nach den vorgelegten Unterlagen sind die Eltern des Antragstellers auch nicht in der Lage, einstweilen die Kosten selbst zu tragen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz über die Gewährung einer Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens.
Der am 2011 geborene Antragsteller leidet an Diabetes mellitus Typ 1 mit instabiler Stoffwechsellage mit Neigung zu Hypo- und Hyperglykämien, Asthma bronchiale, generalisierter Entwicklungsverzögerung und ADHS. Er wird mit Insulin behandelt und verwendet ein FreeStyle Libre Gerät zur Zuckermessung ohne Hypoglykämiealarm. Es sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie die Merkzeichen G, B und H anerkannt. Seit dem 1. November 2017 gewährt die bei der Antragsgegnerin errichtete Pflegekasse Pflegegeld bei Pflegegrad 3 (Bescheid vom 6. Juni 2018).
Der Antragsteller besucht noch bis einschließlich 14. September 2018 einen von der Beigeladenen betriebenen Regelkindergarten. Seit März 2018 wurde er von einer Krankenschwester begleitet, die ein ambulanter Pflegedienst stellte. Im Schreiben vom 3. Juli 2018 teilte der Pflegedienst mit, er könne die Versorgung des Antragstellers ohne Bezahlung nicht weiterführen. Es seien bereits Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt EUR 14.730,00 offen.
Bereits am 20. Dezember 2017 beantragte der Antragsteller bei der Beigeladenen die Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe zum Besuch des Kindergartens. Seinem Antrag fügte er Atteste seiner behandelnden Kinderärztin Dr. K. vom 20. Dezember 2017 und seiner Ergotherapeutin M. W. vom 19. September 2017 bei, wonach aufgrund der Erkrankungen des Antragstellers eine Eingliederungshilfe erforderlich sei. Dr. K. verordnete außerdem am 21. Dezember 2017 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2018 häusliche Krankenpflege im Umfang von 1 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektion im Haushalt des Antragstellers. Die Beigeladene leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 an die Antragsgegnerin weiter, weil sie sich nicht für zuständig hielt.
Mit Bescheiden vom 12. und 22. März 2018 bewilligte die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege im Umfang von 1 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektion für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2018.
Den Antrag auf Eingliederungshilfe lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22. März 2018 ab. Die Voraussetzungen der §§ 53 und 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) lägen nicht vor.
Hiergegen legte der Antragsteller am 23. April 2018 Widerspruch ein.
Bereits am 12. März 2018 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Mannheim (SG) einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren, vorläufig vom Tage der Entscheidung an, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, eine Fachkraft als Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens täglich von 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr sowie bei Ausflügen und Exkursionen vollumfänglich zu bewilligen und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen. Aufgrund des schwer einstellbaren Diabetes mellitus könne er nur in Begleitung einer Fachkraft den Kindergarten besuchen. Sowohl die Messzeiten als auch die Insulingaben seien zeitlich nicht planbar. Da die begehrten Leistungen primär dem Ziel dienten, ihn als behinderten Menschen in die Gesellschaft zu integrieren, handele es sich um Leistungen der Eingliederungshilfe und nicht zum Leistungen der Behandlungspflege. Es wurde unter anderem eine E-mail der Leiterin des Kindergartens vom 9. Februar 2018, ein Gutachten des Pflegesachverständigen B. vom 2. Juni 2017 aus einem Verfahren gegen die bei der Antragsgegnerin errichteten Pflegekasse beim SG (S 15 P 732/17) und eine Stellungnahme des Pflegedienstes vom 13. April 2018 nebst Pflegeberichten vorgelegt, wonach die starken Schwankungen des Blutzuckers des Antragstellers eine genaue Patientenbeobachtung erforderten, um in den jeweiligen Situationen die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Körperliche Anstrengungen und Aufregung hätten beim Antragsteller häufig ein plötzliches Absacken des Blutzuckerwertes zur Folge. Eine Eins-zu-Eins-Betreuung sei unabdingbar notwendig. Ferner legte sie die Verordnung der Dr. K. vom 13. April 2018 über häusliche Krankenpflege im Umfang von 6 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektionen für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 2018 vor.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Sie habe entsprechend der ärztlichen Verordnung häusliche Krankenpflege bewilligt. Die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe und Behandlungspflege erfolge nach der Zielrichtung. Danach seien die begehrten Maßnahmen vorliegend der Behandlungspflege zuzuordnen, weil diese durch die Diabeteserkrankung verursacht würden und speziell auf diesen Krankheitszustand ausgerichtet seien. Ein Bedarf an Eingliederungshilfe sei nicht nachvollziehbar. Sie sei zur Beendigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereit, für die Zeit vom 1. April 2018 bis 30. Juni 2018 häusliche Krankenpflege im Umfang von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektionen zu gewähren. Nach dem (vorgelegten) Gutachten des Dr. Ri., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 27. April 2018 sei eine spezielle Krankenbeobachtung des Antragstellers nicht notwendig, weil diese bei Kindern mit Diabetes mellitus Typ I nicht üblich bzw. erforderlich sei. Eine Krankenschwester müsse lediglich die planbaren Insulingaben übernehmen, soweit dies durch das Personal des Kindergartens nicht vorgenommen werden könne.
Die durch Beschluss des SG vom 10. April 2018 Beigeladene äußerte sich nicht.
Mit Beschluss vom 9. Mai 2018 lehnte das SG den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, es fehle bereits ein Anordnungsanspruch. Die Notwendigkeit einer speziellen Krankenbeobachtung als Leistung der häuslichen Krankenpflege sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zunächst habe die Antragsgegnerin im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens angeboten, häusliche Krankenpflege im Umfang von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Injektionen zu gewähren. Vor dem Hintergrund des Medikationsplans des ambulanten Pflegedienstes vom 23. März 2018 von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessungen um 10.00 Uhr, 12.00 Uhr, 14.00 Uhr und 16.00 Uhr sowie bei Bedarf entsprechend Insulininjektionen erscheine das Angebot der Antragsgegnerin ausreichend, um die Versorgung des Antragstellers während der Kindergartenzeit zu gewährleisten. Dr. K. sei zudem in ihrer Verordnung vom 21. Dezember 2017 noch von einer notwendigen häuslichen Krankenpflege von 1 x täglich und 5 x wöchentlich ausgegangen. In diesem Umfang sei in den letzten Monaten auch eine Versorgung des Antragstellers erfolgt. Aus dem Schreiben des Kindergartens vom 9. Februar 2018 lasse sich zudem entnehmen, dass die Mitarbeiter des Kindergartens alle zwei Stunden die Blutzuckerwerte des Antragstellers messen würden, bei Bedarf auch öfters. Das Spritzen von Insulin übernehme eine Pflegekraft der Sozialstation. Aus alledem sei die Notwendigkeit einer ununterbrochenen Beobachtung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Darüber hinaus mangele es auch an einer hinreichenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Zwar sei ausgeführt worden, dass die Eltern des Antragstellers die Kosten des Pflegedienstes, der derzeit die Versorgung des Antragstellers während der Kindergartenzeit sicherstelle, nicht mehr länger tragen könnten. Entsprechende Unterlagen seien aber nicht eingereicht worden.
Am 16. Mai 2018 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des SG beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, ohne Eins-zu-Eins-Begleitung könne er den Kindergarten nicht besuchen. Dabei müssten auch seine Verhaltensauffälligkeiten berücksichtigt werden. Die angebotene Behandlungspflege im Umfang von 4 x täglich genüge nicht. Seine Eltern könnten die Leistungen des Pflegedienstes (über EUR 3.000,00 monatlich) nicht vorfinanzieren. Die Mutter sei erwerbslos. Die Einkünfte des Vaters reichten nicht einmal, um den Bedarf der Familie zu decken. Er hat unter anderem Verdienstbescheinigungen, Atteste der Ärztin für pädiatrische Endokrinologie Dr. Kr. vom 17. Mai 2018 und der Dr. Kl. vom 24. Mai 2018, eine Stellungnahme des der Leiterin des Kindergartens vom 11. Juni 2018, das (Pflege-)Gutachten der Pflegefachkraft Mi., MDK, vom 9. Mai 2018, eine Stellungnahme des Pflegedienstes vom 3. Juli 2018 und ein Befundbericht von Kinder- und Jugendpsychiater Dr. A.-M. vom 26. Juni 2018 vorgelegt.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Mai 2018 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig vom Tage der Entscheidung an, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, eine Fachkraft als Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens täglich von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr und bei Ausflügen und Exkursionen vollumfänglich zu bewilligen und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend. Zur Begründung verweist sie auf ihr bisheriges Vorbringen und den Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2018, mit dem der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22. März 2018 zurückgewiesen hat. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, die Antragsgegnerin habe durch die Bewilligung der Kostenübernahme von häuslicher Krankenpflege im Umfang von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessen und Insulininjektionen im Zeitraum vom 1. April bis 25. Juli 2018 ihre Leistungspflicht vollumfänglich erfüllt. Der MDK habe in seinem Gutachten vom 28. Mai 2018 die medizinische Notwendigkeit der am 13. April 2018 verordneten häuslichen Krankenpflege bestätigt, jedoch nur im Umfang von 4 x täglich (10.00 Uhr, 12.00 Uhr, 14.00 Uhr und 16.00 Uhr) und 5 x wöchentlich. Soweit es zu einer Unterzuckerung komme, die sich insbesondere durch Kaltschweißigkeit bemerkbar mache, müsse Traubenzucker oder entsprechende Nahrung verabreicht werden. Das Kindergartenpersonal könne hierfür geschult werden. Die Überwachung der Nahrungsaufnahme und das Abwiegen der Mahlzeiten sei von den Leistungen des Pflegegrades 2 abgedeckt. Im Übrigen bestünde kein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe.
Unter dem 26. Juni 2018 ist im Rahmen eines Antragsverfahrens für die Gewährung von Integrationshilfe für den Schulbesuch ab dem kommenden Schuljahr 2018/2019 auf Veranlassung der Beigeladenen eine ärztliche Beurteilung durch das Gesundheitsamt der Beigeladenen erfolgt. Dr. De. führt darin aus, der Antragsteller könne altersentsprechend die Blutzuckermessungen und Insulingaben nicht selbst bewältigen. Zusätzlich bestünde ein Integrationsbedarf aufgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten und der Entwicklungsverzögerung. Daher benötige er im Kindergarten und auch zu Beginn der Schulzeit eine vollumfängliche Begleitung, die sowohl die medizinische Behandlungspflege als auch den pädagogischen Unterstützungsbedarf leisten könne.
Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Die Kosten für die begehrte Integrationshilfe übersteigt den Beschwerdewert von EUR 750,00.
2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit – wie hier – nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Orientieren in solchen Fällen die Gerichte ihre Entscheidung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, so sind sie gemäß Art 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, die, wenn dazu Anlass besteht, Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - juris Rn. 7 und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris Rn. 25, 26). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
3. Unter Beachtung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für die begehrte einstweilige Anordnung vor. Sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.
a) Der Antragsteller hat einen Anspruch auf vollumfängliche Begleitung beim Besuch des Kindergartens durch eine Krankenschwester hinreichend glaubhaft gemacht.
aa) Als Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen kommen einerseits §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und andererseits §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII in Verbindung mit § 12 Eingliederungshilfe-Verordnung in Betracht.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes vom 21. Dezember 2015, BGBl. I, S. 2424) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs. 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V noch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Der GBA hat in Umsetzung seiner gesetzlichen Verpflichtung in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL vom 17. September 2009, BAnz vom 9. Februar 2010, zuletzt geändert am 16. März 2017, BAnz AT 1. Juni 2017 B3) nähere Festlegungen vorgenommen.
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen der Eingliederungshilfe an Personen erbracht, die durch eine Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach § 140 SGB XII und neben den Leistungen nach den §§ 26 und 55 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Nach § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG, Urteil vom 13. Juni 2006 – B 8 KN 4/04 KR R, juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 P 4/13 R – juris, Rn. 16). Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es hingegen, wie aus § 53 Abs. 3 SGB XII folgt, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Ziel der Leistungen ist gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1 SGB IX einerseits, den Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, die Teilhabe zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 32/07 R – juris, Rn. 16).
bb) Es kann vorliegend offenbleiben, ob die begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII oder der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V zuzuordnen sind. Denn die Antragsgegnerin ist im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller für beide Leistungen zuständig.
Dies folgt zunächst aus § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
Die vom Antragsteller bei der Beigeladenen beantragte Leistung einer Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens ist eine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 14 SGB IX. Ausweislich der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin wurde der Antragsgegnerin der Antrag vom 20. Dezember 2017 auf Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe zum Besuch des Kindergartens von der Beigeladenen binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags weitergeleitet. Damit hat sie über den Anspruch des Antragstellers auf Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens umfassend zu entscheiden.
Es kann vorliegend dahin gestellt bleiben, ob es sich bei der begehrten Leistung auch nach dem Leistungsrecht des SGB V um eine Rehabilitationsleistung handelt; denn § 14 SGB IX gilt seiner Intention nach auch in den Fällen, in denen eine Leistung beantragt wird, die von einem anderen in § 6 SGB IX genannten Träger als Rehabilitationsleistung zu erbringen wäre, wenn wie hier der erstangegangene Leistungsträger (hier der beigeladene Sozialhilfeträger) jedenfalls Rehabilitationsträger i.S. des § 6 SGB IX ist (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – juris, Rn. 12). Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin ohnehin originär, d.h. ohne Anwendung des § 14 SGB IX, zuständig ist, wenn es sich um einen Fall der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V handelt.
cc) Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung sowohl Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege als auch Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe.
Der Antragsteller gehört zum leistungsberechtigten Personenkreis nach der Regelung des § 53 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die personengebundene Vorrausetzung einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist (unstreitig) erfüllt. Der Antragsteller leidet an Diabetes mellitus Typ 1 mit instabiler Stoffwechsellage mit Neigung zu Hypo- und Hyperglykämien, Asthma bronchiale, generalisierter Entwicklungsverzögerung und ADHS. Es sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie die Merkzeichen G, B und H anerkannt. Auf die Einkommensverhältnisse des Antragstellers und seiner Eltern kommt es nicht an, da gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen lediglich die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ist, welche hier nicht betroffen sind. Eine Berücksichtigung gegebenenfalls vorhandenen Vermögens erfolgt ebenfalls nicht (vgl. § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Leistungen nach § 55 Abs. 2 SGB IX umfassen auch Leistungen der Eingliederungshilfe zum Zweck des Kindergartenbesuches (z.B. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. August 2015 – L 8 SO 177/15 B ER – juris, Rn. 18).
Der Antragsteller unterfällt auch dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege erbringt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege sind auch in Kindergärten zu erbringen, wenn dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
dd) Nach derzeitiger Sachlage kann der Antragsteller nicht ohne ständige Begleitung den Kindergarten besuchen. Dies entnimmt der Senat dem Akteninhalt, insbesondere der zuletzt vorgelegten ärztlichen Stellungnahme von Dr. De. vom Gesundheitsamt der Beigeladenen. Danach besteht aufgrund der Diabetes-Erkrankung, der Verhaltensauffälligkeiten und der Entwicklungsverzögerung die Notwendigkeit einer vollumfänglichen Begleitung, die sowohl die medizinische Behandlungspflege als auch den pädagogischen Unterstützungsbedarf leisten kann. Gestützt wird diese Einschätzung von der Pflegefachkraft Mi. im MDK-Gutachten für die bei der Antragsgegnerin errichteten Pflegekasse vom 9. Mai 2018, wonach der Besuch des Kindergartens nur mit unterstützender Begleitung möglich ist. Auch Dr. A.-M. (Befundbericht vom 26. Juni 2018) und Dr. K. (Attest vom 24. Mai 2018) sehen die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung des Antragstellers.
Die im Rahmen der häuslichen Krankenpflege zuletzt bewilligte viermalige Blutzuckermessung und Insulingabe genügt nach Auswertung der aktenkundigen Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen nicht. Soweit im Beschluss des SG und im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2018 (unter Verweis auf ein – von der Antragsgegnerin nicht vorgelegtes – MDK-Gutachten vom 28. Mai 2018) auf den Medikationsplan des ambulanten Pflegedienstes vom 23. März 2018 von 4 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessungen um 10.00 Uhr, 12.00 Uhr, 14.00 Uhr und 16.00 Uhr Bezug genommen wird, wird übersehen, dass aus den aktenkundigen Pflegeberichten zu entnehmen ist, dass die Blutzuckermessungen und Insulingaben gerade nicht nur zu den geplanten festen Uhrzeiten stattfinden, sondern je nach Bedarf auch dazwischen (z.B. am 15. März 2018 zusätzlich um 14.45 Uhr). Außerdem sind weitere Maßnahmen zwischen den Messungen erforderlich wie z.B. die Verabreichung von Traubenzucker (am 15. März 2018 um 14.30 Uhr oder am 21. März 2018 um 11.30 Uhr). Bestätigt wird dies in der Stellungnahme des Pflegedienstes vom 13. April 2018, wonach die starken Schwankungen des Blutzuckers des Antragstellers eine genaue Patientenbeobachtung erfordern, um in den jeweiligen Situationen die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Körperliche Anstrengungen und Aufregung haben beim Antragsteller häufig ein plötzliches Absacken des Blutzuckerwertes zur Folge. Eine Eins-zu-Eins-Betreuung ist auch aus Sicht des Pflegedienstes unabdingbar notwendig.
Soweit die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2018 darauf verweist, dass das Kindergartenpersonal für die Gabe des Traubenzuckers oder anderer Nahrung bei Unterzuckerungen geschult werden könne, wird übersehen, dass die Mitarbeiter des Kindergartens des Antragstellers (Stellungnahme vom 11. Juli 2018) eine entsprechende Betreuung ablehnen. Sie begründen dies damit, dass ihnen aufgrund der sehr starken Schwankungen des Blutzuckers die zeitlichen Ressourcen und medizinischen Kenntnisse fehlten. Solange aber der Kindergarten nicht bereit und/oder nicht in der Lage ist, den zusätzlichen Betreuungsbedarf abzudecken, kann der Antragsteller nicht auf (theoretische) Leistungen des Kindergartens verwiesen werden.
ee) Da der Antragsteller bislang von einer Krankenschwester beim Besuch des Kindergartens begleitet wurde und der Kindergartenbesuch nur noch bis zum 14. September 2018 stattfinden wird, hält es der Senat für notwendig, aber auch ausreichend, wenn die Antragsgegnerin vorläufig die Kosten für die Begleitung durch eine Krankenschwester im tenorierten Umfang übernimmt. Die Klärung der endgültigen Tragung der (auch bereits aufgelaufenen) Kosten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
b) Auch ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Der Pflegedienst, der bislang die Krankenschwester gestellt hat, ist nicht länger bereit, in Vorleistung zu treten. Nach den vorgelegten Unterlagen sind die Eltern des Antragstellers auch nicht in der Lage, einstweilen die Kosten selbst zu tragen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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