S 56 KR 2258/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
56
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 KR 2258/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 28r Abs. 1 SGB IV findet auf Entscheidungen der Einzugsstelle über den Erlass von Säumniszuschlägen Anwendung (entgegen SG Neubrandenburg, Urt. v. 3. Juli 2003, S 4 KR 53/01).
2. Die Einzugsstelle der Krankenkasse verletzt ihre Pflicht zur Geltendmachung der Beitragsansprüche, wenn sie durch fehlerhafte Aktenführung die Zahlung der Beiträge verspätet durchsetzt. In diesen Fall hat die Krankenkasse den Verzögerungsschaden zu ersetzen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen aus einem Betrag von 1.825,17 EUR i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB vom 05. Juni 2006 bis 28. Mai 2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten zu vier Fünfteln, die Beklagte zu einem Fünftel.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle wegen des Erlasses von Säumniszuschlägen nach erheblich verzögerter Beitragserhebung.

Die Klägerin ist ein Rentenversicherungsträger, die Beklagte eine Krankenkasse als Rechtsnachfolgerin der Land- und Forstwirtschaftlichen Krankenkasse Franken und Oberbayern mit Sitz in Bayreuth. Diese unterhielt in W. eine Kundenfiliale.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Firma Futtermittelfabrik X. (nachfolgend firmierend unter Fa. X. GmbH & Co. KG; im folgenden Arbeitgeber) erhob die Klägerin mit Bescheid vom 25. September 2001 eine Nachforderung von 8.684,84 DM (=4.440,49 EUR, davon 2.308,63 EUR für 1998 und 2.131,86 EUR für 1999). Davon entfielen auf "Beiträge zur Rentenversicherung" insgesamt 3.353,43 EUR. Der Bescheid enthielt eine Zahlungsfrist (Fälligkeitstermin: 15. des auf die Bescheiderteilung folgenden übernächsten Monats) sowie den Hinweis, dass die Beitragsnachforderung erst mit der Unanfechtbarkeit des Bescheides wirksam werde.

Der Arbeitgeber erhob gegen den Beitragsbescheid vom 25. September 2001 Widerspruch und nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage.

Die Klägerin informierte die Filiale der Rechtsvorgängerin der Beklagten in W. über das Ergebnis der Betriebsprüfung und die Klageerhebung mit Schreiben vom 5. Juni 2002. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, dass sie die Rechtsvorgängerin der Beklagten über den Ausgang des Klageverfahrens unaufgefordert informieren werde. Sie bat darum, von Sachstandsanfragen Abstand zu nehmen, da man keinen Einfluss auf die Verfahrensdauer in der Sozialgerichtsbarkeit habe.

Am 1. August 2003 schloss die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Kundenzentrum in W.

Der Arbeitgeber nahm – nachdem er der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Abbuchungsermächtigung erteilt hatte – die Klage gegen den Betriebsprüfungsbescheid am 15. Januar 2004 zurück. Er zahlte auf die Beitragsforderung nicht. Eine Abbuchung des Nachforderungsbetrages unterblieb.

Am 30. Januar 2004 versandte die Klägerin eine Mitteilung an die "Landwirtschaftliche Krankenkasse in W.", in welchem sie mitteilte, dass die Klage des Arbeitgebers am 15. Januar 2004 zurückgenommen worden sei.

Nach acht Jahren, mit Schreiben vom 20. Februar 2012 fragte die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Klägerin nach dem Sachstand des Klageverfahrens, die Klägerin informierte. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erwiderte, dass sie keine Mitteilung über den Ausgang des Klageverfahrens erhalten habe. Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 forderte die Rechtsvorgängerin der Beklagten vom Arbeitgeber die Zahlung der offenen Beitragsforderung und machte zusätzlich die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Säumniszuschläge in Höhe von 4.356,00 EUR geltend. Nach einer Mahnung erließ die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Forderungsbescheid und machte die rückständigen Beiträge, Säumniszuschläge von nunmehr 4.400,00 EUR und eine Mahngebühr geltend. Hiergegen erhob der Arbeitgeber Widerspruch und die Einrede der Verjährung. Er vertrat die Ansicht, dass die Geltendmachung der Forderungen nicht gerechtfertigt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2012 half die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Widerspruch teilweise ab und hob die Säumniszuschläge für die Zeit bis zum 28. Mai 2012 auf, da durch die Prüfstelle an die Zahlung verspätet erinnert worden war. Hinsichtlich der seit dem 29. Mai 2012 erhobenen Säumniszuschläge von 44,00 EUR, der Beitragsforderung sowie der Mahngebühr wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Widerspruch zurück. Der Arbeitgeber beglich die Restforderung im Rahmen einer Zahlungsvereinbarung sodann vollständig.

Zum 1. Januar 2013 wurde die Rechtsvorgängerin der Beklagten in die Beklagte eingegliedert.

Mit Schreiben vom 4. November 2013 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Ersatzanspruch über 4.249,63 EUR für die Bundesagentur für Arbeit, die Deutschen Rentenversicherung Hessen und für sich geltend. Sie erklärte, dass sich die Quotelung aus dem "Beratungsergebnis der Arbeitsgruppe Einzugsstellenprüfung der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vom 30./31. Oktober 2007" ergebe, wonach von den Rentenversicherungsbeiträgen ein Anteil von 54,427 % auf die Rentenversicherung Bund und ein Anteil 45,573 % auf die Deutsche Rentenversicherung Hessen als Regionalträger entfalle. Sie vertrat die Ansicht, die Beklagte habe zu Unrecht die Säumniszuschläge erlassen und sei wegen ihres Verhaltens schadensersatzpflichtig. Nachfolgend tauschen die Beteiligten ihre Rechtsansichten aus, ohne dass es zu einer Einigung kam.

Am 12. Dezember 2014 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Sie vertritt die Ansicht, dass der Erlass der Säumniszuschläge nicht rechtmäßig gewesen sei, da die Voraussetzungen für einen Erlass weder nach § 76 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) noch nach der Gemeinsamen Verlautbarung zur Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV vom 9. November 1994 vorgelegen hätten. Die Beklagte habe ihre Pflichten als Einzugsstelle verletzt, sämtliche Beitragsansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Sie sei als Einzugsstelle zur selbständigen Überwachung des Beitragseinzuges verpflichtet und könne sich nicht darauf berufen, die Mitteilung über die Beendigung des Klageverfahrens nicht erhalten zu haben. Nach § 28r SGB IV habe sie der Klägerin den entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Schaden bilde sich in der Höhe der erlassenen Säumniszuschläge ab, von denen die Klägerin einen Anteil von 2.017,48 EUR hätte beanspruchen können.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an der Klägerin 2.017,48 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, eine Mitteilung der Klägerin vom 30. Januar 2004 über die Beendigung des Klageverfahrens nicht erhalten zu haben. Erst mit Schreiben vom 27. Februar 2012 sei ihr eine Kopie dieses Schreibens übersandt und erstmals mitgeteilt worden, dass der Arbeitgeber die Klage zurückgenommen habe. Auch die Rechtsvorgängerin könne das Schreiben nicht erhalten haben, da die Filiale in W. damals schon geschlossen gewesen sei. Der Erlass der Säumniszuschläge sei rechtmäßig gewesen, da der Arbeitgeber bereits im August 2003 eine Abbuchungsermächtigung abgegeben habe. Ein Schadenersatzanspruch bestehe nicht. § 28r SGB IV erfasse Pflichtverletzungen nach § 76 SGB IV nicht. Die Klägerin sei bei der Entscheidung über den Erlass der Säumniszuschläge auch nicht zu beteiligen gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Fahndung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die von den Beteiligten jeweils übersandten Verwaltungsakten verwiesen, die der Kammer bei der Entscheidung vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

1.

Die Leistungsklage ist nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Das Sozialgericht Berlin ist nach § 57 Abs. 1 SGG örtlich und auch sachlich zuständig. Da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, war ein Vorverfahren nicht durchzuführen. Die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten. Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch konkret beziffert.

2.

Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten wegen des Erlasses der Säumniszuschläge keinen Schadensersatz verlangen, hat jedoch Anspruch auf Ersatz des durch die verspätete Beitreibung der Beiträge entstandenen Verzögerungsschadens.

Anspruchsgrundlage ist § 28r Abs.1 SGB IV. Danach haftet die Einzugsstelle dem Träger der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit sowie dem Gesundheitsfonds für einen diesen Trägern zugefügten Schaden, wenn ein Organ oder ein Bediensteter der Einzugsstelle schuldhaft eine diesem nach dem Dritten Abschnitt des SGB IV auferlegte Pflicht verletzt. Der Dritte Abschnitt des SGB IV erfasst die §§ 28a bis 28r SGB IV.

Die Klägerin ist als Trägerin der Rentenversicherung aktiv-, die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der zuständigen Einzugsstelle passivlegitimiert.

a.

In dem Erlass der Säumniszuschläge bis 28. Mai 2012 liegt keine schuldhafte Pflichtverletzung.

aa.

§ 28r SGB IV findet auch auf Entscheidungen der Einzugsstelle über den Erlass von Säumniszuschlägen Anwendung. Auch aus einem Fehlverhalten bei Erlass von Säumniszuschlägen kann sich eine Schadensersatzpflicht ergeben.

Denn die Einzugsstelle hat nach § 28h Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VI die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu überwachen und Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, geltend zu machen. Dies umfasst auch die Erhebung und Beitreibung von Säumniszuschlägen. Der Begriff "Beitragsansprüche" wird in § 28e Abs. 4 SGB IV definiert. Danach umfasst die Haftung des Arbeitgebers die Beiträge und Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung zu zahlen sind, sowie die Zinsen für gestundete Beiträge (Beitragsansprüche).

Die Kammer folgte nicht der Ansicht der Beklagten und der Entscheidung des SG Neubrandenburg (Urteil vom 03. Juli 2003 – S 4 KR 53/01 –, Rn. 39 juris), wonach § 28r SGB IV keine Anwendung finde, da nach dem Wortlaut des § 28r Abs. 1 SGB IV nur "nach diesem Abschnitt auferlegte" Pflichten eine Schadensersatzpflicht begründen. Entgegen dieser Ansicht kommt ein Verstoß nicht nur in Betracht, wenn die Einzugsstelle es unterlässt, Maßnahmen zum Einzug überfälliger Beitragsansprüche zu treffen, sondern auch, wenn sie schuldhaft fehlerhafte Entscheidungen über die Stundung, Niederschlagung und den Erlass von Beitragsansprüchen nach § 76 SGB IV trifft. Denn die Pflicht zur Geltendmachung der Beiträge nach § 28h Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VI ist umfassend zu verstehen und erfasst auch alle sonstigen forderungsrelevanten Entscheidungen. Die fehlerhafte Anwendung der in § 76 SGB IV benannten Voraussetzungen über die Stundung, Niederschlagung und den Erlass kann daher unmittelbar eine Verletzung der sich aus § 28h SGB IV ergebenden Pflichten zur Geltendmachung von Beitragsansprüchen darstellen. Erforderlichenfalls hätte die Einzugsstelle auch die Vollstreckung nach § 66 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus dem Beitragsbescheid einzuleiten (Wehrhahn in Kasseler Kommentar, SGB IV, § 28h Rn. 7; Wagner in BeckOK SozR, SGB IV, § 28h Rn. 4a; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, SGB IV, § 28h Rn. 7).

bb.

Der vollständige Erlass der Säumniszuschläge durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten ist nicht zu beanstanden.

Die Säumniszuschläge waren entstanden. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV in der seit 1.1.2002 geltenden Fassung ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.

Die Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes und sind nicht vom Erlass eines Beitragsbescheides abhängig. Die verschuldete Säumnis des Arbeitgebers begann entsprechend den Regelungen in den Bescheiden spätestens mit Bestandskraft des Bescheides vom 5. September 2011 durch Klagerücknahme am 15. Januar 2004.

Mit der Widerspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012 hat die Beklagte dem Arbeitgeber Säumniszuschläge zu Recht erlassen. Der hierfür erforderliche Antrag liegt im Widerspruchsvorbringen des Arbeitgebers.

Rechtsgrundlage für die Erlassentscheidung ist § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV. Danach gilt: Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden.

Die Erhebung der Säumniszuschläge war unbillig, nachdem sich die zuständige Einzugsstelle jahrelang nicht beim Arbeitgeber gemeldet und die Zahlung der Beiträge nicht angemahnt hatte. Die Geltendmachung der Säumniszuschläge nach Ablauf von 8 Jahren ohne vorherige Mahnung stellt sich als Ausnutzen einer formalen Rechtsposition dar, die nach Lage des einzelnen Falles ungebührlich erscheint. Denn die Einzugsstelle hätte es in der Hand gehabt, mittels eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens – insbesondere durch ordnungsgemäße Überwachung von Wiedervorlagefristen – die Entstehung der Säumniszuschläge zu verhindern. Es sprechen gute Gründe dafür, dass der Arbeitgeber mit der Durchsetzung der Säumniszuschläge 8 Jahre nach Abschluss des Klageverfahrens und 11 Jahre nach Beitragsfestsetzung nicht mehr rechnen musste. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber im August 2003 einen Abbuchungsauftrag erteilt hatte. Auch wenn es ihn nicht von der Zahlungspflicht und der Kontrolle der Abbuchung befreite, durfte er darauf vertrauen, dass die Beklagte nach Rechtskraft der Entscheidung die Beiträge einziehen werde.

Säumniszuschläge stellen ein Druckmittel zur Durchsetzung einer fälligen Forderung dar. Dies setzt jedoch voraus, dass der Schuldner die Durchsetzung der Forderung auch erwarten kann. Daran fehlte es hier, nachdem die Einzugsstelle sich nach Ablauf des Klageverfahrens nicht beim Schuldner gemeldet und von der Abbuchungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat.

Säumniszuschläge von 2004 bis 2007 dürften zudem zum Zeitpunkt der Erlassentscheidung verjährt gewesen sein.

Zu Recht hat die Beklagte Säumniszuschläge daher erst wieder ab der Nachforderung im Mai 2012 geltend gemacht.

cc.

Eine Pflicht zur Beteiligung der Klägerin bei der Entscheidung über den Erlass der Säumniszuschläge bestand nicht. Nach § 76 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 SGB IV darf die Einzugsstelle den Erlass von Beitragsansprüchen, deren Höhe insgesamt den Betrag von einem Sechstel der Bezugsgröße übersteigt, nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vornehmen. Dieser Betrag wurde nicht erreicht, denn im Jahr 2012 hätte ein Betrag von 5.250,00 EUR überschritten sein müssen.

b.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung liegt auch nicht in der fehlenden Geltendmachung der Beitragsansprüche nach Abschluss des Klageverfahrens im Jahr 2004, zB durch Erlass eines Beitragsbescheides oder durch Beitragseinzug auf Grundlage der vom Arbeitgeber erteilten Abbuchungsermächtigung.

Denn nach dem Vortrag der Beklagten kannte diese die Beendigung des Klageverfahrens nicht. Sie hat nachvollziehbar angegeben, dass die Kundenfiliale, an welche die Mitteilung adressiert war, bereits im August 2003 geschlossen worden war. Von einem Zugang der Mitteilung ist daher nicht auszugehen. Die insoweit beweisbelastete Klägerin konnte einen Zugang der Mitteilung nicht belegen. Das Unterlassen des Beitragseinzuges in Unkenntnis der Bestandskraft des Betriebsprüfungsbescheides ist nicht schuldhaft.

Ein Schadensersatzanspruch wegen einer solchen Pflichtverletzung im Jahr 2004 wäre zudem verjährt, hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Oktober 2006, L 9 KR 104/13.

c.

Eine – einen Schadensersatzanspruch begründende - schuldhafte Pflichtverletzung liegt jedoch in dem Umstand der fehlenden Nachfrage Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Klägerin über den Ausgang des Verfahrens.

Die Zuständigkeit für den Einzug des fälligen Gesamtversicherungsbeitrages lag ausschließlich bei der Einzugsstelle, § 28h Abs. 1 SGB IV. Die Einzugsstelle überwacht nach § 28h Abs. 2 S. 2 SGB IV die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat sie geltend zu machen.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte somit durch ein geeignetes Verwaltungsverfahren sicherzustellen, dass die sich aus dem Betriebsprüfungsbescheid ergebenden Beiträge letztlich auch gezahlt werden. Durch ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahrens – insbesondere durch ordnungsgemäße Überwachung von Wiedervorlagefristen – hatte sie nach Überzeugung der Kammer sicherzustellen, dass die offene Beitragsforderung nicht "in Vergessenheit" gerät. Insoweit war ein überlanges Abwarten der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin in Vertrauen auf eine Rückmeldung der Klägerin pflichtwidrig. Spätestens nach Ablauf einer angemessen Frist hätte die Beklagte bei der Klägerin nachfragen müssen, ob das gerichtliche Verfahren gegen den Beitragsbescheid noch anhängig ist. Nach Überzeugung der Kammer liegt die Höchstfrist für die Wiedervorlage bei 4 Jahren nach der Mitteilung über die Klageerhebung gegen den Betriebsprüfungsbescheid. Die Kammer orientiert sich bei der Bemessung der Frist an der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 SGB IV – auch wenn hier eine Verjährung der Beiträge nicht im Raum stand.

Eine Nachfrage hätte – wie später im Jahr 2012 – zur unverzüglichen Geltendmachung und Begleichung der Beitragsforderung geführt. Zwar wären ebenso keine Säumniszuschläge entstanden. Die Klägerin hätte die Beiträge jedoch erheblich früher erhalten.

Der Klägerin ist ein Schaden in Form eines Zinsnachteils durch die späte Begleichung der Beitragsschuld entstanden.

Auch für diesen Zinsschaden hat die Beklagte nach § 28r SGB IV einzustehen. Nach Abs. 1 S. 2 beschränkt sich die Schadensersatzpflicht wegen entgangener Zinsen auf den sich aus Absatz 2 ergebenden Umfang. Nach § 28r Abs. 2 SGB IV gilt: Werden Beiträge, Zinsen auf Beiträge oder Säumniszuschläge schuldhaft nicht rechtzeitig weitergeleitet, hat die Einzugsstelle Zinsen in Höhe von zwei vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu zahlen.

Die Höhe der Zinsschadens für die Klägerin ergibt sich aus dem Betrag der zu spät gezahlten Beitragsforderung – soweit er auf die Klägerin entfällt – und der Zinshöhe nach § 28 Abs. 2 SGB IV. Zinsen sind aus einem Beitragsanteil von 1.825,17 EUR zu zahlen. Der Arbeitgeber sollte insgesamt 4.440,49 EUR an Beiträgen nachzahlen (2.308,63 EUR für 1998 und 2.131,86 EUR für 1999). Von den darin enthaltenen "Beiträgen zur Rentenversicherung" von insgesamt 3.353,43 EUR entfallen 54,427 % auf die Rentenversicherung Bund und 45,573 % auf den Regionalträger, hier die Deutsche Rentenversicherung Hessen (entspr. dem Beratungsergebnis der Arbeitsgruppe Einzugsstellenprüfung der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vom 30./31. Oktober 2007). Es ergibt sich ein auf die Klägerin entfallender Anteil von 1.825,17 EUR, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei ordnungsgemäßer Wiedervorlagefrist und unverzüglicher Geltendmachung an die Rentenversicherung Bund früher gezahlt hätte. Ansprüche Dritte kann – und wollte – die Klägerin mit der Klage nicht geltend machen, insoweit ist sie nicht passivlegitimiert.

Der Fristlauf der Zinsen beginnt 4 Jahre nach der Mitteilung über die Beendigung des Klageverfahrens am 05. Juni 2006. Er endet am Tag vor der Geltendmachung der Forderung, mithin am 28. Mai 2012. Der Zinsschaden dürfte sich auf 374,63 EUR summieren.

Ein Mitverschulden der Klägerin liegt nicht vor. Der Klägerin war es, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nicht möglich, ohne eine Detailprüfung feststellen, ob in den monatlichen Zahlungen der Gesamtsozialversicherungsbeiträge durch die Beklagte oder ihre Rechtsvorgängerin auch die Zahlungen des Arbeitgebers enthalten waren.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO. Sie berücksichtigt das die Anteile des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt mit gesondertem Beschluss.

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung nicht zu. Der Berufungsstreitwert gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG von 10.000,00 EUR ist nicht erreicht. Ferner betrifft die Klage keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr, § 144 Abs. 1 S. 2 SGG. Gründe für die Zulassung der Berufung lagen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch von obergerichtlicher Rechtsprechung abgewichen wurde, § 144 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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