S 14 SO 208/13 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
14
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 14 SO 208/13 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der zulässige Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab dem Tag des Antragseingangs bei Gericht vorläufig laufende Leistungen für die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in gesetzlich zustehender Höhe, sei es als Beihilfe oder als Darlehen, zu gewähren, ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.

Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des Eilverfahrens verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, also einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System.

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes. Die Rechtslage ist hingegen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen.

Nach diesen Grundsätzen haben die Antragsteller bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII wird Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches (§ 82 – 96 SGB XII) nicht zuzumuten ist.

Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Neben dem Vermögen der nachfragenden Person ist auch das Vermögen des Ehegatten anzurechnen.

Nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII darf Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist die besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen. Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sind nach § 1 Abs. 1 BarbeträgeVO bei den Leistungen nach dem Fünften Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, wenn die Sozialhilfe vom Vermögen der nachfragenden Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten abhängig ist, für die nachfragende Person 2.600,00 EUR, zuzüglich eines Betrages von 614,00 EUR für den Ehegatten, sodass der Freibetrag insgesamt 3.214,00 EUR beträgt.

Darüber hinaus waren ausweislich einer Rechnung der D., GmbH & Co KGaA vom 01.11.2013 für die Heimpflege des Antragstellers zu 2. noch Rechnungen in Höhe von 5.039,58 EUR offen.

Die Antragsteller verfügen nach Überzeugung des Gerichts bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage über Vermögen, das den Vermögensfreibetrag in Höhe von 3.214,00 EUR zuzüglich der bereits angefallenen Kosten der Pflegeeinrichtung in Höhe 5.039,58 EUR übersteigt und daher zur Deckung des Bedarf weiterhin vorrangig einzusetzen ist.

Die Antragssteller verfügten ausweislich einer Bankauskunft der E. Bank vom 30.09.2013 am 28.03.2013 über ein Guthaben in Höhe von insgesamt 19.429,09 EUR.

Den Verbrauch dieses Guthabens haben die Antragsteller nicht den Anforderungen des § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend dargelegt und glaubhaft gemacht. Dies gilt insbesondere für die Verwendung des Sparbetrages auf dem Sparkonto Nr. xxx1 in Höhe von 15.587,71 EUR. Die Antragstellerin zu 1. erklärte anlässlich einer Vorsprache bei der Antragsgegnerin am 13.06.2013, dass sie das Sparkonto Nr. xxx1 bei der E. Bank mit einem Guthaben in Höhe von 15.587,71 EUR am 23.04.2013 aufgelöst und den Betrag abgehoben habe. Die Auflösung des Sparkontos und die Abhebung eines Barbetrages in Höhe von 15.587,71 EUR erhöhen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der weiteren Verwendung des Vermögens, denn es ist nicht erkennbar, warum die Antragstellerin zu 1. die streitgegenständlichen Beträge nicht durch Banküberweisungen an das Bestattungsunternehmen (5.200,00 EUR), an die Pflegeeinrichtung zur Finanzierung der Kurzzeitpflege (1.000,00 EUR), sowie an Frau F. zur Tilgung von Schulden (5.000,00 EUR) überwiesen hat. Nicht nachvollziehbar ist letztlich auch, warum ein Teilbetrag in Höhe von 5.400,00 EUR, den man zur Finanzierung des Kraftfahrzeuges zurücklegen wollte, zu diesem Zweck nicht auf dem Konto verblieben, sondern abgehoben worden ist. Soweit die Antragstellerin zu 1. im Übrigen erklärte, einen Teilbetrag in Höhe von 5.000, EUR zur Tilgung von Schulden an Frau F. gezahlt zu haben, konnte sie weder den Erhalt eines entsprechenden Darlehens im Jahr 2007 noch die Modalitäten des Darlehensvertrages und die behauptete Rückzahlung in bar glaubhaft machen. Die vorgelegte Kopie zweier Erklärungen der angeblichen Darlehensgeberin, die am 24.05.2013 bei der Antragsgegnerin einging, ist weder formal als Urkunde im Wege des Urkundsbeweises noch inhaltlich geeignet, die behauptete Gewährung des Darlehens entsprechend den Anforderungen an einen Darlehensvertrages im Sinne der §§ 607 ff. BGB nebst der erfolgten Rückzahlung des Darlehens in bar in substantiierter Weise darzulegen und glaubhaft zu machen.

Darüber hinaus haben die Antragsteller weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass ihnen aus der Abtretung ihrer Anwartschaften aus dem Kreditfinanzierungsvertrag mit der G. Bank über die Finanzierung eines Kraftfahrzeuges der Marke Nissan Qashqai, an ihre Tochter, kein weiteres Vermögen zugeflossen ist. Das Fahrzeug, das die Antragsteller am 29.09.2010 kreditfinanziert gekauft haben, hatte ausweislich ihrer Angaben bei Antragstellung am 29.04.2013 einen Wert in Höhe von ca. 12.000,00 EUR. Aufgrund die Übernahme des Kreditvertrages hat die Tochter auch die Anwartschaft auf Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug bei Tilgung des Kredits erworben, sodass die Antragsteller gegenüber ihrer Tochter einen Anspruch auf die Differenz zwischen dem Zeitwert des Fahrzeuges und dem Restdarlehensbetrag in Höhe von 7.582,80 EUR haben.

Da ein fiktiver Verbrauch des verwertbaren Vermögens mangels einer gesetzlichen Grundlage ausscheidet, ist das Vermögen so lange zu berücksichtigen, als es noch vorhanden und nicht bis zur Grenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 verbraucht wurde (BSG a. a. O. m.w.N.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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