S 38 KA 360/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 360/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die unter § 14 Abs. 1 lit.a bis e BDO-KVB möglichen Befreiungstatbestände (schwerwiegende Gründe) sind nicht abschließend, wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt. Es handelt sich primär um Gründe, die in der Person des Vertragsarztes (Erkrankung des Vertragsarztes, körperliche Behinderung des Vertragsarztes, Schwangerschaft der Vertragsärztin, = § 14 Abs. 1 s. 1 lit. a+c) und im familiären Umfeld liegen (Betreuung von Familienangehörigen = § 14 Abs. 1 s. 1 lit. b; Kinderbetreuung bis 36 Monate nach der Geburt = § 14 Abs. 1 s. 1 lit. c).

2. Die Entscheidung über die Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ist nach dem Wortlaut in § 14 Abs. 1 S.1 BDO-KVB („kann“) eine Ermessensentscheidung.

3. Ein Vertragsarzt, der belegärztlich tätig ist oder eine Privatklinik betreibt, kann nicht allein deshalb eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst beanspruchen (BSG, Urteil vom 23.03.2016, Az B 6 KA 7/15 R; BSG, Urteil vom 15.04.1980, Az 6 RKa 8/78).

4. Ein Krankenhausarzt, der zugleich über eine vertragsärztliche Zulassung verfügt, ist nicht gleichzusetzen mit einem Vertragsarzt, der zugleich belegärztlich tätig ist. Die Voraussetzungen für eine Analogie des § 14 Abs. 1 S. 1 lit. e BDO-KVB, nämlich das Bestehen einer Regelungslücke, Planwidrigkeit und Vergleichbarkeit liegen nicht vor.
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Ausgangsbescheid der Beklagten vom 30.06.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2017.

Mit dem Ausgangsbescheid wurde der Antrag des Klägers auf Befreiung vom Bereitschaftsdienst (Dienstgruppe Pilotregion Straubing-Dingolfing) abgelehnt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Der Kläger, Facharzt für Urologie besitzt seit 01.04.2016 eine Zulassung mit einem hälftigen Versorgungsauftrag (Sonderbedarfszulassung). Gleichzeitig ist er Chefarzt am Klinikum C-Stadt im Angestelltenverhältnis und in Teilzeit (hälftige Tätigkeit) und führt dort zusammen mit einem Kollegen, der ebenfalls Chefarzt im Angestelltenverhältnis und in Teilzeit (hälftige Tätigkeit) ist, eine Hauptabteilung. In dieser Abteilung ist außerdem ein Oberarzt tätig.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 14 BDO-KVB nicht vorliegen. Zwar seien die genannten Beispiele nicht abschließend. Die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 S. 2 lit. a-c BDO-KVB seien nicht erfüllt. Aber auch die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 S. 2 lit. d und e BDO-KVB lägen nicht vor. Der Kläger habe keinen besonderen Versorgungsauftrag. Auch führe er keine belegärztliche Tätigkeit aus. Insgesamt sei darauf hinzuweisen, dass die vertragsärztlichen Pflichten grundsätzlich Vorrang vor weiteren Tätigkeiten genießen würden. Die Tätigkeit in anderen Versorgungsbereichen dürfe nicht dazu führen, dass der Vertragsarzt seinen vertragsärztlichen Verpflichtungen nicht nachkomme. Es stehe aber in eigener Verantwortung des Arztes, die unterschiedlichen Verpflichtungen miteinander in Einklang zu bringen (vgl. SG München, Urteil vom 24.04.2015, Az. S 21 KA 1010/13). Dem Vertragsarzt obliege in erster Linie die ambulante Versorgung der Versicherten. Die klinische Tätigkeit des Klägers sei als Nebentätigkeit anzusehen, die zwar vom Kassenarztrecht geduldet werde, ihn aber nicht von der Erfüllung seiner Pflichten abhalten dürfe. Hinzu komme, dass die Einteilung für den Kläger zumutbar sei, da der Dienstplan von vorneherein feststehe, die Einteilungsfrequenz mit 35 Dienststunden jährlich niedrig und auch eine Teilnahme durch einen Vertreter oder sog. "Poolarzt" möglich sei. Im Widerspruchsverfahren wurde vorgetragen, der Kläger müsse im Rahmen seiner Chefarzttätigkeit 10-15 Bereitschaftsdienste pro Monat (je bis zu 24 Stunden) wahrnehmen. Diese Situation sei deutschlandweit einmalig. Es finde sowohl eine stationäre als auch ambulante Versorgung für Patienten im Umkreis von 30 km statt.

Dagegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München einlegen. Beim Sozialgericht München ist außerdem eine weitere Klage des Kollegen des Klägers (Sonderbedarfszulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag, Chefarzttätigkeit) unter dem Aktenzeichen S 43 KA 359/17 anhängig, der ebenfalls die Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst begehrt.

Zur Klagebegründung wurde insbesondere darauf hingewiesen, der Kläger halte zusammen mit seinem Kollegen im Rahmen der Chefarzttätigkeit ganzjährig einen stationären und ambulanten Bereitschaftsdienst vor. Deshalb sei die Tätigkeit des Klägers mit der eines Belegarztes absolut vergleichbar, die einen Befreiungsgrund im Sinne der BDO-KVB darstelle. § 14 Abs. 1 S. 2 lit. e BDO-KVB sei daher analog anzuwenden. Die Beklagte habe sich mit den Gründen des Klägers nicht bzw. nicht ausreichend auseinandergesetzt. Auf die Besonderheiten des Einzelfalles sei die Beklagte überhaupt nicht eingegangen. Unbegründet seien auch die Anmerkungen der Beklagten, dass die stationären Tätigkeiten nicht das Schwergewicht der Gesamttätigkeit eines Vertragsarztes ausmachen dürften. Dem Kläger sei insgesamt die Teilnahme am Bereitschaftsdienst unzumutbar. Die Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerhaft. Es liege sogar eine Ermessensreduzierung auf Null vor.

In Erwiderung führte die Beklagte aus, eine analoge Anwendung von § 14 Abs. 1 lit. e BDO-KVB sei nicht möglich. Denn dies setze das Vorliegen einer Regelungslücke, ihre Planwidrigkeit sowie die Vergleichbarkeit der Interessenlage voraus. Die Doppelbelastung des Belegarztes resultiere aus mehreren Bereichen der vertragsärztlichen Versorgung. Beim Kläger entspringe aber die Belastung zum einen aus der vertragsärztlichen Versorgung und auf der anderen Seite aus der stationären Versorgung. Denn der vom Kläger im Rahmen seiner Chefarzttätigkeit zu erbringende Bereitschaftsdienst falle nicht in den Bereich (der Sicherstellung) der vertragsärztlichen Versorgung. Außerdem sei eine Planwidrigkeit nicht erkennbar. Die BDO-KVB schweige vielmehr zu Kollisionen im Bereich der Versorgung stationärer Patienten. Eine Berücksichtigung der stationären Tätigkeit sei ausdrücklich in der BDO-KVB nicht vorgesehen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass auch eine Befreiung aufgrund belegärztlicher Tätigkeit nicht per se möglich sei. Denn es müssten weitere Voraussetzungen erfüllt und die Teilnahme am Bereitschaftsdienst müsse unzumutbar sein. Schließlich wies die Beklagte darauf hin, für den Kläger bestehe vom 02.02.2018 bis 18.09.2018 eine Dienstverpflichtung im Umfang von lediglich 23 Stunden. Der Kläger habe seinen Dienst am 08.03.2018 an einen Poolarzt abgegeben.

In der mündlichen Verhandlung am 20.06.2018 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers ergänzend zum bisherigen Vortrag aus, der Kläger nehme wesentlich häufiger am Bereitschaftsdienst teil als ein Belegarzt. Es bestehe immerhin jeden zweiten Tag eine Rufbereitschaft, was damit zusammenhänge, dass es sich um ein kleines Landkrankenhaus handle mit einer personell spärlich besetzten Hauptabteilung. Es komme zu einer erheblichen Doppelbelastung, wenn der Kläger zum KV-Bereitschaftsdienst eingeteilt werde. Insofern sei der Kläger viel schutzbedürftiger als ein Vertragsarzt, der zugleich belegärztlich tätig sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich um eine Sicherstellung der Versorgung in einer total unterversorgten Region handle. Hinzu komme auch eine totale Überalterung der Bevölkerung.

Die Vertreterin der Beklagten machte darauf aufmerksam, dass der Kläger vor seiner Zulassung Inhaber einer Ermächtigung gewesen sei. Mit seiner Sonderbedarfszulassung habe er ein Mehr an Planungssicherheit erhalten. Dem Kläger habe klar sein müssen, dass mit seiner Zulassung auch die Pflicht verbunden ist, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen. Es sei nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen, dass Krankenhäuser ambulante Patienten mitversorgen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 05.12.2017.

Die Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen. Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 20.06.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung vom Bereitschaftsdienst.

Wie das Bundessozialgericht unter Hinweis auf § 75 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 06.09.2006, Az. B 6 KA 43/05 R) ausführte, ist die "Sicherstellung von Not- bzw. Bereitschaftsdienst eine gemeinsame Aufgabe aller Ärzte, die nur erfüllt werden kann, wenn grundsätzlich alle zugelassenen Ärzte" daran teilnehmen. Für jeden Vertragsarzt besteht die grundsätzliche Verpflichtung, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen und zwar aus seinen Zulassungsstatus heraus. Mit der Zulassung hat er sich freiwillig einer Reihe von Einschränkungen unterworfen. Dazu gehört auch die Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst. Ohne diesen ist eine ausreichende Versorgung der Versicherten nicht gewährleistet (BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 39/12 R).

Die BDO-KVB sieht Befreiungstatbestände vor, die allerdings restriktiv auszulegen sind. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BDO-KVB kann ein Vertragsarzt oder ein angestellter Arzt aus schwerwiegenden Gründen ganz, teilweise (z.B. nur vom Fahrdienst) oder vorübergehend vom ärztlichen Bereitschaftsdienst befreit werden. Die Entscheidung über die Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ist nach dem Wortlaut in § 14 Abs. 1 S.1 BDO-KVB ("kann") eine Ermessensentscheidung. Lediglich bei einer Ermessensreduzierung auf "Null" besteht ein Anspruch auf Befreiung. In § 14 Absatz 1 Satz 2 BDO-KVB werden beispielhaft schwerwiegende Gründe aufgezählt. Die unter § 14 Abs. 1 lit.a bis e BDO-KVB möglichen Befreiungstatbestände sind nicht abschließend, wie sich aus der Formulierung "insbesondere" ergibt. Es handelt sich primär um Gründe, die in der Person des Vertragsarztes (Erkrankung des Vertragsarztes, körperliche Behinderung des Vertragsarztes, Schwangerschaft der Vertragsärztin, = § 14 Abs. 1 s. 1 lit. a+c) und im familiären Umfeld liegen (Betreuung von Familienangehörigen = § 14 Abs. 1 s. 1 lit. b; Kinderbetreuung bis 36 Monate nach der Geburt = § 14 Abs. 1 s. 1 lit. c). Außerdem kann eine Befreiung ganz oder teilweise bei einem besonderen Versorgungsauftrag oder bei belegärztlicher Tätigkeit erteilt werden (§ 14 Abs. 1 S.1 lit. d und e BDO-KVB). Die beispielhafte Aufzählung macht deutlich, dass nur unter strengen Voraussetzungen eine Befreiung erteilt werden kann und die Befreiungsvorschriften restriktiv anzuwenden sind. Der Kläger macht hier keinen Befreiungsgrund in seiner Person (= § 14 Abs. 1 s. 1 lit. a+c) und auch nicht aus seinem familiären Umfeld (§ 14 Abs. 1 S. 1 lit. a, b und c BDO-KVB) geltend. Auch gibt es keine Anhaltspunkte für einen besonderen Versorgungsauftrag (§ 14 Abs. 1 S. 1 lit. d BDO-KVB). Ferner ist er als Chefarzt nicht belegärztlich tätig (§ 14 Abs. 1 S. 1 lit. e BDO-KVB).

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist der Ansicht, dass die gleichzeitige Tätigkeit des Klägers als Chefarzt sogar höhere Belastungen mit sich bringt und deshalb zumindest der belegärztlichen Tätigkeit gleichzustellen ist. So sei der Kläger verpflichtet, im Rahmen seiner Tätigkeit als Chefarzt für den Klinikträger Bereitschaftsdienste (Rufbereitschaft 10-15 mal pro Monat über jeweils bis zu 24 Stunden) zu erbringen.

Vorab gilt es darauf hinzuweisen, dass nach der BDO-KVB in Bayern die belegärztliche Tätigkeit unter den in § 14 Abs. 1 S. 1 lit. e genannten Voraussetzungen einen Befreiungsgrund darstellen kann. Für die BDO im Kassenarztbezirk Reinhard-Pfalz, in der ebenfalls die belegärztliche Tätigkeit als Befreiungsgrund genannt wird (vgl. § 9 Abs. 1 lit. e BDO) hat das Bundessozialgericht ausgeführt, es komme auf die Belegarzttätigkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung an. Der Senat habe schon früher entschieden, dass ein Kassenarzt, der belegärztlich tätig ist oder eine Privatklinik betreibt, nicht allein deshalb eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst beanspruchen könne (BSG, Urteil vom 23.03.2016, Az. B 6 KA 7/15 R; BSG, Urteil vom 15.04.1980, Az. 6 RKa 8/78). Daraus ergibt sich, dass mit der gleichzeitigen belegärztlichen Tätigkeit nach wie vor nicht automatisch eine Befreiung von dem vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst verbunden ist, es vielmehr auf den Einzelfall ankommt. Zur Heranziehung ermächtigter Krankenhausärzte zur Teilnahme am allgemeinen Bereitschaftsdienst hat das Landessozialgericht Hessen (LSG Hessen, Urteil vom 14.12.2016, Az. L 4 KA 18/15) ausgeführt, der Status des ermächtigten Arztes unterscheide sich gravierend von dem in freier Praxis (insbesondere Nachrangigkeit der Ermächtigung), weshalb ein ermächtigter Krankenhausarzt nicht zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst herangezogen werden könne.

Der Kläger ist aber weder ermächtigter Krankenhausarzt nach § 116 SGB V noch Belegarzt im Sinne von § 39 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä). Vielmehr ist er zum einen Vertragsarzt mit einem hälftigen Versorgungsauftrag, zum anderen Chefarzt im Klinikum C-Stadt (zur Hälfte).

Für eine Ermessensreduzierung auf "Null" - nur dann hätte der Kläger einen Anspruch auf Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst - gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Auch ist die Entscheidung der Beklagten nicht ermessensfehlerhaft.

Nach Auffassung des Gerichts ist der Kläger nicht gleichzusetzen mit einem Vertragsarzt, der zugleich belegärztlich tätig ist. Mit der Beklagten ist das Gericht der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Analogie des § 14 Abs. 1 S. 1 lit. e BDO-KVB, nämlich das Bestehen einer Regelungslücke, Planwidrigkeit und Vergleichbarkeit nicht vorliegen.

Was die Vergleichbarkeit betrifft, ist nach Auffassung des Gerichts die Tätigkeit des Klägers als Chefarzt nicht mit der einer belegärztlichen Tätigkeit vergleichbar. Denn zur Beurteilung der Vergleichbarkeit kommt es entscheidend auf den jeweiligen Status an (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 14.12.2016, Az. L 4 KA 18/15). Der Status der Tätigkeit als Chefarzt unterscheidet sich erheblich von dem der belegärztlichen Tätigkeit. So besteht eine Akzessorietät der belegärztlichen Tätigkeit mit der vertragsärztlichen Zulassung (§ 40 Abs. 4 BMV-Ä). Für die Anerkennung als Belegarzt ist die für den Niederlassungsort zuständige Kassenärztliche Vereinigung zuständig. Genauso hat die Kassenärztliche Vereinigung die Anerkennung zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen (§ 40 Abs. 5 BMV-Ä). Belegärzte erhalten vom Krankenhausträger keine Vergütung (§ 39 Abs. 1 BMV-Ä), es sei denn, die Leistungen werden auf der Basis des Honorarvertragsmodells nach § 121 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 39 Abs. 2 BMV-Ä erbracht. Die Anerkennung als Belegarzt endet u.a. mit der Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung (§ 40 Abs. 4 BMV-Ä). Folglich ist die belegärztliche Tätigkeit vom Gesetzgeber der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zuzuordnen, wie sich auch daraus ergibt, dass die einschlägigen Vorschriften im BMV-Ä geregelt sind. Damit hängt auch zusammen, dass die belegärztliche Tätigkeit in der BDO-KVB als möglicher Befreiungsgrund expressis verbis genannt wird (§ 14 Abs. 1 S. 1 lit. e BDO-KVB). Hintergrund hierfür ist auch, dass es Ziel des Gesetzgebers ist, die Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit zu fördern, wie der Regelung in § 103 Abs. 7 SGB V zu entnehmen ist (vgl. LSG-Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2013, Az. L 5 KA 2647/12).

Anders stellt sich die Tätigkeit als Chefarzt dar. Auch wenn es immer wieder Bestrebungen gibt, die stationäre Versorgung mit der ambulanten Versorgung besser zu verknüpfen, besteht nach wie vor eine strikte Trennung zwischen dem ambulanten Versorgungsbereich und dem stationären Versorgungsbereich. Mit der Änderung des § 20 Abs. 1 S. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) durch das GKV-VStG zum 01.01.2012 wurde es erleichtert, dass zusätzlich zur vertragsärztlichen Tätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere nicht ehrenamtliche Tätigkeit ausgeübt werden kann. Den von der Rechtsprechung vorgegebenen starren zeitlichen Grenzen (13 Stunden bei vollem Versorgungsauftrag bzw. 26 Stunden bei hälftigem Versorgungsauftrag) wurde zwar die Grundlage entzogen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2016, Az. B 6 KA 19/15 R). Die Lockerung bedeutet aber nicht eine Verknüpfung des stationären Bereichs mit dem ambulanten Bereich. Die Tätigkeit außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung wird nach wie vor als Nebentätigkeit verstanden. Ein Nebeneinander zwischen einer stationären Tätigkeit als Chefarzt und der vertragsärztlichen Tätigkeit ist grundsätzlich zulässig, führt aber nicht zu einer Akzessorietät wie bei dem Nebeneinander zwischen belegärztlicher Tätigkeit und vertragsärztlicher Tätigkeit. Der Status als Chefarzt und die damit verbundenen Rechte und Pflichten tangieren den Status als Vertragsarzt nicht und umgekehrt. Deshalb können Bereitschaftsdienste, die im Rahmen der stationären Tätigkeit als Chefarzt aufgrund des Dienstvertrages mit dem Krankenhausträger anfallen, somit eindeutig dem stationären Bereich zuzurechnen sind, grundsätzlich keine Berücksichtigung bei der Frage der Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst finden. Die Belastung mit Bereitschaftsdiensten in beiden Bereichen mag zwar zu einer Doppelbelastung führen, ist jedoch hinzunehmen. Es ist nicht vereinbar mit der Trennung der Versorgungsbereiche, dass die Gesamtbelastung einseitig zulasten der vertragsärztlichen Tätigkeit durch Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst reduziert werden soll. Zutreffend hat die Beklagte auf ein Urteil des Sozialgerichts München (SG München, Urteil vom 24.04.2015, Az. S 21 KA 1010/13) hingewiesen und ausgeführt, die Tätigkeit in anderen Versorgungsbereichen dürfe nicht dazu führen, dass der Vertragsarzt seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkomme. Es stehe in eigener Verantwortung des Arztes, die unterschiedlichen Verpflichtungen miteinander in Einklang zu bringen. Hinzu kommt die Überlegung, dass selbst eine belegärztliche Tätigkeit nicht automatisch zu einer Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst führt. Dies gilt erst recht für eine Tätigkeit als Krankenhausarzt, die dem stationären Bereich zuzuordnen ist. Weiterhin ist es nicht die Intention des Gesetzgebers, dass Krankenhäuser ambulante Patienten mit behandeln. Folglich ist die Kombination aus vertragsärztlicher Tätigkeit und belegärztlicher Tätigkeit mit der Kombination aus vertragsärztlicher Tätigkeit und Chefarzttätigkeit nicht vergleichbar.

Ferner besteht keine Regelungslücke und auch keine Planwidrigkeit in der Form, dass die Tätigkeit als Chefarzt nicht in die Befreiungstatbestände des § 14 Abs. 1 BDO-KVB mit aufgenommen wurde. Der beispielhaften Aufzählung in § 14 Abs. 1 BDO-KVB ist zu entnehmen, dass die Befreiung restriktiv zu handhaben ist, die Befreiungstatbestände im Wesentlichen aus dem persönlichen und familiären Bereich entstammen. Der Umstand, dass zusätzlich eine eventuelle Kollision zwischen belegärztlicher Tätigkeit, in dem Zusammenhang zu erbringende Bereitschaftsdienste und dem vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst als möglicher Befreiungsgrund genannt wird (§ 14 Abs. 1 S. 1 lit. e BDO-KVB) zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber bewusst nur diesen Fall "vor Augen" hatte. Dafür, dass es versehentlich unterlassen wurde, Kollisionen zwischen vertragsärztlichem Bereitschaftsdienst und stationärer Tätigkeit als Krankenhausarzt, hier als Chefarzt, zu berücksichtigen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. In dem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass von der Rechtsprechung selbst Doppelbelastungen ausschließlich im vertragsärztlichen Bereich als zumutbar angesehen werden. So hat das Bayerische Landessozialgericht in einer Entscheidung (BayLSG, Urteil vom 05.04.2017, Az. L 12 KA 125/16, nicht rechtskräftig, Revision anhängig beim BSG unter dem Az. B 6 KA 51/17 R) eine doppelte Heranziehung eines Vertragsarztes zum Notdienst, einmal für die Stammpraxis, zum anderen für die Filialpraxis als zulässig angesehen. Es hat hierzu unter anderem wie folgt ausgeführt: "Alles andere liefe darauf hinaus, dass Inhaber einer Zweigpraxis einseitig die pekuniären Vorteile des erweiterten Tätigkeitsbereichs in Anspruch nehmen, damit verbundene Verpflichtungen indes negieren würden." Nichts Anderes kann für die Konstellation gelten, dass ein Krankenhausarzt zugleich vertragsärztlich zugelassen ist.

Letztendlich erscheint auch die Dienstfrequenz im Bereich des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes (23 Stunden im Zeitraum vom 02.02.2018 bis 08.09.2018) zumutbar, auch angesichts des Umstandes, dass es sich beim Bereitschaftsdienst im Rahmen der Chefarzttätigkeit lediglich um eine Rufbereitschaft handelt. Der Kläger erfährt mit relativ großem zeitlichen Vorlauf von seiner Einteilung im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst, die es ihm ermöglicht, den weiteren Bereitschaftsdienst entsprechend anzupassen.

Ferner bleibt es dem Kläger freigestellt, sich im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst vertreten zu lassen. Dies ist ihm auch finanziell zumutbar. Zum einen sind die Vertretungszeiten wegen der geringen Dienstfrequenz bei hälftigem Versorgungsauftrag gering. Entsprechend überschaubar sind etwaige Vertreterkosten.

Aus den genannten Gründen war zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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