S 5 R 4999/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 4999/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Geschäftsführende Direktoren einer monistisch organisierten SE mit Sitz in Deutschland, die gleichzeitig dem Verwaltungsrat angehören, können sich ebenfalls auf § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III berufen und sind damit versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die Bescheide der Beklagten vom 18.03.2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18.08.2016 werden aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger Ziff. 2 als Verwaltungsratsmitglied und geschäftsführender Direktor der Klägerin Ziff. 1 nicht der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Ziff. 2 in seiner Tätigkeit als geschäftsführender Direktor und Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin Ziff. 1 der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Bei der Klägerin Ziff. 1 handelt es sich um eine börsennotierte europäische Aktiengesellschaft mit Sitz in Stuttgart. Sie ist entstanden durch identitätswahrende formwechselnde Umwandlung der G. Aktiengesellschaft. Der Umwandlungsplan wurde am 27.04.2015 notariell beurkundet. Die Hauptversammlung der G. Aktiengesellschaft beschloss die Umwandlung am 23.06.2015. Die Eintragung erfolgte am 18.08.2015 (Bl. 4/5 der Verwaltungsakte Teil II (VA)). Das Grundkapital beträgt 26.325.946 EUR. Gegenstand des Unternehmens ist insbesondere die Beratung und Erbringung von Leistungen im Bereich des Ingenieurwesens und der Informationstechnologie, die Entwicklung, die Herstellung oder Vertrieb von Software, sowie Beratungs- und Implementierungsleistungen, Training und Ausbildung und alle damit in Zusammenhang stehenden Leistungen.

Die Klägerin Ziff. 1 ist gemäß Art. 38, 43 ff. der Verordnung (EG) 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (im Folgenden: SE-VO) monistisch organisiert (§ 5 der Satzung). Mitglieder des Verwaltungsrates sind L., D. (Vorsitzender), B., D., L., W. und der Kläger Ziff. 2. Die sieben Verwaltungsratsmitglieder wurden am 23.06.2015 von der Hauptversammlung bestellt. Die Vertretung der Gesellschaft nach außen erfolgt durch die geschäftsführenden Direktoren (derzeit: L. und den Kläger Ziff. 2; § 18 der Satzung). Der Verwaltungsrat überwacht die geschäftsführenden Direktoren (§ 10 Abs. 2 der Satzung).

Der Kläger Ziff. 2 war - als die Klägerin Ziff. 1 noch eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts war - Mitglied des Vorstands der G. Aktiengesellschaft und stand in einem Dienstverhältnis zu der Gesellschaft. Er hält (nach Angaben der Klägerin Ziff. 1 im Verwaltungsverfahren) ca. 0,38 % der Aktien, ist freiwillig gesetzlich krankenversichert und verfügt über eine private Altersvorsorge. Gemäß der Regelung in § 7 Abs. 5 des Dienstvertrags vom 09.11.2015 (im Folgenden: DV) führt die Klägerin Ziff. 1 zu Gunsten des Klägers Ziff. 2 eine Kapital-Lebensversicherung als Altersversorgung (jährliche Einzahlungsleistung: 15.000 EUR). Nach § 1 II DV vertritt der Kläger als geschäftsführender Direktor die Klägerin Ziff. 1 mit einem weiteren geschäftsführenden Direktor oder einem Prokuristen der Klägerin Ziff. 1. Er erhält ein Jahresfestgehalt i.H.v. 300.000 EUR (§ 4 I DV). Darüber hinaus hat er Anspruch auf eine variable Vergütung (Zielbonus und Wertzuwachsbonus) in Höhe von max. 250.000 EUR (§ 4 II DV i.V.m. Anhang 1 und 2) sowie auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen (§ 5 DV). Im Krankheitsfall besteht ein Anspruch auf Fortzahlung der gesamten Vergütung (Jahresfestgehalt und Bonus) ungekürzt für den laufenden Monat und die folgenden zwölf Monate, längstens bis zum Ende des Vertrags (§ 7 I DV). Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf Bl. 97 bis 115 der SG-Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 29.07.2015 (Eingang bei der Beklagten am 30.07.2015) wandte sich die Klägerin Ziff. 1 unter dem Betreff "Statusfeststellungsverfahren - Umwandlung in eine SE" an die Beklagte und teilte mit, die Hauptversammlung der G. Aktiengesellschaft habe am 23.06.2015 die Umwandlung in die G. SE beschlossen. Anstelle von Aufsichtsrat und Vorstand träten der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren. Die Eintragung im Handelsregister erfolge voraussichtlich im Monat August 2015. Als Folge der Umwandlung würden die derzeit aktiven Vorstandsmitglieder L., D. und der Kläger Ziff. 2 in der zukünftigen G. SE neben den Ämtern als Mitgliedern des Verwaltungsrates zusätzlich als geschäftsführende Direktoren bestellt. Eine Vergütung für die Verwaltungsratstätigkeit erhielten sie nicht, sofern und soweit sie eine Vergütung für die Tätigkeit als geschäftsführende Direktoren erhielten. Deshalb stelle man bereits vorab den Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für die genannten Personen und bitte um Prüfung. Dem Schreiben waren der Antrag der Klägerin Ziff. 1 und des Klägers Ziff. 2 vom 20./29.07.2015 auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers Ziff. 2 beigefügt. Die Kläger legten zur weiteren Begründung den Dienstvertrag des Klägers Ziff. 2 als Vorstandsmitglied der G. Aktiengesellschaft vom 25.06.2013 (Bl. 10-28 Teil I VA) und die Satzung der Klägerin Ziff. 1 (Bl. 6-25 Teil II VA) vor.

Mit Schreiben vom 14.08.2015 teilte die Beklagte den Klägern jeweils mit, dass ein Statusfeststellungsverfahren nur für bestehende Vertragsverhältnisse durchgeführt werden könne. Der rechtliche Status könne derzeit daher noch nicht festgestellt werden. Allerdings würde bereits jetzt darauf hingewiesen, dass beschäftigte Organmitglieder einer monistisch strukturierten SE nicht mit Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft des deutschen Rechts vergleichbar und daher in einer ausgeübten Beschäftigung nicht nach § 1 S. 3 SGB VI von der Rentenversicherung ausgenommen seien.

Mit Schreiben vom 21.09.2015 (Eingang bei der Beklagten am 22.09.2015) teilte die Klägerin Ziff. 1 der Beklagten mit, dass am 18.08.2015 die Umwandlung im Handelsregister eingetragen worden sei. Man bitte um verbindliche Statusfeststellung für die geschäftsführenden Direktoren gemäß den bereits vorliegenden Anträgen. Mit Schreiben vom 02.02.2016 legte die Klägerin Ziff. 1 weitere Unterlagen vor und führte aus, die Sonderregelungen der §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III gälten auch im vorliegenden Fall. Darüber hinaus liege aber auch schon keine abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vor. Mit Anhörungsschreiben vom 11.02.2016 teilte die Beklagte den Klägern sodann mit, dass sie beabsichtige, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Der Kläger Ziff. 2 nahm hierzu mit Schreiben vom 02.03.2016 Stellung. Er wies hierbei unter anderem darauf hin, dass er aufgrund eines Aktienbesitzes von 100.300 Stück ein unternehmerisches Risiko trage und nicht weisungsgebunden sei.

Mit Bescheiden vom 18.03.2016 stellte die Beklagte gegenüber den Klägern fest, dass die Tätigkeit des Klägers Ziff. 2 als Mitglied des Verwaltungsrates und geschäftsführender Direktor bei der Klägerin Ziff. 1 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 18.08.2015. In der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass der Tätigkeit ein schriftlicher Vertrag zugrunde liege, der arbeitsvertraglich typische Regelungen zum Anspruch auf Urlaub, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall sowie Kündigungsregelungen und Regelungen zum Anspruch auf Sonderzahlungen beinhalte. Außerdem halte der Kläger Ziff. 2 nur ca. 0,38 % der Aktien der Klägerin Ziff. 1. Sowohl in der Tätigkeit als geschäftsführender Direktor als auch als Mitglied des Verwaltungsrates sei der Kläger Ziff. 2 der Unternehmensstruktur der monistisch strukturierten Klägerin Ziff. 1 unterworfen und jeweils durch den Verwaltungsrat bzw. die (damals) insgesamt drei geschäftsführenden Direktoren und die Hauptversammlung gebunden. Er könne die Geschäfte der Gesellschaft und die Vertretung nach außen auch nur gemeinschaftlich mit einem anderen geschäftsführenden Direktor oder Prokuristen leiten. Er unterliege den Weisungen des Verwaltungsrates und könne jederzeit durch Beschluss des Verwaltungsrates abberufen werden. Er nehme nicht die Geschäftsführung war. Die Hauptversammlung könne die Mitglieder des Verwaltungsrates auch vor Ablauf der Amtszeit jederzeit abberufen, ohne dass es hierfür eines wichtigen Grundes bedürfe. Die Kontrollfunktion des Verwaltungsrates begründe keine Unabhängigkeit der Mitglieder des Verwaltungsrates. Außerdem werde der Kläger Ziff. 2 für beide Tätigkeitsfelder gegen ein vertraglich gewährleistetes Entgelt beschäftigt und trage damit auch kein unternehmerisches Risiko der Klägerin Ziff. 1. Für eine selbständige Tätigkeit spreche nur der Umstand, dass der Kläger Anspruch auf Bonuszahlungen habe, die vom Gewinn der Gesellschaft abhängig seien. Die Ausnahmeregelungen der §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III seien auf beschäftigte Organmitglieder einer monistisch strukturierten SE nicht anwendbar. Die Versicherungspflicht beginne am 18.08.2015. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht seien nicht erfüllt, weil der Antrag verspätet (am 22.09.2015) und nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses (am 18.08.2015) gestellt worden sei.

Hiergegen legten die Kläger am 19.04.2016 jeweils Widerspruch ein und wiesen dabei unter anderem darauf hin, dass der Antrag auf Statusfeststellung bereits am 29.07.2015 gestellt worden sei, so dass eine etwaige Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung (am 22.03.2016) eintrete. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2016 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück. Die Organmitglieder einer monistischen SE seien wegen der strukturellen Besonderheiten des monistischen Aufbaus nicht mit den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft des deutschen Rechts vergleichbar. Der Antrag auf Statusfeststellung für die am 18.08.2015 aufgenommene Beschäftigung sei am 22.09.2015 gestellt worden.

Hiergegen richtet sich die am 12.09.2016 beim Sozialgericht Stuttgart eingereichte Klage der Kläger, mit der diese geltend machen, in den angegriffenen Bescheiden werde zwar zutreffend festgestellt, dass keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestehe. Allerdings sei die weitere Feststellung, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungspflicht bestehe, unrichtig. Geschäftsführende Verwaltungsratsmitglieder seien nach einhelliger Auffassung in der Literatur jedenfalls in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht versicherungspflichtig. Die gegenteilige Auffassung, die die Beklagte vertrete, entspreche nicht der Rechtsprechung des BSG und sei nicht mit den Vorschriften der SE-VO und des SE-Ausführungsgesetz (SEAG) vereinbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Regelungen des § 1 S. 3 SGB VI und des § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III auch bei geschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern einer monistischen SE anwendbar. Soweit die Beklagte ihre Auffassung mit Unterschieden in der Organisation der dualistisch organisierten deutschen Aktiengesellschaft und SE einerseits und der monistischen organisierten SE andererseits stütze, lege sie nicht dar, warum diese Unterschiede die Ungleichbehandlung mit einer deutschen Aktiengesellschaft rechtfertige. Tatsächlich gebe es keine Rechtfertigung für eine solche Ungleichbehandlung. Wenn die Ausnahmevorschriften des § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III zwar auf Vorstandsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft, nicht aber auf Verwaltungsratsmitglieder einer monistischen organisierten SE angewandt würden, läge darin eine Ungleichbehandlung, die unionsrechtlich einer Rechtfertigung bedürfe. Das grundsätzliche Verbot einer Ungleichbehandlung ergebe sich sowohl aus dem Sekundärrecht (SE-VO) als auch aus primärrechtlichen Grundsätzen. Die SE-VO sei in Deutschland unmittelbar anwendbares Recht. Nach Art. 9 Abs. 1a SE-VO unterliege die SE zuvorderst den Regelungen der SE-VO. Diese Norm lege ferner fest, mit welcher nationalen Rechtsform die SE gleichzustellen sei. Soweit die SE-VO nichts Abweichendes regle, greife das in den Mitgliedstaaten für Aktiengesellschaften anwendbare Recht. Es handele sich hierbei um eine Gesamtnormverweisung, wonach nicht nur einzelne Sachvorschriften, sondern das Recht der Mitgliedstaaten in Bezug genommen werde. Mithin sei bereits Art. 9 SE-VO geprägt von dem Grundsatz der Gleichbehandlung der SE mit der nationalen Aktiengesellschaft. Die Mitgliedstaaten hätten nicht die Freiheit, in Bezug auf die SE zur Lückenfüllung oder Ergänzung der Rechtsregeln eine beliebige Rechtsform heranzuziehen. Auch aus Art. 9 Abs. 1c, Abs. 2 SE-VO i.V.m. § 20 SEAG lasse sich ableiten, dass die Verwaltungsratsmitglieder der SE weitestgehend Vorstandsmitgliedern einer deutschen Aktiengesellschaft gleichgestellt werden sollten. Kernanliegen der SE-VO sei die vollumfängliche Gleichbehandlung der SE und der nationalen Aktiengesellschaft. Art. 10 SE-VO wirke damit als Gleichbehandlungsgebot in sämtlichen rechtlichen und tatsächlichen Fragen. Dies bedeute, dass die SE von staatlichen Behörden und Gerichten so behandelt werden müsse, wie eine nationale Aktiengesellschaft. Eine unterschiedliche Behandlung sei nur zulässig, soweit die SE-VO dies bestimme oder die Unterscheidung sich sachlich rechtfertigen lasse. Das BSG habe in seinem Urteil vom 27.02.2008 (B 12 KR 23/06) unter Bezugnahme auf die rechtlichen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zutreffend den generellen Grundsatz abgeleitet, dass eine ungerechtfertigte Diskriminierung ausländischer Kapitalgesellschaften im Sozialversicherungsrecht verboten sei. § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III seien daher im Lichte der unionsrechtlichen Erfordernisse auszulegen und anzuwenden. Hierbei sei zu beachten, dass der Wortlaut des Gesetzes nicht verlange, dass es sich um eine Aktiengesellschaft im Sinne des deutschen Aktiengesetzes handle. Erforderlich sei allein die Qualifizierung als Aktiengesellschaft. Die SE sei aber unabhängig von ihrer Organisation stets eine Aktiengesellschaft. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, dass Aktiengesellschaft im Sinne des § 1 S. 3 SGB VI nur die Aktiengesellschaft im Sinne des deutschen Aktiengesetzes meine, sei unionsrechtlich zwingend die SE auch im Sinne der genannten Norm als Aktiengesellschaft zu behandeln. Art. 9 Abs. 1c ii) SE-VO regle, dass auf die SE in Ermangelung anderweitiger Vorschriften das Recht Anwendung finde, dass für rein nationale Aktiengesellschaften gelte. Nach Art. 10 SE-VO werde die SE vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Verordnung wie eine nach rein nationalem Recht gegründete Aktiengesellschaft behandelt. Das schließe es aus, die SE von vornherein im Sozialrecht nicht als Aktiengesellschaft zu behandeln. Zwar habe die monistische SE terminologisch keinen Vorstand. Ihre Organe seien die Hauptversammlung und der Verwaltungsrat. Damit sei aber entgegen der Auffassung der Beklagten eine Anwendung der §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III nicht ausgeschlossen. Das BSG habe die Anwendung der genannten Normen auf Organe einer ausländischen Gesellschaft oder einer inländischen Gesellschaft anderer Rechtsform unter bestimmten Voraussetzungen für geboten erachtet. So habe das BSG die Anwendung der genannten Normen auf einen großen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) anerkannt, weil nach § 34 Abs. 1 S. 2 VAG der Vorstand eines großen VVaG dem Vorstand eine Aktiengesellschaft gleichgestellt sei. Auch in mehreren Entscheidungen zu Organen ausländischer Kapitalgesellschaften habe das BSG herausgestellt, dass eine Anwendung der genannten Normen dann geboten sei, wenn eine Äquivalenzvorschrift vorliege. Solche gesetzlichen Äquivalenzvorschriften lägen in Bezug auf die SE und speziell auf den Verwaltungsrat der SE vor. Art. 9 Abs. 1c SE-VO verlange in Ermangelung anderer Vorschriften die Anwendung nationalen Aktienrechts. Noch deutlicher verlange Art. 10 SE-VO die Gleichstellung mit nationalem Aktienrecht, sofern die Verordnung nicht etwas anderes regle. An einer solchen anderweitigen Bestimmung fehle es. Art. 10 SE-VO gelte unabhängig davon, ob es sich um eine monistisch oder dualistisch organisierte SE handle. Auch aus § 22 Abs. 6 SEAG lasse sich ableiten, dass § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III auf Verwaltungsratsmitglieder anwendbar seien. Aus dessen Regelung lasse sich zum einen entnehmen, dass der Verwaltungsrat nach dem gesetzgeberischen Willen auch dem Vorstand einer Aktiengesellschaft im Sinne des Aktiengesetzes vergleichbar sei. Zum anderen lasse sich die Sozialversicherungspflicht bzw. -freiheit unmittelbar als eine Rechtsvorschrift außerhalb des SEAG qualifizieren, die nach der gesetzgeberischen Anordnung auf den Verwaltungsrat zu übertragen sei. Die Ausnahmeregelungen der §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III seien daher über die Generalsverweisung des § 22 Abs. 6 SEAG auf Verwaltungsratsmitglieder einer SE anzuwenden. Es bestünden auch generell keine Gründe, die eine Ungleichbehandlung der Verwaltungsratsmitglieder mit einer monistisch organisierten SE mit den Vorstandsmitgliedern einer dualistisch organisierten Aktiengesellschaft deutschen Rechts (und einer dualistisch organisierten SE) rechtfertigen könnten. Die Weisungsfreiheit des Verwaltungsrats sei allgemein anerkannt. Anders als die Geschäftsführung einer GmbH, die nach § 37 GmbHG den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen sei, sei der Verwaltungsrat einer monistisch organisierten SE nicht den Weisungen der Hauptversammlung unterworfen. Es sei einhellige Meinung, dass der Verwaltungsrat weisungsfrei agiere. Im Unterschied zu § 76 AktG bestimme das SEAG zwar nicht ausdrücklich, dass der Verwaltungsrat die Gesellschaft in eigener Verantwortung führe. Die Weisungsunabhängigkeit ergebe sich aber zwingend daraus, dass das deutsche Aktienrecht kein Weisungsrecht der Hauptversammlung kenne und auch für die monistisch organisierte SE keine Ausnahme gemacht werde. Der Verwaltungsrat einer monistisch organisierten SE habe damit eine vergleichbar weisungsunabhängige Stellung wie ein Vorstand. Er habe sogar noch eine stärkere Stellung, da der Verwaltungsrat der monistischen SE in sich die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft vereine. Er unterliege mithin nicht einmal der Aufsicht eines anderen Organs. Auch Sinn und Zweck der §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sprächen für eine Gleichbehandlung. Die Herausnahme von Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft aus der Rentenversicherungspflicht gehe auf § 3 Abs. 1a AVG zurück. Der Vorschrift habe die Erwägung zugrunde gelegen, dass bei Mitgliedern des Vorstands einer AG wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung entbehrlich erschienen. Unterschiede hinsichtlich der wirtschaftlichen Stärke und Bedeutung bestünden zwischen einer monistischen und einer dualistischen SE nicht. Die Herausnahme von Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft aus der Arbeitslosenversicherung habe darüber hinaus den Hintergrund, dass der Gesetzgeber sie als arbeitsmarktfern angesehen habe. Auch hinsichtlich dieses Gesichtspunktes gebe es keinen Unterschied zwischen einer dualistisch organisierten AG bzw. SE und einer monistisch organisierten SE. Die von der Beklagten vertretene Auffassung führe dazu, dass nur das Leitungsorgan einer Aktiengesellschaft, das in allen wesentlichen Details wie bei einer herkömmlichen deutschen Aktienaktiengesellschaft organisiert sei, von § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III erfasst sein könne. Monistisch organisierte Aktiengesellschaften könnten allein aufgrund dieser unterschiedlichen Struktur niemals in den Anwendungsbereich der genannten Ausnahmevorschriften fallen. Dies aber widerspreche der Rechtsprechung des BSG zu ausländischen Aktiengesellschaften aus Mitgliedstaaten der EU. Wenn aber schon vom BSG zu Recht verlangt werde, dass ausländische Gesellschaften, die im Anhang zur SE-VO als Aktiengesellschaft gekennzeichnet seien, hinsichtlich § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III gleichgestellt werden müssten, sei es fernliegend und offensichtlich unionsrechtswidrig, gerade bei der SE selbst eine Gleichstellung zu verneinen, obwohl die SE-VO in aller Klarheit deutlich mache, dass die SE (gleich in welcher Organisationsform) eine Aktiengesellschaft sei. Wenn es aber bei ausländischen Aktiengesellschaften unerheblich sei, ob sie monistisch oder dualistisch organisiert seien, könne dies bei einer europäischen Aktiengesellschaft nicht anders sein. Dass vorliegend ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen worden sei, sei kein Merkmal einer abhängigen Beschäftigung. Dass sich das geschäftsführende Verwaltungsratsmitglied Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall abbedungen habe, sei kein Hinweis auf eine fremdbestimmte und abhängige Beschäftigung. Dass der Kläger Ziff. 2 Aktien der Klägerin Ziff. 1 besitze, sei richtig, aber kein Merkmal einer abhängigen Beschäftigung. Der typische Arbeitnehmer sei gerade nicht Anteilseigner. Mitglieder des Verwaltungsrates seien auch nicht durch die Hauptversammlung gebunden. Sie unterlägen nicht deren Weisungen. Die Abberufungsmöglichkeit nach § 29 SEAG sei entgegen der in den Bescheiden vertretenen Auffassung unerheblich. Nach § 7 SGB IV sei die Weisungsgebundenheit maßgeblich, nicht jedoch die Möglichkeit der Beendigung des Amtes. Zwischen Weisungsgebundenheit und Abberufbarkeit bestehe kein zwingender oder regelmäßiger Zusammenhang. Auch Aufsichtsratsmitglieder eine Aktiengesellschaft könnten nach § 103 AktG abberufen werden, ohne dass ein wichtiger Grund vorliege. Trotzdem seien sie nicht abhängig beschäftigt. Für den Fall, dass dem Grunde nach Sozialversicherungspflicht zu bejahen sein sollte, sei der Kläger Ziff. 2 damit einverstanden, dass die Sozialversicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe des Bescheids einsetze. Eine ausdrückliche Einverständniserklärung habe der Kläger Ziff. 2 bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegt. Der Antrag auf Statusfeststellung sei – entgegen der Annahme der Beklagten – nicht erst am 22.09.2015, sondern bereits am 29.07.2015 gestellt worden. Es handle sich bei der Anfrage vom 29.07.2015 nicht um eine Vorabanfrage, sondern um einen frühzeitig gestellten Antrag. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Antrag am 29.07.015 noch nicht habe gestellt werden können. Zu diesem Zeitpunkt habe die Hauptversammlung bereits wirksam und bindend die identitätswahrende formwechselnde Umwandlung in eine SE beschlossen. Der Kläger Ziff. 2 sei bereits zum Mitglied des Verwaltungsrates bestellt worden. Lediglich die Eintragung in das Handelsregister, auf deren Zeitpunkt die Klägerin Ziff. 1 keinen Einfluss habe, habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattgefunden. Die weiteren Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 S. 1 SGB IV seien gegeben.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide der Beklagten vom 18.03.2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18.08.2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger Ziff. 2 als Verwaltungsratsmitglied und geschäftsführender Direktor der Klägerin Ziff. 1 nicht der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheids. Man gehe nunmehr mit der Klägerseite davon aus, dass der Antrag auf Statusfeststellung für die am 18.08.2015 aufgenommene Beschäftigung bereits am 30.07.2015 – und damit nicht später als einen Monat nach der Beschäftigungsaufnahme – wirksam gestellt worden sei. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 S. 1 SGB IV müsse der Kläger Ziff. 2 noch erklären, ob er dem späteren Beginn der Sozialversicherungspflicht zustimme und inwieweit er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten (21.03.2016) Absicherungen für den Krankheitsfall und zur Altersvorsorge vorgenommen habe.

Der Kläger Ziff. 2 hat daraufhin die formularmäßige Zustimmungserklärung vom 12.02.2017 (Bl. 87/88 der SG-Akte), die Bestätigung der T. Krankenkasse über das Bestehen von Krankenversicherungsschutz (mit Anspruch auf Krankengeld) vom 15.02.2017 (Bl. 89 der SG-Akte) und das Schreiben der A. AG vom 06.02.2017 über eine Rentenversicherung (jährlicher Einzahlungsbetrag: 15.000 EUR) vorgelegt (Bl. 90 der SG-Akte).

Die Beklagte hat hierauf mit Schreiben vom 06.03.2017 mitgeteilt, dass eine Verschiebung des Beginns der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV nicht erfolgen könne, da die Kapitallebensversicherung bei der Allianz Lebensversicherung-AG nicht den Erfordernissen eine Altersversorgung, die der gesetzlichen Rentenversicherung entspreche, gleichzustellen sei.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 10.03.2017 die Beigeladene zum Verfahren beigeladen. Diese hat keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage der Kläger ist zulässig und begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 18.03.2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18.08.2016 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht nach § 7a SGB IV festgestellt, dass der Kläger Ziff. 2 als Verwaltungsratsmitglied und geschäftsführender Direktor der Klägerin Ziff. 1 der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Denn die (Ausnahme-)Bestimmungen des § 1 S. 3 SGB VI und des § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind auf geschäftsführende Direktoren, die zugleich Verwaltungsratsmitglieder sind, entsprechend anwendbar.

Streitgegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 18.03.2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18.08.2016 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), gegen den sich die Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungklage wenden (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 R 3/17 R = juris; Urteil vom 23.04.2015 - B 5 RE 23/14 R = SozR 4-2600 § 2 Nr. 20, wonach auch die reine Anfechtungsklage genügt).

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu deren Erlass gemäß § 7a Abs. 1 S. 3 SGB IV sachlich zuständig und die Bescheide sind auch hinreichend bestimmt und beschränken sich nicht auf eine unzulässige Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses (BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R = BSGE 103, 17 ff.; Urteil vom 04.06.2009 - B 12 R 6/08 R).

Nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 S. 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Abs. 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. 2000 I S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs. 14/185 S. 6).

Die Beklagte war für die von den Klägern beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit ab dem 18.08.2015 (Zeitpunkt der Eintragung der Klägerin Ziff. 1 in das Handelsregister) und zum Zeitpunkt der Antragstellung keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung bei einer anderen Stelle bereits eingeleitet war. Für die Frage der Zuständigkeit kommt es hierbei nicht darauf an, ob auf den Antrag vom 30.07.2015 oder auf den Antrag vom 22.09.2015 abzustellen ist, da zu keinem dieser Zeitpunkte ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung bei einer anderen Stelle bereits eingeleitet war. Die Bescheide sind zudem nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen.

Die angefochtenen Bescheide sind aber materiell rechtswidrig. Der Kläger Ziff. 2 übt bei der Klägerin Ziff. 1 als Verwaltungsratsmitglied und geschäftsführender Direktor zwar eine abhängige Beschäftigung aus; er unterliegt aber nach den entsprechend anwendbaren Regelungen des § 1 S. 3 SGB VI (in der seit dem 29.06.2011 geltenden Fassung) und des § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III nicht der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 SGB III). Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 R 3/17 R). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.07.2013 - L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25; Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 25/10 R = BSGE 111, 257 m.w.N.).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der u.U. als Scheingeschäft i.S. des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen. Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw. Tätigkeitskatalogen (BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25).

Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben und kann die im vorliegenden Fall zu prüfende Tätigkeit als Physiotherapeutin sowohl in der Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden, kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber zwar keine allein ausschlaggebende, so doch eine gewichtige Rolle zu. Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 R 3/17 R).

Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, a.a.O.).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt das Gericht unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger Ziff. 2 bei der Klägerin Ziff. 1 abhängig beschäftigt ist.

Eine abhängige Beschäftigung von Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach § 5 Abs. 1 S. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R = juris RdNr. 19). Der Zugehörigkeit zu den Beschäftigten der juristischen Person steht auch nicht entgegen, dass Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführende Direktoren im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).

Der Kläger Ziff. 2 wurde (neben sechs weiteren Mitgliedern) am 23.06.2015 von der Hauptversammlung zum Mitglied des Verwaltungsrates der Klägerin Ziff. 1 bestellt. Bei der Klägerin Ziff. 1 handelt es sich um eine börsennotierte europäische Aktiengesellschaft mit Sitz in Stuttgart. Sie ist entstanden durch identitätswahrende formwechselnde Umwandlung der G. Aktiengesellschaft. Der Umwandlungsplan wurde am 27.04.2015 notariell beurkundet und die Eintragung erfolgte am 18.08.2015. Der Kläger Ziff. 2 war - als die Klägerin Ziff. 1 noch eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts war - Mitglied des Vorstands der G. Aktiengesellschaft und stand in einem Dienstverhältnis zu der Gesellschaft. Dies ergibt sich aus dem Dienstvertrag des Klägers Ziff. 2 als Vorstandsmitglied der G. Aktiengesellschaft vom 25.06.2013. An der Klägerin Ziff. 1 hält der Kläger Ziff. 2 ca. 0,38 % der Aktien. Dies entnimmt das Gericht dem Vortrag der Klägerin Ziff. 1 im Verwaltungsverfahren. In der mündlichen Verhandlung hat dies der Kläger Ziff. 2 auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich bestätigt. Der Kläger Ziff. 2 ist (neben dem Verwaltungsratsmitgliedern L. und (bis zu seinem Ausscheiden) D.) zudem mit Wirkung zum 18.08.2015 (Tag der Eintragung der Klägerin Ziff. 1 in das Handelsregister) zum geschäftsführenden Direktor der Klägerin Ziff. 1 bestellt worden. Dies ergibt sich aus dem Dienstvertrag vom 09.11.2015 und dem Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Stuttgart vom 18.08.2015. Dies ist nach § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG zulässig. Danach können Mitglieder des Verwaltungsrats zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden, sofern die Mehrheit des Verwaltungsrats weiterhin aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern besteht. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

Bei der Beurteilung, ob der Kläger Ziff. 2 bei der Klägerin Ziff. 1 abhängig beschäftigt ist, ist zu beachten, dass es nicht darauf ankommt, ob der Kläger Ziff. 2 seine beiden gesellschaftsrechtlich zu unterscheidenden Tätigkeiten (als Verwaltungsratsmitglied und als geschäftsführender Direktor; vgl. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG) im Rahmen eines sog. einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses (vgl. allg. hierzu BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 1/14 R; Pietrek, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, § 7a SGB IV RdNr. 113; zu Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren einer SE Forst, NZS 2012, 801, 807) ausübt oder ob eine gemischte Tätigkeit vorliegt. Eine gemischte Tätigkeit liegt vor, wenn die selbständige Tätigkeit im Wesentlichen neben der Beschäftigung und unabhängig von ihr ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 03.02.1994 - 12 RK 18/93 = SozR 3-2400 § 14 Nr. 8 = juris RdNr. 18). Denn beide Tätigkeiten übt der Kläger Ziff. 2 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus.

Der Kläger Ziff. 2, der lediglich 0,38 % der Aktien der Klägerin Ziff. 1 hält, übt bereits die Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats in abhängiger Beschäftigung aus (vgl. BSG, Urteil vom 02.03.2010 - B 12 AL 1/09 R = SozR 4-4300 § 28a Nr. 1, wonach eine selbständige Tätigkeit als alleiniges Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ausnahmsweise dann angenommen werden kann, wenn der Vorstand alle Aktien der Aktiengesellschaft hält). In diesem Zusammenhang ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass die frühere sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch ein Angestellter unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, ausnahmsweise als selbstständig angesehen worden ist, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hinderten, vom BSG ausdrücklich aufgegeben worden ist und mithin auch hier keine Rolle spielen kann (BSG, Urteil vom 29.07.2015 - B 12 KR 23/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 24, RdNr. 29 f. m.w.N.; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, RdNr. 32). Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet danach eine selbstständige Tätigkeit generell aus (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R = juris RdNr. 20). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind auch Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht regelmäßig abhängig beschäftigt, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (vgl. nur BSG, Urteil vom 12.01.2011 - B 12 KR 17/09 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 RdNr. 14 m.w.N.; Urteil vom 27.02.2008 - B 12 KR 23/06 R = SozR 4-2600 § 2600 § 1 Nr. 1 RdNr. 16; Urteil vom 19.06.2001 - B 12 KR 44/00 R = SozR 3-2400 § 7 Nr. 18; zur Ausnahme: BSG, Urteil vom 02.03.2010 - B 12 AL 1/09 R = SozR 4-4300 § 28a Nr. 1). Im Übrigen folgt bereits aus der Regelung des § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III ("Versicherungsfrei sind Personen in einer Beschäftigung als "), dass bereits das Gesetz von einer regelmäßig abhängigen Beschäftigung von Vorstandsmitgliedern ausgeht (vgl. BSG, Urteil vom 02.03.2010 - B 12 AL 1/09 = SozR 4-4300 § 28a Nr. 1 RdNr. 11).

Nichts anderes gilt auch für Verwaltungsratsmitglieder einer SE. Dies ergibt sich aus Folgendem: Gemäß § 22 Abs. 1 SEAG leitet der Verwaltungsrat die Gesellschaft, bestimmt die Grundlagen ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Der Verwaltungsrat vereinigt damit auf sich die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft (Middendorf/Fahrig, BB 2011, 54, 56). Hierbei ist die Leitungsverantwortung des Verwaltungsrats unveräußerlich und kann nicht auf die geschäftsführenden Direktoren delegiert werden, da diese die Geschäfte im Unterschied zum Verwaltungsrat gemäß § 40 Abs. 2 SEAG nicht in eigener Verantwortung führen. Die Mitglieder des Verwaltungsrats sind vergleichbar einem nichtselbstständigen Vorstand für die Leitung der Gesellschaft verantwortlich, und zwar unabhängig von ihrer ihnen zugleich zukommenden Kontrollfunktion und unabhängig davon, ob sie zu den geschäftsführenden oder zu den nicht geschäftsführenden Mitgliedern des Verwaltungsrats gehören. Sie sind danach - wie auch im vorliegenden Fall- regelmäßig abhängig beschäftigt (ebenso Middendorf/Fahrig, a.a.O.; Vor, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB VI, § 1 RdNr. 103; vgl. aber auch Forst, NZS 2012, 801, 807, wonach die Verwaltungsratsmitglieder eine stärkere Stellung als der Vorstand einer Aktiengesellschaft inne hätten und deshalb ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausscheide). Für diese Auffassung spricht, dass die Verwaltungsratsmitglieder ebenso wie die - dem Grunde nach nichtselbstständig beschäftigten - Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft gegen ein vertraglich gewährleistetes Entgelt beschäftigt werden und damit regelmäßig nicht das unternehmerische Risiko der Gesellschaft tragen. Des Weiteren spricht für die nichtselbstständige Beschäftigung des Verwaltungsrats, dass die Hauptversammlung die Mitglieder des Verwaltungsrats auch vor Ablauf der Amtszeit nach § 29 SEAG jederzeit abberufen kann, ohne dass es hierfür eines wichtigen Grundes bedarf. Ferner wird die Verwaltungsratskompetenz nicht nur durch geschriebene und ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung begrenzt, sondern kann auch durch konzernrechtliche Vorgaben begrenzt werden (Middendorf/Fahrig, a.a.O., 57). Schließlich ändert auch die mit der Verwaltungsratstätigkeit verbundene Überwachungsfunktion nichts an der Bewertung der Tätigkeit als nichtselbstständige Beschäftigung. Bei der Überwachung durch den Verwaltungsrat handelt es sich lediglich um eine Vollzugskontrolle hinsichtlich der vom Verwaltungsrat festgelegten Grundlinien der Unternehmensstrategie. Die Mitglieder des Verwaltungsrats überwachen also die Durchführung von Entscheidungen, an denen sie aufgrund ihrer Organstellung auch dann mitwirken müssen, wenn sie nicht gleichzeitig geschäftsführende Direktoren sind. Damit unterscheidet sich die Kontrollfunktion des Verwaltungsrats grundlegend von der eines Aufsichtsrats einer deutschen Aktiengesellschaft oder einer dualistischen SE, dort ist der Aufsichtsrat kraft Gesetzes von der Geschäftsführung ausgeschlossen und überwacht demnach Entscheidungen, deren Entstehung er nicht zu verantworten hat. Die Kontrollfunktion des Verwaltungsrats begründet also keine Unabhängigkeit der Mitglieder des Verwaltungsrats, die eine Bewertung der Tätigkeit als selbstständig im Sinne des Sozialversicherungsrechts rechtfertigen könnte (Middendorf/Fahrig, a.a.O.; a.A. Forst, NZS 2012, 801, 807, der seine gegenteilige Auffassung allein auf die von ihm angenommene fehlende Weisungsgebundenheit stützt).

Auch die Tätigkeit als geschäftsführender Direktor übt der Kläger Ziff. 2 abhängig aus.

Die Aufgaben eines geschäftsführenden Direktors sind in § 40 Abs. 2 SEAG geregelt. Danach führen die geschäftsführenden Direktoren die Geschäfte der Gesellschaft. Sind mehrere geschäftsführende Direktoren bestellt, so sind sie nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt; die Satzung oder eine vom Verwaltungsrat erlassene Geschäftsordnung kann Abweichendes bestimmen. Gesetzlich dem Verwaltungsrat zugewiesene Aufgaben können nicht auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen werden. Soweit nach den für Aktiengesellschaften geltenden Rechtsvorschriften der Vorstand Anmeldungen und die Einreichung von Unterlagen zum Handelsregister vorzunehmen hat, treten an die Stelle des Vorstands die geschäftsführenden Direktoren. Der wesentliche Unterschied sowohl zur dualistisch verfassten SE als auch zur herkömmlichen Aktiengesellschaft besteht darin, dass der geschäftsführende Direktor den Weisungen durch den Verwaltungsrat unterliegt und der geschäftsführende Direktor vom Verwaltungsrat, der auch das Bestellungsorgan ist, jederzeit (vgl. § 40 Abs. 5 S. 1 SEAG) abberufen werden kann. Aus § 44 Abs. 2 SEAG folgt zudem, dass sie im Innenverhältnis an die Weisungen des Verwaltungsrats gebunden sind. Bereits diese Umstände zeigen, dass die Tätigkeit des geschäftsführenden Direktors einer monistisch organisierten SE nichtselbstständig ist (ebenso Middendorf/Fahrig, BB 2011, 54, 57; Forst, NZS 2012, 801, 807; Reichert/Brandes, in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl. 2017, SE-VO Art. 43 RdNr. 161).

Auch die konkrete Vertragsgestaltung im vorliegenden Fall spricht für eine abhängige Tätigkeit. Die Rechtsbeziehung zur Klägerin Ziff. 1 als geschäftsführender Direktor wird durch den Dienstvertrag vom 09.11.2015 geregelt, der die Zuordnung als abhängig Beschäftigter bestätigt. Denn daraus ergibt sich, dass - gemäß der Regelung in § 7 Abs. 5 DV - die Klägerin Ziff. 1 zu Gunsten des Klägers Ziff. 2 eine Kapital-Lebensversicherung als Altersversorgung (jährliche Einzahlungsleistung: 15.000 EUR) führt. Nach § 1 II DV vertritt der Kläger Ziff. 2 als geschäftsführender Direktor die Klägerin Ziff. 1 mit einem weiteren geschäftsführenden Direktor oder einem Prokuristen der Klägerin Ziff. 1, er hat mithin keine Alleinvertretungskompetenz. Er erhält ein festes Jahresfestgehalt i.H.v. 300.000 EUR (§ 4 I DV). Darüber hinaus hat er Anspruch auf eine variable Vergütung (Zielbonus und Wertzuwachsbonus) in Höhe von max. 250.000 EUR (§ 4 II DV i.V.m. Anhang 1 und 2) sowie auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen (§ 5 DV). Im Krankheitsfall besteht ein Anspruch auf Fortzahlung der gesamten Vergütung (Jahresfestgehalt und Bonus) ungekürzt für den laufenden Monat und die folgenden zwölf Monate, längstens bis zum Ende des Vertrags (§ 7 I DV). Die Regelungen zur Lohnfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall sowie die Vereinbarung eines festen Jahresgehalts sind typische Arbeitnehmerrechte (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R = juris RdNr. 24), auch wenn die 12-monatige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eher ungewöhnlich für Arbeitnehmer ist. Ein unternehmerisches Risiko, das die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit rechtfertigen würde, besteht beim Kläger Ziff. 2 nicht. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger Ziff. 2 erhält für seine Tätigkeit ein fest vereinbartes Entgelt in Höhe von 300.000 EUR jährlich und hat zu dem Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheit-und Urlaubsfall. Die variable Vergütung in Höhe von max. 250.000 EUR begründet vor diesem Hintergrund kein relevantes Unternehmerrisiko.

Der Kläger Ziff. 2 unterliegt trotz seiner abhängigen Beschäftigungen bei der Klägerin Ziff. 1 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Denn die Ausnahmebestimmungen der §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind auf geschäftsführende Direktoren, die zugleich Verwaltungsratsmitglieder sind (vgl. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG), entsprechend anwendbar.

Nach § 1 S. 3 SGB VI sind Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des AktG als ein Unternehmen gelten. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III bestimmt (seit dem 01.01.1998), dass Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, in dieser Beschäftigung versicherungsfrei sind. Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des AktG gelten als ein Unternehmen.

Die Herausnahme von Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft aus der Rentenversicherungspflicht geht auf § 3 Abs. 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zurück, der durch Art. 1 § 2 Nr. 2 des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (3. RVÄndG) vom 28.7.1969 (BGBl I 956) mit Wirkung vom 01.01.1968 als Reaktion auf die Aufhebung der für die Pflichtversicherung von Angestellten geltenden Jahresarbeitsverdienstgrenze eingefügt worden war und für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft bestimmte, dass sie nicht zu den versicherungspflichtigen Angestellten gehören. Dieser mit dem 3. RVÄndG eingefügten Vorschrift lag die Erwägung zugrunde, dass bei Mitgliedern des Vorstandes einer AG wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung entbehrlich erscheinen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 12 KR 23/06 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3 RdNr. 19 m.w.N.).

Zwar spricht der Wortlaut der genannten Ausnahmeregelungen gegen eine unmittelbare Anwendung auf geschäftsführende Direktoren, die zugleich Verwaltungsratsmitglieder sind. Denn es handelt sich weder bei Verwaltungsratsmitgliedern noch bei geschäftsführenden Direktoren um "Mitglieder des Vorstands" einer Aktiengesellschaft. Die §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind auf den Kläger Ziff. 2 aber entsprechend anzuwenden.

Zwar hält das BSG in ständiger Rechtsprechung eine Tatbestandsgleichstellung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung und eine "Substitution" der Tatbestandserfüllung unter Berufung auf eine tatsächliche Vergleichbarkeit von Gesellschaftsformen nicht für zulässig, weil § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III nach ihrem Regelungszweck und im Hinblick auf die dort gewählte Regelungsmethode der Typisierung eine Erstreckung auf andere Sachverhalte zur Schließung einer Regelungslücke regelmäßig nicht erfordern (BSG, Urteil vom 12.01.2011 - B 12 KR 17/09 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 RdNr. 17 m.w.N.). Eine Erstreckung dieser Ausnahmen von der Versicherungspflicht auf Vorstandsmitglieder oder Mitglieder vergleichbarer Organe anderer juristischer Personen hat das BSG in der Vergangenheit aber aufgrund einer gesetzlichen Tatbestandsgleichstellung in Form einer sog. Äquivalenzregelung für möglich erachtet (vgl. BSG, Urteil 27.02.2008 - B 12 KR 23/06 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3, RdNr. 20 ff m.w.N.; Urteil 06.10.2010 - B 12 KR 20/09 R = juris RdNr. 20 ff.; Urteil vom 12.01.2011 - B 12 KR 17/09 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 RdNr. 17). Eine Möglichkeit zur entsprechenden Anwendung der typisierenden Regelung hat das BSG bei Vorstandsmitgliedern "großer" VVaG gesehen. Es hat § 3 Abs. 1a AVG (nunmehr § 1 S. 3 SGB VI) über den Wortlaut hinaus auf diese Personengruppe analog angewandt, weil Vorschriften des Aktiengesetzes über eine Verweisung im VAG für den Vorstand eines VVaG entsprechend gelten und dessen Mitglieder Vorstandsmitgliedern einer AG deshalb rechtlich gleichgestellt sind (BSG, Urteil vom 27.03.1980 - 12 RAr 1/79 = SozR 2400 § 3 Nr. 4).

So liegt der Fall hier. Eine entsprechende Anwendung von § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III auf den Kläger Ziff. 2 ist geboten und nach der genannten Rechtsprechung des BSG zulässig, weil nicht nur die gleichen wirtschaftlichen Gesichtspunkte (herausragende und starke wirtschaftliche Stellung, die einen Schutz und Sicherheit in der gesetzlichen Sozialversicherung entbehrlich machen) für die entsprechende Anwendung sprechen, sondern auch gesetzliche Äquivalenzregelungen vorliegen. So bestimmt § 22 Abs. 6 SEAG allgemein, dass sämtliche Vorschriften, die für den Vorstand der Aktiengesellschaft gelten, auf den Verwaltungsrat anzuwenden sind, sofern das SEAG nichts anderes regelt. Weiterhin verweisen die §§ 38, 39 SEAG hinsichtlich der Rechtsverhältnisse des Verwaltungsrates und der zu beachtenden Sorgfaltspflichten auf die für den Vorstand einer herkömmlichen Aktiengesellschaft maßgeblichen Vorschriften, so dass über die genannten Verweisungsnormen die Mitglieder des Verwaltungsrates einer monistisch organisierten SE den Mitgliedern eines Vorstandes weitgehend gleichgestellt werden und damit nach § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen (ebenso Vor in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 1 RdNr. 103). Hinzu kommt, dass die qualifizierte Gründung einer SE nur Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft vorbehalten ist. Hat der europäische Gesetzgeber danach für die Standardisierung der Verhältnisse im Gesellschaftsrecht allein nach der Rechtsform von Kapitalgesellschaften unterschieden und ausländische Kapitalgesellschaften einerseits mit der deutschen Aktiengesellschaft und andererseits mit der deutschen GmbH gleichgesetzt, so darf an die darin zum Ausdruck kommenden rechtlichen Differenzierungen auch für den außergesellschaftsrechtlichen Bereich des Sozialrechts angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 12 KR 23/06 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3 RdNr. 33)

Geschäftsführende Direktoren einer monistisch organisierten SE mit Sitz in Deutschland (§ 40 Abs. 2 SEAG), die gleichzeitig dem Verwaltungsrat angehören, können sich ebenfalls auf § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III berufen und sind damit versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (ebenso Reichert/Brandes, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017, SE-VO Art. 43 RdNr. 161; Vor, a.a.O.; Middendorf/Fahrig, BB 2011, 54, 57). Denn maßgeblich ist hierbei, dass sie sich bereits in ihrer Funktion als Verwaltungsratsmitglied auf § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III berufen können. Zwar liegen gesellschaftsrechtlich zwei getrennte Rechtsverhältnisse vor, nämlich zum einen die Mitgliedschaft als Verwaltungsart und zum anderen die Funktion des geschäftsführenden Direktors. Im Sinne eines einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalts (vgl. zur Beachtung dieses Gedankens in anderem Zusammenhang BSG, Urteil vom 04.05.2018 - B 11 AL 2/17 R) ist die Stellung eines internen geschäftsführenden Direktors in seiner gesamten rechtlichen und faktischen Stellung zu betrachten (ebenso Forst, NZS 2012, 801, 807). Denn auch als (interner) geschäftsführender Direktor ist der Kläger Ziff. 2 vollwertiges Mitglied des Verwaltungsrates. Die weiterreichenden gesetzlichen Befugnisse des Verwaltungsrates sind insofern zu berücksichtigen, als sich diese auch soziversicherungsrechtlich niederschlagen müssen. Eine rein formaljuristische Trennung der Rechtsverhältnisse mit unterschiedlichen sozialversicherungsrechtlichen Folgen (partielle Versicherungsfreiheit als Verwaltungsratsmitglied und Versicherungspflicht als - interner - geschäftsführender Direktor) ist im Hinblick auf den einheitlichen Lebenssachverhalt nicht veranlasst (zutreffend Forst, a.a.O.; Reichert/Brandes, a.a.O.; Vor, a.a.O.; Middendorf/Fahrig, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage der Verschiebung der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 S. 1 SGB IV und darauf, auf welches Antragsdatum vorliegend abzustellen ist und ob der Kläger Ziff. 2 ordnungsgemäß zugestimmt (Nr. 1) und für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht (Nr. 2), nicht entscheidungserheblich an (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteile vom 07.06.2018 - B 12 KR 17/17 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Denn klagen - wie vorliegend - sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer (subjektive Klagehäufung), erfolgt eine einheitliche Kostenentscheidung nach § 193 SGG, wenn ein (Haupt-)Beteiligter (wie hier der Kläger Ziff. 2) kostenprivilegiert ist und der andere nicht. Zwar ergingen zwei Bescheide. Diese sind jedoch inhaltsgleich, weshalb von einem einheitlichen Streitgegenstand auszugehen ist (BSG, Urteil vom 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 24 RdNr. 33; Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R = juris RdNr. 43; Bayerisches LSG, Urteil vom 16.07.2015 - L 7 R 181/15; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.10.2014 - L 4 R 2204/13; Wehrhahn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 193 RdNr. 10). Eine Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keinen Antrag gestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R = juris RdNr. 44).
Rechtskraft
Aus
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