L 4 KR 1485/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 3244/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1485/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2018 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über Beitragsrückstände, Säumniszuschläge und sonstige Kosten aus einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die beklagte Krankenkasse führte den Kläger ab 26. Mai 2003 als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Zum 15. Oktober 2003 beendete sie die freiwillige Versicherung wegen Beitragsrückständen, die sie in der Folge wiederholt einschließlich Säumniszuschlägen und sonstigen Kosten bescheidmäßig feststellte.

Mit Bescheid vom 22. März 2013 setzte die Beklagte – auch im Namen der bei ihr eingerichteten Pflegekasse – für die Zeit vom 17. Oktober 2010 bis 17. März 2013 Säumniszuschläge in Höhe von EUR 360,00 fest und verwies im Weiteren auf in einem Bescheid vom 21. September 2010 festgesetzte Beitragsschuld sowie bereits festgestellte Säumniszuschläge und Kosten. Den aktuellen Gesamtrückstand bezifferte sie auf EUR 2.705,44. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2013 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Der Widerspruch richte sich gegen alle im Bescheid vom 22. März 2013 aufgeführten Beiträge, Säumniszuschläge und Kosten in Höhe von EUR 2.705,44, da die damalige Mitgliedschaft zu Unrecht durchgeführt worden sei. Der Widerspruch gegen bereits bestandskräftig festgestellte Beiträge, Säumniszuschläge und Kosten sei jedoch nicht möglich. Die Berechnung der im Bescheid neu festgestellten Säumniszuschläge sei korrekt erfolgt. Durch die Feststellung der Forderungen durch bestandskräftigen Verwaltungsakt sei auch keine Verjährung eingetreten.

Hiergegen erhob der Kläger am 28. August 2013 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG; S 14 KR 3923/13) und führte aus, er lehne die Forderung "voll" ab. Die Beklagte habe ihn aus Profitgier gegen die gesetzlichen Voraussetzungen aufgenommen. Zuvor habe er sich keine Krankenversicherung leisten können und sei jahrelang in der Schweiz tätig gewesen. Falsche Angaben habe er gegenüber der Beklagten nicht gemacht. Vorsorglich wende er Verjährung ein.

Nach Abtrennung des Verfahrens gegen die Pflegekasse (Beschluss vom 30. Mai 2014) wurde das Verfahren gegen die Beklagte durch Beschluss vom 25. November 2015 zur Durchführung eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausgesetzt. Den eine Rücknahme des "Bescheids" vom 2. Juni 2003 ablehnenden Bescheid vom 15. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2015 hob die Beklagte in dem vor dem Senat geführten Berufungsverfahren (L 4 KR 45/17) nach richterlichem Hinweis, das Begrüßungsschreiben vom 2. Juni 2003 stelle keinen Verwaltungsakt dar, auf (Bescheid vom 12. Juli 2017). Der Kläger nahm die Berufung am 27. Juli 2017 zurück.

Nachdem der Kläger im wiederaufgenommenen Klageverfahren (nunmehr S 14 KR 3244/17) seine Klage in vollem Umfang aufrechterhalten hatte, wies das SG diese mit Urteil vom 15. März 2018 ab. Hinsichtlich des Begehrens des Klägers auf Aufhebung der Feststellung von Beitragsrückständen aus einer freiwilligen Versicherung, der bis zum 31. August 2010 festgesetzten Säumniszuschläge sowie der weiteren Kosten und Gebühren sei die Klage unzulässig, hinsichtlich der Feststellung von Säumniszuschlägen durch den Bescheid vom 22. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2013 in Höhe von EUR 360,00 für die Zeit vom 17. Oktober 2010 bis 17. März 2013 unbegründet.

Gegen dieses ihm am 23. März 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schreiben vom 23. April 2018 Berufung eingelegt, das am 24. April 2018 (Dienstag) beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangen ist. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, er bitte um Nachsicht, dass die Berufung einen Tag zu spät eingegangen sei. Er sei seit Januar 2015 schwer krank, arbeitsunfähig und schwerbehindert, habe starke Schmerzen in den Beinen und könne sich deshalb tagelang auf andere Dringlichkeiten richtig konzentrieren. Er könne kaum laufen und fahre Elektromobil. Zu bedenken sei, dass sich auch der Staat wegen ständiger Arbeitsbelastung und insbesondere die Beklagte sehr viel Zeit ließen.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2018 und den Bescheid vom 22. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt (sachgerecht gefasst),

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Berufung sei nicht fristgerecht eingereicht worden.

Mit Schreiben vom 16. und 28. Mai 2018 hat der Berichterstatter auf die Nichteinhaltung der Berufungsfrist, die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und im letztgenannten Schreiben auch auf die Absicht hingewiesen, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss über die Berufung zu entscheiden, sowie den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats, auch im Verfahren L 4 KR 45/17, und des SG Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet gemäß § 158 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung des Klägers durch Beschluss, da diese nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt wurde (§ 158 Satz 1 SGG). Die Berufung des Klägers ist nicht zulässig.

a) Die Berufungsfrist ist nicht gewahrt.

Die Berufung ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

aa) Die Berufungsfrist betrug einen Monat, da das SG im angefochtenen Urteil eine richtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG), insbesondere ist die Berufung, wie dort angegeben, das statthafte Rechtsmittel.

Zutreffend ist das SG im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass der Kläger sich mit seiner Klage nicht nur gegen die im Bescheid vom 22. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2013 festgesetzten Säumniszuschläge in Höhe von EUR 360,00 wendet, sondern gegen die von der Beklagten darin auf EUR 2.705,44 bezifferten Gesamtrückstände. Dies ergibt sich hinreichend deutlich aus seinem Vorbringen in der Klagebegründung (§ 123 SGG), er lehne die Forderung "voll" ab. Des Weiteren hat er geltend gemacht, die Voraussetzungen einer freiwilligen Versicherung als Grundlage für die Beitragsforderungen hätten nicht vorgelegen. Auch der von ihm erhobene Einwand der Verjährung zeigt, dass er sich mit der Klage nicht nur gegen die neuerlichen Säumniszuschläge wandte. Der Beschwerdewert von EUR 750,00 nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist mithin überschritten, die Berufung statthaft.

bb) Die einmonatige Berufungsfrist ist nicht gewahrt.

Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung (§ 64 Abs. 1 SGG). Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Das angefochtene Urteil wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 23. März 2018 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 180 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dies stellt auch der Kläger nicht in Abrede. Die Berufungsfrist begann somit am 24. März 2018 und endete am 23. April 2018, einem Montag. Das Berufungsschreiben ist erst am 24. April 2018 (Dienstag) und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen.

b) Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren.

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs. 1 SGG). Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs. 2). Ein Fristversäumnis ist nicht verschuldet, wenn ein Beteiligter die ihm zumutbare Sorgfalt beachtet, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zur gewissenhaften Prozessführung nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise erforderlich ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 67 Rn. 3 m.w.N.).

Der Kläger war nicht unverschuldet gehindert, die Berufung fristgerecht einzulegen. Das Berufungsschreiben des Klägers datiert vom 23. April 2018 und wurde nach dem Frankierungsaufdruck der Deutschen Post AG auf dem diese beinhaltenden Kuvert am selben Tag zur Post aufgegeben. Bei Aufgabe zur Post am letzten Tag der Frist durfte der Kläger offensichtlich nicht mehr mit einem Zugang bei Gericht am Einlieferungstag und damit innerhalb der Frist rechnen. Der pauschale Vortrag des Klägers, er sei seit Januar 2015 erkrankt und könne sich wegen ständiger Beinschmerzen nicht immer konzentrieren, ist nicht geeignet, eine unverschuldete Fristversäumung zu begründen. Der Kläger war seit Januar 2015 mehrfach in der Lage, fristgerecht Rechtsbehelfe einzulegen. Konkrete Anhaltspunkte, dass er gerade innerhalb der hier maßgeblichen Berufungsfrist gesundheitsbedingt an der Berufungseinlegung gehindert gewesen wäre, lassen sich dem Vortrag nicht entnehmen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

3. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved