Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2477/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 1823/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.04.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 07.11.2012 zusteht.
Der 1951 geborene, verheiratete Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann. Er wohnte in L. , von wo aus er am 16.06.2011 (Blatt 8/12 der Beklagtenakte) bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen beantragte (zum Schwerbehindertenausweis vgl. Blatt 19 der Beklagtenakte). In diesem Antrag gab er Beschäftigungen bis 31.12.2009 an.
Am 01.08.2011 machte das Sozialzentrum M. N. , B. , einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X geltend (Blatt 34/36 der Beklagtenakte). Der Kläger habe vom 01.04.2011 bis 31.07.2011 Leistungen nach dem SGB II erhalten. Mit Schreiben vom 18.08.2011 (Blatt 55/56 der Beklagtenakte) rechnete das Sozialzentrum M. N. den Erstattungsanspruch für Juli 2011 ab (Regelleistung inklusive KdU: 1.016,16 Euro; KV/PV-Beiträge: 0,00 Euro) und bat um Überweisung des Gesamtbetrages von 1.016,16 Euro.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 09.08.2011 (Blatt 48/51 der Akte des JobCenters), den die Beklagte nunmehr nach dem Umzug des Klägers nach M. an dessen neue Adresse versandte, die beantragte Altersrente ab 01.07.2011; die Nachzahlung für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 30.09.2011 über 3.048,48 Euro behielt die Beklagte vorläufig ein.
Am 05.09.2011 (Schreiben vom 31.08.2011; Blatt 62/63 der Beklagtenakte) machte das JobCenter Landkreis L. (JobCenter) einen Erstattungsanspruch für von diesem erbrachte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.08.2011 bis 30.09.2011 über 1.862,16 Euro (08/11: 1.016,16 Euro; 09/11: 846,00 Euro) geltend.
Mit einem als "Abrechnung der Rentennachzahlung" bezeichneten Schreiben vom 07.09.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die einbehaltene Rentennachzahlung betrage für den Zeitraum 01.07.2011 bis zum 30.09.2011 3.048,48 Euro. Davon habe sie zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Arbeitsgemeinschaft Sozialzentrum, M. N. B. , für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.07.2011 1.016,16 Euro überwiesen. Die Rentennachzahlung betrage 2,032,32 Euro, der Betrag werde auf das Konto des Klägers überwiesen.
Der von der Beklagten im Hinblick auf den Erstattungsanspruch des JobCenters am 09.09.2011 veranlasste Stopp der Auszahlung des Rentennachzahlungbetrags über 2.032,32 Euro (Blatt 65/66 der Beklagtenakte) wurde von der Deutschen Post – Renten Service abgelehnt (Schreiben vom 12.09.2011, Blatt 67 der Beklagtenakte), da die Zahlung bereits ausgeführt worden sei.
Die Beklagte teilte dem JobCenter nunmehr mit (Schreiben vom 23.09.2011, Blatt 69 der Beklagtenakte), da bei Bescheiderteilung der Erstattungsbetrag noch nicht geltend gemacht worden sei und der Leistungsbezug aus dem Rentenantrag nicht ersichtlich sei, habe sie die Rentennachzahlung bereits zur Zahlung angewiesen, der Erstattungsanspruch könne nicht erfüllt werden.
Das JobCenter forderte daraufhin vom Kläger die gezahlten Leistungen zurück (Blatt 70 der Akte des Jobcenters), wogegen sich der Kläger mit Widerspruch erfolgreich wandte (Blatt 101 der Akte des Jobcenters).
Das JobCenter verlangte mit Schreiben vom 26.06.2012 (Blatt 91 der Beklagtenakte) von der Beklagten erneut die Zahlung des Erstattungsbetrages. Ihr Erstattungsanspruch sei am 05.09.2011 bei der Beklagten eingegangen, die Rentennachzahlung sei am 07.09.2011 zur Auszahlung angewiesen worden, sodass diese erst nach dem Eingang des Erstattungsanspruchs ausgezahlt worden sei und die Beklagte daher nicht befreiend an den Kläger habe zahlen können.
Das JobCenter teilte auf Nachfrage der Beklagten mit (Schreiben vom 30.08.2012, Blatt 101 der Beklagtenakte), der Kläger habe im August und September 2011 Alg II erhalten. Der Kläger habe keine Beträge an das JobCenter zurückgezahlt, müsse das auch nicht; das Widerspruchsverfahren sei abgeschlossen.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.09.2012 (Blatt 103 der Beklagtenakte) mit, die Rentennachzahlung sei für die Zeit vom 01.08.2011 bis 30.09.2011 i.H.v. 1.862,16 Euro zu Unrecht erfolgt. Neben der Rentenzahlung habe er auch Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende bezogen und somit Sozialleistungen in voller Höhe doppelt erhalten. Das JobCenter mache für diesen Zeitraum einen Erstattungsanspruch i.H.v. 1.862,16 Euro geltend. Es sei beabsichtigt, den zu Unrecht gezahlten Betrag i.H.v. 1.826,16 Euro nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückzufordern.
Mit Schreiben vom 18.09.2012 (Blatt 105 der Beklagtenakte) rechnete die Beklagte den Erstattungsanspruch über 1.862,16 Euro mit dem JobCenter ab.
Der Kläger teilte mit anwaltlichem Schreiben vom 19.09.2012 (Blatt 106/10113 der Beklagtenakte) mit, er habe seine Mitteilungspflichten nicht verletzt. Er habe dem JobCenter bei der Antragstellung auf Alg II am 13.07.2011 angegeben, dass er Altersrente für Schwerbehinderte beantragt habe. Das JobCenter habe somit Kenntnis von dem Rentenantrag gehabt. Er habe den Betrag verbraucht.
Mit Bescheid vom 07.11.2012 (Blatt 125/126 der Beklagtenakte) forderte die Beklagte vom Kläger die Erstattung von 1.862,16 Euro nach § 50 Abs. 2 SGB X. Der Betrag sei zu Unrecht ausbezahlt worden, weil der Kläger vom 01.08.2011 bis 30.09.2011 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom JobCenter erhalten habe und deshalb ein Erstattungsanspruch auf die Nachzahlung i.H.v. 1.862,16 Euro bestehe. Die vom Kläger in der Anhörung mitgeteilten Gründe seien bei der Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden, seien aber nicht geeignet, von der Rückforderung abzusehen.
Mit Schreiben vom 20.12.2012 (Blatt 130 der Beklagtenakte) beantragte der anwaltlich vertretene Kläger den Bescheid vom 07.11.2012 nach § 44 SGB X auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14.03.2013 (Blatt 134 der Beklagtenakte) die Rücknahme des Bescheids vom 07.11.2012 ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2013 (Blatt 146 der Beklagtenakte) den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 10.04.2013 (Blatt 139 der Beklagtenakte) zurück.
Der Kläger hat am 24.07.2013 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage erhoben. Er habe seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt, sondern dem JobCenter erklärt, dass er eine Altersrente für Schwerbehinderte beantragt habe. Er habe die Gelder gutgläubig verbraucht. Das JobCenter habe ihm versichert, er müsse sich nicht bezüglich der Leistungserstattung zwischen den Sozialversicherungsträgern kümmern. Die Verrechnung finde zwischen den Leistungsträgern statt.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2017 hat das SG den Bescheid vom 14.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2013 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, auch den Bescheid vom 07.11.2012 aufzuheben. Rechtsgrundlage dieser Entscheidung sei § 44 Abs. 1 SGB X. Es komme auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 07.11.2012 an. Dieser basiere auf § 50 Abs. 2 SGB X. Die §§ 45 und 48 SGB X gälten entsprechend. Ausgehend von § 45 SGB X erweise sich der Bescheid vom 07.11.2012 jedenfalls wegen einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens als rechtswidrig. Soweit eine Behörde ermächtigt sei, nach ihrem Ermessen zu handeln, sei Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht sei. Da die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt habe, liege kein Ermessensnichtgebrauch vor. Auch seien Anhaltspunkte für eine Ermessensunterschreitung oder eine Ermessensüberschreitung nicht ersichtlich. Allerdings liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, weil die Beklagte nicht alle relevanten Umstände in ihre Abwägung einbezogen habe. Die Beklagte habe ihr erhebliches Verschulden am Auskehren der Rentennachzahlung an den Kläger ohne Berücksichtigung eines Erstattungsanspruches für die Monate August und September 2011 nicht in die Abwägung eingestellt. Ein Verschuldensvorwurf sei der Beklagten insoweit gleich in zweierlei Hinsicht zu machen. Erstens habe sie den angemeldeten Erstattungsanspruch des JobCenters nicht berücksichtigt, obwohl er vor der Auskehrung der Rentennachzahlung mitgeteilt worden sei. Die interne Postlaufzeit von 4 Tagen sei viel zu lang und gehe zu Lasten der Beklagten. Sie habe Sorge dafür zu tragen, dass eingehende Post unmittelbar an die richtigen Stellen gelange. Zweitens habe der Kläger im Rentenantrag einen Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angegeben und insoweit keine Änderung mitgeteilt. In Kombination mit dem ebenfalls mitgeteilten Umzug und der Anmeldung eines Anspruches des Sozialzentrums M. N. nur für den Monat Juli 2011 habe die Beklagte vor einer Auszahlung an den Kläger zunächst nachfragen müssen, wovon er in den Monaten August und September 2011 gelebt habe. In der vorliegenden Konstellation erscheine ein Leistungsbezug beim nunmehr örtlich zuständigen JobCenter nämlich sehr wahrscheinlich. Dies habe die Beklagte auch vor Erlass des zu überprüfenden Rückforderungsbescheides selbst erkannt. Ohne diese Fehler wäre es nicht zu der Überzahlung gekommen. Außerdem habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass , wonach weiterhin ein SGB II Bezug bestehe und lediglich eine Änderung der leistenden Behörde vorliege. Wenn man den Kläger insoweit für verpflichtet halte, liege nur ein geringes Verschulden vor, da er genug Mitteilungen an die Beklagte gemacht (und über das Jobcenter veranlasst), habe um die Beklagte bei normalem Geschäftsgang in die Lage zu versetzen, eine Überzahlung zu verhindern. Bereits deshalb sei der Bescheid vom 07.11.2012 rechtswidrig und im Wege des Überprüfungsverfahrens aufzuheben.
Gegen den ihr am 13.04.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 05.05.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die Auffassung des SG sei unzutreffend. Der Kläger habe selbst dann keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2012, wenn dieser Bescheid tatsächlich mit einem Ermessensfehler behaftet sein sollte oder nicht hätte auf § 50 Abs. 2 SGB X gestützt werden dürfen, was aus der Rechtsprechung des BSG folge. Es sei danach nicht Sinn und Zweck des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X, dem Antragsteller mehr zu gewähren, als ihm nach materiellem Recht zustehe. Daher könnten nur bei Verletzung des materiellen Rechts Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sein. Die Auszahlung der Rentennachzahlung an den Kläger sei im Umfang von 1.862,16 Euro wegen des Bestehens eines Erstattungsanspruches nach § 104 SGB X iV.m. § 40a SGB II zu Unrecht erfolgt, weil der Anspruch des Klägers gemäß § 107 SGB X insoweit bereits als erfüllt galt. Die vom Kläger begehrte Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2012 stünde also nicht im Einklang mit dem materiellen Recht. Eine Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2002 im Rahmen des § 44 SGB X sei deshalb ausgeschlossen. Der Überprüfungsantrag des Klägers sei daher mit dem Bescheid vom 14.03.2013 zu Recht zurückgewiesen worden.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.04.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat das JobCenter befragt und dessen Akten beigezogen (zur Auskunft des JobCenter vgl. Schreiben vom 16.08.2017, Blatt 16/17 der Senatsakte).
Im nichtöffentlichen Termin vom 01.12.2017 (zur Niederschrift vgl. Blatt 29/34 der Senatsakte) haben die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich (Kläger zahlt 1.000 Euro durch Einbehalt von Monatsraten zu 100 Euro aus der laufenden Rente an die Beklagte) geschlossen.
Mit Schreiben vom 14.12.2017 (Blatt 35 der Senatsakte) hat die Beklagte, der Kläger hat mit Schreiben vom 18.12.2017 (Blatt 36/37 der Senatsakte) den Vergleich widerrufen.
Der Kläger hat ausgeführt, er sei davon ausgegangen, dass er alles richtig gemacht und versucht habe, allen Beteiligten alles zu melden. Er habe die Beklagte über seinen Umzug informiert u SGB II-Bezug sei. Es müsse doch auch klar gewesen sein, dass er nach dem Umzug von irgendetwas leben musste. Auch das JobCenter habe er gleich bei Antragstellung informiert, dass er einen Antrag auf Altersrente bei dem Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt habe. Er habe sodann den Rentenbescheid dem JobCenter gleich vorbei gebracht. Dort habe man ihm versichert, er müsse sich um nichts kümmern und es würde direkt zwischen dem Jobcenter und der Beklagten geklärt werden. Er habe sich hierauf verlassen und auch das Abrechnungsschreiben der Beklagten nicht auf die Richtigkeit überprüft. Schließlich sei er davon ausgegangen, dass das JobCenter sich bereits an die Beklagte gewandt habe. Die Tatsache, dass dies auf dem Abrechnungsschreiben nicht vermerkt war, habe ihn nicht stutzig gemacht, sondern er sei davon ausgegangen, dass dies bereits erfüllt worden sei und daher nicht aufgeführt worden war. Er sei auch der Rechtsansicht, dass es sich bei dem Abrechnungsschreiben um einen Verwaltungsakt handele und dieser gerade nicht durch den Bescheid vom 07.11.12 aufgehoben worden sei.
Die Beklagte hat ausgeführt, ihr sei bewusst, dass die Frage der Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf bestandskräftige Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, bei deren Erlass vertrauensschützende Verfahrensvorschriften des SGB X fehlerhaft angewandt worden seien, in Literatur und Rechtsprechung nach wie vor umstritten sei. Vorliegend komme es auf die Beantwortung dieser Frage aber letztlich nicht an, weil der Bescheid vom 07.11.2012 nicht mit einem Ermessensfehler behaftet sei. Nach der Rechtsprechung des BSG liege ein Ermessensfehlgebrauch nicht vor, wenn die Behörde im Fall des erfüllten Tatbestandes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ein Mitverschulden ihrerseits bei der Ermessensausübung unberücksichtigt lasse. Da in der Person des Klägers der Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt sei, erweise sich der Bescheid der Beklagten vom 07.11.2012 somit nicht als ermessensfehlerhaft. Im Weiteren sei sie nach wie vor der Ansicht, dass es sich bei der mit Schreiben vom 07.09.2011 vorgenommenen Abrechnung der Rentennachzahlung nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handele und der Erstattungsanspruch gegenüber dem Kläger somit nach § 50 Abs. 2 SGB X zu beurteilen sei. Eine Regelung sei in der Abrechnungsmitteilung nicht getroffen worden. Dass dem Kläger nur noch ein geringerer Rentennachzahlungsbetrag zustehe, ergebe sich daraus, dass der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X von dem im Rentenbescheid vom 09.08.2011 ausgewiesenen Nachzahlungsbetrag in Abzug gebracht werde. Bereits bei der Mitteilung der Höhe des in einem Rentenbescheid ausgewiesenen Nachzahlungsbetrags treffe die Behörde keine Regelung. Es handele sich nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.01.2011 nur um einen bloßen Hinweis. In der Mitteilung über die Abrechnung der Rentennachzahlung vom 07.09.2011 würden der Nachzahlungszeitraum sowie der Nachzahlungsbetrag aus dem Rentenbewilligungsbescheid vom 09.08.2011 lediglich wiederholt. Dieser Wiederholung komme ebenfalls kein Regelungswert zu. Auch habe im Zeitpunkt der Abrechnung der Rentennachzahlung objektiv bereits festgestanden, dass letztlich nur noch ein geringerer Nachzahlungsbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehe. Es habe daher keiner weiteren Entscheidung bedurft. Das Tätigwerden beschränkte sich darauf, eine Rechenoperation vorzunehmen, indem der Betrag des Erstattungsanspruchs vom Rentennachzahlungsbetrag in Abzug gebracht worden sei. Das Durchführen einer Rechenoperation und das Mitteilen des Rechenergebnisses sei schlichtes Verwaltungshandeln und stelle keine Regelung dar. Auch das BSG halte das Schreiben über die Abrechnung der Rentennachzahlung nicht für einen Verwaltungsakt beziehungsweise eine Regelung. Vielmehr deklarierte es selbst das Schreiben als "Mitteilungsschreiben". Auch weitere Rechtsprechung bestätige, dass sich der Erstattungsanspruch bei der vorliegenden Fallgestaltung nach § 50 Abs. 2 SGB X richte.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 44, 45 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2013, mit dem es die Beklagte abgelehnt hatte, den Bescheid vom 07.11.2012 zurückzunehmen, ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Satz 1 SGB X. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist danach der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Beim Bescheid vom 07.11.2012 handelt es sich zwar um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X, nachdem die Beklagte mit diesem die Erstattungspflicht, mithin eine Zahlungspflicht des Klägers über 1.862,14 Euro begründet hatte. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Rücknahme dieses Verwaltungsaktes.
Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des BSG § 44 SGB X nicht die Aufgabe hat, dem Betroffenen mehr zu geben, als ihm nach materiellem Recht zusteht. Dieser Grundsatz wurde zuletzt vom BSG in seiner Entscheidung vom 03.05.2018 (B 11 AL 3/17 R) bestätigt. Insofern hat das BSG bereits entschieden, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts und dem Nichterbringen der an sich zustehenden Sozialleistung bestehen muss. Das zu beachtende Gebot, der materiellen Gerechtigkeit zum Erfolg zu verhelfen, bedeutet, dass einem Betroffenen im Zugunstenverfahren (nur) diejenige Leistung zu erbringen ist, die ihm nach materiellem Recht bei von Anfang an zutreffender Rechtsanwendung zugestanden hätte (so auch BSG 22.03.1989 – 7 RAr 122/87 – SozR 1300 § 44 Nr. 38 = juris). Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes und dem Nichterbringen der an sich zustehenden Sozialleistung lässt sich nur anhand der materiellen Rechtslage beurteilen, so dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X dahin zu verstehen ist, dass die vorenthaltenen Sozialleistungen materiell zu Unrecht nicht erbracht worden sind. So hat auch das BSG ausgeführt, dass es nicht Sinn des Zugunstenverfahrens ist, für die Vergangenheit oder für die Zukunft mehr zu gewähren, als nach materiellem Recht zustehe (BSG 24.04.2014 – B 13 R 3/13 R – SozR 4-1300 § 44 Nr. 30 = juris).
Die Regelung des § 44 SGB X findet entsprechende Anwendung, soweit mit einem Aufhebungsbescheid i.S.d. §§ 45, 48 SGB X eine Leistungsbewilligung zurückgenommen worden ist (BSG 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R – BSGE 115, 121-126 = SozR 4-1300 § 44 Nr. 29 = SozR 4-4200 40 Nr. 6 = juris RdNr. 14; BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris; BSG 28.05.1997 – 14/10 RKg 25/95 - SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 = juris; BSG 12.12.1996 – B 11 Rar 31/96 - BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 19 = juris RdNr. 16; BVerwGE 97, 103, 107; Senatsurteil vom 20.02.2015 – L 8 AL 2518/14 – juris; Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr. 73; Schütze in von Wulffen/Schütze, 8. Auflage 2014, § 44 RdNr 16 f; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 23; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 08/16, § 44 RdNr. 70/72; a.A. Steinwedel in KassKomm, § 44 RdNr. 42, Stand Juni 2016). Die entsprechende Anwendung folgt aus dem Regelungszweck der Vorschrift, die nicht nur Fälle erfasst, in denen den Betroffenen ein rechtlicher Nachteil durch unrechtmäßiges Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen der Bürger zwar Sozialleistungen erhalten hat, die Leistungsbewilligung nachträglich jedoch zurückgenommen worden ist (BSG 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R – a.a.O.). Insoweit ist diejenige Vorschrift des § 44 SGB X entsprechend anzuwenden, die auch bei der "Überprüfung" der Leistungsbewilligung gegolten hätte, jedenfalls, wenn wie hier die Leistungsbewilligung aufgehoben und zugleich die gewährte Leistung zurückgefordert wird (BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris; BSG 12.12.1996 – B 11 Rar 31/96 - BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 19 = juris; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr. 23; vgl. auch Senatsurteil vom 16.12.2016 – L 8 AL 4082/15 – juris, nachfolgend BSG vom 03.05.2018 B 11 AL 3/17 R).
Nach materiellem Recht stand dem Kläger aber kein Anspruch auf die ihm von der Beklagten im Rahmen der Rentennachzahlung i.H.v. 2.032,32 Euro gezahlten 1.862,16 Euro zu. Denn sein Anspruch auf Gewährung der Altersrente in den Monaten August 2011 und September 2011 war i.H.v. 1.862,16 Euro (08/11: 1.016,16 Euro; 09/11: 846,00 Euro) durch Inempfangnahme des vom JobCenter gezahlten Alg II in dieser Höhe nach § 107 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 40a SGB II erloschen.
Nach § 107 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 40a SGB II gilt folgendes: Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.
Vorliegend hatte nach § 104 Abs.1 SGB X i.V.m. § 40a SGB II ein Erstattungsanspruch des JobCenter gegen die Beklagte bestanden, weil das JobCenter derselben Person für denselben Zeitraum kongruente und gegenüber der Altersrente der Beklagten nachrangige Sozialleistungen (vgl. §§ 5, 7, 9, 1, 11a SGB II) erbracht hatte. Der Erstattungsanspruch war auch weder nach § 111 SGB X ausgeschlossen noch nach § 104 Abs. 1 SGB X nicht entstanden. Denn danach besteht ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht, soweit der erstattungspflichtige Leistungsträger bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen, erstattungsberechtigten Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Vorliegend hatte die Beklagte am 05.09.2011 Kenntnis von der Leistung des JobCenters und damit vor Auskehrung der eigenen Rentenleistung mit Abrechnungsschreiben vom 07.09.2011, denn es ist insoweit nicht auf den Kenntnisstand des mit der Abrechnung des Erstattungsanspruchs betrauten Bediensteten abzustellen. Für die Kenntnis i.S.d. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X genügt es nach der Rechtsprechung des BSG allgemein, dass ein Schreiben in den Geschäftsgang der benachrichtigten Behörde gelangt ist (BSG 18.10.1991 – 9b/7 RAr 12/88 – juris; a.A. z.B. Böttiger in LPK-SGB X, 4. Auflage, vor §§ 102 ff. RdNr. 40 und Prange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage, § 105 SGB X, RdNr. 43), was bei der Beklagten vorliegend bereits am 05.09.2011 der Fall war, sodass die Beklagte als Behörde vor der Auszahlung der Rentennachzahlung an den Kläger am 07.09.2011 Kenntnis von der Leistung des JobCenters an den Kläger hatte und der Erstattungsanspruch nicht ausgeschlossen ist.
Besteht daher ein Erstattungsanspruch des JobCenters wegen kongruent erbrachter, nachrangiger Sozialleistungen für die Zeit vom 01.08.2011 bis zum 30.09.2011 i.H.v. 1.862,16 Euro (für 08/11: 1.016,16 Euro; für 09/11: 846,00 Euro) war der Rentenanspruch des Klägers nach § 107 Abs. 1 SGB X bereits durch diese Sozialleistungserbringung erloschen, sodass er keinen Anspruch auf die Rentennachzahlung in dieser Höhe hatte.
Dem Kläger steht damit die Rentennachzahlung i.H.v. 1.862,16 Euro schon nach materiellem Recht nicht zu. Der Senat lässt dahinstehen, ob in einer analogen Anwendung des § 44 SGB X eine Rücknahme des Erstattungsbescheid vom 07.11.2012 bereits deshalb nicht begehrt werden kann, worauf die bislang nur mit Pressemitteilung bekannt gegebene Entscheidung des BSG vom 03.05.2018 – B 11 AL 3/17 R – hindeuten könnte. Zu bedenken wäre aber, dass der nach § 44 SGB X zu überprüfende bestandskräftige Bescheid einen belastenden Verwaltungsakt darstellt, der in bestandskräftig festgestellte Rechte des Versicherten eingreift. Die gesetzliche Ermächtigung in §§ 48, 45 SGB X eröffnet die Ausübung hoheitlicher belastender Maßnahmen nur unter den dort geregelten Tatbeständen des Vertrauensschutzes, weshalb diese Vertrauensschutztatbestände materielles Recht für den "Eingriffsakt" sind, d.h. zu Unrecht erhaltene Sozialleistungen sind gegebenenfalls nicht zurückzugeben, wenn schutzwürdiges Vertrauen im Sinne der Regelung der §§ 48, 45 SGB X besteht. Es dürfte nicht ganz verständlich sein, wenn im Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erfolgreich Vertrauensschutz geltend gemacht werden könnte, im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X dem bestandskräftigen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid dies aber nicht entgegengehalten werden kann; hier ist die Rückgängigmachung eines unzulässigen Eingriffs in geschützte Rechte Gegenstand, nicht die Frage einer einmal zu Unrecht erhaltenen Sozialleistung. Insoweit unterscheiden sich diese Fallkonstellationen von derjenigen, die dem bislang nur der Presse zu entnehmenden Urteil des BSG vom 03.05.2018 (a.a.O.) zu Grunde lag. Eine unterbliebene Anhörung, die ersichtlich auch bei zulässig durchgeführter oder nachgeholter Anhörung zu keiner anderen Aufheb, ohne materielles Recht im Sinne von §§ 48 und 45 SGB X zu berühren.
Demgegenüber war der Bescheid vom 07.11.2012 jedoch nicht rechtswidrig, sodass dem SG auch aus anderen Gründen nicht zu folgen ist.
Die Abrechnung der Rentennachzahlung mit Schreiben vom 07.09.2011 beinhaltete keinen eigenständigen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X. Insoweit folgt der Senat nicht der Rechtsprechung des 10. Senats (Urteil vom 14.07.2016 – L 10 R 2514/15 – juris) und anderer LSG (z.B. Bayerisches LSG 27.06.2017 – L 13 R 171/15 – juris). Vielmehr folgt der Senat mit anderen LSG (z.B. Sächsisches LSG 15.03.2016 – L 5 R 463/13 – juris) der Rechtsprechung des BSG (BSG 25.012011 – B 5 R 14/10 R –, SozR 4-1300 § 63 Nr. 15 = juris), wonach die Mitteilung über die Abrechnung der Rentennachzahlung weder materiell noch formell als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Auch vorliegend trifft die Abrechnungsmitteilung vom 07.09.2011 keine Regelung, etwa zur Verzinsung des Nachzahlungsbetrags. Denn eine Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X ist darauf gerichtet, mit unmittelbarer Rechtswirkung subjektive Rechte (oder Pflichten) des Adressaten verbindlich zu begründen, festzustellen, zu ändern, aufzuheben oder abzulehnen. Eine derartige Festlegung oder Ablehnung von Ansprüchen enthält das Mitteilungsschreiben weder ausdrücklich noch sinngemäß. So befasst sich das Schreiben nach der Betreffzeile und dem weiteren Inhalt ausschließlich mit der Auszahlung des Nachzahlungsbetrags. Es bekräftigt lediglich, dass der Nachzahlungsbetrag i.H.v. 3.048,48 Euro einbehalten und zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs an die Arbeitsgemeinschaft Sozialzentrum, M. N. B. , für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.07.2011 1.016,16 Euro abgeführt worden sei. Das Schreiben informiert mithin also lediglich über den (ermittelten) Sachverhalt, ohne damit gleichzeitig Zinsansprüche zuzusprechen oder zu versagen. Ob ein Versicherter ein Schreiben der Beklagten als bloße Mitteilung oder nach dem von der Beklagten darin zum Ausdruck gebrachten Willen als Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X verstehen musste, ist nach seiner Form, Wortlaut und Inhalt aus dem "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten auszulegen (BSG 13.08.2014 - B 6 KA 38/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 47, zuletzt BSG 11.04.2018 – B 5 R 366/17 B – juris). Vorliegend war die Höhe der Nachzahlung bereits durch den Rentenbescheid festgestellt worden, sodass auch ein lediglich durchschnittlich verständiger Beteiligter, der die Einzelfallumstände und Zusammenhänge kennt, die die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat, dieses Schreiben nicht als Verwaltungsakt verstehen musste. So hat die Beklagte weder verwaltungsaktstypische Begriffe verwendet, noch sonst den Eindruck erweckt, es handele sich um einen Verwaltungsakt. Der Senat konnte insoweit feststellen, dass auch der Kläger dieses Schreiben nicht als Verwaltungsakt verstanden hatte.
War damit die Rentennachzahlung nicht durch Verwaltungsakt ausgekehrt worden, erfolgt die Erstattung nach § 50 Abs. 2 SGB X, dessen Voraussetzungen das SG zwar zutreffend dargestellt, nicht aber zutreffend angewandt hatte.
Im Rahmen der Feststellung der Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 2 SGB X gilt der vorliegend einschlägige § 45 SGB X entsprechend.
Insoweit hat das SG nicht berücksichtigt, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit der Abrechnung mit Schreiben vom 07.09.2011 nicht aufgefallen war, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, mithin grob fahrlässig nicht erkannt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Der Senat neigt angesichts der Angaben des Klägers, die Abrechnung erladen zu haben , aber im Vertrauen auf die angebliche Mitteilung des JobCenters nicht stutzig geworden zu sein, eher sogar zur Kenntnis des Klägers von Rechtswidrigkeit der Abrechnung.
Der Kläger war als gelernter Einzelhandelskaufmann objektiv und subjektiv in der Lage das Abrechnungsschrieben der Beklagten vom 07.09.2011 zu verstehen und zu erkennen, dass Erstattungsforderungen des JobCenters (L. ) nicht berücksichtigt worden waren. So ist ausdrücklich nur ein Erstattungsanspruch des Sozialzentrums M. N. für den Juli 2011 aufgeführt. Ein Erstattungsanspruch des JobCenters war – obwohl ihm die behördeninterne Erstattung angeblich von den Mitarbeitern des JobCenters zugesagt worden war – nicht aufgeführt. Dass der Kläger nicht zugleich Altersrente und SGB II-Leistungen in voller Höhe beziehen konnte, war dem Kläger bekannt und bewusst. Denn ansonsten machten seine vorgetragenen Bemühungen, dem JobCenter den Rentenantrag mitzuteilen und sich nach einer behördeninternen Erstattung zu erkundigen, keinen Sinn. Hat der Kläger also nach seinem eigenen Vortrag gewusst, dass eine behördeninterne Erstattung erfolgt und hat er diese auf dem Abrechnungsschreiben nicht feststellen können, so hat er gegen das verstoßen, was von jedem auch nur durchschnittlich denkenden Menschen erwartet werden kann, nämlich der Kläger hat sich bewusst der Einsicht verschlossen, dass das Abrechnungsschreiben falsch ist. Insoweit macht auch sein Vortrag Sinn, er habe sich auf die Auskunft verlassen und das Abrechnungsschreiben der Beklagten nicht auf die Richtigkeit überprüft. Hat er das Abrechnungsschreiben in Kenntnis dessen, dass ein Erstattungsanspruch des JobCenters "behördenintern", mithin im Wege des Erstattungsanspruchs zu erfüllen war, nicht geprüft, hat er grob fahrlässig gehandelt, zumal er gemerkt hatte, dass die Abrechnung des Erstattungsanspruchs des JobCenters fehlt. Dies spricht sogar für ein vorsätzliches Verschweigen (dolus eventualis), zumindest jedoch für bewusste Fahrlässigkeit (Handlung in Kenntnis der Umstände im Vertrauen auf den Nichteintritt des absehbaren Erfolgs), was die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit erfüllt. Dass der Kläger das Fehlen dieses Erstattungsanspruchs bei der Rentenabrechnung bemerkt hatte, ergibt sich daraus, dass er selbst vorgetragen hatte, deswegen nicht stutzig geworden zu sein. Damit hat der Kläger aber die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, mithin grob fahrlässig nicht erkannt, dass die Abrechnung falsch und deswegen rechtswidrig war. Er genießt daher nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X keinen Schutz seines Vertrauens in das Behaltendürfen der Rentennachzahlung.
Soweit das SG meint, die Beklagte habe im Rahmen ihres Ermessens auch berücksichtigen müssen, dass sie selbst ein Organisationsverschulden treffe, weil sie die Bearbeitung des am 05.09.2011 eingegangenen Erstattungsgesuchs des JobCenters nicht bis zur Abrechnung am 07.09.2011 gewährleisten konnte und – ohne weitere Angaben des Klägers – dessen fortbestehenden Alg II-Bezug hätte vorhersehen müssen, folgt der Senat dem SG nicht. Einen fortbestehenden Alg II-Bezug über einen Umzug hinaus muss die Beklagte nicht erahnen, zumal der Kläger ihr gegenüber keine weiteren Angaben gemacht hatte. Auch das Erstattungsgesuch des Sozialzentrums M. N. hat keinen Anlass gegeben, einen weiteren Alg II-Bezug zu erahnen. Die Beklagte musste insoweit nicht aus dem Vorbezug von SGB II-Leistungen und dem erst später einsetzenden laufenden Rentenbezug ableiten, dass weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu beanspruchen waren. Auch eine Pflicht nachzufragen, wie sie das SG aus dem Vermerk vom 14.08.2012 (Blatt 93 der Beklagtenakte) bestätigt sieht, besteht nicht. Vielmehr wäre es Aufgabe des Klägers gewesen (§ 60 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 bzw. 2 SGB I), der Beklagten nicht nur den Umzug, sondern den Bezug von Alg II auch im August und September 2011 mitzuteilen. Dass sich der Kläger zur Erledigung dieser Obliegenheiten auf Dritte, hier das JobCenter L. , verlassen hat, geht zu seinen Lasten. Er trägt die Verantwortung und das Risiko für die Erledigung der Obliegenheit bei Einschaltung Dritter.
Soweit das SG eine interne Postlaufzeit von 4 Tagen als zu lang ansieht, übersieht es, dass es ausgehend von dem Eingang des Erstattungsanspruchs am 05.09.2011 und der Abrechnung der Rentennachzahlung am 07.09.2011 gerade keinen Postlaufweg von 4 Tagen verlangt, sondern eine Postlaufzeit von 2 Tagen. Eine solch kurze Postlaufzeit kann aber in den Behörden der sozialrechtlichen Massenverwaltung mit einer Unzahl an Mitarbeitern nur in Ausnahmefällen verlangt werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt jedenfalls hier nicht vor; so war z.B. das Erstattungsschreiben des JobCenters auch nicht mit dem Hinweis auf eine eilige Bearbeitung versehen und die Beklagte musste auch nicht mit dem Eingang eines weiteren Erstattungsanspruchs rechnen, sodass kein Anhalt bestand, das Schreiben schneller als im gewöhnlichen Geschäftsgang zu bearbeiten.
Mithin kann der Senat dem SG, das gerade wegen der Nichtberücksichtigung dieser Aspekte im Rahmen der Ermessenausübung den Bescheid vom 07.11.2012 als rechtswidrig erachtet hatte, nicht folgen. Vielmehr trifft die Beklagte keine, auch keine größere Schuld als den Kläger, sodass die Frage des Verschuldens bzw. Mitverschuldens im Rahmen der Ermessenerwägungen nicht, schon gar nicht gesteigert zu berücksichtigen war sondern im Rahmen der gewöhnlichen und vorliegend vorgenommenen Ermessenausübung, bei der die Beklagte berücksichtigt hatte, dass der Kläger angegeben hatte, den Rentenantrag dem JobCenter mitgeteilt und von dort die Auskunft der "behördeninternen" Erstattung bekommen zu haben, ausreichend abgewogen war.
Auch durfte die Beklagte im Rahmen des § 50 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 und 4 SGB X die Erstattung in der Vergangenheit erbrachter Leistungen verlangen. Schon die Erstattung von Leistungen bedeutet, dass es sich um die Rückabwicklung in der Vergangenheit erbrachter Leistungen handelt – eine Erstattung nach § 50 Abs. 2 SGB X erst zukünftiger Leistungen erscheint eher als unmöglich -, so liegen mit der vom Senat festgestellten Fallkonstellation des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit vor; nach Eingang der Antwort des Klägers vom 19.09.2012 auf seine Anhörung hat die Beklagte auch innerhalb eines Jahres, nämlich am 07.12.2012, über die Erstattungspflicht entschieden.
Damit stellt sich der Verwaltungsakt vom 07.11.2012 insgesamt als rechtmäßig dar und war daher nicht nach § 44 Abs. 1 Satz1 SGB X zurückzunehmen.
Konnte der Senat damit nicht feststellen, dass der Kläger i.S.d. § 44 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 07.11.2012 hat, war der Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 07.11.2012 zusteht.
Der 1951 geborene, verheiratete Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann. Er wohnte in L. , von wo aus er am 16.06.2011 (Blatt 8/12 der Beklagtenakte) bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen beantragte (zum Schwerbehindertenausweis vgl. Blatt 19 der Beklagtenakte). In diesem Antrag gab er Beschäftigungen bis 31.12.2009 an.
Am 01.08.2011 machte das Sozialzentrum M. N. , B. , einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X geltend (Blatt 34/36 der Beklagtenakte). Der Kläger habe vom 01.04.2011 bis 31.07.2011 Leistungen nach dem SGB II erhalten. Mit Schreiben vom 18.08.2011 (Blatt 55/56 der Beklagtenakte) rechnete das Sozialzentrum M. N. den Erstattungsanspruch für Juli 2011 ab (Regelleistung inklusive KdU: 1.016,16 Euro; KV/PV-Beiträge: 0,00 Euro) und bat um Überweisung des Gesamtbetrages von 1.016,16 Euro.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 09.08.2011 (Blatt 48/51 der Akte des JobCenters), den die Beklagte nunmehr nach dem Umzug des Klägers nach M. an dessen neue Adresse versandte, die beantragte Altersrente ab 01.07.2011; die Nachzahlung für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 30.09.2011 über 3.048,48 Euro behielt die Beklagte vorläufig ein.
Am 05.09.2011 (Schreiben vom 31.08.2011; Blatt 62/63 der Beklagtenakte) machte das JobCenter Landkreis L. (JobCenter) einen Erstattungsanspruch für von diesem erbrachte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.08.2011 bis 30.09.2011 über 1.862,16 Euro (08/11: 1.016,16 Euro; 09/11: 846,00 Euro) geltend.
Mit einem als "Abrechnung der Rentennachzahlung" bezeichneten Schreiben vom 07.09.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die einbehaltene Rentennachzahlung betrage für den Zeitraum 01.07.2011 bis zum 30.09.2011 3.048,48 Euro. Davon habe sie zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Arbeitsgemeinschaft Sozialzentrum, M. N. B. , für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.07.2011 1.016,16 Euro überwiesen. Die Rentennachzahlung betrage 2,032,32 Euro, der Betrag werde auf das Konto des Klägers überwiesen.
Der von der Beklagten im Hinblick auf den Erstattungsanspruch des JobCenters am 09.09.2011 veranlasste Stopp der Auszahlung des Rentennachzahlungbetrags über 2.032,32 Euro (Blatt 65/66 der Beklagtenakte) wurde von der Deutschen Post – Renten Service abgelehnt (Schreiben vom 12.09.2011, Blatt 67 der Beklagtenakte), da die Zahlung bereits ausgeführt worden sei.
Die Beklagte teilte dem JobCenter nunmehr mit (Schreiben vom 23.09.2011, Blatt 69 der Beklagtenakte), da bei Bescheiderteilung der Erstattungsbetrag noch nicht geltend gemacht worden sei und der Leistungsbezug aus dem Rentenantrag nicht ersichtlich sei, habe sie die Rentennachzahlung bereits zur Zahlung angewiesen, der Erstattungsanspruch könne nicht erfüllt werden.
Das JobCenter forderte daraufhin vom Kläger die gezahlten Leistungen zurück (Blatt 70 der Akte des Jobcenters), wogegen sich der Kläger mit Widerspruch erfolgreich wandte (Blatt 101 der Akte des Jobcenters).
Das JobCenter verlangte mit Schreiben vom 26.06.2012 (Blatt 91 der Beklagtenakte) von der Beklagten erneut die Zahlung des Erstattungsbetrages. Ihr Erstattungsanspruch sei am 05.09.2011 bei der Beklagten eingegangen, die Rentennachzahlung sei am 07.09.2011 zur Auszahlung angewiesen worden, sodass diese erst nach dem Eingang des Erstattungsanspruchs ausgezahlt worden sei und die Beklagte daher nicht befreiend an den Kläger habe zahlen können.
Das JobCenter teilte auf Nachfrage der Beklagten mit (Schreiben vom 30.08.2012, Blatt 101 der Beklagtenakte), der Kläger habe im August und September 2011 Alg II erhalten. Der Kläger habe keine Beträge an das JobCenter zurückgezahlt, müsse das auch nicht; das Widerspruchsverfahren sei abgeschlossen.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.09.2012 (Blatt 103 der Beklagtenakte) mit, die Rentennachzahlung sei für die Zeit vom 01.08.2011 bis 30.09.2011 i.H.v. 1.862,16 Euro zu Unrecht erfolgt. Neben der Rentenzahlung habe er auch Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende bezogen und somit Sozialleistungen in voller Höhe doppelt erhalten. Das JobCenter mache für diesen Zeitraum einen Erstattungsanspruch i.H.v. 1.862,16 Euro geltend. Es sei beabsichtigt, den zu Unrecht gezahlten Betrag i.H.v. 1.826,16 Euro nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückzufordern.
Mit Schreiben vom 18.09.2012 (Blatt 105 der Beklagtenakte) rechnete die Beklagte den Erstattungsanspruch über 1.862,16 Euro mit dem JobCenter ab.
Der Kläger teilte mit anwaltlichem Schreiben vom 19.09.2012 (Blatt 106/10113 der Beklagtenakte) mit, er habe seine Mitteilungspflichten nicht verletzt. Er habe dem JobCenter bei der Antragstellung auf Alg II am 13.07.2011 angegeben, dass er Altersrente für Schwerbehinderte beantragt habe. Das JobCenter habe somit Kenntnis von dem Rentenantrag gehabt. Er habe den Betrag verbraucht.
Mit Bescheid vom 07.11.2012 (Blatt 125/126 der Beklagtenakte) forderte die Beklagte vom Kläger die Erstattung von 1.862,16 Euro nach § 50 Abs. 2 SGB X. Der Betrag sei zu Unrecht ausbezahlt worden, weil der Kläger vom 01.08.2011 bis 30.09.2011 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom JobCenter erhalten habe und deshalb ein Erstattungsanspruch auf die Nachzahlung i.H.v. 1.862,16 Euro bestehe. Die vom Kläger in der Anhörung mitgeteilten Gründe seien bei der Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden, seien aber nicht geeignet, von der Rückforderung abzusehen.
Mit Schreiben vom 20.12.2012 (Blatt 130 der Beklagtenakte) beantragte der anwaltlich vertretene Kläger den Bescheid vom 07.11.2012 nach § 44 SGB X auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14.03.2013 (Blatt 134 der Beklagtenakte) die Rücknahme des Bescheids vom 07.11.2012 ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2013 (Blatt 146 der Beklagtenakte) den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 10.04.2013 (Blatt 139 der Beklagtenakte) zurück.
Der Kläger hat am 24.07.2013 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage erhoben. Er habe seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt, sondern dem JobCenter erklärt, dass er eine Altersrente für Schwerbehinderte beantragt habe. Er habe die Gelder gutgläubig verbraucht. Das JobCenter habe ihm versichert, er müsse sich nicht bezüglich der Leistungserstattung zwischen den Sozialversicherungsträgern kümmern. Die Verrechnung finde zwischen den Leistungsträgern statt.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2017 hat das SG den Bescheid vom 14.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2013 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, auch den Bescheid vom 07.11.2012 aufzuheben. Rechtsgrundlage dieser Entscheidung sei § 44 Abs. 1 SGB X. Es komme auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 07.11.2012 an. Dieser basiere auf § 50 Abs. 2 SGB X. Die §§ 45 und 48 SGB X gälten entsprechend. Ausgehend von § 45 SGB X erweise sich der Bescheid vom 07.11.2012 jedenfalls wegen einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens als rechtswidrig. Soweit eine Behörde ermächtigt sei, nach ihrem Ermessen zu handeln, sei Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht sei. Da die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt habe, liege kein Ermessensnichtgebrauch vor. Auch seien Anhaltspunkte für eine Ermessensunterschreitung oder eine Ermessensüberschreitung nicht ersichtlich. Allerdings liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, weil die Beklagte nicht alle relevanten Umstände in ihre Abwägung einbezogen habe. Die Beklagte habe ihr erhebliches Verschulden am Auskehren der Rentennachzahlung an den Kläger ohne Berücksichtigung eines Erstattungsanspruches für die Monate August und September 2011 nicht in die Abwägung eingestellt. Ein Verschuldensvorwurf sei der Beklagten insoweit gleich in zweierlei Hinsicht zu machen. Erstens habe sie den angemeldeten Erstattungsanspruch des JobCenters nicht berücksichtigt, obwohl er vor der Auskehrung der Rentennachzahlung mitgeteilt worden sei. Die interne Postlaufzeit von 4 Tagen sei viel zu lang und gehe zu Lasten der Beklagten. Sie habe Sorge dafür zu tragen, dass eingehende Post unmittelbar an die richtigen Stellen gelange. Zweitens habe der Kläger im Rentenantrag einen Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angegeben und insoweit keine Änderung mitgeteilt. In Kombination mit dem ebenfalls mitgeteilten Umzug und der Anmeldung eines Anspruches des Sozialzentrums M. N. nur für den Monat Juli 2011 habe die Beklagte vor einer Auszahlung an den Kläger zunächst nachfragen müssen, wovon er in den Monaten August und September 2011 gelebt habe. In der vorliegenden Konstellation erscheine ein Leistungsbezug beim nunmehr örtlich zuständigen JobCenter nämlich sehr wahrscheinlich. Dies habe die Beklagte auch vor Erlass des zu überprüfenden Rückforderungsbescheides selbst erkannt. Ohne diese Fehler wäre es nicht zu der Überzahlung gekommen. Außerdem habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass , wonach weiterhin ein SGB II Bezug bestehe und lediglich eine Änderung der leistenden Behörde vorliege. Wenn man den Kläger insoweit für verpflichtet halte, liege nur ein geringes Verschulden vor, da er genug Mitteilungen an die Beklagte gemacht (und über das Jobcenter veranlasst), habe um die Beklagte bei normalem Geschäftsgang in die Lage zu versetzen, eine Überzahlung zu verhindern. Bereits deshalb sei der Bescheid vom 07.11.2012 rechtswidrig und im Wege des Überprüfungsverfahrens aufzuheben.
Gegen den ihr am 13.04.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 05.05.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die Auffassung des SG sei unzutreffend. Der Kläger habe selbst dann keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2012, wenn dieser Bescheid tatsächlich mit einem Ermessensfehler behaftet sein sollte oder nicht hätte auf § 50 Abs. 2 SGB X gestützt werden dürfen, was aus der Rechtsprechung des BSG folge. Es sei danach nicht Sinn und Zweck des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X, dem Antragsteller mehr zu gewähren, als ihm nach materiellem Recht zustehe. Daher könnten nur bei Verletzung des materiellen Rechts Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sein. Die Auszahlung der Rentennachzahlung an den Kläger sei im Umfang von 1.862,16 Euro wegen des Bestehens eines Erstattungsanspruches nach § 104 SGB X iV.m. § 40a SGB II zu Unrecht erfolgt, weil der Anspruch des Klägers gemäß § 107 SGB X insoweit bereits als erfüllt galt. Die vom Kläger begehrte Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2012 stünde also nicht im Einklang mit dem materiellen Recht. Eine Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2002 im Rahmen des § 44 SGB X sei deshalb ausgeschlossen. Der Überprüfungsantrag des Klägers sei daher mit dem Bescheid vom 14.03.2013 zu Recht zurückgewiesen worden.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.04.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat das JobCenter befragt und dessen Akten beigezogen (zur Auskunft des JobCenter vgl. Schreiben vom 16.08.2017, Blatt 16/17 der Senatsakte).
Im nichtöffentlichen Termin vom 01.12.2017 (zur Niederschrift vgl. Blatt 29/34 der Senatsakte) haben die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich (Kläger zahlt 1.000 Euro durch Einbehalt von Monatsraten zu 100 Euro aus der laufenden Rente an die Beklagte) geschlossen.
Mit Schreiben vom 14.12.2017 (Blatt 35 der Senatsakte) hat die Beklagte, der Kläger hat mit Schreiben vom 18.12.2017 (Blatt 36/37 der Senatsakte) den Vergleich widerrufen.
Der Kläger hat ausgeführt, er sei davon ausgegangen, dass er alles richtig gemacht und versucht habe, allen Beteiligten alles zu melden. Er habe die Beklagte über seinen Umzug informiert u SGB II-Bezug sei. Es müsse doch auch klar gewesen sein, dass er nach dem Umzug von irgendetwas leben musste. Auch das JobCenter habe er gleich bei Antragstellung informiert, dass er einen Antrag auf Altersrente bei dem Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt habe. Er habe sodann den Rentenbescheid dem JobCenter gleich vorbei gebracht. Dort habe man ihm versichert, er müsse sich um nichts kümmern und es würde direkt zwischen dem Jobcenter und der Beklagten geklärt werden. Er habe sich hierauf verlassen und auch das Abrechnungsschreiben der Beklagten nicht auf die Richtigkeit überprüft. Schließlich sei er davon ausgegangen, dass das JobCenter sich bereits an die Beklagte gewandt habe. Die Tatsache, dass dies auf dem Abrechnungsschreiben nicht vermerkt war, habe ihn nicht stutzig gemacht, sondern er sei davon ausgegangen, dass dies bereits erfüllt worden sei und daher nicht aufgeführt worden war. Er sei auch der Rechtsansicht, dass es sich bei dem Abrechnungsschreiben um einen Verwaltungsakt handele und dieser gerade nicht durch den Bescheid vom 07.11.12 aufgehoben worden sei.
Die Beklagte hat ausgeführt, ihr sei bewusst, dass die Frage der Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf bestandskräftige Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, bei deren Erlass vertrauensschützende Verfahrensvorschriften des SGB X fehlerhaft angewandt worden seien, in Literatur und Rechtsprechung nach wie vor umstritten sei. Vorliegend komme es auf die Beantwortung dieser Frage aber letztlich nicht an, weil der Bescheid vom 07.11.2012 nicht mit einem Ermessensfehler behaftet sei. Nach der Rechtsprechung des BSG liege ein Ermessensfehlgebrauch nicht vor, wenn die Behörde im Fall des erfüllten Tatbestandes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ein Mitverschulden ihrerseits bei der Ermessensausübung unberücksichtigt lasse. Da in der Person des Klägers der Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt sei, erweise sich der Bescheid der Beklagten vom 07.11.2012 somit nicht als ermessensfehlerhaft. Im Weiteren sei sie nach wie vor der Ansicht, dass es sich bei der mit Schreiben vom 07.09.2011 vorgenommenen Abrechnung der Rentennachzahlung nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handele und der Erstattungsanspruch gegenüber dem Kläger somit nach § 50 Abs. 2 SGB X zu beurteilen sei. Eine Regelung sei in der Abrechnungsmitteilung nicht getroffen worden. Dass dem Kläger nur noch ein geringerer Rentennachzahlungsbetrag zustehe, ergebe sich daraus, dass der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X von dem im Rentenbescheid vom 09.08.2011 ausgewiesenen Nachzahlungsbetrag in Abzug gebracht werde. Bereits bei der Mitteilung der Höhe des in einem Rentenbescheid ausgewiesenen Nachzahlungsbetrags treffe die Behörde keine Regelung. Es handele sich nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.01.2011 nur um einen bloßen Hinweis. In der Mitteilung über die Abrechnung der Rentennachzahlung vom 07.09.2011 würden der Nachzahlungszeitraum sowie der Nachzahlungsbetrag aus dem Rentenbewilligungsbescheid vom 09.08.2011 lediglich wiederholt. Dieser Wiederholung komme ebenfalls kein Regelungswert zu. Auch habe im Zeitpunkt der Abrechnung der Rentennachzahlung objektiv bereits festgestanden, dass letztlich nur noch ein geringerer Nachzahlungsbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehe. Es habe daher keiner weiteren Entscheidung bedurft. Das Tätigwerden beschränkte sich darauf, eine Rechenoperation vorzunehmen, indem der Betrag des Erstattungsanspruchs vom Rentennachzahlungsbetrag in Abzug gebracht worden sei. Das Durchführen einer Rechenoperation und das Mitteilen des Rechenergebnisses sei schlichtes Verwaltungshandeln und stelle keine Regelung dar. Auch das BSG halte das Schreiben über die Abrechnung der Rentennachzahlung nicht für einen Verwaltungsakt beziehungsweise eine Regelung. Vielmehr deklarierte es selbst das Schreiben als "Mitteilungsschreiben". Auch weitere Rechtsprechung bestätige, dass sich der Erstattungsanspruch bei der vorliegenden Fallgestaltung nach § 50 Abs. 2 SGB X richte.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 44, 45 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2013, mit dem es die Beklagte abgelehnt hatte, den Bescheid vom 07.11.2012 zurückzunehmen, ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Satz 1 SGB X. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist danach der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Beim Bescheid vom 07.11.2012 handelt es sich zwar um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X, nachdem die Beklagte mit diesem die Erstattungspflicht, mithin eine Zahlungspflicht des Klägers über 1.862,14 Euro begründet hatte. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Rücknahme dieses Verwaltungsaktes.
Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des BSG § 44 SGB X nicht die Aufgabe hat, dem Betroffenen mehr zu geben, als ihm nach materiellem Recht zusteht. Dieser Grundsatz wurde zuletzt vom BSG in seiner Entscheidung vom 03.05.2018 (B 11 AL 3/17 R) bestätigt. Insofern hat das BSG bereits entschieden, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts und dem Nichterbringen der an sich zustehenden Sozialleistung bestehen muss. Das zu beachtende Gebot, der materiellen Gerechtigkeit zum Erfolg zu verhelfen, bedeutet, dass einem Betroffenen im Zugunstenverfahren (nur) diejenige Leistung zu erbringen ist, die ihm nach materiellem Recht bei von Anfang an zutreffender Rechtsanwendung zugestanden hätte (so auch BSG 22.03.1989 – 7 RAr 122/87 – SozR 1300 § 44 Nr. 38 = juris). Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes und dem Nichterbringen der an sich zustehenden Sozialleistung lässt sich nur anhand der materiellen Rechtslage beurteilen, so dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X dahin zu verstehen ist, dass die vorenthaltenen Sozialleistungen materiell zu Unrecht nicht erbracht worden sind. So hat auch das BSG ausgeführt, dass es nicht Sinn des Zugunstenverfahrens ist, für die Vergangenheit oder für die Zukunft mehr zu gewähren, als nach materiellem Recht zustehe (BSG 24.04.2014 – B 13 R 3/13 R – SozR 4-1300 § 44 Nr. 30 = juris).
Die Regelung des § 44 SGB X findet entsprechende Anwendung, soweit mit einem Aufhebungsbescheid i.S.d. §§ 45, 48 SGB X eine Leistungsbewilligung zurückgenommen worden ist (BSG 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R – BSGE 115, 121-126 = SozR 4-1300 § 44 Nr. 29 = SozR 4-4200 40 Nr. 6 = juris RdNr. 14; BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris; BSG 28.05.1997 – 14/10 RKg 25/95 - SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 = juris; BSG 12.12.1996 – B 11 Rar 31/96 - BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 19 = juris RdNr. 16; BVerwGE 97, 103, 107; Senatsurteil vom 20.02.2015 – L 8 AL 2518/14 – juris; Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr. 73; Schütze in von Wulffen/Schütze, 8. Auflage 2014, § 44 RdNr 16 f; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 23; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 08/16, § 44 RdNr. 70/72; a.A. Steinwedel in KassKomm, § 44 RdNr. 42, Stand Juni 2016). Die entsprechende Anwendung folgt aus dem Regelungszweck der Vorschrift, die nicht nur Fälle erfasst, in denen den Betroffenen ein rechtlicher Nachteil durch unrechtmäßiges Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen der Bürger zwar Sozialleistungen erhalten hat, die Leistungsbewilligung nachträglich jedoch zurückgenommen worden ist (BSG 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R – a.a.O.). Insoweit ist diejenige Vorschrift des § 44 SGB X entsprechend anzuwenden, die auch bei der "Überprüfung" der Leistungsbewilligung gegolten hätte, jedenfalls, wenn wie hier die Leistungsbewilligung aufgehoben und zugleich die gewährte Leistung zurückgefordert wird (BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris; BSG 12.12.1996 – B 11 Rar 31/96 - BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 19 = juris; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr. 23; vgl. auch Senatsurteil vom 16.12.2016 – L 8 AL 4082/15 – juris, nachfolgend BSG vom 03.05.2018 B 11 AL 3/17 R).
Nach materiellem Recht stand dem Kläger aber kein Anspruch auf die ihm von der Beklagten im Rahmen der Rentennachzahlung i.H.v. 2.032,32 Euro gezahlten 1.862,16 Euro zu. Denn sein Anspruch auf Gewährung der Altersrente in den Monaten August 2011 und September 2011 war i.H.v. 1.862,16 Euro (08/11: 1.016,16 Euro; 09/11: 846,00 Euro) durch Inempfangnahme des vom JobCenter gezahlten Alg II in dieser Höhe nach § 107 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 40a SGB II erloschen.
Nach § 107 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 40a SGB II gilt folgendes: Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.
Vorliegend hatte nach § 104 Abs.1 SGB X i.V.m. § 40a SGB II ein Erstattungsanspruch des JobCenter gegen die Beklagte bestanden, weil das JobCenter derselben Person für denselben Zeitraum kongruente und gegenüber der Altersrente der Beklagten nachrangige Sozialleistungen (vgl. §§ 5, 7, 9, 1, 11a SGB II) erbracht hatte. Der Erstattungsanspruch war auch weder nach § 111 SGB X ausgeschlossen noch nach § 104 Abs. 1 SGB X nicht entstanden. Denn danach besteht ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht, soweit der erstattungspflichtige Leistungsträger bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen, erstattungsberechtigten Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Vorliegend hatte die Beklagte am 05.09.2011 Kenntnis von der Leistung des JobCenters und damit vor Auskehrung der eigenen Rentenleistung mit Abrechnungsschreiben vom 07.09.2011, denn es ist insoweit nicht auf den Kenntnisstand des mit der Abrechnung des Erstattungsanspruchs betrauten Bediensteten abzustellen. Für die Kenntnis i.S.d. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X genügt es nach der Rechtsprechung des BSG allgemein, dass ein Schreiben in den Geschäftsgang der benachrichtigten Behörde gelangt ist (BSG 18.10.1991 – 9b/7 RAr 12/88 – juris; a.A. z.B. Böttiger in LPK-SGB X, 4. Auflage, vor §§ 102 ff. RdNr. 40 und Prange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage, § 105 SGB X, RdNr. 43), was bei der Beklagten vorliegend bereits am 05.09.2011 der Fall war, sodass die Beklagte als Behörde vor der Auszahlung der Rentennachzahlung an den Kläger am 07.09.2011 Kenntnis von der Leistung des JobCenters an den Kläger hatte und der Erstattungsanspruch nicht ausgeschlossen ist.
Besteht daher ein Erstattungsanspruch des JobCenters wegen kongruent erbrachter, nachrangiger Sozialleistungen für die Zeit vom 01.08.2011 bis zum 30.09.2011 i.H.v. 1.862,16 Euro (für 08/11: 1.016,16 Euro; für 09/11: 846,00 Euro) war der Rentenanspruch des Klägers nach § 107 Abs. 1 SGB X bereits durch diese Sozialleistungserbringung erloschen, sodass er keinen Anspruch auf die Rentennachzahlung in dieser Höhe hatte.
Dem Kläger steht damit die Rentennachzahlung i.H.v. 1.862,16 Euro schon nach materiellem Recht nicht zu. Der Senat lässt dahinstehen, ob in einer analogen Anwendung des § 44 SGB X eine Rücknahme des Erstattungsbescheid vom 07.11.2012 bereits deshalb nicht begehrt werden kann, worauf die bislang nur mit Pressemitteilung bekannt gegebene Entscheidung des BSG vom 03.05.2018 – B 11 AL 3/17 R – hindeuten könnte. Zu bedenken wäre aber, dass der nach § 44 SGB X zu überprüfende bestandskräftige Bescheid einen belastenden Verwaltungsakt darstellt, der in bestandskräftig festgestellte Rechte des Versicherten eingreift. Die gesetzliche Ermächtigung in §§ 48, 45 SGB X eröffnet die Ausübung hoheitlicher belastender Maßnahmen nur unter den dort geregelten Tatbeständen des Vertrauensschutzes, weshalb diese Vertrauensschutztatbestände materielles Recht für den "Eingriffsakt" sind, d.h. zu Unrecht erhaltene Sozialleistungen sind gegebenenfalls nicht zurückzugeben, wenn schutzwürdiges Vertrauen im Sinne der Regelung der §§ 48, 45 SGB X besteht. Es dürfte nicht ganz verständlich sein, wenn im Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erfolgreich Vertrauensschutz geltend gemacht werden könnte, im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X dem bestandskräftigen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid dies aber nicht entgegengehalten werden kann; hier ist die Rückgängigmachung eines unzulässigen Eingriffs in geschützte Rechte Gegenstand, nicht die Frage einer einmal zu Unrecht erhaltenen Sozialleistung. Insoweit unterscheiden sich diese Fallkonstellationen von derjenigen, die dem bislang nur der Presse zu entnehmenden Urteil des BSG vom 03.05.2018 (a.a.O.) zu Grunde lag. Eine unterbliebene Anhörung, die ersichtlich auch bei zulässig durchgeführter oder nachgeholter Anhörung zu keiner anderen Aufheb, ohne materielles Recht im Sinne von §§ 48 und 45 SGB X zu berühren.
Demgegenüber war der Bescheid vom 07.11.2012 jedoch nicht rechtswidrig, sodass dem SG auch aus anderen Gründen nicht zu folgen ist.
Die Abrechnung der Rentennachzahlung mit Schreiben vom 07.09.2011 beinhaltete keinen eigenständigen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X. Insoweit folgt der Senat nicht der Rechtsprechung des 10. Senats (Urteil vom 14.07.2016 – L 10 R 2514/15 – juris) und anderer LSG (z.B. Bayerisches LSG 27.06.2017 – L 13 R 171/15 – juris). Vielmehr folgt der Senat mit anderen LSG (z.B. Sächsisches LSG 15.03.2016 – L 5 R 463/13 – juris) der Rechtsprechung des BSG (BSG 25.012011 – B 5 R 14/10 R –, SozR 4-1300 § 63 Nr. 15 = juris), wonach die Mitteilung über die Abrechnung der Rentennachzahlung weder materiell noch formell als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Auch vorliegend trifft die Abrechnungsmitteilung vom 07.09.2011 keine Regelung, etwa zur Verzinsung des Nachzahlungsbetrags. Denn eine Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X ist darauf gerichtet, mit unmittelbarer Rechtswirkung subjektive Rechte (oder Pflichten) des Adressaten verbindlich zu begründen, festzustellen, zu ändern, aufzuheben oder abzulehnen. Eine derartige Festlegung oder Ablehnung von Ansprüchen enthält das Mitteilungsschreiben weder ausdrücklich noch sinngemäß. So befasst sich das Schreiben nach der Betreffzeile und dem weiteren Inhalt ausschließlich mit der Auszahlung des Nachzahlungsbetrags. Es bekräftigt lediglich, dass der Nachzahlungsbetrag i.H.v. 3.048,48 Euro einbehalten und zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs an die Arbeitsgemeinschaft Sozialzentrum, M. N. B. , für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.07.2011 1.016,16 Euro abgeführt worden sei. Das Schreiben informiert mithin also lediglich über den (ermittelten) Sachverhalt, ohne damit gleichzeitig Zinsansprüche zuzusprechen oder zu versagen. Ob ein Versicherter ein Schreiben der Beklagten als bloße Mitteilung oder nach dem von der Beklagten darin zum Ausdruck gebrachten Willen als Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X verstehen musste, ist nach seiner Form, Wortlaut und Inhalt aus dem "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten auszulegen (BSG 13.08.2014 - B 6 KA 38/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 47, zuletzt BSG 11.04.2018 – B 5 R 366/17 B – juris). Vorliegend war die Höhe der Nachzahlung bereits durch den Rentenbescheid festgestellt worden, sodass auch ein lediglich durchschnittlich verständiger Beteiligter, der die Einzelfallumstände und Zusammenhänge kennt, die die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat, dieses Schreiben nicht als Verwaltungsakt verstehen musste. So hat die Beklagte weder verwaltungsaktstypische Begriffe verwendet, noch sonst den Eindruck erweckt, es handele sich um einen Verwaltungsakt. Der Senat konnte insoweit feststellen, dass auch der Kläger dieses Schreiben nicht als Verwaltungsakt verstanden hatte.
War damit die Rentennachzahlung nicht durch Verwaltungsakt ausgekehrt worden, erfolgt die Erstattung nach § 50 Abs. 2 SGB X, dessen Voraussetzungen das SG zwar zutreffend dargestellt, nicht aber zutreffend angewandt hatte.
Im Rahmen der Feststellung der Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 2 SGB X gilt der vorliegend einschlägige § 45 SGB X entsprechend.
Insoweit hat das SG nicht berücksichtigt, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit der Abrechnung mit Schreiben vom 07.09.2011 nicht aufgefallen war, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, mithin grob fahrlässig nicht erkannt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Der Senat neigt angesichts der Angaben des Klägers, die Abrechnung erladen zu haben , aber im Vertrauen auf die angebliche Mitteilung des JobCenters nicht stutzig geworden zu sein, eher sogar zur Kenntnis des Klägers von Rechtswidrigkeit der Abrechnung.
Der Kläger war als gelernter Einzelhandelskaufmann objektiv und subjektiv in der Lage das Abrechnungsschrieben der Beklagten vom 07.09.2011 zu verstehen und zu erkennen, dass Erstattungsforderungen des JobCenters (L. ) nicht berücksichtigt worden waren. So ist ausdrücklich nur ein Erstattungsanspruch des Sozialzentrums M. N. für den Juli 2011 aufgeführt. Ein Erstattungsanspruch des JobCenters war – obwohl ihm die behördeninterne Erstattung angeblich von den Mitarbeitern des JobCenters zugesagt worden war – nicht aufgeführt. Dass der Kläger nicht zugleich Altersrente und SGB II-Leistungen in voller Höhe beziehen konnte, war dem Kläger bekannt und bewusst. Denn ansonsten machten seine vorgetragenen Bemühungen, dem JobCenter den Rentenantrag mitzuteilen und sich nach einer behördeninternen Erstattung zu erkundigen, keinen Sinn. Hat der Kläger also nach seinem eigenen Vortrag gewusst, dass eine behördeninterne Erstattung erfolgt und hat er diese auf dem Abrechnungsschreiben nicht feststellen können, so hat er gegen das verstoßen, was von jedem auch nur durchschnittlich denkenden Menschen erwartet werden kann, nämlich der Kläger hat sich bewusst der Einsicht verschlossen, dass das Abrechnungsschreiben falsch ist. Insoweit macht auch sein Vortrag Sinn, er habe sich auf die Auskunft verlassen und das Abrechnungsschreiben der Beklagten nicht auf die Richtigkeit überprüft. Hat er das Abrechnungsschreiben in Kenntnis dessen, dass ein Erstattungsanspruch des JobCenters "behördenintern", mithin im Wege des Erstattungsanspruchs zu erfüllen war, nicht geprüft, hat er grob fahrlässig gehandelt, zumal er gemerkt hatte, dass die Abrechnung des Erstattungsanspruchs des JobCenters fehlt. Dies spricht sogar für ein vorsätzliches Verschweigen (dolus eventualis), zumindest jedoch für bewusste Fahrlässigkeit (Handlung in Kenntnis der Umstände im Vertrauen auf den Nichteintritt des absehbaren Erfolgs), was die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit erfüllt. Dass der Kläger das Fehlen dieses Erstattungsanspruchs bei der Rentenabrechnung bemerkt hatte, ergibt sich daraus, dass er selbst vorgetragen hatte, deswegen nicht stutzig geworden zu sein. Damit hat der Kläger aber die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, mithin grob fahrlässig nicht erkannt, dass die Abrechnung falsch und deswegen rechtswidrig war. Er genießt daher nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X keinen Schutz seines Vertrauens in das Behaltendürfen der Rentennachzahlung.
Soweit das SG meint, die Beklagte habe im Rahmen ihres Ermessens auch berücksichtigen müssen, dass sie selbst ein Organisationsverschulden treffe, weil sie die Bearbeitung des am 05.09.2011 eingegangenen Erstattungsgesuchs des JobCenters nicht bis zur Abrechnung am 07.09.2011 gewährleisten konnte und – ohne weitere Angaben des Klägers – dessen fortbestehenden Alg II-Bezug hätte vorhersehen müssen, folgt der Senat dem SG nicht. Einen fortbestehenden Alg II-Bezug über einen Umzug hinaus muss die Beklagte nicht erahnen, zumal der Kläger ihr gegenüber keine weiteren Angaben gemacht hatte. Auch das Erstattungsgesuch des Sozialzentrums M. N. hat keinen Anlass gegeben, einen weiteren Alg II-Bezug zu erahnen. Die Beklagte musste insoweit nicht aus dem Vorbezug von SGB II-Leistungen und dem erst später einsetzenden laufenden Rentenbezug ableiten, dass weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu beanspruchen waren. Auch eine Pflicht nachzufragen, wie sie das SG aus dem Vermerk vom 14.08.2012 (Blatt 93 der Beklagtenakte) bestätigt sieht, besteht nicht. Vielmehr wäre es Aufgabe des Klägers gewesen (§ 60 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 bzw. 2 SGB I), der Beklagten nicht nur den Umzug, sondern den Bezug von Alg II auch im August und September 2011 mitzuteilen. Dass sich der Kläger zur Erledigung dieser Obliegenheiten auf Dritte, hier das JobCenter L. , verlassen hat, geht zu seinen Lasten. Er trägt die Verantwortung und das Risiko für die Erledigung der Obliegenheit bei Einschaltung Dritter.
Soweit das SG eine interne Postlaufzeit von 4 Tagen als zu lang ansieht, übersieht es, dass es ausgehend von dem Eingang des Erstattungsanspruchs am 05.09.2011 und der Abrechnung der Rentennachzahlung am 07.09.2011 gerade keinen Postlaufweg von 4 Tagen verlangt, sondern eine Postlaufzeit von 2 Tagen. Eine solch kurze Postlaufzeit kann aber in den Behörden der sozialrechtlichen Massenverwaltung mit einer Unzahl an Mitarbeitern nur in Ausnahmefällen verlangt werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt jedenfalls hier nicht vor; so war z.B. das Erstattungsschreiben des JobCenters auch nicht mit dem Hinweis auf eine eilige Bearbeitung versehen und die Beklagte musste auch nicht mit dem Eingang eines weiteren Erstattungsanspruchs rechnen, sodass kein Anhalt bestand, das Schreiben schneller als im gewöhnlichen Geschäftsgang zu bearbeiten.
Mithin kann der Senat dem SG, das gerade wegen der Nichtberücksichtigung dieser Aspekte im Rahmen der Ermessenausübung den Bescheid vom 07.11.2012 als rechtswidrig erachtet hatte, nicht folgen. Vielmehr trifft die Beklagte keine, auch keine größere Schuld als den Kläger, sodass die Frage des Verschuldens bzw. Mitverschuldens im Rahmen der Ermessenerwägungen nicht, schon gar nicht gesteigert zu berücksichtigen war sondern im Rahmen der gewöhnlichen und vorliegend vorgenommenen Ermessenausübung, bei der die Beklagte berücksichtigt hatte, dass der Kläger angegeben hatte, den Rentenantrag dem JobCenter mitgeteilt und von dort die Auskunft der "behördeninternen" Erstattung bekommen zu haben, ausreichend abgewogen war.
Auch durfte die Beklagte im Rahmen des § 50 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 und 4 SGB X die Erstattung in der Vergangenheit erbrachter Leistungen verlangen. Schon die Erstattung von Leistungen bedeutet, dass es sich um die Rückabwicklung in der Vergangenheit erbrachter Leistungen handelt – eine Erstattung nach § 50 Abs. 2 SGB X erst zukünftiger Leistungen erscheint eher als unmöglich -, so liegen mit der vom Senat festgestellten Fallkonstellation des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit vor; nach Eingang der Antwort des Klägers vom 19.09.2012 auf seine Anhörung hat die Beklagte auch innerhalb eines Jahres, nämlich am 07.12.2012, über die Erstattungspflicht entschieden.
Damit stellt sich der Verwaltungsakt vom 07.11.2012 insgesamt als rechtmäßig dar und war daher nicht nach § 44 Abs. 1 Satz1 SGB X zurückzunehmen.
Konnte der Senat damit nicht feststellen, dass der Kläger i.S.d. § 44 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 07.11.2012 hat, war der Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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