L 1 SF 497/16 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 38 SF 394/15 E
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 497/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen.
Die Verwirkung gilt in allen Rechtsgebieten, auch im Kostenrecht.
Allein der Zeitablauf von einem Jahr ab Kostenfestsetzung (§ 55 RVG) begründet nicht die Verwirkung (entgegen Bayerisches LSG, Beschluss vom 4.10.2012 - L 15 SF 131/11 B E). Die absolute Obergrenze (vgl. hierzu Thüringer LSG, Beschluss vom 5.3.2018 - L 1 SF 1343/16 B) bereits nach einem Jahr kann nicht mit entsprechenden Anfechtungsfristen bei falscher oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung begründet werden. Sie kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn noch nicht einmal die im Sozialrecht allgemein geltende Verjährungsfrist von vier Jahren (vgl. § 45 SGB I) abgelaufen ist.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 24. März 2016 (S 38 SF 394/15 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 38 AS 4273/08 auf 491,85 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für das beim Sozialgericht Altenburg (SG) anhängig gewesene Verfahren (S 38 AS 4273/08), in dem der Beschwerdeführer den Kläger ab dem 13. April 2011 vertrat. Der Kläger hatte sich mit der am 20. November 2008 durch andere Prozessbevollmächtigte erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. September 2008 (Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 22. bis 31. Juli 2008 wegen Umzugs und Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 130,22 EUR ) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2010 (W 2379/08) gewandt. Unter dem 13. April 2011 zeigte Rechtsanwalt R. beim SG die Mandatsübernahme an und beantragte Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2011 reichte er die Akte zurück. Unter dem 30. August 2011 begehrte er eine Entscheidung über den noch durch die vormaligen Prozessbevollmächtigten gestellten Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung. Mit Schriftsatz vom 1. September 2011 (Eingang beim SG: per Fax um 16:06 Uhr) begründete er die Klage. Mit Beschluss vom 2. September 2011 bewilligte das SG dem Kläger PKH ab 1. September 2011 und ordnete Rechtsanwalt R. bei.

Mit einer weiteren am 20. November 2008 beim SG erhobenen Klage (S 38 AS 3612/08) hatten sich die zunächst beauftragten Prozessbevollmächtigten gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2008 (Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 22. Juli 2008 wegen Umzugs und dadurch Wechsel der Zuständigkeit) gewandt. Der Beschwerdeführer zeigte auch hier am 13. April 2011 seine Mandatsübernahme an und begründete die Klage mit Schriftsatz vom 1. September 2011(Eingang beim SG: per Fax um 16:04 Uhr).

Am 15. September 2011 verhandelte das SG die beiden Verfahren des Klägers in einer 8 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung. Die Beklagte beschränkte dort die Aufhebung und Erstattung auf die Kosten der Unterkunft in Höhe von 84,00 EUR und erklärte, sie trage 35 v.H. der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Unter dem 30. September 2011 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren S 38 AS 4273/08: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 190,00 EUR Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Kopierkosten Nr. 7000 VV RVG (25 Kopien á 0,50 EUR) 12,50 EUR Zwischensumme 672,50 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 127,78 EUR Summe 800,28 EUR

Mit Verfügung vom 4. November 2011 teilte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) dem Beschwerdeführer mit, die zu zahlende Vergütung betrage 681,28 EUR (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG: 250,00 EUR, Einigungsgebühr Nr. 1006: 190,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 100,00 EUR, Auslagen/Pauschale 20,00 EUR, Umsatzsteuer Nr. 7008 108,78 EUR). Die Auszahlung des Betrages sei veranlasst.

Mit Kostennachricht nach § 59 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vom 11. Januar 2013 forderte das SG die Beklagte aufgrund ihrer Kostenbeteiligung für das Klageverfahren zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 238,45 EUR auf. Diese legte wegen der Abrechnung der vollen Verfahrensgebühr in Höhe von 250,00 EUR unter dem 22. Januar 2013 Erinnerung ein (S 38 SF 35/13 E). Sie wurde dem Beschwerdeführer als "Erinnerungsgegner" zugeleitet. Im Januar 2015 informierte das SG den Beschwerdeführer, dass richtiger Erinnerungsgegner der Freistaat Thüringen, vertreten durch die Bezirksrevisorin, sei.

Gegen die Kostenfestsetzung vom 4. November 2011 hat der Beschwerdegegner am 23. No-vember 2015 Erinnerung eingelegt und beantragt, die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG auf 62,50 EUR (¼ der Mittelgebühr), die Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG auf 50,00 EUR (¼ der Mittelgebühr) und die Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG auf 95,00 EUR (½ der Mittelgebühr) festzusetzen. Der Beschwerdeführer ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, das Erinnerungsrecht der Staatskasse sei verwirkt. Danach sei in analoger Anwendung des § 20 des Gerichtskostengesetzes (GKG) die Erinnerung unzulässig, wenn sie erst nach Ablauf des auf die Festsetzung folgenden Kalenderjahres erhoben werde. Vorliegend sei die Erinnerung mehr als vier Jahre nach der Entscheidung des SG eingelegt worden. Darüber hinaus sei die Erinnerung auch unbegründet.

Mit Beschluss vom 24. März 2016 hat das SG auf die Erinnerung des Beschwerdegegners die aus der Staatskasse zu erstattende Gebühr für das Klageverfahren S 38 AS 4273/08 auf 285,60 EUR festgesetzt. Die Erinnerung des Beschwerdegegners sei nach § 55 Abs. 1 des RVG i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG zulässig. Eine Verjährung oder Verwirkung des Erinnerungs-rechtes sei nicht eingetreten. Die Einlegung der Erinnerung sei nach § 56 Abs. 2 RVG nicht an eine Frist gebunden und die Erinnerung selbst dann noch zulässig, wenn die Vergütung bereits gezahlt sei. Das Erinnerungsrecht könne aus Gründen des Vertrauensschutzes nur in besonderen Ausnahmefällen wegen Verwirkung ausgeschlossen werden. Neben dem Zeitmoment müssten grundsätzlich auch beachtliche Umstandsmomente hinzutreten, um eine Verwirkung herbeizuführen. Es seien keine Handlungen des Beschwerdegegners erkennbar, aufgrund derer der Beschwerdeführer darauf vertrauen durfte, dass der Beschwerdegegner sein Erinnerungsrecht nicht mehr geltend machen werde. Unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG sei die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG auf ¼ der Mittelgebühr fest-zusetzen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei durchschnittlich gewesen, die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger unterdurchschnittlich. Unter Berücksichtigung der nicht sehr umfangreichen anwaltlichen Tätigkeit sowie der Synergieeffekte handle es sich nicht um einen Normal-/Durchschnittsfall. Die Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG sei in Anlehnung an die Verfahrensgebühr ebenfalls auf ¼ der Mittelgebühr und somit in Höhe von 50,00 EUR festzusetzen. Die Einigungsgebühr Nr. 1005, 1006 VV RVG sei in Höhe von ½ der Mittelgebühr auf 95,00 EUR festzusetzen. Der deutlich unterdurchschnittliche Umfang und die deutlich unterdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zur Beendigung des Rechtsstreits ergäben sich auch eindeutig aus der kurzen Dauer der mündlichen Verhandlung am 15. September 2011. Dies ergebe eine Vergütung von 207,50 EUR, zu der noch die Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG in Höhe von 12,50 EUR, die Pauschale für Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 50,00 EUR und die Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 45,60 EUR hinzuzurechnen sei. Der Beschwerdeführer habe danach Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von insgesamt 285,60 EUR.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 14. April 2016 Beschwerde erhoben. Der Beschluss sei ihm am 1. April 2016 zugestellt worden. Er vertrete weiter die Ansicht, dass das Erinnerungsrecht des Beschwerdegegners verwirkt sei. Ein Rückforderungsanspruch sei daher, un-abhängig von der Frage, ob das Gericht die Höhe der PKH-Vergütung ordnungsgemäß festgesetzt habe, bereits dem Grunde nach nicht gegeben. Bei dem hier vorliegenden Zeitraum von mehr als vier Jahren sei das Vertrauen in die Abrechnung des SG derart verfestigt, dass unter keinem Umstand mehr damit gerechnet werden musste, dass der Beschwerdegegner von seinem Rechtsmittelrecht Gebrauch mache. Zudem sei die Erinnerung auch unbegründet.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 25. April 2016) und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit Beschluss vom 23. Juli 2018 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach der aktuellen Geschäftsverteilung des Thüringer Landessozialgerichts der 1. Senat.

Anzuwenden ist das RVG in der Fassung bis 31. Juli 2013 (a.F.), denn die Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 S 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (vgl. u.a. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde ist nur im tenorierten Umfang begründet.

Die Erinnerung des Beschwerdegegners war zulässig. Sie ist nach der gesetzgeberischen Wertung des § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG, der für die Erinnerung gerade nicht auf die Fristbestimmung des § 33 Abs. 3 RVG verweist, unbefristet. Eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 2 GKG, wonach die Nachforderung von Kosten bis zum Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Beendigung des Verfahrens möglich ist, wenn innerhalb der Frist des § 20 Abs. 1 GKG ein Rechtsbehelf in der Hauptsache oder wegen der Kosten eingelegt wurde, scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2017 - I-10 W 35 - 37/17, nach juris unter Hinweis auf BGH in NJW-RR 2009, S. 770). Nach den Gesetzesmotiven zur Änderung des § 56 RVG im Jahr 2005 soll durch die Gesetzesänderung klargestellt werden, dass die Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung gerade nicht befristet ist (vgl. BT-Drucks. 15/4952, Seite 51).

Eine Verwirkung kommt hier ebenfalls nicht in Betracht. Sie setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Auflage 2016, § 242 Rdnr. 87) voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 1 KR 40/15 R m.w.N., Rn. 10, nach juris). Verwirkt werden können alle subjektiven Rechte und Rechtspositionen, die gegenüber einem anderen geltend gemacht werden können (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Auflage 2016, § 242 Rdnr. 88), auch Rechtsbehelfe. Die Verwirkung gilt in allen Rechtsgebieten, auch im Kostenrecht. Allerdings findet sie nur in besonderen engen Ausnahmekonstellationen Anwendung.

Auf eine Verwirkung kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen. Zwar kann hier das Zeitmoment bejaht werden. Der Beschwerdegegner hat nach der Kostenfestsetzung durch die UdG im November 2011 erst im November 2015 Erinnerung eingelegt, also während eines langen Zeitraums sein Recht nicht geltend gemacht. Der Senat kann offenlassen, ob das Zeit-moment bereits nach Ablauf eines Jahres ab Kostenfestsetzung (gegebenenfalls mit Auszahlung) vorliegt, denn entgegen der Ansicht des Bayerischen Landessozialgerichts (vgl. Be-schluss vom 4. Oktober 2012 - L 15 SF 131/11 B E, nach juris) begründet allein der Zeitablauf nicht die Verwirkung. Zwar kann das Erinnerungsrecht der Staatskasse nicht "bis in alle Ewigkeit" bestehen bleiben (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2018 - L 1 SF 1343/16 B). Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzprinzip, wonach Entscheidungen von Behörden und Gerichten innerhalb angemessener Zeit bestandskräftig bzw. rechtskräftig werden können und diejenigen Entscheidungen, die bestands- bzw. rechtskräftig geworden sind, grundsätzlich nicht mehr abgeändert werden; dabei hat letztendlich eine Abwägung gegen das Prinzip der materiellen Richtigkeit zu erfolgen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. Oktober 2012 - L 15 SF 131/11 B E, nach juris). Dem wird durch das Rechtsinstitut von Treu und Glauben nach § 242 das Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Gestalt des Rechtsinstituts der Verwirkung Rechnung getragen. Anhaltspunkte für eine absolute Obergrenze bereits nach einem Jahr sind aber nicht ersichtlich und können auch nicht mit entsprechenden Anfechtungsfristen bei falscher oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung begründet werden. Der Senat kann die zeitliche Festlegung der absoluten Obergrenze hier offenlassen. Sie kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil noch nicht einmal die im Sozialrecht allgemein geltende Verjährungsfrist von vier Jahren (vgl. § 45 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I)) abgelaufen ist.

Der Beschwerdeführer konnte sich nicht aufgrund des Verhaltens des Beschwerdegegners darauf einrichten, dass dieser sein Recht nicht geltend machen werde. Anhaltspunkte hierfür hat dieser nicht gesetzt. Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob der Beschwerdeführer nach Einlegung der Erinnerung der Beklagten gegen die Kostennachricht nach § 59 RVG überhaupt darauf vertrauen durfte, dass die von ihm geforderte Vergütung seitens des Beschwerdegegners nicht beanstandet werde. Darüber hinaus liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die verzögerte Geltendmachung des Rechts ursächlich für Dispositionen des Beschwerdeführers war und die verspätete Geltendmachung des Rechts treuwidrig erscheinen und zu einem unzumutbaren Nachteil führen könnte.

Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., Thüringer LSG, Beschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N., nach juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer LSG, Beschluss 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung - wie hier - auf nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Dem Beschwerdeführer steht die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV-RVG nur in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (166,66 EUR) zu. Die geltend gemachte Vergütung in Höhe von 250,00 EUR übersteigt den Toleranzrahmen. Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 21. Januar 2013 - L 6 SF 1578/12 B m.w.N., nach juris). Mit vier Schriftsätzen, von denen drei sehr kurz sind, lag der Beschwerdeführer auch unter Berücksichtigung der allgemein notwendigen sonstigen außergerichtlichen Aktivitäten unter dem Durchschnitt. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Schriftsatz vom 1. September 2011 bis auf den Austausch des Aktenzeichens identisch ist mit dem zuvor eingegangenen Schriftsatz des Beschwerdeführers in dem Klageverfahren S 38 AS 3612/08. Dann ist der damit verbundene Synergieeffekt bei der Vergütungsfeststellung zu berücksichtigen (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 21. Januar 2013 - L 6 SF 1578/12 B, nach juris).

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bewertet der Senat noch als durchschnittlich. Die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger ist allerdings - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - überdurchschnittlich. Abzustellen ist dabei auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris). Streitig war hier eine Erstattungsforderung in Höhe von 130,22 EUR. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers waren unterdurchschnittlich. Ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich.

Die Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV-RVG ist in Höhe von ½ der Mittelgebühr (100,00 EUR) festzusetzen. Die von dem Beschwerdeführer begehrte Vergütung in Höhe von 200,00 EUR übersteigt den Toleranzrahmen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit liegt bei der Dauer des Termins von 4 Minuten für das Verfahren S 38 AS 4273/08 weit unter dem durchschnittlichen zeitlichen Ansatz von über 30 Minuten (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 22. November 2013 - L 6 SF 1313/13 B m.w.N., nach juris). Bezüglich der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, dessen geringe Einkommens- und Vermögensverhältnisse und das nicht ersichtliche besondere Haftungsrisiko wird auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr Bezug genommen.

Dem Beschwerdeführer steht eine Einigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nrn. 1006, 1005 RVG zu. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Sie ist in Höhe von &8532; der Mittelgebühr (126,66 EUR) festzusetzen. Die begehrte Vergütung in Höhe von 190,00 EUR übersteigt den Toleranzrahmen. Bezüglich der relevanten Kriterien nach § 14 RVG wird auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr Bezug genommen.

Zu vergüten sind weiter die zwischen den Beteiligten nicht streitige Pauschale Nr. 7002 VV-RVG und die Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz ist die Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG in Höhe von der 12,50 EUR nicht zu erstatten. Die Erstattung hatte bereits die UdG in ihrer Kostenfestsetzung vom 4. November 2011 abgelehnt; der Beschwerdeführer hat hiergegen keine Erinnerung eingelegt.

Damit errechnet sich die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 166,66 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 100,00 EUR Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV RVG 126,66 EUR Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 413,32 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 78,53 EUR Summe 491,85 EUR

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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