L 7 KA 76/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 381/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 76/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein übergroßer Praxisumfang i.S.v. § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV ist bei ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten anhand der sog. Vollauslastungsgrenze - hier 561.500 Punkte in den Quartalen IV/05 und I/06 - zu bestimmen.
2. Für die Frage, ob die Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dient, muss die Kassenärztliche Vereinigung keinen Kausalzusammenhang nachweisen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für die von Weiterbildungsassistentinnen der Klägerin erbrachten antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Kapitel 35.2 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM). Streitig ist dabei nur noch, ob die Beklagte dem inzwischen unstreitigen Nachvergütungsanspruch für die Quartale IV/05 und I/06 entgegenhalten kann, die Kläger habe mit Hilfe der Weiterbildungsassistentinnen einen übergroßen Praxisumfang aufrechterhalten.

Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1992 als Fachärztin für Psychotherapie und Physiotherapie im Verwaltungsbezirk P zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und der Gruppe der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen vertragsärztlichen Leistungserbringer zugeordnet. Seit dem Quartal II/1997 wurden ihr Weiterbildungsassistenten bewilligt. Vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2007 waren – jeweils auf dem Gebiet der psychotherapeutischen Medizin – die Weiterbildungsassistentin S halbtags für die Klägerin tätig, in der Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2009 die Weiterbildungsassistentin D (ebenfalls halbtags). Die Fallzahlen der klägerischen Praxis für die Quartale I/95 bis IV/08 sowie die jeweils angeforderten Punkte (insgesamt und für antragsabhängige, genehmigungspflichtige Leistungen der sog. großen Psychotherapie nach Kap. G. IV bzw. 35.2 EBM) stellten sich wie folgt dar:

Quartal Fallzahl angeforderte Punkte - gesamt angeforderte genehmigungspflichtige Punkte Kap. G IV (bzw. 35.2) EBM 95/1 207 1.452.215 851.650 95/2 137 771.020 626.720 95/3 162 441.700 240.420 95/4 187 619.150 286.535 96/1 212 836.085 363.645 96/2 214 1.434.850 591.750 96/3 221 1.413.600 547.100 96/4 246 1.534.690 585.650 97/1 298 1.425 170 679.650 97/2 321 1.690.510 743.550 97/3 270 1.502.425 639.600 97/4 304 1.491.400 588.100 98/1 302 1.710 240 775.600 98/2 315 1.630.170 589.100 98/3 272 1.146 065 320.100 98/4 330 1.749 050 581.100 99/1 342 1.848.636 564.900 99/2 336 1.870.414 589.200 99/3 242 1.571.177 667.400 99/4 216 1.600.457 803.200 00/1 212 1.385.783 603.150 00/2 232 1.453.847 526.250 00/3 206 1.364.929 431.050 00/4 190 1.267.295 285.900 01/1 189 1.549.237 399.750 01/2 206 1.474.090 248.650 01/3 199 1.557.044 270.850 01/4 237 1.704.499 458.650 02/1 239 1.719.747 553.900 02/2 224 1.534.339 506.100 02/3 219 1.466.875 518.000 02/4 230 1.580.875 545.600 03/1 236 1.699.395 802.200 03/2 213 1.709.395 582.200 03/3 224 1.776.725 476.850 03/4 198 1.746.050 519.600 04/1 207 1.683.630 531.500 04/2 189 1.619.650 668.700 04/3 188 1.615.390 652.850 04/4 199 1.718.190 619.100 05/1 179 1.465.370 662.100 05/2 188 1.580.005 656.450 05/3 165 1.850.440 868.970 05/4 180 1.770.695 806.705 06/1 212 2.033.070 969.755 06/2 196 1.854.390 967.540 06/3 175 1.775.960 846.615 06/4 184 1.770.615 792.185 07/1 212 2.125.845 1.072.560 07/2 191 1.674.880 744.330 07/3 200 1.661.470 558.825 07/4 205 1.731.030 384.335 08/1 183 1.658.170 485.760 08/2 193 1.588.870 432.720 08/3 141 1.491.390 203.820 08/4 173 1.426.835 41.085

In den streitigen Quartalen reichte die Klägerin Gruppen- und Einzeltherapien in folgender Anzahl zur Abrechnung ein: Quartal Gruppentherapie gesamt Gruppentherapie / 6 Teilnehmer Einzeltherapie gesamt Honorar gesamt Honorar für Leistungen nach Kap. 35.2 IV/05 537 90 272 41.020,37 EUR 30.516,51 EUR I/06 798 133 251 45.819,28 EUR 35.659,58 EUR

Dabei entfielen im Quartal IV/05 (bzw. I/06) von den insgesamt für Leistungen nach dem Kap. 35.2 EBM angeforderten 806.705 (bzw. 969.755) Punkten auf die Klägerin 380.200 (bzw. 517.215) und auf ihre Weiterbildungsassistentinnen 426.505 (bzw. 452.540). Für das gesamte Quartal wurden 1.770.695 (bzw. 2.033.070) Punkte angefordert.

Zur Fachgruppe der Klägerin (Fachgruppe 50), zu der alle überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (ohne Ermächtigte), jedoch keine psychologischen Psychotherapeuten zählen, machte die Beklagte folgende Angaben:

Quartal durchschnittliche Fallzahl Anzahl der Ärzte I/97 108 II/97 117 IV/05 30 220 I/06 31 223

Gegen die Honorarfestsetzungen für die Quartale III/05 bis I/06 legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein. Mit Urteil vom 10. November 2010 (S 79 KA 1498/06) verpflichtete das Sozialgericht Berlin die Beklagte unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale IV/05 und I/06, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Honoraransprüche der Klägerin für die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen in den genannten Quartalen neu zu bescheiden. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, dass auch die von den Weiterbildungsassistentinnen erbrachten Leistungen im o.g. Umfang (180.950 Punkte im Quartal IV/05, 43.935 Punkte im Quartal I/06) nach einem Punktwert von 4,423 Ct zu vergüten seien, wenn diese Leistungen der Klägerin zuzurechnen seien. Im Falle der Klägerin bestünden Zweifel, weil sie selbst die Punktzahlobergrenze für Leistungen nach Kap. 35.2 EBM schon zu ca. 70 % (im Quartal I/06) bzw. ca. 90 % (im Quartal IV/05) ausgeschöpft habe. Im Falle einer Zurechnung habe die Beklagte auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des – das Leistungs- bzw. Honorarvolumen der Klägerin beschränkenden – § 32 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) vorgelegen hätten. Hierzu habe das BSG bereits entschieden, dass ein "Praxiszuwachs" (Fallzuwachs) von 25 % akzeptiert werden könne und für den Vergleich auf den Zeitpunkt abzustellen sei, in denen der Vertragsarzt selbst voll tätig gewesen sei. Zu prüfen sei auch, in welchem Umfang die Klägerin ärztliche Leistungen als Fachärztin für Physiotherapie erbracht und abgerechnet habe, weil sie in diesen Zeiten nicht zur Überwachung und Anleitung der Weiterbildungsassistentinnen zur Verfügung gestanden habe.

In Umsetzung des Urteils vom 10. November 2010 und der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 13/09 R) unterzog die Beklagte die Praxis der Klägerin einer Überprüfung. Die Tätigkeit ihrer Weiterbildungsassistentinnen beschrieb die Klägerin auf Nachfrage der Beklagten u.a. wie folgt (Schreiben vom 5. November 2010): Jeweils eine Weiterbildungsassistentin begleite eine Gruppe drei bis sechs Monate schweigend, anschließend dürfe sie als Co-Therapeutin fungieren. Nach einem Jahr beginne sie eine eigene Gruppe, in der sie als Therapeutin und die Klägerin als Co-Therapeutin arbeite. Nach zwei Jahren könne die Weiterbildungsassistentin eine eigene Gruppe beginne, in welcher sie – die Klägerin – nur noch sporadisch Kontrollen mache.

Mit Bescheid vom 30. Dezember 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die von den Weiterbildungsassistenten erbrachten Leistungen ihr als persönliche Leistungen zuzurechnen seien. Die Überprüfung habe jedoch eindeutig ergeben, dass durch die Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten ein übergroßer Praxisumfang aufrechterhalten worden sei. Eine Änderung des ärztlichen Honorars für die Quartale III/05 bis I/06 werde nicht vorgenommen, da die Klägerin in allen streitgegenständlichen Quartalen eine Vergütung erhalten habe, die oberhalb der Vergütungsobergrenze liege. Die Vergütungsobergrenze errechne sich durch die Multiplikation der Punktzahl i.H.v. 561.150 mit dem Mindestpunktwert (4,423 Cent) und belaufe sich auf 24.819,66 Euro.

Soweit die Klägerin im Rechtsstreit S 79 KA 1498/06 erstinstanzlich unterlag, legte sie Berufung ein (L 7 KA 121/10). Die Beklagte erkannte "die Honorarforderungen der Klägerin für die streitigen Quartale entsprechend des Urteils des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.09.2011 zum Aktenzeichen L 7 KA 86/08" an. Dieses Teilanerkenntnis nahm die Klägerin an. Der Rechtsstreit wurde im Erörterungstermin vom 25. April 2013 durch beidseitige Erledigungserklärung beendet, nachdem die Beteiligten vom Berichterstatter darauf hingewiesen worden waren, dass der Bescheid vom 30. Dezember 2011 nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand dieses Rechtsstreits geworden sein dürfte.

Der gegen den Bescheid vom 30. Dezember 2011 eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2013 zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht aus dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2010. Das Gericht habe Zweifel dahingehend geäußert, ob die von den Weiterbildungsassistenten erbrachten Leistungen der Klägerin zugerechnet werden könnten, da diese schon selbst und höchstpersönlich einen nicht unerheblichen Anteil an antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen erbracht habe. Die Punktgrenze von 561.150 Punkten spiegele das Leistungsvolumen eines psychotherapeutisch Tätigen in vollausgelasteter Praxis wieder. Dies sei sicherlich auch der Grund, warum in der Rechtsprechung von der Obergrenze des Praxisinhabers gesprochen werde. Für Aus- bzw. Weiterbildungsassistenten solle ausreichend Zeit zum Anlernen und Überwachen zur Verfügung stehen, was jedoch bei eigener persönlicher Leistungserbringung in hohem Maße gefährdet sei. Es sei zudem kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb eine Praxis, in der Weiterbildungsassistenten tätig seien, eine vielfach höhere Vergütung der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen erhalten sollte. Zwar sei die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass die Leistungen der Weiterbildungsassistenten der Klägerin zuzuordnen seien. Allein daraus ergebe sich jedoch noch kein Nachvergütungsanspruch. Die weitere Überprüfung der Beklagten habe ergeben, dass die Beschäftigung der Weiterbildungsassistenten dazu geführt habe, dass ein übergroßer Praxisumfang aufrecht-erhalten worden sei und demnach die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV vor-lägen. Die Voraussetzungen, die die Beklagte zur gleichmäßigen Ermessensausübung beschlossen habe, um eine Honorarkürzung im Wege einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung zur Verhinderung der Vergrößerung einer Kassenpraxis durch Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten vorzunehmen, seien im Fall der Klägerin erfüllt. Bei einem übergroßen Praxisumfang seien alle Fälle, die über dem Doppelten des Fachgruppendurchschnitts lägen (Variante a), bei einer Vergrößerung der Kassenpraxis alle Fälle, die oberhalb von 125 % der Fallzahl der Praxis des Vorjahresquartals vor Tätigkeitsaufnahme des Weiterbildungsassistenten lägen (Variante b), mit dem durchschnittlichen praxisindividuellen Fallwert zu multiplizieren. Im Fall der Klägerin sei Variante a) in allen streitgegenständlichen Quartalen erfüllt. Das BSG habe in seiner bisherigen Rechtsprechung bestätigt, dass ab dem Doppelten bzw. dem Zweieinhalbfachen des durchschnittlichen Praxisumfangs von einer übergroßen Praxis auszugehen sei. Vor Genehmigung eines Weiterbildungsassistenten prüfe die Beklagte nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV. Die Genehmigung sei deshalb auch nicht als Bestätigung zu sehen, dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht vorlägen. Aufgrund der eigentlich anzusetzenden Honorarrückforderungen i.H.v. 27.348,80 EUR (Quartal IV/05) und 32.421,50 EUR (Quartal IV/06) kämen Nachzahlungen vor diesem Hintergrund nicht in Betracht.

Mit ihrer am 6. September 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat geltend gemacht, die im Quartal IV/05 erbrachten Leistungen seien im Umfang von 180.950 Punkten und die im Quartal I/06 erbrachten Leistungen seien im Umfang von 43.935 Punkten mit dem Mindestpunktwert von 4,423 Cent zu vergüten. Das Produkt der Multiplikation des Mindestpunktwertes mit 561.150 (24.819,66 Euro) als "Maximalhonorargrenze" festzulegen, sei rechtswidrig. Auch die Begründung, eine Nachzahlung sei zu verweigern, weil die Klägerin ihre Praxis unzulässiger Weise mit Hilfe der Weiterbildungsassistenten in einem übergroßen Umfang aufrechterhalten habe, könne nicht durchgreifen.

Mit Urteil vom 3. September 2014 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 30. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2013 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Honoraranspruch der Klägerin in den Quartalen IV/05 und I/06 erneut unter der Maßgabe zu entscheiden, dass die von Weiterbildungsassistenten erbrachten antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen im Quartal IV/05 (bzw. I/06) im Umfang von 180.950 Punkten (bzw. 43.935 Punkten) anstatt mit dem bislang zur Berechnung des Honorars herangezogenen Punktwert nunmehr mit dem Punktwert von 4,423 Cent zu vergüten sind. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß Ziffer 2.2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 (DÄ 2005, A 457 ff., aktualisiert um den Änderungsbeschluss aus der 96. Sitzung) müsse der Mindestpunktwert jedoch nur bis zu einer Obergrenze von 561.150 Punkten je Quartal und Arzt bzw. Therapeut vergütet werden. Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Mindestpunktwert 4,423 Cent betrage. Die weitere Vorgabe des BSG (vgl. Urteil vom 17. März 2010, a.a.O.), dass alle von den Weiterbildungsassistenten erbrachten Leistungen der Klägerin als eigene Leistungen zugerechnet werden könnten, sei laut des Bescheides vom 30. Dezember 2011 ebenfalls erfüllt. Der Nachvergütung stehe nicht entgegen, dass die Vergütung der Klägerin in den streitbefangenen Quartalen jeweils insgesamt einen Betrag von 24.819,66 Euro überstiegen. Diesen Betrag habe die Beklagte durch die Multiplikation der vom Bewertungsausschuss vorgegebenen Punktmenge von 561.150 Punkten mit dem Mindestpunktwert errechnet. Es handle sich jedoch weder bei der Punktzahl von 561.150 noch bei der sich ergebenden Vergütungssumme vom 24.819,66 Euro um eine Vergütungsobergrenze. Der Klägerin seien nicht 561.150 Punkte zum Mindestpunktwert vergütet worden. Dem Nachvergütungsanspruch der Klägerin stehe auch nicht § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV entgegen. Es bestünden zunächst Zweifel daran, dass ein übergroßer Praxisumfang gegeben sei. Die Klägerin weise in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass in den Fällen, in denen Ärzte vermehrt Gruppentherapien abrechneten, also anders als andere Fachgruppen mehrere Patienten zur gleichen Zeit behandelten, das alleinige Abstellen auf den Fallzahlvergleich nicht ausreichen könne. Diese Problematik müsse hier jedoch nicht entschieden werden, da die weitere Voraussetzung des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV – die Kausalität – nicht gegeben sei. Denn dem Wortlaut des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV sei zu entnehmen, dass zwischen der Vergrößerung der Kassenpraxis oder dem Aufrechterhalten eines übergroßen Praxisumfangs und der Beschäftigung eines Assistenten zumindest ein Ursachenzusammenhang bestehen müsse ("dienen"). Andernfalls hätte die Vorschrift dahingehend lauten müssen, dass bei einem übergroßen Praxisumfang kein Weiterbildungsassistent beschäftigt werden dürfe. Insbesondere wenn auf der einen Seite die Genehmigung der Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten in einer Praxis mit übergroßen Umfang einer Honorarrückforderung wegen eines Verstoßes nach § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht entgegenstehe, so müsse auf der anderen Seite dem Gesichtspunkt der Kausalität ein größeres Gewicht beigemessen werden, als dies bislang in der Praxis der Beklagten erfolgt sei. Denn bei der Erteilung der Genehmigung des Weiterbildungsassistenten könne vielfach noch gar nicht abgesehen werden, ob die Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten der Vergrößerung der Praxis oder der Aufrechterhaltung einer übergroßen Praxis diene. Dies lasse sich erst in der Rückschau feststellen. Dass die Genehmigung nicht zugleich die Billigung zu hoher Fallzahlen bedeute, könne jedoch nicht zur Folge haben, dass beim Vorliegen von hohen Fallzahlen zwingend davon auszugehen sei, dass die Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten der Aufrechterhaltung des Praxisumfangs diene. Zwar sei die Größe der Praxis der Klägerin zunächst ein Indiz für den von der Beklagten ungeprüft angenommenen kausalen Zusammenhang. Die Kammer sei jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass der Kausalzusammenhang nicht ausreichend nachgewiesen sei. Es sei weiterhin weder eine spezielle Rechtsgrundlage noch ein allgemeiner Grundsatz ersichtlich, weshalb die grundsätzlich die Beklagte – als Anspruchstellerin hinsichtlich der Rückforderung im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung – treffende objektive Beweislast umgekehrt sein solle. Daher müsse die Nichterweislichkeit des kausalen Zusammenhangs zwischen der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten und der Aufrechterhaltung des Praxisumfangs zu Lasten der Beklagten gehen. Auch wenn man davon ausginge, dass die Klägerin, weil ihre Sphäre betroffen sei, eine substantiierte Darlegungslast treffe, sei sie dieser ausreichend nachgekommen. Gegen das ihr am 26. September 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Oktober 2014 Berufung eingelegt, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen zur Anwendung von § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV wiederholt und ergänzt; Einwendungen gegen die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen über 561.150 Punkte erhebt sie – wie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt – nicht. Die Beklagte ist hinsichtlich des § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV der Ansicht, selbst wenn man zugunsten der Klägerin vorliegend zur Feststellung eines übergroßen Praxisumfangs auf die Durchschnittsfallzahl einer verfeinerten Fachgruppe abstelle und nur diejenigen Praxen der Fachgruppe berücksichtige, die ebenfalls gruppentherapeutische Leistungen erbrächten, ergäbe sich kein anderes Bild. Im Quartal IV/05 (bzw. I/06) hätten 16 (bzw. 19) Praxen der Fachgruppe 50 gruppentherapeutische Leistungen nach den GOP 35202, 35203, 35211 und/oder 35222 bis 35225 mit einer durchschnittlichen Fallzahl von jeweils 55 Fällen pro Quartal abgerechnet. Die Auffassung der Klägerin, dass auch die verfeinerte Fachgruppe nicht geeignet sei, eine zuverlässige Aussagekraft über die Fallzahlen zu entfalten, teile die Beklagte nicht. Denn die Beklagte habe überhaupt keine andere Möglichkeit, einen übergroßen Praxisumfang festzustellen, als auf eine bestimmte Vergleichsgruppe abzustellen. Bei einer noch weiter gehenden Verfeinerung der Fachgruppe seien die Zahlen nicht mehr repräsentativ. Hinsichtlich des fraglichen Kausalzusammenhangs sei zu beachten, dass das BSG (BSG) in anderen Konstellationen, z.B. bei der Kooperation fachgleicher Vertragsärzte in einer Praxisgemeinschaft, aus dem Überschreiten eines bestimmten Grenzwerts – in genannten Fall mehr als 50 % gemeinsame Patienten innerhalb eines Quartals – einen Gestaltungsmissbrauch vermute. Im Weiteren sei fraglich, ob es zulasten der Beklagten gehen könne, wenn sie Daten für Quartale, die überhaupt nicht streitbefangen sind, nicht mehr vorlegen könne, weil sie aus Datenschutzgründen bereits gelöscht seien. Dies dürfe wohl entscheidend davon abhängen, ob die Beklagte insoweit überhaupt darlegungs- und beweisbelastet sei. Darüber hinaus liege der Zeitpunkt, in dem die Klägerin noch ohne Assistenten arbeitete (Quartal I/1997), im Quartal IV/05 bereits achteinhalb Jahre zurück. Die Klägerin könne über einen Zeitraum von achteinhalb Jahren die Anzahl ihrer Behandlungsfälle jedenfalls auch aus anderen Gründen reduziert haben, aber dennoch einen übergroßen Praxisumfang aufweisen. Hierzu lägen der Beklagten naturgemäß keine Erkenntnisse vor. Ihre Rückforderungsansprüche (9.685,33 EUR für IV/05 und 16.101,69 EUR für I/06), die die Nachforderung der Kläger (2.461,25 EUR für beide Quartale zusammen) erheblich überstiegen, habe sie berechnet, indem sie diejenigen Fälle der Klägerin, die das 2,5fache der durchschnittlichen Fallzahl der verfeinerten Fachgruppe überschritten, mit dem individuellen Fallwert der Klägerin multipliziert habe. Rückforderungsansprüche, die über den eingeklagten Nachvergütungsanspruch der Klägerin (2.461,25 EUR für beide Quartale zusammen) hinausgingen, werde sie nicht geltend machen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2014 zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass für die Bewertung der Voraussetzungen nach § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV eine vergleichende Betrachtung geboten sei. Mangels entsprechender Zahlen könne dies indes nicht erfolgen. Beim Vergleich der Fallzahlen aus den Quartalen I/1997 und II/1997 mit den zugrunde gelegten Fallzahlen für die hier gegenständlichen Quartale lasse sich weder die Vergrößerung der Kassenpraxis noch die Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs ersehen, zumal die Zahlen rückläufig seien.

Der Senat hat die o.g. Gerichtsakte zu dem Verfahren mit den Az. S 79 KA 1498/06 und L 7 KA 121/10 beigezogen.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der dem Senat vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Der Bescheid vom 30. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2013 ist rechtmäßig. Denn die Beklagte kann dem – im Berufungsverfahren unstreitig gewordenen – Nachvergütungsanspruch der Klägerin für die Quartale IV/05 und I/06 i.H.v. 2.461,25 EUR entgegen halten, dass sie durch die Beschäftigung ihrer Weiterbildungsassistentinnen entgegen § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV einen übergroßen Praxisumfang aufrechterhalten hat.

I. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden, hier anzuwenden-den alten Fassung - aF) i.V.m. § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV. Nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots –, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vor-genommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelungen des § 45 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.).

Ein übergroßer Praxisumfang i.S.d. § 32 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 Ärzte-ZV wird aufrechterhalten, wenn bereits vor Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten ein übergroßer Praxisumfang besteht und die Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten der Aufrechterhaltung dieses übergroßen Praxisumfangs dient. Es gilt daher zunächst festzustellen, ob bereits vor Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten ein übergroßer Praxisumfang bestanden hat. Ein übergroßer Praxisumfang liegt in der Regel vor, wenn die Praxis eine Fallzahl aufweist, die in etwa zweimal oder jedenfalls zweieinhalbmal so groß ist wie der Fallzahldurchschnitt vergleichbarer Vertragsärzte, wobei arztindividuelle Gegebenheiten außer Betracht zu lassen sind (BSG, Urteile vom 28. September 2005 – B 6 KA 14/04 R – und vom 17. März 2010 – B 6 KA 13/09 R –, jeweils juris; so auch Bäune, in: ders./Meschke/Rothfuß, (Zahn-)Ärzte-ZV-Kommentar, 2008, § 32 Ärzte-ZV Rn. 50; Ladurner, (Zahn-)Ärzte-ZV-Kommentar, 2017, § 32 Ärzte-ZV Rn. 59; Pawlita, in: jurisPK-SGB V, 3.A., § 95 SGB V Rn. 400; Schallen, Zulassungsverordnung, 8.A., § 32 Rn. 74; Scholz, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 3/2017, § 32 Ärzte-ZV Rn. 42; auf "zweieinhalb bis dreimal so viele Scheine" stellen Bedei/Zalewski in: Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 32 Ärzte-ZV Rn. E 32-14, ab; allgemein kritisch hingegen: Stellpflug, MedR 2011, 115). Anknüpfungspunkte für die Feststellung eines ursprünglich bereits bestandenen übergroßen Praxisumfangs sind demnach die für die Berechnung des Fallzahldurchschnitts vergleichbarer Vertragsärzte erforderlichen Durchschnittsfallzahlen im Umfang von mindestens vier Quartalen in einem Zeitraum direkt vor Eintritt eines Weiterbildungsassistenten in die zu prüfende Praxis.

II. Wie der vorliegende Fall anschaulich belegt, können sich die genannten Kriterien für die Feststellung eines übergroßen Praxisumfangs i.S.v. § 32 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 Ärzte-ZV in mehrfacher Hinsicht als problematisch erweisen. So lässt sich nach Auffassung des Senats mit Recht zum einen fragen, aus welchen Gründen in diesem Zusammenhang nur auf einen Vergleich mit den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten – ohne Einbeziehung der Psychotherapeuten – abgestellt werden soll. Zum anderen führt das Abstellen allein auf Fallzahlen dann zu verzerrten Ergebnissen, wenn die zu vergleichende Arztpraxis überdurchschnittlich häufig Gruppenbehandlungen (ggf. sogar mit unterschiedlich großen Gruppen) abrechnet. Diese Schwierigkeit zeigt sich nicht nur bei psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringern, sondern auch im Bereich der Psychiatrie – vgl. z.B. GOP 14221 Kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung eines Kleinkindes, Kindes oder Jugendlichen (Gruppenbehandlung); GOP 21221 Psychosomatisch-medizinische Behandlung (Gruppenbehandlung) – und der Physiotherapie – vgl. z.B. GOP 30411 Atemgymnastik (Gruppenbehandlung); GOP 30421 Krankengymnastik (Gruppenbehandlung). Zum Dritten können sich Verwerfungen ergeben, wenn der Referenzzeitraum vor der (erstmaligen) Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten viele Jahre zurückliegt und seither die Systematik des EBM bzw. der Honorarverteilung nicht nur unwesentlich geändert wurden. Zum Vierten spiegelt der als Vergleichsgröße heranzuziehende Fachgruppendurchschnitt nicht regelhaft die Größe einer vollausgelasteten Vertragsarztpraxis wieder. Insbesondere dann, wenn zur Fachgruppe eine größere Anzahl unterdurchschnittlich abrechnender Leistungserbringer gehören, kann sich ein übergroßer Praxisumfang – nimmt man ihn mit der Beklagten bereits beim Doppelten des Fachgruppendurchschnitts an – in einer Größenordnung von deutlich weniger als dem Doppelten einer vollausgelasteten Praxis bewegen. So ist gerade für Berlin ein außerordentlich hoher Anteil von psychotherapeutischen Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl belegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage vom 17. April 2012 - BT-Drs. 17/9329, S. 12ff -, wonach sich in Berlin die Fallzahl von mehr als der Hälfte aller psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringer im Bereich von 25 bis 75 % der durchschnittlichen Fallzahl der Bedarfsplanungsgruppe bewegt; hierzu auch SG Berlin, Urteil vom 13. September 2017 – S 83 KA 423/14 –, juris; Berufung anhängig beim Senat unter L 7 KA 57/17). Schließlich lässt sich auch der Einwand, ein Vertragsarzt könne nicht erkennen, ob er eine übergroße Praxis betreibe, weil ihm (typischerweise) die Größe einer Durchschnittspraxis der Fachgruppe nicht bekannt sei (Stellpflug, MedR 2011, 115), nicht ganz von der Hand weisen. Zumindest für die Zeit vor der erstmaligen Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten als dem maßgeblichen Vergleichszeitpunkt wird ihm nicht genau bekannt sein, in welchem Umfang seine Praxis ggf. die Größe einer Durchschnittspraxis der Fachgruppe übersteigt; denn die entsprechenden Zahlen stehen erst nach der Honorarabrechnung durch die KV, d.h. typischerweise erst im zweiten darauffolgenden Quartal, fest.

III. Diese z.T. nicht unerheblichen Schwierigkeiten werden weitgehend vermieden, wenn man für die Fachgruppe der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen vertragsärztlichen Leistungserbringer als maßgebliche Vergleichsgröße auf die Punktzahlgrenze von 561.150 Punkten abstellt, weil dieses Punktzahlvolumen im hier streitigen Zeitraum die Vollauslastung einer Praxis mit zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen beschreibt (BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 13/09 R –, juris, m.w.N.).

1. Diese Vorgehensweise, auf die auch das BSG (a.a.O.) im Zusammenhang mit einer Prüfung von § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV bei der hier betroffenen Fachgruppe abgestellt hat, bietet aus Sicht des Senats zahlreiche Vorteile:

a. Die Punktzahlgrenze von 561.150 Punkten als Vergleichsgröße ist einheitlich auf ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten anwendbar.

b. Die Frage, ob wegen einer hohen Anzahl unterdurchschnittlich abrechnender Leistungserbringer der Fachgruppendurchschnitt nicht die Vollauslastung der Fachgruppe widerspiegelt, stellt sich nicht.

c. Das Problem der Vergleichbarkeit bei einem hohen Anteil an Gruppenbehandlungen stellt sich nur in erheblich abgeschwächter Form. Dies belegt die Gegenüberstellung von Einzel- und Gruppenbehandlung in folgendem Beispiel: Wird innerhalb eines Zeitraums von 100 Minuten zweimal die Leistung nach der GOP 35200 (Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Kurzzeittherapie, Einzelbehandlung, obligater Leistungsinhalt u.a. Dauer mindestens 50 Minuten) erbracht, können (2 x 1495 =) 2.990 Punkte abgerechnet werden. Wird im selben Zeitraum einmalig die Leistung nach der GOP 35202 (Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Kurzzeittherapie, Gruppenbehandlung, obligater Leistungsinhalt u.a. Dauer mindestens 100 Minuten) ergeben sich bei der maximal zulässigen Teilnehmerzahl (9) zu (9 x 745 =) 6.705 Punkte, somit nur das ca. 2,2-fache der in derselben Zeit durch Einzelbehandlung erzielbaren Punkte. Stellt man demgegenüber auf die Fallzahlen ab, geht eine Gruppenbehandlung mit dem 9-fachen Wert der Einzelbehandlung in den Vergleich ein.

d. Der Einwand, ein Vertragsarzt könne nicht erkennen, ob er eine übergroße Praxis betreibe, weil ihm typischerweise die Größe einer Durchschnittspraxis der Fachgruppe nicht bekannt sei, greift bei ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringern nicht. Denn die jeweils geltende Punktzahlgrenze ist allen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen vertragsärztlichen Leistungserbringern durch die (veröffentlichten) Beschlüsse des Bewertungsausschusses bekannt (im konkreten Fall: Beschluss vom 16. Februar 2000, DÄ 2000, Heft 9, A 556).

2. Der Heranziehung der Punktzahlgrenze steht – entgegen der von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht – nicht entgegen, dass sie in einem anderen Zusammenhang entwickelt wurde.

a. Die Grenze von 561.500 Punkten wurde in der Rechtsprechung des BSG entwickelt, um für überwiegend bzw. ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte und Psychotherapeuten einen Mindestpunktwert zu errechnen, der dem aus Verfassungsrecht abgeleiteten Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit (hierzu: Amoulong, Die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht, insbes. S. 247ff.) genügt (grundlegend: BSG, Urteile vom 20. Januar 1999 – B 6 KA 46/97 R –, und vom 25. August 1999 – B 6 KA 14/98 R –; zuletzt: Urteil vom 25. Januar 2017 – B 6 KA 6/16 R – m.w.N.; alle juris). Im Wege einer Modellrechnung (BSG a.a.O.) hat das BSG den aus ausschließlich psychotherapeutischer Tätigkeit erzielbare Praxisumsatz fiktiv berechnet und ist hierbei typisierend davon ausgegangen, dass ein Psychotherapeut unter Berücksichtigung von Feiertagen, Urlaub und Fortbildungsmaßnahmen in 43 Wochen im Jahr jeweils 36 Therapeutische Sitzungen von 50 Minuten Dauer durchführen kann, hat aber auch berücksichtigt, dass die Arbeitszeit eines Psychotherapeuten nicht mit der Behandlungszeit gleichgesetzt werden kann, sondern im Hinblick auf die notwendige begleitende Tätigkeit wie das Abfassen von Berichten, das Erstellen von Anträgen und die Durchführung probatorischer Sitzungen erheblich darüber liegt. Die auf dieser Grundlage ermittelte Vollauslastungsgrenze liegt für die Jahre 2000 bis 2007 bei 561.150 Punkten (BSG a.a.O. m.w.N.).

b. Dass diese Punktzahlobergrenze auch bei der Auslegung von § 32 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 Ärzte-ZV angewandt wird, begegnet aus Sicht des Senats keinen durchgreifenden Bedenken. Die Vollauslastung ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsärzte und Psychotherapeuten kann bei der Ermittlung von Mindestpunktwerten nicht anders definiert werden als in anderen Bereichen des Vertragsarztrechts. So hat das BSG (Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 13/09 R –, juris) die o.g. Vollauslastungsgrenze nicht nur für die Frage, ob Leistungen von Weiterbildungsassistenten dem ausbildenden Vertragsarzt als eigene Leistung zuzurechnen sind, in den Blick genommen, sondern ausdrücklich auch für die Prüfung eines übergroßen Praxisumfangs nach § 32 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 Ärzte-ZV.

3. Dass für ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte und Psychotherapeuten der übergroße Umfang einer Praxis mithilfe der Punktzahlobergrenze exakter bestimmt werden kann als bei Zugrundelegung der durchschnittlichen Größe einer Praxis anhand von Fallzahlen, rechtfertigt es aus Sicht des Senats darüber hinaus, die Grenze, ab wann ein Praxisumfang "übergroß" i.S.v. § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV ist, enger zu fassen als nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG. Denn dessen Auffassung, dass von einer übergroßen Praxis ab dem doppelten bzw. dem zweieinhalbfachen eines durchschnittlichen Praxisumfangs auszugehen sei (BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 13/09 R –, juris), berücksichtigt offenkundig im Sinne eines Sicherheitszuschlags (zum Sicherheitsabschlag im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung: BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 41/13 R –, juris, m.w.N.) die Unschärfe, die mit dem Abstellen auf den Fachgruppendurchschnitt verknüpft ist. Dieser Sicherheitszuschlag kann umso geringer ausfallen, je genauer die Ausgangsgröße bestimmt wird. In Übereinstimmung damit hat auch das BSG (Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 13/09 R –, juris) schon bei weniger als dem Doppelten der Vollauslastung (561.150 Punkte x 2 = 1.122.300 Punkte) Anlass für eine Prüfung nach § 32 Abs. 3 Satz 1 SGB V gesehen.

Aus Sicht des Senats spricht daher viel dafür, bei ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzten und Psychotherapeuten einen übergroßen Praxisumfang schon ab dem 1,5-fachen der Vollauslastung, d.h. bei 841.725 Punkten, anzunehmen. Dies muss an dieser Stelle indes nicht abschließend geklärt werden, da auch das Doppelte der Vollauslastung im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen würde (hierzu sogleich).

IV. Die o.g. Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin erfüllt.

1. Die Klägerin überschritt bereits seit dem Quartal IV/96 und somit vor der erstmaligen Beschäftigung von Weiterbildungsassistentinnen im Quartal II/97 die o.g. Grenze von 561.500 Punkten aus dem o.g. Beschluss des Bewertungsausschusses vom 16. Februar 2000. Diese Grenze darf auch für das Jahr 1997 herangezogen werden, weil sich die Punktzahlen (1.450) für die insoweit maßgeblichen Leistungen der Psychotherapie (Kapitel G IV des EBM, GOP 871, 872, 877, 881, 882) nicht geändert haben. Aber auch für die Zeit ab dem Quartal II/04, d.h. unmittelbar vor den hier streitigen Quartalen, überschritt die Klägerin durchgängig diese Punktzahlgrenze.

2. Diesen übergroßen Praxisumfang hat die Klägerin auch in den Quartalen IV/05 und I/06 aufrechterhalten. Entsprechend dem soeben Gesagten kann offen bleiben, ob man insoweit auf das Doppelte oder nur das 1,5-fache der als Vollauslastung anzusehenden Obergrenze von 561.500 Punkten abstellt. Dies belegt die folgende Berechnung, der der Senat für die klägerische Praxis einen Auszahlungspunktwert von (41.020,37 EUR Quartalshonorar./. 1.770.695 abgerechnete Punkte =) 0,023166 EUR im Quartal IV/05 und (45.819,28 EUR Quartalshonorar./. 2.033.070 abgerechnete Punkte =) 0,022537 EUR zugrunde legt: Quartal angeforderte Punkte Punktzahlobergrenze x 1,5 Differenz in Punkten Punktedifferenz x durchschnittlicher Punktwert (potentielle Rückforderung) IV/05 1.770.695 841.725 928.970 21.521 EUR I/06 2.033.070 841.725 1.191.345 26.849 EUR Quartal angeforderte Punkte Punktzahlobergrenze x 2 Differenz in Punkten Punktedifferenz x durchschnittlicher Punktwert (potentielle Rückforderung) IV/05 1.770.695 1.122.300 648.395 15.021 EUR I/06 2.033.070 1.122.300 910.770 20.526 EUR

Die Höhe der auf die Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs gestützten potentiellen Rückforderung übersteigt die berechtigten Nachforderungen der Klägerin für die beiden streitbefangenen Quartale somit in jedem Fall.

V. Dem Rückforderungsbegehren der Beklagten stehen keine weiteren Umstände entgegen.

1. Die Auffassung, dass die Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten – wie vom Sozialgericht vertreten – kausal für die Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs sein müsse, hat das BSG (Urteil vom 28. September 2005 – B 6 KA 14/04 R –, juris; ihm folgend Steinhilper, MedR 2006, 307) i.E. verworfen. Dies mag angesichts des Wortlauts von § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV ("dienen") nicht zwingend erscheinen (vgl. Scholz, in: BeckOK-Sozialrecht, Ärzte-ZV § 32 Rn. 40), ist aber angesichts des Normzwecks konsequent. Sinn und Zweck der Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten bestehen darin, dass diesem praktische Erfahrung und zusätzliche Kenntnisse vermittelt werden, um auch in Zukunft eine möglichst hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten. Um dieses Zieles der Qualitätssicherung willen soll mit § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV verhindert werden, dass Assistenten zur Vergrößerung der Kassenpraxis oder zur Aufrechterhaltung einer übergroßen Praxis beschäftigt werden (BSG, Urteile vom 28. September 2005 – B 6 KA 14/04 R – und vom 17. März 2010 - B 6 KA 13/09 R; jeweils juris).

Aber auch soweit in der Rechtsprechung ein Kausalzusammenhang zwischen der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten und der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs gefordert wurde (SG Berlin, Urteile vom 25. September 2013 – S 83 KA 323/12 – (rechtskräftig), vom 20. April 2016 – S 22 KA 161/14 – (rechtskräftig) und vom 03. September 2014 – S 71 KA 381/13 –; jeweils juris), wurde er nur bei Fehlen plausibler Erklärungen für den übergroßen Praxisumfang angenommen. Zugleich wurde betont, dass es grundsätzlich dem Vertragsarzt obliegt, "besondere Umstände darzulegen, die schlüssig die Annahme entkräften können, die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten stehe im Zusammenhang mit der festgestellten Fallzahl" (SG Berlin, Urteil vom 20. April 2016 – S 22 KA 161/14 –, juris). Mit dieser Darlegungslast des Vertragsarztes ist eine Beweislast der KV für den geforderten Kausalzusammenhang unvereinbar. Zum einen hat die KV typischerweise keinen Erkenntnisse, auf welchen Umständen die (Über-)Größe einer Praxis beruht. Zum anderen könnte sonst allein unterlassenes Vorbringen des Vertragsarztes eine Beweislastentscheidung zum Nachteil der KV bewirken – ein offenkundig sinnwidriges Ergebnis.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine Umstände vorgetragen, die den übergroßen Umfang ihrer Praxis in den streitigen Quartalen plausibel erscheinen lassen. Daher ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschäftigung der o.g. Weiterbildungsassistentinnen der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dient.

2. Dass die Tätigkeit der beiden o.g. Weiterbildungsassistentinnen (trotz schon bestehender übergroßer Praxis) genehmigt war, ist bedeutungslos (BSG, Urteil vom 17. März 2010 - B 6 KA 13/09 R –, juris). Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung wegen Verstoßes gegen § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV setzt daher auch keinen Widerruf dieser Genehmigung voraus.

3. Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen.

a. Die bloße fehlerhafte Zahlung über einen längeren Zeitraum ist nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen. Ansonsten würde die 4-jährige Ausschlussfrist, innerhalb derer die KV fehlerhafte Abrechnungen berichtigen kann, leer laufen. Eine vergleichbare Situation mit der wissentlichen Duldung systematisch fachfremder Tätigkeit oder einer Leistungserbringung ohne die hierzu erforderliche Abrechnungsgenehmigung liegt nicht vor (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.). Dementsprechend hat das BSG in dieser Entscheidung die Frage, ob ein allgemeiner Vertrauensschutz weiterhin in Betracht kommt, wenn die KV die rechtswidrige Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hat, diese später jedoch von einer Vergütung ausschließt, offen gelassen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten, die Aufrechterhaltung einer übergroßen Praxis bei Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten hinzunehmen, rechtfertigt für die hier streitbefangenen Quartale nicht den Vorwurf eines widersprüchlichen Verhaltens. Ein solcher Vorwurf wäre nur gerechtfertigt, wenn die Beklagte zuvor einen über bloßes Unterlassen hinausgehenden Vertrauenstatbestand gesetzt hätte (vgl. BSG a.a.O.; ablehnend zu Vertrauensschutz aufgrund einer über einen längeren Zeitraum fehlerhaften Honorierung auch: Clemens, in: jurisPK-SGB V, 3.A., § 106a Rn. 232ff m.w.N.). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

b. Auch der Ablauf der Ausschlussfrist von vier Jahren für die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarabrechnung hindert die Beklagte nicht an der vorgenommenen Berichtigung. Sie muss lediglich das Verbot der reformatio in peius beachten, darf die Klägerin also nicht schlechter stellen als in den angefochtenen Bescheiden erfolgt. Im hiesigen Fall kann der Beklagten der Ablauf der Vier-Jahres-Frist nicht entgegen gehalten werden, weil in der erforderlichen Neubescheidung kein neues Vorgehen gegen die Klägerin liegt. Vielmehr stellt die Neubescheidung nur eine Nachbesserung der bisherigen Maßnahme in modifizierter Form dar. Sie dient ebenso wie die bisherige Maßnahme der Beklagten – die Vergütung der Leistungen von Weiterbildungsassistenten mit geringeren Punktwerten – dem Ziel, Anreize zur Ausweitung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Hilfe eines Assistenten zu vermeiden. Prüfungsmaßnahmen, die dasselbe Ziel wie die nicht zulässige pauschale Vergütungsminderung für Assistentenleistungen verfolgen, stehen deshalb der Beklagten auch jetzt noch zur Verfügung, soweit die Klägerin höheres Honorar beansprucht, als ihr von der Beklagten zuerkannt worden ist (BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 13/09 R –, juris).

VI. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte durch die Geltendmachung des potentiellen Rückforderungsanspruchs ihr Recht auf sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a SGB V aF für diese beiden Quartale und bezogen auf Leistungen der sog. großen Psychotherapie verliert. Durch die erfolgte Überprüfung ist die spezifische Vorläufigkeit eines vertragsärztlichen Honorarbescheides und damit die Anwendbarkeit der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften entfallen. Der rechtswidrig begünstigende Honorarbescheid wäre insoweit nur noch nach den Vertrauensausschlusstatbeständen des § 45 (Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1) SGB X rücknehmbar (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – B 6 KA 17/05 R –, juris).

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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