Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
49
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 49 AS 857/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 wird insoweit aufgehoben, wie die Widersprüche der beiden Kläger gegen den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 und der Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen den Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 als unzulässig zurückgewiesen werden.
Der Beklagte wird verpflichtet den Widerspruch der beiden Kläger vom 05.01.2017 gegen den Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 sowie den Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen ihren Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 in der Sache zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2/3.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines Widerspruches.
Die am 06.01.1994 geborene Klägerin zu 1) und der am 24.10.1988 geborene Kläger zu 2) sind miteinander verheiratete bulgarische Staatsangehörige. Sie leben mit den gemeinsamen Kindern D. (geboren: 01.12.2012) und J. (geboren: 16.03.2016) in einer Wohnung in D ...
Dem Kläger zu 2) sind durch den Beklagten in der Vergangenheit mit Bescheid vom 02.06.2015 für den Zeitraum vom 20.04.2015 bis zum 31.03.2016 vorläufige Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] bewilligt worden. Mit Änderungsbescheid vom 02.12.2015 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 höhere Leistungen und berücksichtigte bei der Leistungsbewilligung neben beiden Klägern auch die Tochter D ... Mit Änderungsbescheid vom 03.03.2016 wurden die vorläufigen Leistungen der Höhe nach angepasst.
Mit Bescheid vom 20.05.2016 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft der Kläger vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 11.04.2016 bis zum 31.03.2017.
Ferner erließ der Beklagte am 20.05.2016 gegenüber den Klägern drei weitere Bescheide, bei denen zwischen den Beteiligten umstritten ist, ob bzw. wann diese den Klägern zugegangen sind. Mit einem Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 setzte der Beklagte die endgültigen Leistungen der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 abweichend zu den vorläufigen Bewilligungen fest. Mit einem Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 forderte der Beklagte die Klägerin zu 1) zur Rückzahlung ihrer danach insgesamt überzahlten Leistungen in Höhe von 3.216,14 EUR sowie zur Rückzahlung der danach insgesamt überzahlten Leistungen für D. in Höhe von 960,62 EUR auf. Mit einem weiteren Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 forderte der Beklagte den Kläger zu 2) zur Rückzahlung von insgesamt überzahlten Leistungen in Höhe von 2.478,15 EUR auf. Die Erstattungsbescheide vom 20.05.2016 enthalten in der Leistungsakte jeweils einen Absendevermerk für den 23.05.2016, der von dem Sachbearbeiter des Beklagten mit vollständigem Namen unterschrieben worden ist.
Mit Schreiben vom 30.06.2016 mahnte der Beklagte gegenüber den Klägern die ausstehende Rückzahlung an.
Am 05.07.2016 sprach der Kläger zu 2) bei dem Beklagten persönlich vor. Nach dem Vorsprachevermerk des Beklagten legte er "ein (Mahn-) Schreiben vor, das dem Schreiben zugrunde liegende Rückforderungsschreiben vom 30.05.16 hat er nicht erhalten, aus Allegro ausgedruckt und ausgehändigt, er wird sich an die Leistungsabteilung z.Klärung wenden."
Mit Mahnschreiben vom 21.12.2016 erinnerte der Beklagte die Kläger erneut an die ausstehenden Rückzahlungen aus den Bescheiden vom 20.05.2016.
Am 05.01.2017 erhoben die Kläger Widerspruch gegen "Ihr Schreiben vom 21.1.2016 [ ], Ihr Schreiben vom 30062016". Das Widerspruchsschreiben weist zahlreiche Rechtschreib- und Grammatikfehler auf, ist allein von den Klägern unterschrieben und enthält keinen Hinweis auf einen anderen Ersteller. Die Kläger würden den Beklagten bitten "zu unrecht Errichtete beträge an uns zurückzuzahlen In Genannte Zeitraum von Sep.2015 bis März.2016 ich war wie angemeldet Erwerbslos, Erzielte kein weiteres Einkommen." Inhaltlich trugen die Kläger u.a. vor, dass ihr einziger Fehler gewesen sei, dass sie aufgrund von Sprachschwierigkeiten nichts unternommen hätten. Der Beklagte wertete die Widerspruchserhebung als Widerspruch gegen die Bescheide vom 20.05.2016.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Der Widerspruch sei verspätet erhoben worden. Die Widerspruchsfrist sei verstrichen gewesen. § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] bestimme, dass der Bescheid am dritten Tag nach der Postaufgabe den Klägern zugegangen sei. Der Bescheid sei am 20.05.2016 zur Post aufgegeben worden. Er gelte folglich am 23.05.2016 als zugegangen. Die Widerspruchsfrist habe am 24.05.2016 begonnen und sei am 23.06.2016 um 24:00 Uhr abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Sozialgerichtsgesetz [SGG] sei nicht zu gewähren.
Mit Schreiben vom 21.02.2017, das am 23.02.2017 beim SG Duisburg eingegangen ist, haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung der Klage tragen die Kläger vor, der Bescheid vom 20.05.2016 sei den Klägern nicht bekannt gegeben worden. Die Kläger hätten die Bescheide nicht erhalten, denn wenn sie die Bescheide erhalten hätten, hätten sie sofort gehandelt. Erst aufgrund des im Dezember 2016 zugegangenen Mahnschreibens vom 21.12.2016 sei das Widerspruchsschreiben gefertigt worden. Der Widerspruch sei von einem Mitarbeiter der AWO vorformuliert und aufgegeben worden, ohne dass der Widerspruch zuvor noch einmal übersetzt worden sei. Die Kläger wüssten daher nicht, wie der Satz mit den Sprachproblemen gemeint gewesen sei. Sie gingen davon aus, dass es sich um eine Standardformulierung der AWO handele. Dies bedeute jedenfalls nicht, dass man bereits zuvor die Bescheide erhalten habe. § 37 Abs. 2 SGB X gelte nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht zugegangen sei. Im Zweifel habe die Behörde dies nachzuweisen. Vorliegend habe diese nicht einmal überprüft, ob ein Zugang erfolgt sei. Die Kläger würden ausschließen, dass sie im Rahmen der Vorsprache vom 05.07.2016 die Bescheide vom 20.05.2016 er-halten hätten, auch wenn sie nicht mehr sagen könnten, was sie ansonsten für Bescheide an dem Tag erhalten hätten. Nach ihrer Erinnerung habe es sich um einen ganz normalen Termin gehandelt, bei dem nichts im Einzelnen besprochen worden sei. Es werde ausgeschlossen, dass die Kläger überhaupt jemals bei einer persönlichen Vorsprache Bescheide ausgehändigt erhalten hätten. Es könne sein, dass das anders in Deutsch im System vermerkt sei. Die Kläger würden die deutsche Sprache aber nicht sprechen.
Die Kläger beantragen mit Schriftsatz vom 21.02.2017 sinngemäß,
die Bescheide des Beklagten vom 20.05.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 12.04.2017,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist ergänzend zu seinen Ausführungen im Widerspruchsbescheid darauf, dass aus dem Vorsprachevermerk vom 05.07.2016 hervorgehe, dass die Kläger die entsprechenden Bescheide vom 20.05.2016 spätestens zu diesem Zeitpunkt erhalten hätten. Warum in dem Vermerk von einem "Rückforderungsschreiben vom 300516" die Rede sei, könne jetzt nicht mehr aufgeklärt werden. Es gebe aber nur die Bescheide vom 20.05.2016, so dass diese gemeint sein müssten. Wenn man das Widerspruchsschrei-ben lese falle zudem auf, dass zu den in der Betreffzeile angegebenen Zeichen entsprechende Mahnschreiben im Zusammenhang mit der Erstattungsforderung existieren wür-den. Dies korrespondiere inhaltlich mit der Vorsprache aus Juli 2016, in deren Rahmen die entsprechenden Bescheide übergeben worden seien.
Im Rahmen des Erörterungstermins vom 05.12.2017 haben die Beteiligten gegenüber dem Gericht ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG jeweils ausdrücklich erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entschei-dung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist teilweise zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang auch begründet.
I. Das Gericht kann vorliegend ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteilig-ten haben zuvor im Erörterungstermin vom 05.12.2017 jeweils ausdrücklich ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt. Das Einverständnis ist vor Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht widerrufen worden.
II. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
1. Die Klage ist unzulässig, soweit die Kläger mit der gerichtlichen Aufhebung der Bescheide vom 20.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2017 eine gerichtliche Sachentscheidung begehren. Denn das Gericht kann im Erfolgsfall nur eine (isolierte) Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung des Beklagten den Widerspruch in der Sache zu entscheiden vornehmen, ohne dem Beklagten dabei eine bestimmte inhaltliche Form der Widerspruchsentscheidung vorgeben zu dürfen.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 sind die Widersprüche der Kläger gegen die Bescheide vom 20.05.2016 als unzulässig zurückgewiesen worden. Im Zusammenhang mit einem solchem als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch ist nach An-sicht der Kammer nur eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG) statthaft, die analog § 79 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO] auf eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Zurückverwei-sung der Sache an die Behörde zur Entscheidung über den Widerspruch in der Sache gerichtet ist. Hinsichtlich der umstrittenen Frage, welche gerichtliche Entscheidung über welche Klageart begehrt werden kann, wenn ein Widerspruch - zu Unrecht - als unzulässig zurückgewiesen worden ist (a)), hält die Kammer diese Lösungsmöglichkeit für rechtlich geboten (b)).
a) Sofern ein Widerspruch durch die Behörde als unzulässig zurückgewiesen worden ist, wird die statthafte Klageart uneinheitlich beurteilt.
Nach der wohl überwiegend vertretenen Ansicht ist dem Gericht in diesen Fällen eine unmittelbare Sachentscheidung verwehrt, selbst wenn die Zurückweisung des Widerspruches im Widerspruchsbescheid unrechtmäßig gewesen sein sollte. Das Gericht müsse sich in diesen Fällen vielmehr damit begnügen die rechtswidrige Widerspruchsentscheidung isoliert aufzuheben und die Behörde zur Bescheidung des – dann wieder unbeschiedenen - Widerspruches gegen den Ausgangsbescheid in der Sache zu ver-pflichten (BSG, Urt. v. 30.09.1996 – 10 RKg 20/95, juris, 28 f. – "Gemeinsam ist beiden Meinungen jedoch, daß - falls die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unzulässig zurückweist und nicht in der Sache entscheidet - die Gerichte an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens gehindert sind."; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.11.2013 – L 12 AS 343/13, juris, Rn. 19; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 29 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 – L 2 R 494/13, juris, Rn. 18 ff.; Burkiczak, SGb 2016, 189, 190, 193; offengelassen: Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 78, Rn. 3). Nur wenn die Behörde einen unzu-lässigen Widerspruch – unter Missachtung der Bestandskraft der Ausgangsentschei-dung – tatsächlich in der Sache entschieden hat, soll diese (auch fehlerhafte) Sachentscheidung in der Folge für das Gericht eine Möglichkeit zur Sachentscheidung eröffnen (LSG Rheinland-Pfalz, Teil. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 29). In den Fällen, in denen die Behörde im Widerspruchsverfahren hingegen keine Sachentscheidung getroffen habe, dürfe auch das Gericht nicht erstmalig in die inhaltliche Sachprüfung eintreten. Die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Rückverweisung an die Behörde zur inhaltlichen Sachentscheidung des – dann wieder - unbeschiedenen Widerspruchs gegen den unveränderten Ausgangsbescheid wird u.a. mit dem nach ei-nem allgemeinen Rechtsgedanken aus § 79 Abs. 2 VwGO begründet (LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 29), da auch in anderen Zusammenhängen davon ausgegangen wird, dass sich eine Klage analog § 79 Abs. 2 VwGO isoliert gegen den Widerspruchsbescheid richten kann, obwohl eine ausdrückliche Re-gelung im SGG nicht enthalten ist (vgl. BSG, Urt. v. 25.03.1999 – B 9 SB 14/97 R, juris, Rn. 18 ff.; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 95 SGG, Rn. 3 ff. m.w.N.). Für dieses Begehren ist dann die Kombination aus Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG), gerichtet auf die (isolierte) Aufhebung des rechtswidrigen Widerspruchsbescheides, und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGG), gerichtet auf Verpflichtung der Behörde zur Erlass eines (neuen) Widerspruchs-bescheides in der Sache, statthaft. Innerhalb dieser Ansicht wird die Frage uneinheitlich beantwortet, ob das Gericht im Erfolgsfall durch Endurteil (so: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.11.2013 – L 12 AS 343/13, juris, Rn. 19), entsprechendes Teilurteil nach § 202 SGG i.V.m. § 301 Zivilprozessordnung [ZPO] (so: LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 – L 2 R 494/13, juris, Rn. 37 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 19; wohl auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5) oder Zwischenurteil nach § 202 SGG i.V.m. § 303 ZPO entscheidet.
Teilweise wird unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9) davon ausgegangen, dass das Bundessozialgericht seine frühere Rechtsprechung aufgegeben habe und durch das Gericht auch bei einem als zu Unrecht als zulässig verworfenen Widerspruch eine Entscheidung in der Sache zu treffen sei (Sächsisches LSG, Urt. v. 16.03.2016 – L 8 SO 10/14, juris, Rn. 26; unklar: Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 78 SGG, Rn. 2). Sofern die inhaltliche Überprüfung ergeben sollte, dass dem Begehren des Klägers keine Bestandskraft des Bescheides nach § 77 SGG entgegensteht - was inhaltlich insbesondere eine Rechtswidrigkeit der Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig voraussetzt –, sei das Gericht in gleicher Weise wie bei einem zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesenen Widerspruch zur gerichtlichen Sachentscheidung verpflichtet. Die statthafte Klageart richtet sich in diesem Zusammenhang nach dem jeweiligen inhaltlichen Sachbegehren des Klägers.
Vereinzelt wird auch eine Differenzierung in der Form befürwortet, dass bei einer Ermessensentscheidung der Behörde eine Rückverweisung ohne gerichtliche Sachentscheidung unter isolierter Aufhebung des Widerspruchsbescheides erfolgen solle, während bei gebundenen Entscheidungen der Behörde eine unmittelbare gerichtliche Sachent-scheidung vorzunehmen sei, wenn der Widerspruch zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden sei (Giesbert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 78 SGG, Rn. 20, 21 m.w.N.).
b) Die Kammer schließt sich in diesem Zusammenhang der erstgenannten Ansicht an, die zumindest in der Vergangenheit auch durch das Bundessozialgericht vertreten worden ist. Analog dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 79 Abs. 2 VwGO kann bei der Klage im Erfolgsfalles durch das Gericht lediglich eine isolierte Aufhebung des Wider-spruchsbescheides vom 10.02.2017 unter Zurückverweisung an den Beklagten zur Entscheidung des Widerspruchs der Kläger in der Sache erfolgen, wenn mit dem Widerspruchsbescheid der Widerspruch zu Unrecht als rechtswidrig zurückgewiesen worden ist. Das Gericht macht sich in diesem Zusammenhang die folgenden Ausführungen vollumfänglich zu Eigen:
"Entgegen der Rechtsauffassung des SG ist es jedoch nicht unbeachtlich, dass eine Sachprüfung des Beklagten im Widerspruchsbescheid 27.01.2010 unterblieben ist, weil nach der vom SG durchgeführten materiell-rechtlichen Prüfung kein Anspruch der Klägerin auf einen Mehrbedarf besteht. Das SG kann derzeit nicht in eine Sachprüfung eintreten. Weist eine Widerspruchsbehörde einen Widerspruch als unzulässig zurück und entscheidet somit nicht in der Sache, ist den Gerichten eine sachlich-rechtliche Überprüfung des Klagebegehrens verwehrt (BSG, Urteil vom 30.09.1996 - 10 RKg 20/95 Rn. 29 juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.09.2010 - L 1 AL 122/09 R Rn. 29 juris). Ein Verzicht der Überprüfung der Sach- und Rechtmäßigkeit des Anspruchs auf Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) kommt vorliegend auch nicht aus Gründen der Prozessökonomie (vgl. hierzu LSG, a.a.O., Rn. 31 juris) in Betracht. Denn die Verwaltung soll die Recht- und die Zweckmä-ßigkeit des Verwaltungsaktes überprüfen. Zudem ist es auch vorliegend nicht von vorne herein ausgeschlossen, dass es zu einer positiven Entscheidung kommt. [ ...] Das SG wird daher entweder nach rechtlichem Hinweis an den Beklagten den Rechtsstreit nach § 114 SGG analog aussetzen, nachdem der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 27.01.2010 aufgehoben hat oder aber zunächst diesen Widerspruchsbescheid durch Teilurteil (§ 202 i.V.m. § 301 ZPO) aufheben (LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rn. 19)." (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5)
Für die Annahme, dass das Gericht bei einem als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch nicht in die Sachprüfung eintreten kann, sprechen insbesondere die Funktionen des Widerspruchsverfahrens, die das Widerspruchsverfahren zu einem Instrument der Selbstkontrolle der Verwaltung, des außergerichtlichen Rechtsschutzes des Bürgers und zum gerichtlichen Vorverfahren zwecks Entlastung der Sozialgerichte machen (vgl. hier-zu allgemein: BSG, Urt. v. 11.05. 2011 – B 6 KA 13/10 R, juris, Rn. 28; BSG, Urt. v. 18.03.1999 - B 12 KR 8/98 R, juris, Rn. 17; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, Vor §§ 77 ff. SGG, Rn. 1a; Giesbert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 78 SGG, Rn. 11; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 78, Rn. 1). Zwar folgt aus dem Ziel der Selbstkontrolle der Behörde nicht, dass eine erneute Entscheidung über den Widerspruch in der Sache erfolgen müsste, wenn ein Widerspruch fehlerhaft als unzulässig zurückgewiesen worden ist, weil die Behörde dann lediglich eine ihr dargebotene Möglichkeit zur Selbstkontrolle nicht genutzt hat. Jedoch sprechen folgende Erwägungen für ein solches Verständnis, die sich maßgeblich aus der Natur des Widerspruchsverfahrens als außergerichtliches Rechtsschutzverfahren und gerichtliches Vorverfahren ergeben:
- Wenn eine wesentliche Verfahrensvorschrift des Widerspruchsverfahrens missachtet wird, wird abweichend vom Ausgangsbescheid erstmalig durch den Widerspruchsbescheid eine zusätzliche Beschwer des Betroffenen analog § 79 Abs. 2 VwGO begründet, sofern die (dann fehlerhafte) Widerspruchsentscheidung auf dieser Verletzung beruht. Hierdurch wird der Rechtsschutzanspruch des Bürgers auf Entscheidung seines Widerspruches in der Sache verletzt. Sofern das Gericht nun unmittelbar eine Entscheidung in der Sache treffen würde, würde es dem Bürger eine entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit im Widerspruchsverfahren endgültig nehmen. Dass diese Rechtsschutzmöglichkeit gegenüber den gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht überflüssig wird, ergibt sich bereits daraus, dass der Prüfungsmaßstab des Klageverfahrens nicht deckungsgleich mit dem Prü-fungsmaßstab des Widerspruchsverfahrens ist. Zugunsten des Bürgers ist im behördlichen Widerspruchsverfahren nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen (§ 78 Abs. 1 S. 1 SGG). Dass in diesem Zusammenhang auch mit einem Einverständnis des Bürgers, der sich bspw. auf eine gerichtliche Überprüfung beschränken möchte, nicht auf die Ebene des Widerspruchsverfahrens verzichtet werden kann, ergibt sich maßgeblich aus der Funktion des Widerspruchsverfahrens als gerichtliches Vorverfahren mit sog. Filterfunktion, das maßgeblich der Entlastung der Sozialgerichte dienen soll (BSG, Urt. v. 11.05. 2011 – B 6 KA 13/10 R, juris, Rn. 28). Sofern es nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint, dass die Behörde dem Widerspruch in der Sache abgeholfen hätte, wenn sie nicht fehlerhaft von einer inhaltlichen Prüfung abgesehen hätte, kann das (nachzuholende) Widerspruchsverfahren der Entlastung der Sozialgerichte dienen. Zumindest würde eine Nachholung des Widerspruchsverfahrens mit Sachentscheidung zu einer Entlastung in der Form führen, dass das Gericht auf einen in der Sache durch das Widerspruchsverfahren weiter aufgeklärten Sachverhalt stoßen würde, was - als bezweckte Entlastung der Sozialgerichte - ebenfalls mit dem Widerspruchsverfahren erreicht werden soll. Insofern kann die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nicht so zur Disposition der Beteiligten stehen, dass anstatt des behördlichen Widerspruchsverfahrens - unmittelbar - ein gerichtliches Klageverfahren durchgeführt wird (vgl. BSG, Urt. v. 18.03.1999 - B 12 KR 8/98 R, ju-ris, Rn. 17 ff.). Daraus ergibt sich auch, dass es nicht möglich sein kann, dass sich die Behörde durch eine fehlerhafte Entscheidung zur Zulässigkeit des Widerspruches selbst der gesetzlich vorgegeben Prüfung des Widerspruches in der Sache entzieht. Insofern entspricht es dem Sinn und Zweck des Vorverfahrens (Selbstkontrolle der Verwaltung, Verbesserung des Rechtsschutzes des Bürgers, Schutz der Gerichte vor Überlastung) und der Stellung der Gerichte im gewaltenteiligen Staat, dass ein Gericht seine Sachentscheidung erst treffen soll, wenn die Verwaltung durch die Widerspruchsbehörde, in einem einwandfreien Verfahren und ohne zusätzliche Rechtsfehler ihr letztes Wort in der Sache gesprochen hat (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 30 m.w.N.).
- Gerade wenn dem Widerspruchsverfahren als gerichtliches Vorverfahren auch eine Filterfunktion zur Entlastung der Sozialgerichte zukommen soll (so ausdrücklich: BSG, Urt. v. 11.05. 2011 – B 6 KA 13/10 R, juris, Rn. 28) erscheint eine Zurückverweisung zur Sachentscheidung bei einem rechtswidrigen Widerspruchsbescheid notwendig, wenn die Behörde einen Widerspruch zu Unrecht als unzulässig zu-rückgewiesen hat. Denn die Behörde hat in diesen Fällen – ausgehend von ihrem Standpunkt zur Zulässigkeit des Widerspruchs – folgerichtig jegliche weitere Sachverhaltsermittlung und inhaltliche Sachprüfung unterlassen. Das Gericht trifft somit auf einen in der Sache nicht aufbereiteten Sachverhalt und wäre daher bei einer erstmaligen Sachprüfung gehalten in umfangreicher Weise erstmalig die Umstände zu ermitteln, welche der Ausgangsentscheidung zugrunde liegen. Dies erscheint wenig überzeugend. Zwar ist es Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Andererseits kann es nicht gerichtliche Aufgabe sein anstelle der Behörde erstmals umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und u.a. den Leistungsanspruch anhand dieser Ermittlungen vor der Behörde zu berechnen. Denn zum einem trifft die Verwaltung primär eine Amtsermittlungspflicht und die Gerichte sind primär zur Nachprüfung behördlicher Entscheidung berufen (SG Augsburg, Urt. v. 03.07.2017 – S 8 AS 400/17, Rn. 29 i.a.Z.). Zum anderen verfügt das Gericht auch nicht über dieselben, weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, welche der Behörde – auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens – noch zur Verfügung stehen (vgl. exemplarisch bspw. § 41a Abs. 3, §§ 60 ff. SGB II), sondern ist im Wesentlichen auf die Beweismittel des SGG beschränkt, welche auf die gerichtliche Überprüfung eines durch die Behörde bereits ermittelten Sachverhaltes und der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes ausgelegt sind.
- In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, ob es sich in der Sache um ei-ne gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, da weder § 79 Abs. 2 SGG noch die rechtlichen Funktionen des Widerspruchsverfahrens zwischen Ermessens- und gebundenen Entscheidungen differenzieren.
Dem steht nicht entgegen, dass die Behörde dann durch eine rechtswidrige Zurückwei-sung des Widerspruchs eigenmächtig den Rechtsschutz des Bürgers verlängern könnte, wenn das Gericht statt einer unmittelbaren Sachentscheidung (nur) eine Verpflichtung der Behörde zur Sachentscheidung ausspricht. Mit der hier vertretenen Verfahrensweise ist auch dann keine nennenswerte Verzögerung des Rechtsschutzes der Beteiligten verbunden, wenn die Behörde bei der erneuten Bescheidung des Widerspruches eine ablehnende Sachentscheidung treffen sollte. Denn der Bürger hat es nach der isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides selbst in der Hand, eine zeitnahe (Neu-) Bescheidung seines bereits erhobenen Widerspruches in der Sache vorzunehmen, indem er insbesondere die Vollstreckung der Verpflichtung zur Bescheidung des Widerspruchs in der Sache aus der Gerichtsentscheidung (§§ 198 ff., 201 Abs. 1 SGG) geltend macht. Die dadurch eintretenden Verzögerungen der Entscheidung in der Sache sind für den Bürger im Ergebnis hinnehmbar. Denn der gerichtliche Rechtsschutz des SGG ist grds. als zeitlich nachgelagerter Rechtsschutz gegen ein bereits erfolgtes Behördenhandeln ausgestaltet, mit dem nur ausnahmsweise dem Handeln der Behörde vorweggegriffen werden darf. Gerade ein solches inhaltliches Vorweggreifen würde jedoch drohen, wenn das Gericht anstelle der Widerspruchsbehörde inhaltlich in die Sachprüfung der Ausgangsentscheidung einsteigen würde. Die Behörde kommt auch nicht in die Lage eine Rechtsverwirklichung nach Belieben hinauszuzögern, da jedenfalls nach der erzwingbaren Widerspruchsentscheidung in der Sache auch eine gerichtliche Entscheidung in der Sache vollumfänglich möglich wird. Zudem schätzt das Gericht ein entsprechendes Missbrauchspotential durch die Behörde als praktisch kaum vorhanden ein. Denn selbst wenn die Behörde darauf abzielen sollte, den Rechtsschutz für den Bürger durch eine – bewusst – fehlerhafte Widerspruchsentscheidung zu verlängern, indem sie entgegen besseren Wissens den Widerspruch als unzulässig zurückweist, müsste die Behörde zusätzlich erhebliche Kosten für das dann erfolgreiche anschließende (erste) Klageverfahren gegen den fehlerhaften Widerspruchsbescheid tragen. Dies würde zu einer finanzi-ellen Mehrbelastung der Behörde gegenüber der Situation führen, dass unmittelbar die Sachentscheidung im Widerspruchsverfahren ergangen wäre und sich sodann (nur) ein Klageverfahren angeschlossen hätte.
Wenn teilweise insbesondere unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts ausgeführt wird (BSG, Urt. v. 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R), dass das Bundessozialgericht gerade unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung in dieser Frage nun eine unmittelbare Sachentscheidungskompetenz der Gerichte anerkenne (Sächsisches LSG, Urt. v. 16.03.2016 – L 8 SO 10/14, juris, Rn. 26), teilt die Kammer ein derartiges Rechtsverständnis aus den dargestellten Gründen nicht. Unabhängig davon erscheint es aber überhaupt fraglich, ob gerade dieser Einzelentscheidung des Bundes-sozialgerichts überhaupt eine bewusste Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entnommen werden kann (vgl. zur früheren Rechtsprechung: BSG, Urt. v. 30.09.1996 – 10 RKg 20/95, juris, 29). Denn das Bundessozialgericht hat zwar in dieser Entscheidung – entgegen eines Widerspruchsbescheides, mit dem ein Widerspruch zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden ist – inhaltlich in der Sache entschieden. Die entsprechenden Ausführungen lassen aber nicht erkennen, dass sich das Bundessozialgericht der zugrundeliegenden Problematik im zu entscheidenden Einzelfall überhaupt bewusst gewesen wäre, sondern beziehen sich nur auf die Zulässigkeitsfrage, ob das nach § 78 SGG erforderliche Vorverfahren erfolgreich durchgeführt worden ist, was nach allen An-sichten übereinstimmend zu bejahen wäre (BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9 - "Die Klage ist zulässig. Wie schon das SG zu Recht erkannt hat, wurde das angesichts der vorliegenden Anfechtungs- und Leistungsklage erforderliche Vorverfahren durchgeführt (§ 54 Abs 1, 4, § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), auch wenn der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil verspätet eingelegt, zurückgewiesen hat. Besondere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs, an die Durchführung eines Vorverfahrens stellt § 78 Abs 1 SGG nicht, weil andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmä-ßigkeit des weiteren Verhaltens der Behörde bzw der zuständigen Widerspruchsbehörde abhängig wäre [ ]."). Der hier aufgeworfenen Frage nach dem sich daraus ergebenden Umfang der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis in der Sache stellt sich die Entschei-dungsbegründung des Bundessozialgerichts inhaltlich nicht. Diese Frage wird allenfalls dadurch konkludent mitbeantwortet, dass das Bundessozialgericht im Ergebnis auch in der Sache entschieden hat. Die Kritikpunkte, die teilweise gegenteilige Rechtsprechung der Landessozialgerichte und insbesondere auch die Brüche zu der eigenen früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 30.09.1996 – 10 RKg 20/95, ju-ris, 28 f. – "Gemeinsam ist beiden Meinungen jedoch, daß - falls die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unzulässig zurückweist und nicht in der Sache entscheidet - die Gerichte an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens gehindert sind.") werden in der späteren Entscheidungsbegründung jedoch nicht berücksichtigt. Sofern das Bundessozialgericht in der späteren Entscheidung tatsächlich auch die Frage nach der inhaltlichen Entscheidungskompetenz bewusst hätte neu / anders entscheiden wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass dieser Rechtsprechungswechsel in der Entscheidung auch deutlich(er) zum Ausdruck kommt und insbesondere auch dargelegt wird, warum die Gerichte – nun doch – nicht an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Kla-gebegehrens gehindert sein sollen.
3. Eine auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Widerspruchs gerichtete Klage ist hier auch im Übrigen zulässig.
a) Die Formulierung des Klageantrages der anwaltlich vertretenen Kläger, der ausdrück-lich auf eine Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 20.05.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2017 gerichtet ist, steht einer zulässigen Klage nicht entgegen.
Denn das Gericht ist nach § 123 SGG nicht an die Fassung des Antrages gebunden, sondern an das erkennbare Klagebegehren, welches nach dem sog. Prinzip der Meist-begünstigung auszulegen ist (vgl. zum Meistbegünstigung: BSG, Urt. v. 27.09.2011 – B 4 AS 160/10 R, juris, Rn. 14 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 123 SGG, Rn. 3; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 123, Rn. 10 m.w.N. – "Im Zweifel begehrt der unvertretene Kläger (bereits angesichts Art. 19 Abs. 4 GG und §§ 2 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) ungeachtet des Wortlauts seines Antrags dasjenige, was ihm den größten Nutzen bringen kann. Die Auslegung der Anträge muss sich danach richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen."). Insofern ist davon auszugehen, dass das Klagebegehren der Klägerseite, die ihre Klagebegründung allein gegen die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig ausgerichtet haben, ohne dass überhaupt zur Sache vorgetragen worden wäre, auch auf die isolierte Aufhe-bung des Widerspruchsbescheides unter Rückverweisung zur Sachentscheidung um-fasst. Wie bereits dargestellt, stellt dies im vorliegenden Fall das zulässige Klagebegeh-ren dar, welches als inhaltliches Minus – und insofern prozessual notwendiger Zwi-schenschritt – als vom Klageantrag der Kläger mitumfasst anzusehen ist.
b) Insbesondere ist auch das nach § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG vor Erhebung der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage durchzuführende Vorverfahren mit der Widerspruchsentscheidung vom 10.02.2017 abgeschlossen.
Auch ein Widerspruchsbescheid, mit dem ein Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wird, schließt ein Widerspruchsverfahren i.S.d. § 85 Abs. 2 SGG ab und stellt eine vorherige Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG dar (BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9; Hintz, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 48. Edition, Stand: 01.03.2018, § 78 SGG, Rn. 2a; Giesbert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 78 SGG, Rn. 19; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 78 SGG, Rn. 2 m.w.N. auch zu den Gegenstimmen; a.A.: Burkiczak, SGb 2016, 189, 192). Dies ist überzeugend, da § 78 SGG keine besonderen Anforderungen an Inhalt und Prüfungsumfang für die Durchführung eines Vorverfahrens beinhaltet und andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmäßigkeit des weiteren Verhaltens der (Widerspruchs-) Behörde abhängig wäre, was den Betroffenen im Er-gebnis rechtsschutzlos stellen würde (BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9). Ob der Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen worden ist, betrifft vielmehr eine Frage, die im Rahmen der Begründetheit - im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 77 SGG - zu behandeln ist.
Die Frage nach der generellen Zulässigkeit einer Klage im Hinblick auf § 78 SGG ist dabei unabhängig von der Frage, welche Klageart für das Begehren des Klägers statthaft ist und welche Rechtsfolge das Gericht im Erfolgsfall der zulässigen Klage aussprechen kann. § 78 SGG steht damit der Zulässigkeit einer Klage im Zusammenhang mit einem als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch - und allen diesbezüglich bereits darstellten Ansichten - nicht entgegen. Dies verwechselt scheinbar das Sächsisches LSG, wenn es in einer Entscheidung gerade bezogen auf einen weiteren Umfang der gerichtlichen Entscheidungskompetenz zur Sache – also die Begründetheit der Klage –, damit argumentieren will, dass eine Klage gegen einen als unzulässig zurückgewiesen Wider-spruch i.S.d. § 78 SGG zulässig ist (Sächsisches LSG, Urt. v. 16.03.2016 – L 8 SO 10/14, juris, Rn. 26). Dies steht aber auch nach der hier vertretenen Ansicht zur inhaltlich eingeschränkten gerichtlichen Sachentscheidungskompetenz außer Frage.
III. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch teilweise begründet. Der Widerspruch der Kläger vom 05.01.2017 richtet sich gegen drei Bescheide des Beklagten vom 20.05.2016 (1.). Dabei ist der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 insoweit rechtswidrig, wie der der Widerspruch der beiden Kläger vom 05.01.2017 gegen den Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 sowie der Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen den Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 über 3.216,14 EUR als unzulässig zurückgewiesen wird (2.). Der Beklagte ist diesbezüglich unter entsprechender (Teil-) Aufhebung des rechtswidrigen Widerspruchsbescheides vom 10.02.2017 zur Entscheidung über diese Widersprüche der Kläger vom 05.01.2017 in der Sache zu verpflichten. Demgegenüber ist die Klage allerdings in Bezug auf den Widerspruch des Klägers zu 2) gegen den an ihn gerichteten Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 über 2.478,15 EUR unbegründet, da der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 insofern zu Recht von einem verfristeten Widerspruch des Klägers zu 2) ausgegangen ist (3.).
1. Das Widerspruchsschreiben der Kläger vom 05.01.2017 lässt nicht ausdrücklich erkennen gegen welche Bescheide Widerspruch erhoben werden soll. Aus dem Sachzusammenhang, der weiteren Widerspruchsbegründung und der Überschrift "Ihr Schreiben vom 21.1.2016 [ ], Ihr Schreiben vom 30.06.2016" lässt sich jedoch hinreichend deutlich entnehmen, dass die Kläger gegen sämtliche Bescheide Widerspruch erheben wollte, welche mit den Rückforderungen aus den erwähnten Mahnschreiben vom 30.06.2016 und 21.12.2016 inhaltlich im Zusammenhang stehen. Insofern argumentieren die Kläger auch gerade mit dem zugrundeliegenden Erstattungszeitraum von September 2015 bis März 2016. Dies betrifft inhaltlich den Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 sowie die beiden Erstattungsbescheide vom 20.05.2016. In diesem Sinne ist der Widerspruch seitens des Beklagten auch inhaltlich ausgelegt worden (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] analog), wenn der Beklagte zutreffend von einem Widerspruch gegen die Bescheide vom 20.05.2016 wegen Erstattung nach endgültiger Festsetzung für die Zeit vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 ausgegangen ist.
2. Sofern der Beklagte die Widersprüche der Kläger gegen den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 sowie der Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen den Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 über 3.216,14 EUR als unzulässig zurückgewiesen hat, ist der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 rechtswidrig. Denn die Beklagte ist diesbezüglich zu Unrecht von einem Verstreichen der Widerspruchsfrist nach § 84 SGG bei Widerspruchserhebung am 05.01.2017 ausgegangen. Nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 SGB I oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Hierbei läuft die Monatsfrist einen Monat ab Bekanntgabe der Ausgangsentscheidung gem. § 39 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 37 SGB X.
Der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 wäre insofern nur dann rechtmäßig, wenn bei Widerspruchserhebung am 05.01.2017 bereits die Widerspruchsfrist nach § 84 SGG verstrichen gewesen wäre, was eine Bekanntgabe der Bescheide vom 20.05.2016 vor dem 05.12.2016 voraussetzen würde. Dies ist hier nicht der Fall. Der Beklagte geht im Hinblick auf die allgemeinen Nachmaßstäbe zur Bekanntgabe (a)) zu Unrecht davon aus, dass die Widersprüche vom 05.01.2017 wegen einer Bekanntgabe vor dem 05.12.2016 verfristet i.S.d. § 84 SGG sind (b)).
a) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes bezeichnet eine durch die Behörde willentlich verschaffte Kenntnis des Adressaten eines Verwaltungsaktes von dessen Inhalt durch zielgerichtete Mitteilung des Verwaltungsaktes seitens der Behörde (BSG, Urt. v. 14.04.2011 – B 8 SO 12/09 R, juris, Rn 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.02.2011 – L 19 AS 2270/11 B, juris, Rn 16; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.08.2011 – L 19 AS 100/11 B PKH, juris, Rn. 13; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 37 SGB X, Rn. 3a). Sofern keine bestimmte Form der Bekanntgabe vorgeschrieben ist, kann eine Bekanntgabe nach § 33 Abs. 2 S. 1 SGB X sowohl mündlich, schriftlich, elektronisch oder in anderer Weise erfolgen, was auch eine förmliche Zustellung nach § 65 SGB X i.V.m. jeweiligen Verwaltungszustellungsgesetz einschließt (Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 37 SGB X, Rn. 5 ff.). Als Zeitpunkt der Bekanntgabe wird dabei allgemein der Moment angesehen, in dem üblicherweise mit einer Kenntnisnahme vom Inhalt des Verwaltungsaktes durch den Bürger ausgegangen werden kann. Dieser Zeitpunkt ist von der jeweiligen Form des Verwaltungsakts selbst abhängig. Bei einem schriftlich erlassen Verwaltungsakt ist die Bekanntgabe regelmäßig im Zeitpunkt seines Zugangs vollzogen. Dies bedeutet, in entsprechender Anwendung des § 130 BGB, dass das Schriftstück dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass mit der Kenntnisnahme durch diesen bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse zu rechnen ist (BSG, Urt. v. 03.06.2004 - B 11 AL 71/03 R, juris, Rn. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.02.2012 – L 19 AS 2270/11 B, juris, Rn. 16 m.w.N.).
Falls dabei kein anderer Zeitpunkt einer Bekanntgabe feststellbar ist, gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Hierbei greift nach der Rechtsprechung die Fiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X ein, sobald ein entsprechender behördlicher Aktenvermerk der Abgabe des Verwaltungsaktes zur Post ge-geben ist (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R, juris, Rn. 17; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 23; Pattar in: Schlegel/Voelzke, ju-risPK-SGB X, § 37 SGB X, Rn. 96 m.w.N.). Teilweise wird als weitere formelle Anforderung an den Abvermerk gefordert, dass dieser nicht nur mit Handzeichen oder einer Paraphe des Sachbearbeiters abgezeichnet wird, sondern dessen vollständige Unterschrift aufweist (etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.11.2011 – L 7 AS 1382/11 B, juris, Rn. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.12.2011 – L 10 AS 534/11 B, juris, Rn. 3; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 37 SGB X, Rn. 12a).
Die Fiktionswirkung zum Bekanntgabezeitpunkt gilt nach § 37 Abs. 2 S. 3 SGB X allerdings nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde sowohl den Zugang des Verwaltungsaktes als auch den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Die Rechtsprechung differenziert in diesem Zusammenhang danach, ob der Zugang des Verwaltungsaktes bestritten wird oder lediglich ein anderer / späterer Zugangszeitpunkt des Verwaltungsaktes geltend gemacht wird. Wenn der Bürger bestreitet, dass der Verwaltungsakt überhaupt zugegangen ist, soll ein einfaches Bestreiten des Zuganges ausreichen, weil dem Bürger in diesem Fall eine weitere Substantiierung seines Vortrages nicht möglich sein soll (BSG, Urt. v. 26.07.2007 – B 13 R 4/06 R, juris, Rn. 22; Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 37 SGB X, Rn. 105 m.w.N.). Wenn der Bürger hingegen – nur - vorträgt, dass der Verwaltungsakt zu einem anderen Termin zugegangen ist, soll ein sog. qualifiziertes Bestreiten in der Weise notwendig sein, dass Tatsachen vorgetragen werden, aus denen schlüssig die nicht nur entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Verwaltungsakts erst zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt ist, als nach dem von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X vermutet (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.03.2008 – L 8 AS 5579/07, juris, Rn. 22; LSG Saarland, Urt. v. 27.04.2007 – L 7 R 52/06, juris, Rn. 27; Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 37 SGB X, Rn. 106 m.w.N.). Im Zweifel gelten in beiden Fällen aber die allgemeinen Beweiswürdigungsregelungen, wobei die Beweislast jeweils auf Seiten der Behörde liegt; hierbei kann allerdings der der Behörde obliegende Beweis für die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes auch auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden (Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 37 SGB X, Rn. 13c; Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 37 SGB X, Rn. 107).
b) Hinsichtlich des endgültigen Festsetzungsbescheides vom 20.05.2016 und des Erstattungsbescheides vom 20.05.2016 über 3.216,14 EUR sieht es die Kammer im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nicht als erwiesen an, dass der insofern beweisbelastete Beklagte einen Zugang der Bescheide vor dem 05.12.2016 nachgewiesen hätte.
Da die Kläger nicht nur den Bekanntgabezeitpunkt der Bescheide bestreiten, sondern überhaupt den Zugang dieser Bescheide vom 20.05.2016 in Abrede stelle, genügt das sog. einfache Bestreiten des Zuganges aus. Dies gilt umso mehr da, für den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 nicht einmal die Fiktionswirkung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X eingreift, da für diesen Bescheid ein behördlicher Abvermerk nicht feststellbar ist. Der Nachweis eines früheren Zuganges der Bescheide richtet sich für den Beklagten vorliegend nach den Grundsätzen des Vollbeweises, da das Gesetz keinen besonderen Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung anordnet (BSG, Urt. v. 16.02.1971 – 1 RA 113/70, juris, Rn. 18; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 128, Rn. 5 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 128 SGG, Rn. 3a ff.).
Ein Vollbeweis wäre vorliegend erbracht, wenn für das Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass sowohl der endgültige Festsetzungsbescheides vom 20.05.2016 und des Erstattungsbescheides vom 20.05.2016 über 3.216,14 EUR den Kläger vor dem 05.12.2016 zugegangen sind. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist erst gegeben, wenn eine Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Gewisse Zweifel sind unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten. Beim Richter muss allerdings ein Maß an persönlicher Gewissheit erreicht sein, welches Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie andererseits völlig auszuschließen. Sind mehrere Tatbestandsvarianten möglich, ist der Anspruch hingegen nur dann zuzuerkennen, wenn er nach jedem der Geschehensabläufe zusteht (sog Wahlfeststellung; vgl. allgemein zu den Maßstäben des Vollbeweises jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 128 SGG, Rn. 3b; Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 128, Rn. 5). Dies ist hier bzgl. eines tatsächlichen Zuganges dieser Bescheide vor dem 05.12.2016 nicht der Fall. Folgende Erwä-gungen waren bei der Beweiswürdigung im Rahmen der notwendigen Gesamtschau der Indizien für die Kammer in Bezug auf das Beweisergebnis maßgeblich:
- Ohne gesetzliche Regelung spricht weder eine Vermutung noch ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein tatsächlich abgesandtes Schriftstück den Empfänger tatsächlich erreicht hat (BSG, Urt. v. 26.07.2007 – B 13 R 4/06 R, juris, Rn. 18 ff.; vgl. auch: BVerfG, Kammerbeschl. v. 15.05.1991 - 1 BvR 1441/90, juris, Rn. 13; BFH, Urt. v. 23.09.1966 – III 226/63, juris, Rn. 15; BGH, Urt. v. 24.04.1996 – VIII ZR 150/95, juris, Rn. 18). Selbst wenn die Behörde hier nachgewiesen hat, dass die Bescheide am 23.05.2016 an die Kläger versandt worden sind - wofür insbesondere der Abvermerk auf dem Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 spricht – ist dies nicht gleichbedeutend mit der Feststellung, dass die Bescheide dann auch in den Machtbereich der Kläger gelangt wären. Es kann bspw. zu einem Verlust der Postsendung gekommen sein.
- Zwar gibt das spätere Klägerverhalten durchaus Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger die Bescheide vom 20.05.2016 tatsächlich erhalten haben. Die Kläger geben vor, dass sie sicher ausschließen könnten, dass sie die Bescheide vom 20.05.2016 erhalten haben, obwohl sie aufgrund mangelnder Deutsch- und Lesekenntnisse überhaupt nicht in der Lage gewesen sein dürften, den Inhalt von schriftlichen Bescheiden abzugrenzen. Die Kläger haben auch bei der Widerspruchsbegründung gewusst auf welche Zeiträume sich die fraglichen Erstattungszahlungen konkret beziehen (September 2015 bis März 2016), was allein aus dem vorgetragenen Erhalt der Mahnschreiben bei verständiger Würdigung zwar erkennbar wäre aber nicht offenkundig ist. Zudem deutet die weitere Widerspruchsbegründung, dass man nur aus Sprachproblemen bisher nichts unternommen habe an, darauf hin, dass die Kläger sich eines verspäteten Vorgehens bewusst gewesen sind. Logisch zwingend folgt daraus aber noch nicht, dass die Kläger tatsächlich im Besitz der Bescheide vom 20.05.2016 waren und sich die Ausführungen gerade auf die deswegen verspätete Widerspruchserhebung bezogen hätten. Zudem muss nach dem Vortrag der Kläger, die nach dem Eindruck im Termin vom 05.12.2017 glaubhaft ihre fehlenden Deutschkenntnisse dargelegt haben, nicht ausgeschlossen werden, dass die Widerspruchsbegründung trotz der zahlreichen sprachlichen Fehler von einem deutschkundigen Dritten für die Kläger erstellt worden ist. Ob dieser Dritte eigene Textbausteine hat einfließen lassen oder eine eigene Begründung der Kläger unverändert vollständig übersetzt hat, lässt sich nicht mehr sicher aufklären.
- Die Kammer ist allerdings davon überzeugt, dass dem Kläger zu 2) im Rahmen der persönlichen Vorsprache am 05.07.2016 mindestens ein Bescheid vom 20.05.2016 übergeben und damit bekannt gemacht worden ist. Hierfür spricht bereits der zeitliche Zusammenhang in dem die Vorsprache des Klägers stand. So hatte der Kläger tatsächlich zeitnah vor der Vorsprache am 30.06.2016 ein Mahnschreiben über die Rückforderungsbeträge erhalten. Dieses Schreiben wird auch später in der Widerspruchsüberschrift ausdrücklich erwähnt, was für den tatsächlichen Erhalt spricht. Es erscheint daher stimmig, wenn der behördliche Vorsprachevermerk als Grund der Vorsprache den Erhalt dieses Mahnschreibens angibt. Sofern der Kläger auch damals ausgeführt haben sollte, dass er die zugrundeliegende Bescheide vom 20.05.2016 nicht erhalten habe - was (auch) später im Widerspruchs- und Klageverfahren laufend ausgeführt wird -, erscheint es lebensnah, dass der Sachbearbeiter des Beklagten dem Kläger die Bescheide aus Allegro tatsächlich ausgedruckt und übergeben hat sowie den Kläger zur weiteren Klärung an die Leis-tungsabteilung verwiesen hat. Ein solches Vorgehen erscheint als Standardvorgehen für den hier vorliegenden Fall auch naheliegend. Da es keine Bescheide vom 30.05.2016 gegenüber den Klägern gegeben hat, die aus Allegro hätten ausge-druckt werden können, ist bzgl. der Formulierung "das dem Schreiben zugrunde liegende Rückforderungsschreiben vom 300516" von einem Schreibfehler im Vermerk auszugehen; gemeint ist erkennbar der 20.05.2016. Sofern der Kläger im Erörterungstermin vom 05.12.2017 ausgeführt hat, dass er ausschließen könne, im Rahmen der persönlichen Vorsprache vom 05.07.2016 überhaupt einen Bescheid erhalten zu haben, wertet das Gericht dies im Ergebnis als substanzlose Schutzbehauptung, welche lediglich die eigene Klageposition bestärken soll. Die Kläger hatten die Vorsprache am 05.07.2016 selbst unerwähnt gelassen und hierzu erst vorgetragen, nachdem die Beklagtenvertreterin diese im Erörterungstermin erwähnt hatte. Wenn die Kläger dann auch auf die gerichtliche Nachfrage selbst keinen anderen Grund für die Vorsprache angeben konnten und dann sogar ausführen, dass gar nichts besprochen worden sein soll, erscheint diese Darstellung des Klägers als im Nachhinein vorgeschoben. Denn die Kläger konnten nicht erläutern, warum der Kläger dann überhaupt am 05.07.2016 bei dem Beklagten persönlich vorgesprochen haben soll; dass eine solche persönliche Vorsprache des Klägers trotz zeitlich unmittelbarer Nähe zu Mahnschreiben über die Rückforderung mehrerer Tausend Euro ohne jegliches inhaltliches Anliegen – einfach nur so – stattgefunden haben soll, hält die Kammer für nicht nachvollziehbar. Für eine reine Schutzbehauptung des Klägers spricht auch der im Erörterungstermin vom 05.12.2017 ohne ernsthaftes Nachdenken direkt angeschlossene, unsubstantiierte Pauschalvortrag des Klägers, dass er noch nie Bescheide im Rahmen einer Vorsprache bei dem Beklagten erhalten habe.
- Allerdings ist nach Ansicht der Kammer unter Beachtung der Beweislastverteilung zu berücksichtigen, dass der Vorsprachevermerk des Beklagten vom 05.07.2016 in Bezug auf die übergegebenen Bescheide vom 20.05.2016 inhaltlich nicht eindeutig ist. Der Vermerk spricht davon, dass dem Kläger das "dem Schreiben zugrunde liegende Rückforderungsschreiben vom 300516" übergeben worden sei. Der Vermerk beschreibt daher in Einzahl nur einen einzigen Rückforderungsbescheid. Es ist damit nicht klar erkennbar, dass dem Kläger alle drei Bescheide vom 20.05.2016 übergeben worden sind (endgültiger Festsetzungsbescheid; Erstattungsbescheid an die Klägerin; Erstattungsbescheid an den Kläger). In dieser Situation wirken sich die verbleibenden Unsicherheiten in der Frage, welche Bescheide dem Kläger am 05.07.2016 tatsächlich übergeben worden sind, für den insofern beweisbelasteten Beklagten so aus, dass nur von einem Beweis des Zugangs eines Bescheides vom 20.05.2016 ausgegangen werden kann. Wenn man berücksichtigt, dass der Kläger im Rahmen der persönlichen Vorsprache ein der Mahnung zugrundeliegendes "Rückforderungsschreiben" ausgedruckt worden sein soll, kann lediglich von einer Übergabe des an den Kläger persönlich adressierten Erstattungsbescheides vom 20.05.2016 über insgesamt 2.478,15 EUR ausgegangen werden. Einen Nachweis des Zuganges der anderen Bescheide vom 20.05.2016 kann der Beklagte mit dem Vorsprachevermerk vom 05.07.2016 unter Berücksichtigung des Klägervortrages nicht erfolgreich führen.
3. Soweit der Beklagte den Widerspruch des Klägers zu 2) gegen den Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 über 2.478,15 EUR als unzulässig zurückgewiesen hat, begegnet der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 keinen rechtlichen Bedenken. Denn aufgrund des bereits Ausgeführten (s. dazu: III. 2.) kann der Beklagte zumindest eine Bekanntgabe dieses Erstattungsbescheides am 05.07.2016 durch persönliche Übergabe nachweisen. Die Widerspruchsfrist nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG ist diesbezüglich am 05.08.2016 abgelaufen, so dass eine Zurückweisung des erst später am 05.01.2017 erhobenen Widerspruchs als unzulässig wegen Versäumung dieser Widerspruchsfrist mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Der Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 ist bestandskräftig und damit für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG). Sofern der Bescheid materiell-rechtlich unzutreffend sein sollte, ist der Kläger auf ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zu verweisen.
IV. Entgegen der wohl überwiegend vertretenen Ansicht sieht die Kammer hier davon ab, durch Teilurteil eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Rückverweisung an die Behörde zur Sachentscheidung eine entsprechende gerichtliche Entscheidung der Kläger vorzunehmen (a.A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 – L 2 R 494/13, juris, Rn. 37 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 19; wohl auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5). Vielmehr hält die Kammer auch bzgl. des stattgebenden Teils der Gerichtsentscheidung eine Entscheidung unmittelbar durch Endurteil für rechtlich geboten (so – ohne nähere Begründung - im Ergebnis auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.11.2013 – L 12 AS 343/13).
Sofern die Rechtsprechung von einer Entscheidung durch Endurteil absieht und über die (isolierte) Aufhebung des Widerspruchsbescheides und die Verpflichtung der Behörde zur (Neu-) Bescheidung des Widerspruches in der Sache durch Teilurteil nach § 202 SGG i.V.m. § 301 ZPO ausspricht, erscheint dies maßgeblich der Annahme geschuldet, dass ein Klageverfahren analog § 114 SGG auszusetzen sei, wenn ein Vorverfahren nicht durchgeführt wurde (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 – L 2 R 494/13, juris, Rn. 37 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5). Nach der überwiegend vertretenen Ansicht könne in einer Klageerhebung auch eine erstmalige Widerspruchserhebung i.S.d. § 83 SGG gesehen werden (BSG, Urt. v. 13.12.2000 – B 6 KA 1/00 R, juris, Rn. 19; kritisch: Guttenberger, in: Schle-gel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 114 SGG, Fn. 92) und es sei analog § 114 Abs. 2 S. 2 SGG nicht möglich, die Klage mangels Durchführung eines Widerspruchsverfah-rens (§ 78 SGG) als unzulässig abzuweisen (BSG, Urt. v. 24.10.2013 – B 13 R 31/12 R, juris, Rn. 20; BSG, Urt. v. 13.12.2000 – B 6 KA 1/00 R, juris, Rn. 25 m.w.N. – "Wurde vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt, führt das im Regelfall nicht zur Abweisung einer Klage als unzulässig. Bedarf es eines Widerspruchsverfahrens, geben die Gerichte den Beteiligten vielmehr Gelegenheit zur Nachholung [ ]."; Wehrhahn, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 114, Rn. 12; Guttenberger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 114 SGG, Rn. 43; a.A.: SG Stuttgart, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - S 20 SO 1922/11; SG Berlin, Urt. v. 16.05.2012 - S 205 AS 11726/09). Bei der isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung zur Bescheidung des Widerspruchs in der Sache sollen dann dieselben Grundsätze zur Aussetzung ana-log § 114 Abs. 2 S. 2 SGG gelten, da mit der gerichtlichen Aufhebung des Widerspruchs-bescheides kein abgeschlossenes Widerspruchsverfahren (mehr) vorliege.
Dieses Rechtsverständnis hält die Kammer im Ergebnis jedenfalls dann nicht für überzeugend, wenn es - wie im vorliegenden Fall - um die isolierte Aufhebung eines Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung des Beklagten zur (Neu-) Bescheidung des Widerspruchs in der Sache geht. Denn anders als in den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen soll die Klage dann gerade nicht zu Lasten des Bürgers als unzulässig abgewiesen werden. Vielmehr wird der Klage zugunsten des Bürgers insoweit sogar stattgegeben. Der Bürger kann nun die Neubescheidung seines Widerspruchs in der Sache – ggf. auch im Wege der Vollstreckung (§§ 198 ff., 201 Abs. 1 SGG) - durchsetzen.
Warum es in diesen Fällen einer weiteren, parallelen Fortführung des gerichtlichen Klageverfahrens unter Aussetzung dieses Verfahrens analog § 114 Abs. 2 S. 2 SGG bedürfen würde, bis die Behörde einen neuen Widerspruchsbescheid in der Sache erlassen hat, erschließt sich dem Gericht nicht. Ein weiteres, ununterbrochenes Vorhalten gerade des bisherigen Gerichtsverfahrens nur für den Bedarfsfall ist jedenfalls nicht angezeigt. Denn sofern die spätere Widerspruchsentscheidung in der Sache der Beschwer des Bürgers abhelfen sollte, erscheint ab diesem Zeitpunkt eine weitere erfolgreiche Fortführung des früheren Klageverfahrens ausgeschlossen. Wenn andernfalls auch nach der Widerspruchsentscheidung in der Sache eine Beschwer des Bürgers verbleiben sollte, bedarf es ebenfalls keiner Fortführung des ursprünglichen Klageverfahrens mehr. Denn mit dem Erlass des (neuen) Widerspruchsbescheides werden für den Bürger sämtliche Rechtsschutzmöglichkeiten (neu) eröffnet. Dieser kann ungehindert eine (neue) Klage gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des (neuen) Widerspruchsbescheides erheben. Eine Fortführung gerade des ursprünglichen Klageverfahrens erscheint demgegenüber - auch aus prozessökonomischen Erwägungen – nicht angezeigt. Denn mit dem Ausgangsbescheid in Gestalt des neuen (Sach-) Widerspruchsbescheides wird der bisherige Streitgegenstand inhaltlich vollständig ausgetauscht und ein inhaltlich (neues) Verfahren zur Sachprüfung beginnt von vorn. Es gibt auch keine wesentliche inhaltliche Überschneidung mit dem bisherigen Streitstoff des Gerichtsverfahrens mehr, der gerade in der – nicht länger relevanten - Frage nach der Zulässigkeit des Widerspruchs und der Rechtmäßigkeit des früheren (nicht mehr existenten) Widerspruchsbescheides bestand. Insofern sind auch keine Synergieeffekte für die Beteiligten oder das Gericht zu erwarten.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
VI. Die Berufung gegen dieses Urteil ist für die Beteiligten jeweils bereits nach §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil der dafür notwendige Berufungsstreitwert von 750,00 EUR erreicht wird. Hinsichtlich des Berufungsstreitwertes ist für den Kläger zu 2) auf die Erstattungsforderung von 2.478,15 EUR abzustellen, während für den Beklagten die Verpflichtung zur Neubescheidung über den Widerspruch gegen die Festsetzungsentscheidung und die Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin zu 1) und ihrem D. maßgeblich ist, die 3.216,14 EUR beträgt.
Für die ohnehin kraft Gesetzes berufsfähige Entscheidung ist deshalb nicht noch ausdrücklich nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zusätzlich die Berufung zuzulassen, weil sich die Kammer in dieser Entscheidung in der Frage, ob bei einem als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch eine gerichtliche Entscheidung in der Sache erfolgt bzw. in der Folge eines Teilurteils das Gerichtsverfahren analog § 114 SGG bis zur Entscheidung über den Widerspruch auszusetzen ist, bewusst von einzelnen Entscheidungen des Bundes-sozialgerichts und des LSG Nordrhein-Westfalen abweicht (vgl. etwa: BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5).
Der Beklagte wird verpflichtet den Widerspruch der beiden Kläger vom 05.01.2017 gegen den Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 sowie den Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen ihren Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 in der Sache zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2/3.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines Widerspruches.
Die am 06.01.1994 geborene Klägerin zu 1) und der am 24.10.1988 geborene Kläger zu 2) sind miteinander verheiratete bulgarische Staatsangehörige. Sie leben mit den gemeinsamen Kindern D. (geboren: 01.12.2012) und J. (geboren: 16.03.2016) in einer Wohnung in D ...
Dem Kläger zu 2) sind durch den Beklagten in der Vergangenheit mit Bescheid vom 02.06.2015 für den Zeitraum vom 20.04.2015 bis zum 31.03.2016 vorläufige Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] bewilligt worden. Mit Änderungsbescheid vom 02.12.2015 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 höhere Leistungen und berücksichtigte bei der Leistungsbewilligung neben beiden Klägern auch die Tochter D ... Mit Änderungsbescheid vom 03.03.2016 wurden die vorläufigen Leistungen der Höhe nach angepasst.
Mit Bescheid vom 20.05.2016 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft der Kläger vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 11.04.2016 bis zum 31.03.2017.
Ferner erließ der Beklagte am 20.05.2016 gegenüber den Klägern drei weitere Bescheide, bei denen zwischen den Beteiligten umstritten ist, ob bzw. wann diese den Klägern zugegangen sind. Mit einem Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 setzte der Beklagte die endgültigen Leistungen der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 abweichend zu den vorläufigen Bewilligungen fest. Mit einem Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 forderte der Beklagte die Klägerin zu 1) zur Rückzahlung ihrer danach insgesamt überzahlten Leistungen in Höhe von 3.216,14 EUR sowie zur Rückzahlung der danach insgesamt überzahlten Leistungen für D. in Höhe von 960,62 EUR auf. Mit einem weiteren Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 forderte der Beklagte den Kläger zu 2) zur Rückzahlung von insgesamt überzahlten Leistungen in Höhe von 2.478,15 EUR auf. Die Erstattungsbescheide vom 20.05.2016 enthalten in der Leistungsakte jeweils einen Absendevermerk für den 23.05.2016, der von dem Sachbearbeiter des Beklagten mit vollständigem Namen unterschrieben worden ist.
Mit Schreiben vom 30.06.2016 mahnte der Beklagte gegenüber den Klägern die ausstehende Rückzahlung an.
Am 05.07.2016 sprach der Kläger zu 2) bei dem Beklagten persönlich vor. Nach dem Vorsprachevermerk des Beklagten legte er "ein (Mahn-) Schreiben vor, das dem Schreiben zugrunde liegende Rückforderungsschreiben vom 30.05.16 hat er nicht erhalten, aus Allegro ausgedruckt und ausgehändigt, er wird sich an die Leistungsabteilung z.Klärung wenden."
Mit Mahnschreiben vom 21.12.2016 erinnerte der Beklagte die Kläger erneut an die ausstehenden Rückzahlungen aus den Bescheiden vom 20.05.2016.
Am 05.01.2017 erhoben die Kläger Widerspruch gegen "Ihr Schreiben vom 21.1.2016 [ ], Ihr Schreiben vom 30062016". Das Widerspruchsschreiben weist zahlreiche Rechtschreib- und Grammatikfehler auf, ist allein von den Klägern unterschrieben und enthält keinen Hinweis auf einen anderen Ersteller. Die Kläger würden den Beklagten bitten "zu unrecht Errichtete beträge an uns zurückzuzahlen In Genannte Zeitraum von Sep.2015 bis März.2016 ich war wie angemeldet Erwerbslos, Erzielte kein weiteres Einkommen." Inhaltlich trugen die Kläger u.a. vor, dass ihr einziger Fehler gewesen sei, dass sie aufgrund von Sprachschwierigkeiten nichts unternommen hätten. Der Beklagte wertete die Widerspruchserhebung als Widerspruch gegen die Bescheide vom 20.05.2016.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Der Widerspruch sei verspätet erhoben worden. Die Widerspruchsfrist sei verstrichen gewesen. § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] bestimme, dass der Bescheid am dritten Tag nach der Postaufgabe den Klägern zugegangen sei. Der Bescheid sei am 20.05.2016 zur Post aufgegeben worden. Er gelte folglich am 23.05.2016 als zugegangen. Die Widerspruchsfrist habe am 24.05.2016 begonnen und sei am 23.06.2016 um 24:00 Uhr abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Sozialgerichtsgesetz [SGG] sei nicht zu gewähren.
Mit Schreiben vom 21.02.2017, das am 23.02.2017 beim SG Duisburg eingegangen ist, haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung der Klage tragen die Kläger vor, der Bescheid vom 20.05.2016 sei den Klägern nicht bekannt gegeben worden. Die Kläger hätten die Bescheide nicht erhalten, denn wenn sie die Bescheide erhalten hätten, hätten sie sofort gehandelt. Erst aufgrund des im Dezember 2016 zugegangenen Mahnschreibens vom 21.12.2016 sei das Widerspruchsschreiben gefertigt worden. Der Widerspruch sei von einem Mitarbeiter der AWO vorformuliert und aufgegeben worden, ohne dass der Widerspruch zuvor noch einmal übersetzt worden sei. Die Kläger wüssten daher nicht, wie der Satz mit den Sprachproblemen gemeint gewesen sei. Sie gingen davon aus, dass es sich um eine Standardformulierung der AWO handele. Dies bedeute jedenfalls nicht, dass man bereits zuvor die Bescheide erhalten habe. § 37 Abs. 2 SGB X gelte nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht zugegangen sei. Im Zweifel habe die Behörde dies nachzuweisen. Vorliegend habe diese nicht einmal überprüft, ob ein Zugang erfolgt sei. Die Kläger würden ausschließen, dass sie im Rahmen der Vorsprache vom 05.07.2016 die Bescheide vom 20.05.2016 er-halten hätten, auch wenn sie nicht mehr sagen könnten, was sie ansonsten für Bescheide an dem Tag erhalten hätten. Nach ihrer Erinnerung habe es sich um einen ganz normalen Termin gehandelt, bei dem nichts im Einzelnen besprochen worden sei. Es werde ausgeschlossen, dass die Kläger überhaupt jemals bei einer persönlichen Vorsprache Bescheide ausgehändigt erhalten hätten. Es könne sein, dass das anders in Deutsch im System vermerkt sei. Die Kläger würden die deutsche Sprache aber nicht sprechen.
Die Kläger beantragen mit Schriftsatz vom 21.02.2017 sinngemäß,
die Bescheide des Beklagten vom 20.05.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 12.04.2017,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist ergänzend zu seinen Ausführungen im Widerspruchsbescheid darauf, dass aus dem Vorsprachevermerk vom 05.07.2016 hervorgehe, dass die Kläger die entsprechenden Bescheide vom 20.05.2016 spätestens zu diesem Zeitpunkt erhalten hätten. Warum in dem Vermerk von einem "Rückforderungsschreiben vom 300516" die Rede sei, könne jetzt nicht mehr aufgeklärt werden. Es gebe aber nur die Bescheide vom 20.05.2016, so dass diese gemeint sein müssten. Wenn man das Widerspruchsschrei-ben lese falle zudem auf, dass zu den in der Betreffzeile angegebenen Zeichen entsprechende Mahnschreiben im Zusammenhang mit der Erstattungsforderung existieren wür-den. Dies korrespondiere inhaltlich mit der Vorsprache aus Juli 2016, in deren Rahmen die entsprechenden Bescheide übergeben worden seien.
Im Rahmen des Erörterungstermins vom 05.12.2017 haben die Beteiligten gegenüber dem Gericht ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG jeweils ausdrücklich erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entschei-dung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist teilweise zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang auch begründet.
I. Das Gericht kann vorliegend ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteilig-ten haben zuvor im Erörterungstermin vom 05.12.2017 jeweils ausdrücklich ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt. Das Einverständnis ist vor Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht widerrufen worden.
II. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
1. Die Klage ist unzulässig, soweit die Kläger mit der gerichtlichen Aufhebung der Bescheide vom 20.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2017 eine gerichtliche Sachentscheidung begehren. Denn das Gericht kann im Erfolgsfall nur eine (isolierte) Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung des Beklagten den Widerspruch in der Sache zu entscheiden vornehmen, ohne dem Beklagten dabei eine bestimmte inhaltliche Form der Widerspruchsentscheidung vorgeben zu dürfen.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 sind die Widersprüche der Kläger gegen die Bescheide vom 20.05.2016 als unzulässig zurückgewiesen worden. Im Zusammenhang mit einem solchem als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch ist nach An-sicht der Kammer nur eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG) statthaft, die analog § 79 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO] auf eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Zurückverwei-sung der Sache an die Behörde zur Entscheidung über den Widerspruch in der Sache gerichtet ist. Hinsichtlich der umstrittenen Frage, welche gerichtliche Entscheidung über welche Klageart begehrt werden kann, wenn ein Widerspruch - zu Unrecht - als unzulässig zurückgewiesen worden ist (a)), hält die Kammer diese Lösungsmöglichkeit für rechtlich geboten (b)).
a) Sofern ein Widerspruch durch die Behörde als unzulässig zurückgewiesen worden ist, wird die statthafte Klageart uneinheitlich beurteilt.
Nach der wohl überwiegend vertretenen Ansicht ist dem Gericht in diesen Fällen eine unmittelbare Sachentscheidung verwehrt, selbst wenn die Zurückweisung des Widerspruches im Widerspruchsbescheid unrechtmäßig gewesen sein sollte. Das Gericht müsse sich in diesen Fällen vielmehr damit begnügen die rechtswidrige Widerspruchsentscheidung isoliert aufzuheben und die Behörde zur Bescheidung des – dann wieder unbeschiedenen - Widerspruches gegen den Ausgangsbescheid in der Sache zu ver-pflichten (BSG, Urt. v. 30.09.1996 – 10 RKg 20/95, juris, 28 f. – "Gemeinsam ist beiden Meinungen jedoch, daß - falls die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unzulässig zurückweist und nicht in der Sache entscheidet - die Gerichte an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens gehindert sind."; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.11.2013 – L 12 AS 343/13, juris, Rn. 19; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 29 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 – L 2 R 494/13, juris, Rn. 18 ff.; Burkiczak, SGb 2016, 189, 190, 193; offengelassen: Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 78, Rn. 3). Nur wenn die Behörde einen unzu-lässigen Widerspruch – unter Missachtung der Bestandskraft der Ausgangsentschei-dung – tatsächlich in der Sache entschieden hat, soll diese (auch fehlerhafte) Sachentscheidung in der Folge für das Gericht eine Möglichkeit zur Sachentscheidung eröffnen (LSG Rheinland-Pfalz, Teil. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 29). In den Fällen, in denen die Behörde im Widerspruchsverfahren hingegen keine Sachentscheidung getroffen habe, dürfe auch das Gericht nicht erstmalig in die inhaltliche Sachprüfung eintreten. Die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Rückverweisung an die Behörde zur inhaltlichen Sachentscheidung des – dann wieder - unbeschiedenen Widerspruchs gegen den unveränderten Ausgangsbescheid wird u.a. mit dem nach ei-nem allgemeinen Rechtsgedanken aus § 79 Abs. 2 VwGO begründet (LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 29), da auch in anderen Zusammenhängen davon ausgegangen wird, dass sich eine Klage analog § 79 Abs. 2 VwGO isoliert gegen den Widerspruchsbescheid richten kann, obwohl eine ausdrückliche Re-gelung im SGG nicht enthalten ist (vgl. BSG, Urt. v. 25.03.1999 – B 9 SB 14/97 R, juris, Rn. 18 ff.; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 95 SGG, Rn. 3 ff. m.w.N.). Für dieses Begehren ist dann die Kombination aus Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG), gerichtet auf die (isolierte) Aufhebung des rechtswidrigen Widerspruchsbescheides, und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGG), gerichtet auf Verpflichtung der Behörde zur Erlass eines (neuen) Widerspruchs-bescheides in der Sache, statthaft. Innerhalb dieser Ansicht wird die Frage uneinheitlich beantwortet, ob das Gericht im Erfolgsfall durch Endurteil (so: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.11.2013 – L 12 AS 343/13, juris, Rn. 19), entsprechendes Teilurteil nach § 202 SGG i.V.m. § 301 Zivilprozessordnung [ZPO] (so: LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 – L 2 R 494/13, juris, Rn. 37 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 19; wohl auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5) oder Zwischenurteil nach § 202 SGG i.V.m. § 303 ZPO entscheidet.
Teilweise wird unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9) davon ausgegangen, dass das Bundessozialgericht seine frühere Rechtsprechung aufgegeben habe und durch das Gericht auch bei einem als zu Unrecht als zulässig verworfenen Widerspruch eine Entscheidung in der Sache zu treffen sei (Sächsisches LSG, Urt. v. 16.03.2016 – L 8 SO 10/14, juris, Rn. 26; unklar: Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 78 SGG, Rn. 2). Sofern die inhaltliche Überprüfung ergeben sollte, dass dem Begehren des Klägers keine Bestandskraft des Bescheides nach § 77 SGG entgegensteht - was inhaltlich insbesondere eine Rechtswidrigkeit der Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig voraussetzt –, sei das Gericht in gleicher Weise wie bei einem zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesenen Widerspruch zur gerichtlichen Sachentscheidung verpflichtet. Die statthafte Klageart richtet sich in diesem Zusammenhang nach dem jeweiligen inhaltlichen Sachbegehren des Klägers.
Vereinzelt wird auch eine Differenzierung in der Form befürwortet, dass bei einer Ermessensentscheidung der Behörde eine Rückverweisung ohne gerichtliche Sachentscheidung unter isolierter Aufhebung des Widerspruchsbescheides erfolgen solle, während bei gebundenen Entscheidungen der Behörde eine unmittelbare gerichtliche Sachent-scheidung vorzunehmen sei, wenn der Widerspruch zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden sei (Giesbert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 78 SGG, Rn. 20, 21 m.w.N.).
b) Die Kammer schließt sich in diesem Zusammenhang der erstgenannten Ansicht an, die zumindest in der Vergangenheit auch durch das Bundessozialgericht vertreten worden ist. Analog dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 79 Abs. 2 VwGO kann bei der Klage im Erfolgsfalles durch das Gericht lediglich eine isolierte Aufhebung des Wider-spruchsbescheides vom 10.02.2017 unter Zurückverweisung an den Beklagten zur Entscheidung des Widerspruchs der Kläger in der Sache erfolgen, wenn mit dem Widerspruchsbescheid der Widerspruch zu Unrecht als rechtswidrig zurückgewiesen worden ist. Das Gericht macht sich in diesem Zusammenhang die folgenden Ausführungen vollumfänglich zu Eigen:
"Entgegen der Rechtsauffassung des SG ist es jedoch nicht unbeachtlich, dass eine Sachprüfung des Beklagten im Widerspruchsbescheid 27.01.2010 unterblieben ist, weil nach der vom SG durchgeführten materiell-rechtlichen Prüfung kein Anspruch der Klägerin auf einen Mehrbedarf besteht. Das SG kann derzeit nicht in eine Sachprüfung eintreten. Weist eine Widerspruchsbehörde einen Widerspruch als unzulässig zurück und entscheidet somit nicht in der Sache, ist den Gerichten eine sachlich-rechtliche Überprüfung des Klagebegehrens verwehrt (BSG, Urteil vom 30.09.1996 - 10 RKg 20/95 Rn. 29 juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.09.2010 - L 1 AL 122/09 R Rn. 29 juris). Ein Verzicht der Überprüfung der Sach- und Rechtmäßigkeit des Anspruchs auf Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) kommt vorliegend auch nicht aus Gründen der Prozessökonomie (vgl. hierzu LSG, a.a.O., Rn. 31 juris) in Betracht. Denn die Verwaltung soll die Recht- und die Zweckmä-ßigkeit des Verwaltungsaktes überprüfen. Zudem ist es auch vorliegend nicht von vorne herein ausgeschlossen, dass es zu einer positiven Entscheidung kommt. [ ...] Das SG wird daher entweder nach rechtlichem Hinweis an den Beklagten den Rechtsstreit nach § 114 SGG analog aussetzen, nachdem der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 27.01.2010 aufgehoben hat oder aber zunächst diesen Widerspruchsbescheid durch Teilurteil (§ 202 i.V.m. § 301 ZPO) aufheben (LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rn. 19)." (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5)
Für die Annahme, dass das Gericht bei einem als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch nicht in die Sachprüfung eintreten kann, sprechen insbesondere die Funktionen des Widerspruchsverfahrens, die das Widerspruchsverfahren zu einem Instrument der Selbstkontrolle der Verwaltung, des außergerichtlichen Rechtsschutzes des Bürgers und zum gerichtlichen Vorverfahren zwecks Entlastung der Sozialgerichte machen (vgl. hier-zu allgemein: BSG, Urt. v. 11.05. 2011 – B 6 KA 13/10 R, juris, Rn. 28; BSG, Urt. v. 18.03.1999 - B 12 KR 8/98 R, juris, Rn. 17; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, Vor §§ 77 ff. SGG, Rn. 1a; Giesbert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 78 SGG, Rn. 11; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 78, Rn. 1). Zwar folgt aus dem Ziel der Selbstkontrolle der Behörde nicht, dass eine erneute Entscheidung über den Widerspruch in der Sache erfolgen müsste, wenn ein Widerspruch fehlerhaft als unzulässig zurückgewiesen worden ist, weil die Behörde dann lediglich eine ihr dargebotene Möglichkeit zur Selbstkontrolle nicht genutzt hat. Jedoch sprechen folgende Erwägungen für ein solches Verständnis, die sich maßgeblich aus der Natur des Widerspruchsverfahrens als außergerichtliches Rechtsschutzverfahren und gerichtliches Vorverfahren ergeben:
- Wenn eine wesentliche Verfahrensvorschrift des Widerspruchsverfahrens missachtet wird, wird abweichend vom Ausgangsbescheid erstmalig durch den Widerspruchsbescheid eine zusätzliche Beschwer des Betroffenen analog § 79 Abs. 2 VwGO begründet, sofern die (dann fehlerhafte) Widerspruchsentscheidung auf dieser Verletzung beruht. Hierdurch wird der Rechtsschutzanspruch des Bürgers auf Entscheidung seines Widerspruches in der Sache verletzt. Sofern das Gericht nun unmittelbar eine Entscheidung in der Sache treffen würde, würde es dem Bürger eine entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit im Widerspruchsverfahren endgültig nehmen. Dass diese Rechtsschutzmöglichkeit gegenüber den gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht überflüssig wird, ergibt sich bereits daraus, dass der Prüfungsmaßstab des Klageverfahrens nicht deckungsgleich mit dem Prü-fungsmaßstab des Widerspruchsverfahrens ist. Zugunsten des Bürgers ist im behördlichen Widerspruchsverfahren nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen (§ 78 Abs. 1 S. 1 SGG). Dass in diesem Zusammenhang auch mit einem Einverständnis des Bürgers, der sich bspw. auf eine gerichtliche Überprüfung beschränken möchte, nicht auf die Ebene des Widerspruchsverfahrens verzichtet werden kann, ergibt sich maßgeblich aus der Funktion des Widerspruchsverfahrens als gerichtliches Vorverfahren mit sog. Filterfunktion, das maßgeblich der Entlastung der Sozialgerichte dienen soll (BSG, Urt. v. 11.05. 2011 – B 6 KA 13/10 R, juris, Rn. 28). Sofern es nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint, dass die Behörde dem Widerspruch in der Sache abgeholfen hätte, wenn sie nicht fehlerhaft von einer inhaltlichen Prüfung abgesehen hätte, kann das (nachzuholende) Widerspruchsverfahren der Entlastung der Sozialgerichte dienen. Zumindest würde eine Nachholung des Widerspruchsverfahrens mit Sachentscheidung zu einer Entlastung in der Form führen, dass das Gericht auf einen in der Sache durch das Widerspruchsverfahren weiter aufgeklärten Sachverhalt stoßen würde, was - als bezweckte Entlastung der Sozialgerichte - ebenfalls mit dem Widerspruchsverfahren erreicht werden soll. Insofern kann die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nicht so zur Disposition der Beteiligten stehen, dass anstatt des behördlichen Widerspruchsverfahrens - unmittelbar - ein gerichtliches Klageverfahren durchgeführt wird (vgl. BSG, Urt. v. 18.03.1999 - B 12 KR 8/98 R, ju-ris, Rn. 17 ff.). Daraus ergibt sich auch, dass es nicht möglich sein kann, dass sich die Behörde durch eine fehlerhafte Entscheidung zur Zulässigkeit des Widerspruches selbst der gesetzlich vorgegeben Prüfung des Widerspruches in der Sache entzieht. Insofern entspricht es dem Sinn und Zweck des Vorverfahrens (Selbstkontrolle der Verwaltung, Verbesserung des Rechtsschutzes des Bürgers, Schutz der Gerichte vor Überlastung) und der Stellung der Gerichte im gewaltenteiligen Staat, dass ein Gericht seine Sachentscheidung erst treffen soll, wenn die Verwaltung durch die Widerspruchsbehörde, in einem einwandfreien Verfahren und ohne zusätzliche Rechtsfehler ihr letztes Wort in der Sache gesprochen hat (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 30 m.w.N.).
- Gerade wenn dem Widerspruchsverfahren als gerichtliches Vorverfahren auch eine Filterfunktion zur Entlastung der Sozialgerichte zukommen soll (so ausdrücklich: BSG, Urt. v. 11.05. 2011 – B 6 KA 13/10 R, juris, Rn. 28) erscheint eine Zurückverweisung zur Sachentscheidung bei einem rechtswidrigen Widerspruchsbescheid notwendig, wenn die Behörde einen Widerspruch zu Unrecht als unzulässig zu-rückgewiesen hat. Denn die Behörde hat in diesen Fällen – ausgehend von ihrem Standpunkt zur Zulässigkeit des Widerspruchs – folgerichtig jegliche weitere Sachverhaltsermittlung und inhaltliche Sachprüfung unterlassen. Das Gericht trifft somit auf einen in der Sache nicht aufbereiteten Sachverhalt und wäre daher bei einer erstmaligen Sachprüfung gehalten in umfangreicher Weise erstmalig die Umstände zu ermitteln, welche der Ausgangsentscheidung zugrunde liegen. Dies erscheint wenig überzeugend. Zwar ist es Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Andererseits kann es nicht gerichtliche Aufgabe sein anstelle der Behörde erstmals umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und u.a. den Leistungsanspruch anhand dieser Ermittlungen vor der Behörde zu berechnen. Denn zum einem trifft die Verwaltung primär eine Amtsermittlungspflicht und die Gerichte sind primär zur Nachprüfung behördlicher Entscheidung berufen (SG Augsburg, Urt. v. 03.07.2017 – S 8 AS 400/17, Rn. 29 i.a.Z.). Zum anderen verfügt das Gericht auch nicht über dieselben, weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, welche der Behörde – auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens – noch zur Verfügung stehen (vgl. exemplarisch bspw. § 41a Abs. 3, §§ 60 ff. SGB II), sondern ist im Wesentlichen auf die Beweismittel des SGG beschränkt, welche auf die gerichtliche Überprüfung eines durch die Behörde bereits ermittelten Sachverhaltes und der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes ausgelegt sind.
- In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, ob es sich in der Sache um ei-ne gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, da weder § 79 Abs. 2 SGG noch die rechtlichen Funktionen des Widerspruchsverfahrens zwischen Ermessens- und gebundenen Entscheidungen differenzieren.
Dem steht nicht entgegen, dass die Behörde dann durch eine rechtswidrige Zurückwei-sung des Widerspruchs eigenmächtig den Rechtsschutz des Bürgers verlängern könnte, wenn das Gericht statt einer unmittelbaren Sachentscheidung (nur) eine Verpflichtung der Behörde zur Sachentscheidung ausspricht. Mit der hier vertretenen Verfahrensweise ist auch dann keine nennenswerte Verzögerung des Rechtsschutzes der Beteiligten verbunden, wenn die Behörde bei der erneuten Bescheidung des Widerspruches eine ablehnende Sachentscheidung treffen sollte. Denn der Bürger hat es nach der isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides selbst in der Hand, eine zeitnahe (Neu-) Bescheidung seines bereits erhobenen Widerspruches in der Sache vorzunehmen, indem er insbesondere die Vollstreckung der Verpflichtung zur Bescheidung des Widerspruchs in der Sache aus der Gerichtsentscheidung (§§ 198 ff., 201 Abs. 1 SGG) geltend macht. Die dadurch eintretenden Verzögerungen der Entscheidung in der Sache sind für den Bürger im Ergebnis hinnehmbar. Denn der gerichtliche Rechtsschutz des SGG ist grds. als zeitlich nachgelagerter Rechtsschutz gegen ein bereits erfolgtes Behördenhandeln ausgestaltet, mit dem nur ausnahmsweise dem Handeln der Behörde vorweggegriffen werden darf. Gerade ein solches inhaltliches Vorweggreifen würde jedoch drohen, wenn das Gericht anstelle der Widerspruchsbehörde inhaltlich in die Sachprüfung der Ausgangsentscheidung einsteigen würde. Die Behörde kommt auch nicht in die Lage eine Rechtsverwirklichung nach Belieben hinauszuzögern, da jedenfalls nach der erzwingbaren Widerspruchsentscheidung in der Sache auch eine gerichtliche Entscheidung in der Sache vollumfänglich möglich wird. Zudem schätzt das Gericht ein entsprechendes Missbrauchspotential durch die Behörde als praktisch kaum vorhanden ein. Denn selbst wenn die Behörde darauf abzielen sollte, den Rechtsschutz für den Bürger durch eine – bewusst – fehlerhafte Widerspruchsentscheidung zu verlängern, indem sie entgegen besseren Wissens den Widerspruch als unzulässig zurückweist, müsste die Behörde zusätzlich erhebliche Kosten für das dann erfolgreiche anschließende (erste) Klageverfahren gegen den fehlerhaften Widerspruchsbescheid tragen. Dies würde zu einer finanzi-ellen Mehrbelastung der Behörde gegenüber der Situation führen, dass unmittelbar die Sachentscheidung im Widerspruchsverfahren ergangen wäre und sich sodann (nur) ein Klageverfahren angeschlossen hätte.
Wenn teilweise insbesondere unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts ausgeführt wird (BSG, Urt. v. 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R), dass das Bundessozialgericht gerade unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung in dieser Frage nun eine unmittelbare Sachentscheidungskompetenz der Gerichte anerkenne (Sächsisches LSG, Urt. v. 16.03.2016 – L 8 SO 10/14, juris, Rn. 26), teilt die Kammer ein derartiges Rechtsverständnis aus den dargestellten Gründen nicht. Unabhängig davon erscheint es aber überhaupt fraglich, ob gerade dieser Einzelentscheidung des Bundes-sozialgerichts überhaupt eine bewusste Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entnommen werden kann (vgl. zur früheren Rechtsprechung: BSG, Urt. v. 30.09.1996 – 10 RKg 20/95, juris, 29). Denn das Bundessozialgericht hat zwar in dieser Entscheidung – entgegen eines Widerspruchsbescheides, mit dem ein Widerspruch zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden ist – inhaltlich in der Sache entschieden. Die entsprechenden Ausführungen lassen aber nicht erkennen, dass sich das Bundessozialgericht der zugrundeliegenden Problematik im zu entscheidenden Einzelfall überhaupt bewusst gewesen wäre, sondern beziehen sich nur auf die Zulässigkeitsfrage, ob das nach § 78 SGG erforderliche Vorverfahren erfolgreich durchgeführt worden ist, was nach allen An-sichten übereinstimmend zu bejahen wäre (BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9 - "Die Klage ist zulässig. Wie schon das SG zu Recht erkannt hat, wurde das angesichts der vorliegenden Anfechtungs- und Leistungsklage erforderliche Vorverfahren durchgeführt (§ 54 Abs 1, 4, § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), auch wenn der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil verspätet eingelegt, zurückgewiesen hat. Besondere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs, an die Durchführung eines Vorverfahrens stellt § 78 Abs 1 SGG nicht, weil andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmä-ßigkeit des weiteren Verhaltens der Behörde bzw der zuständigen Widerspruchsbehörde abhängig wäre [ ]."). Der hier aufgeworfenen Frage nach dem sich daraus ergebenden Umfang der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis in der Sache stellt sich die Entschei-dungsbegründung des Bundessozialgerichts inhaltlich nicht. Diese Frage wird allenfalls dadurch konkludent mitbeantwortet, dass das Bundessozialgericht im Ergebnis auch in der Sache entschieden hat. Die Kritikpunkte, die teilweise gegenteilige Rechtsprechung der Landessozialgerichte und insbesondere auch die Brüche zu der eigenen früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 30.09.1996 – 10 RKg 20/95, ju-ris, 28 f. – "Gemeinsam ist beiden Meinungen jedoch, daß - falls die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unzulässig zurückweist und nicht in der Sache entscheidet - die Gerichte an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens gehindert sind.") werden in der späteren Entscheidungsbegründung jedoch nicht berücksichtigt. Sofern das Bundessozialgericht in der späteren Entscheidung tatsächlich auch die Frage nach der inhaltlichen Entscheidungskompetenz bewusst hätte neu / anders entscheiden wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass dieser Rechtsprechungswechsel in der Entscheidung auch deutlich(er) zum Ausdruck kommt und insbesondere auch dargelegt wird, warum die Gerichte – nun doch – nicht an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Kla-gebegehrens gehindert sein sollen.
3. Eine auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Widerspruchs gerichtete Klage ist hier auch im Übrigen zulässig.
a) Die Formulierung des Klageantrages der anwaltlich vertretenen Kläger, der ausdrück-lich auf eine Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 20.05.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2017 gerichtet ist, steht einer zulässigen Klage nicht entgegen.
Denn das Gericht ist nach § 123 SGG nicht an die Fassung des Antrages gebunden, sondern an das erkennbare Klagebegehren, welches nach dem sog. Prinzip der Meist-begünstigung auszulegen ist (vgl. zum Meistbegünstigung: BSG, Urt. v. 27.09.2011 – B 4 AS 160/10 R, juris, Rn. 14 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 123 SGG, Rn. 3; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 123, Rn. 10 m.w.N. – "Im Zweifel begehrt der unvertretene Kläger (bereits angesichts Art. 19 Abs. 4 GG und §§ 2 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) ungeachtet des Wortlauts seines Antrags dasjenige, was ihm den größten Nutzen bringen kann. Die Auslegung der Anträge muss sich danach richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen."). Insofern ist davon auszugehen, dass das Klagebegehren der Klägerseite, die ihre Klagebegründung allein gegen die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig ausgerichtet haben, ohne dass überhaupt zur Sache vorgetragen worden wäre, auch auf die isolierte Aufhe-bung des Widerspruchsbescheides unter Rückverweisung zur Sachentscheidung um-fasst. Wie bereits dargestellt, stellt dies im vorliegenden Fall das zulässige Klagebegeh-ren dar, welches als inhaltliches Minus – und insofern prozessual notwendiger Zwi-schenschritt – als vom Klageantrag der Kläger mitumfasst anzusehen ist.
b) Insbesondere ist auch das nach § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG vor Erhebung der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage durchzuführende Vorverfahren mit der Widerspruchsentscheidung vom 10.02.2017 abgeschlossen.
Auch ein Widerspruchsbescheid, mit dem ein Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wird, schließt ein Widerspruchsverfahren i.S.d. § 85 Abs. 2 SGG ab und stellt eine vorherige Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG dar (BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9; Hintz, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 48. Edition, Stand: 01.03.2018, § 78 SGG, Rn. 2a; Giesbert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 78 SGG, Rn. 19; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 78 SGG, Rn. 2 m.w.N. auch zu den Gegenstimmen; a.A.: Burkiczak, SGb 2016, 189, 192). Dies ist überzeugend, da § 78 SGG keine besonderen Anforderungen an Inhalt und Prüfungsumfang für die Durchführung eines Vorverfahrens beinhaltet und andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmäßigkeit des weiteren Verhaltens der (Widerspruchs-) Behörde abhängig wäre, was den Betroffenen im Er-gebnis rechtsschutzlos stellen würde (BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9). Ob der Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen worden ist, betrifft vielmehr eine Frage, die im Rahmen der Begründetheit - im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 77 SGG - zu behandeln ist.
Die Frage nach der generellen Zulässigkeit einer Klage im Hinblick auf § 78 SGG ist dabei unabhängig von der Frage, welche Klageart für das Begehren des Klägers statthaft ist und welche Rechtsfolge das Gericht im Erfolgsfall der zulässigen Klage aussprechen kann. § 78 SGG steht damit der Zulässigkeit einer Klage im Zusammenhang mit einem als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch - und allen diesbezüglich bereits darstellten Ansichten - nicht entgegen. Dies verwechselt scheinbar das Sächsisches LSG, wenn es in einer Entscheidung gerade bezogen auf einen weiteren Umfang der gerichtlichen Entscheidungskompetenz zur Sache – also die Begründetheit der Klage –, damit argumentieren will, dass eine Klage gegen einen als unzulässig zurückgewiesen Wider-spruch i.S.d. § 78 SGG zulässig ist (Sächsisches LSG, Urt. v. 16.03.2016 – L 8 SO 10/14, juris, Rn. 26). Dies steht aber auch nach der hier vertretenen Ansicht zur inhaltlich eingeschränkten gerichtlichen Sachentscheidungskompetenz außer Frage.
III. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch teilweise begründet. Der Widerspruch der Kläger vom 05.01.2017 richtet sich gegen drei Bescheide des Beklagten vom 20.05.2016 (1.). Dabei ist der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 insoweit rechtswidrig, wie der der Widerspruch der beiden Kläger vom 05.01.2017 gegen den Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 sowie der Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen den Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 über 3.216,14 EUR als unzulässig zurückgewiesen wird (2.). Der Beklagte ist diesbezüglich unter entsprechender (Teil-) Aufhebung des rechtswidrigen Widerspruchsbescheides vom 10.02.2017 zur Entscheidung über diese Widersprüche der Kläger vom 05.01.2017 in der Sache zu verpflichten. Demgegenüber ist die Klage allerdings in Bezug auf den Widerspruch des Klägers zu 2) gegen den an ihn gerichteten Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 über 2.478,15 EUR unbegründet, da der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 insofern zu Recht von einem verfristeten Widerspruch des Klägers zu 2) ausgegangen ist (3.).
1. Das Widerspruchsschreiben der Kläger vom 05.01.2017 lässt nicht ausdrücklich erkennen gegen welche Bescheide Widerspruch erhoben werden soll. Aus dem Sachzusammenhang, der weiteren Widerspruchsbegründung und der Überschrift "Ihr Schreiben vom 21.1.2016 [ ], Ihr Schreiben vom 30.06.2016" lässt sich jedoch hinreichend deutlich entnehmen, dass die Kläger gegen sämtliche Bescheide Widerspruch erheben wollte, welche mit den Rückforderungen aus den erwähnten Mahnschreiben vom 30.06.2016 und 21.12.2016 inhaltlich im Zusammenhang stehen. Insofern argumentieren die Kläger auch gerade mit dem zugrundeliegenden Erstattungszeitraum von September 2015 bis März 2016. Dies betrifft inhaltlich den Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 sowie die beiden Erstattungsbescheide vom 20.05.2016. In diesem Sinne ist der Widerspruch seitens des Beklagten auch inhaltlich ausgelegt worden (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] analog), wenn der Beklagte zutreffend von einem Widerspruch gegen die Bescheide vom 20.05.2016 wegen Erstattung nach endgültiger Festsetzung für die Zeit vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 ausgegangen ist.
2. Sofern der Beklagte die Widersprüche der Kläger gegen den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 sowie der Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen den Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 über 3.216,14 EUR als unzulässig zurückgewiesen hat, ist der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 rechtswidrig. Denn die Beklagte ist diesbezüglich zu Unrecht von einem Verstreichen der Widerspruchsfrist nach § 84 SGG bei Widerspruchserhebung am 05.01.2017 ausgegangen. Nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 SGB I oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Hierbei läuft die Monatsfrist einen Monat ab Bekanntgabe der Ausgangsentscheidung gem. § 39 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 37 SGB X.
Der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 wäre insofern nur dann rechtmäßig, wenn bei Widerspruchserhebung am 05.01.2017 bereits die Widerspruchsfrist nach § 84 SGG verstrichen gewesen wäre, was eine Bekanntgabe der Bescheide vom 20.05.2016 vor dem 05.12.2016 voraussetzen würde. Dies ist hier nicht der Fall. Der Beklagte geht im Hinblick auf die allgemeinen Nachmaßstäbe zur Bekanntgabe (a)) zu Unrecht davon aus, dass die Widersprüche vom 05.01.2017 wegen einer Bekanntgabe vor dem 05.12.2016 verfristet i.S.d. § 84 SGG sind (b)).
a) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes bezeichnet eine durch die Behörde willentlich verschaffte Kenntnis des Adressaten eines Verwaltungsaktes von dessen Inhalt durch zielgerichtete Mitteilung des Verwaltungsaktes seitens der Behörde (BSG, Urt. v. 14.04.2011 – B 8 SO 12/09 R, juris, Rn 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.02.2011 – L 19 AS 2270/11 B, juris, Rn 16; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.08.2011 – L 19 AS 100/11 B PKH, juris, Rn. 13; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 37 SGB X, Rn. 3a). Sofern keine bestimmte Form der Bekanntgabe vorgeschrieben ist, kann eine Bekanntgabe nach § 33 Abs. 2 S. 1 SGB X sowohl mündlich, schriftlich, elektronisch oder in anderer Weise erfolgen, was auch eine förmliche Zustellung nach § 65 SGB X i.V.m. jeweiligen Verwaltungszustellungsgesetz einschließt (Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 37 SGB X, Rn. 5 ff.). Als Zeitpunkt der Bekanntgabe wird dabei allgemein der Moment angesehen, in dem üblicherweise mit einer Kenntnisnahme vom Inhalt des Verwaltungsaktes durch den Bürger ausgegangen werden kann. Dieser Zeitpunkt ist von der jeweiligen Form des Verwaltungsakts selbst abhängig. Bei einem schriftlich erlassen Verwaltungsakt ist die Bekanntgabe regelmäßig im Zeitpunkt seines Zugangs vollzogen. Dies bedeutet, in entsprechender Anwendung des § 130 BGB, dass das Schriftstück dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass mit der Kenntnisnahme durch diesen bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse zu rechnen ist (BSG, Urt. v. 03.06.2004 - B 11 AL 71/03 R, juris, Rn. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.02.2012 – L 19 AS 2270/11 B, juris, Rn. 16 m.w.N.).
Falls dabei kein anderer Zeitpunkt einer Bekanntgabe feststellbar ist, gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Hierbei greift nach der Rechtsprechung die Fiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X ein, sobald ein entsprechender behördlicher Aktenvermerk der Abgabe des Verwaltungsaktes zur Post ge-geben ist (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R, juris, Rn. 17; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 23; Pattar in: Schlegel/Voelzke, ju-risPK-SGB X, § 37 SGB X, Rn. 96 m.w.N.). Teilweise wird als weitere formelle Anforderung an den Abvermerk gefordert, dass dieser nicht nur mit Handzeichen oder einer Paraphe des Sachbearbeiters abgezeichnet wird, sondern dessen vollständige Unterschrift aufweist (etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.11.2011 – L 7 AS 1382/11 B, juris, Rn. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.12.2011 – L 10 AS 534/11 B, juris, Rn. 3; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 37 SGB X, Rn. 12a).
Die Fiktionswirkung zum Bekanntgabezeitpunkt gilt nach § 37 Abs. 2 S. 3 SGB X allerdings nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde sowohl den Zugang des Verwaltungsaktes als auch den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Die Rechtsprechung differenziert in diesem Zusammenhang danach, ob der Zugang des Verwaltungsaktes bestritten wird oder lediglich ein anderer / späterer Zugangszeitpunkt des Verwaltungsaktes geltend gemacht wird. Wenn der Bürger bestreitet, dass der Verwaltungsakt überhaupt zugegangen ist, soll ein einfaches Bestreiten des Zuganges ausreichen, weil dem Bürger in diesem Fall eine weitere Substantiierung seines Vortrages nicht möglich sein soll (BSG, Urt. v. 26.07.2007 – B 13 R 4/06 R, juris, Rn. 22; Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 37 SGB X, Rn. 105 m.w.N.). Wenn der Bürger hingegen – nur - vorträgt, dass der Verwaltungsakt zu einem anderen Termin zugegangen ist, soll ein sog. qualifiziertes Bestreiten in der Weise notwendig sein, dass Tatsachen vorgetragen werden, aus denen schlüssig die nicht nur entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Verwaltungsakts erst zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt ist, als nach dem von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X vermutet (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.03.2008 – L 8 AS 5579/07, juris, Rn. 22; LSG Saarland, Urt. v. 27.04.2007 – L 7 R 52/06, juris, Rn. 27; Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 37 SGB X, Rn. 106 m.w.N.). Im Zweifel gelten in beiden Fällen aber die allgemeinen Beweiswürdigungsregelungen, wobei die Beweislast jeweils auf Seiten der Behörde liegt; hierbei kann allerdings der der Behörde obliegende Beweis für die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes auch auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden (Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 37 SGB X, Rn. 13c; Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 37 SGB X, Rn. 107).
b) Hinsichtlich des endgültigen Festsetzungsbescheides vom 20.05.2016 und des Erstattungsbescheides vom 20.05.2016 über 3.216,14 EUR sieht es die Kammer im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nicht als erwiesen an, dass der insofern beweisbelastete Beklagte einen Zugang der Bescheide vor dem 05.12.2016 nachgewiesen hätte.
Da die Kläger nicht nur den Bekanntgabezeitpunkt der Bescheide bestreiten, sondern überhaupt den Zugang dieser Bescheide vom 20.05.2016 in Abrede stelle, genügt das sog. einfache Bestreiten des Zuganges aus. Dies gilt umso mehr da, für den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 20.05.2016 nicht einmal die Fiktionswirkung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X eingreift, da für diesen Bescheid ein behördlicher Abvermerk nicht feststellbar ist. Der Nachweis eines früheren Zuganges der Bescheide richtet sich für den Beklagten vorliegend nach den Grundsätzen des Vollbeweises, da das Gesetz keinen besonderen Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung anordnet (BSG, Urt. v. 16.02.1971 – 1 RA 113/70, juris, Rn. 18; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 128, Rn. 5 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 128 SGG, Rn. 3a ff.).
Ein Vollbeweis wäre vorliegend erbracht, wenn für das Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass sowohl der endgültige Festsetzungsbescheides vom 20.05.2016 und des Erstattungsbescheides vom 20.05.2016 über 3.216,14 EUR den Kläger vor dem 05.12.2016 zugegangen sind. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist erst gegeben, wenn eine Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Gewisse Zweifel sind unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten. Beim Richter muss allerdings ein Maß an persönlicher Gewissheit erreicht sein, welches Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie andererseits völlig auszuschließen. Sind mehrere Tatbestandsvarianten möglich, ist der Anspruch hingegen nur dann zuzuerkennen, wenn er nach jedem der Geschehensabläufe zusteht (sog Wahlfeststellung; vgl. allgemein zu den Maßstäben des Vollbeweises jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 128 SGG, Rn. 3b; Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 128, Rn. 5). Dies ist hier bzgl. eines tatsächlichen Zuganges dieser Bescheide vor dem 05.12.2016 nicht der Fall. Folgende Erwä-gungen waren bei der Beweiswürdigung im Rahmen der notwendigen Gesamtschau der Indizien für die Kammer in Bezug auf das Beweisergebnis maßgeblich:
- Ohne gesetzliche Regelung spricht weder eine Vermutung noch ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein tatsächlich abgesandtes Schriftstück den Empfänger tatsächlich erreicht hat (BSG, Urt. v. 26.07.2007 – B 13 R 4/06 R, juris, Rn. 18 ff.; vgl. auch: BVerfG, Kammerbeschl. v. 15.05.1991 - 1 BvR 1441/90, juris, Rn. 13; BFH, Urt. v. 23.09.1966 – III 226/63, juris, Rn. 15; BGH, Urt. v. 24.04.1996 – VIII ZR 150/95, juris, Rn. 18). Selbst wenn die Behörde hier nachgewiesen hat, dass die Bescheide am 23.05.2016 an die Kläger versandt worden sind - wofür insbesondere der Abvermerk auf dem Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 spricht – ist dies nicht gleichbedeutend mit der Feststellung, dass die Bescheide dann auch in den Machtbereich der Kläger gelangt wären. Es kann bspw. zu einem Verlust der Postsendung gekommen sein.
- Zwar gibt das spätere Klägerverhalten durchaus Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger die Bescheide vom 20.05.2016 tatsächlich erhalten haben. Die Kläger geben vor, dass sie sicher ausschließen könnten, dass sie die Bescheide vom 20.05.2016 erhalten haben, obwohl sie aufgrund mangelnder Deutsch- und Lesekenntnisse überhaupt nicht in der Lage gewesen sein dürften, den Inhalt von schriftlichen Bescheiden abzugrenzen. Die Kläger haben auch bei der Widerspruchsbegründung gewusst auf welche Zeiträume sich die fraglichen Erstattungszahlungen konkret beziehen (September 2015 bis März 2016), was allein aus dem vorgetragenen Erhalt der Mahnschreiben bei verständiger Würdigung zwar erkennbar wäre aber nicht offenkundig ist. Zudem deutet die weitere Widerspruchsbegründung, dass man nur aus Sprachproblemen bisher nichts unternommen habe an, darauf hin, dass die Kläger sich eines verspäteten Vorgehens bewusst gewesen sind. Logisch zwingend folgt daraus aber noch nicht, dass die Kläger tatsächlich im Besitz der Bescheide vom 20.05.2016 waren und sich die Ausführungen gerade auf die deswegen verspätete Widerspruchserhebung bezogen hätten. Zudem muss nach dem Vortrag der Kläger, die nach dem Eindruck im Termin vom 05.12.2017 glaubhaft ihre fehlenden Deutschkenntnisse dargelegt haben, nicht ausgeschlossen werden, dass die Widerspruchsbegründung trotz der zahlreichen sprachlichen Fehler von einem deutschkundigen Dritten für die Kläger erstellt worden ist. Ob dieser Dritte eigene Textbausteine hat einfließen lassen oder eine eigene Begründung der Kläger unverändert vollständig übersetzt hat, lässt sich nicht mehr sicher aufklären.
- Die Kammer ist allerdings davon überzeugt, dass dem Kläger zu 2) im Rahmen der persönlichen Vorsprache am 05.07.2016 mindestens ein Bescheid vom 20.05.2016 übergeben und damit bekannt gemacht worden ist. Hierfür spricht bereits der zeitliche Zusammenhang in dem die Vorsprache des Klägers stand. So hatte der Kläger tatsächlich zeitnah vor der Vorsprache am 30.06.2016 ein Mahnschreiben über die Rückforderungsbeträge erhalten. Dieses Schreiben wird auch später in der Widerspruchsüberschrift ausdrücklich erwähnt, was für den tatsächlichen Erhalt spricht. Es erscheint daher stimmig, wenn der behördliche Vorsprachevermerk als Grund der Vorsprache den Erhalt dieses Mahnschreibens angibt. Sofern der Kläger auch damals ausgeführt haben sollte, dass er die zugrundeliegende Bescheide vom 20.05.2016 nicht erhalten habe - was (auch) später im Widerspruchs- und Klageverfahren laufend ausgeführt wird -, erscheint es lebensnah, dass der Sachbearbeiter des Beklagten dem Kläger die Bescheide aus Allegro tatsächlich ausgedruckt und übergeben hat sowie den Kläger zur weiteren Klärung an die Leis-tungsabteilung verwiesen hat. Ein solches Vorgehen erscheint als Standardvorgehen für den hier vorliegenden Fall auch naheliegend. Da es keine Bescheide vom 30.05.2016 gegenüber den Klägern gegeben hat, die aus Allegro hätten ausge-druckt werden können, ist bzgl. der Formulierung "das dem Schreiben zugrunde liegende Rückforderungsschreiben vom 300516" von einem Schreibfehler im Vermerk auszugehen; gemeint ist erkennbar der 20.05.2016. Sofern der Kläger im Erörterungstermin vom 05.12.2017 ausgeführt hat, dass er ausschließen könne, im Rahmen der persönlichen Vorsprache vom 05.07.2016 überhaupt einen Bescheid erhalten zu haben, wertet das Gericht dies im Ergebnis als substanzlose Schutzbehauptung, welche lediglich die eigene Klageposition bestärken soll. Die Kläger hatten die Vorsprache am 05.07.2016 selbst unerwähnt gelassen und hierzu erst vorgetragen, nachdem die Beklagtenvertreterin diese im Erörterungstermin erwähnt hatte. Wenn die Kläger dann auch auf die gerichtliche Nachfrage selbst keinen anderen Grund für die Vorsprache angeben konnten und dann sogar ausführen, dass gar nichts besprochen worden sein soll, erscheint diese Darstellung des Klägers als im Nachhinein vorgeschoben. Denn die Kläger konnten nicht erläutern, warum der Kläger dann überhaupt am 05.07.2016 bei dem Beklagten persönlich vorgesprochen haben soll; dass eine solche persönliche Vorsprache des Klägers trotz zeitlich unmittelbarer Nähe zu Mahnschreiben über die Rückforderung mehrerer Tausend Euro ohne jegliches inhaltliches Anliegen – einfach nur so – stattgefunden haben soll, hält die Kammer für nicht nachvollziehbar. Für eine reine Schutzbehauptung des Klägers spricht auch der im Erörterungstermin vom 05.12.2017 ohne ernsthaftes Nachdenken direkt angeschlossene, unsubstantiierte Pauschalvortrag des Klägers, dass er noch nie Bescheide im Rahmen einer Vorsprache bei dem Beklagten erhalten habe.
- Allerdings ist nach Ansicht der Kammer unter Beachtung der Beweislastverteilung zu berücksichtigen, dass der Vorsprachevermerk des Beklagten vom 05.07.2016 in Bezug auf die übergegebenen Bescheide vom 20.05.2016 inhaltlich nicht eindeutig ist. Der Vermerk spricht davon, dass dem Kläger das "dem Schreiben zugrunde liegende Rückforderungsschreiben vom 300516" übergeben worden sei. Der Vermerk beschreibt daher in Einzahl nur einen einzigen Rückforderungsbescheid. Es ist damit nicht klar erkennbar, dass dem Kläger alle drei Bescheide vom 20.05.2016 übergeben worden sind (endgültiger Festsetzungsbescheid; Erstattungsbescheid an die Klägerin; Erstattungsbescheid an den Kläger). In dieser Situation wirken sich die verbleibenden Unsicherheiten in der Frage, welche Bescheide dem Kläger am 05.07.2016 tatsächlich übergeben worden sind, für den insofern beweisbelasteten Beklagten so aus, dass nur von einem Beweis des Zugangs eines Bescheides vom 20.05.2016 ausgegangen werden kann. Wenn man berücksichtigt, dass der Kläger im Rahmen der persönlichen Vorsprache ein der Mahnung zugrundeliegendes "Rückforderungsschreiben" ausgedruckt worden sein soll, kann lediglich von einer Übergabe des an den Kläger persönlich adressierten Erstattungsbescheides vom 20.05.2016 über insgesamt 2.478,15 EUR ausgegangen werden. Einen Nachweis des Zuganges der anderen Bescheide vom 20.05.2016 kann der Beklagte mit dem Vorsprachevermerk vom 05.07.2016 unter Berücksichtigung des Klägervortrages nicht erfolgreich führen.
3. Soweit der Beklagte den Widerspruch des Klägers zu 2) gegen den Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 über 2.478,15 EUR als unzulässig zurückgewiesen hat, begegnet der Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 keinen rechtlichen Bedenken. Denn aufgrund des bereits Ausgeführten (s. dazu: III. 2.) kann der Beklagte zumindest eine Bekanntgabe dieses Erstattungsbescheides am 05.07.2016 durch persönliche Übergabe nachweisen. Die Widerspruchsfrist nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG ist diesbezüglich am 05.08.2016 abgelaufen, so dass eine Zurückweisung des erst später am 05.01.2017 erhobenen Widerspruchs als unzulässig wegen Versäumung dieser Widerspruchsfrist mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2017 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Der Erstattungsbescheid vom 20.05.2016 ist bestandskräftig und damit für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG). Sofern der Bescheid materiell-rechtlich unzutreffend sein sollte, ist der Kläger auf ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zu verweisen.
IV. Entgegen der wohl überwiegend vertretenen Ansicht sieht die Kammer hier davon ab, durch Teilurteil eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Rückverweisung an die Behörde zur Sachentscheidung eine entsprechende gerichtliche Entscheidung der Kläger vorzunehmen (a.A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 – L 2 R 494/13, juris, Rn. 37 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 – L 1 AL 122/09, juris, Rn. 19; wohl auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5). Vielmehr hält die Kammer auch bzgl. des stattgebenden Teils der Gerichtsentscheidung eine Entscheidung unmittelbar durch Endurteil für rechtlich geboten (so – ohne nähere Begründung - im Ergebnis auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.11.2013 – L 12 AS 343/13).
Sofern die Rechtsprechung von einer Entscheidung durch Endurteil absieht und über die (isolierte) Aufhebung des Widerspruchsbescheides und die Verpflichtung der Behörde zur (Neu-) Bescheidung des Widerspruches in der Sache durch Teilurteil nach § 202 SGG i.V.m. § 301 ZPO ausspricht, erscheint dies maßgeblich der Annahme geschuldet, dass ein Klageverfahren analog § 114 SGG auszusetzen sei, wenn ein Vorverfahren nicht durchgeführt wurde (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 – L 2 R 494/13, juris, Rn. 37 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5). Nach der überwiegend vertretenen Ansicht könne in einer Klageerhebung auch eine erstmalige Widerspruchserhebung i.S.d. § 83 SGG gesehen werden (BSG, Urt. v. 13.12.2000 – B 6 KA 1/00 R, juris, Rn. 19; kritisch: Guttenberger, in: Schle-gel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 114 SGG, Fn. 92) und es sei analog § 114 Abs. 2 S. 2 SGG nicht möglich, die Klage mangels Durchführung eines Widerspruchsverfah-rens (§ 78 SGG) als unzulässig abzuweisen (BSG, Urt. v. 24.10.2013 – B 13 R 31/12 R, juris, Rn. 20; BSG, Urt. v. 13.12.2000 – B 6 KA 1/00 R, juris, Rn. 25 m.w.N. – "Wurde vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt, führt das im Regelfall nicht zur Abweisung einer Klage als unzulässig. Bedarf es eines Widerspruchsverfahrens, geben die Gerichte den Beteiligten vielmehr Gelegenheit zur Nachholung [ ]."; Wehrhahn, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 114, Rn. 12; Guttenberger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 114 SGG, Rn. 43; a.A.: SG Stuttgart, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - S 20 SO 1922/11; SG Berlin, Urt. v. 16.05.2012 - S 205 AS 11726/09). Bei der isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung zur Bescheidung des Widerspruchs in der Sache sollen dann dieselben Grundsätze zur Aussetzung ana-log § 114 Abs. 2 S. 2 SGG gelten, da mit der gerichtlichen Aufhebung des Widerspruchs-bescheides kein abgeschlossenes Widerspruchsverfahren (mehr) vorliege.
Dieses Rechtsverständnis hält die Kammer im Ergebnis jedenfalls dann nicht für überzeugend, wenn es - wie im vorliegenden Fall - um die isolierte Aufhebung eines Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung des Beklagten zur (Neu-) Bescheidung des Widerspruchs in der Sache geht. Denn anders als in den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen soll die Klage dann gerade nicht zu Lasten des Bürgers als unzulässig abgewiesen werden. Vielmehr wird der Klage zugunsten des Bürgers insoweit sogar stattgegeben. Der Bürger kann nun die Neubescheidung seines Widerspruchs in der Sache – ggf. auch im Wege der Vollstreckung (§§ 198 ff., 201 Abs. 1 SGG) - durchsetzen.
Warum es in diesen Fällen einer weiteren, parallelen Fortführung des gerichtlichen Klageverfahrens unter Aussetzung dieses Verfahrens analog § 114 Abs. 2 S. 2 SGG bedürfen würde, bis die Behörde einen neuen Widerspruchsbescheid in der Sache erlassen hat, erschließt sich dem Gericht nicht. Ein weiteres, ununterbrochenes Vorhalten gerade des bisherigen Gerichtsverfahrens nur für den Bedarfsfall ist jedenfalls nicht angezeigt. Denn sofern die spätere Widerspruchsentscheidung in der Sache der Beschwer des Bürgers abhelfen sollte, erscheint ab diesem Zeitpunkt eine weitere erfolgreiche Fortführung des früheren Klageverfahrens ausgeschlossen. Wenn andernfalls auch nach der Widerspruchsentscheidung in der Sache eine Beschwer des Bürgers verbleiben sollte, bedarf es ebenfalls keiner Fortführung des ursprünglichen Klageverfahrens mehr. Denn mit dem Erlass des (neuen) Widerspruchsbescheides werden für den Bürger sämtliche Rechtsschutzmöglichkeiten (neu) eröffnet. Dieser kann ungehindert eine (neue) Klage gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des (neuen) Widerspruchsbescheides erheben. Eine Fortführung gerade des ursprünglichen Klageverfahrens erscheint demgegenüber - auch aus prozessökonomischen Erwägungen – nicht angezeigt. Denn mit dem Ausgangsbescheid in Gestalt des neuen (Sach-) Widerspruchsbescheides wird der bisherige Streitgegenstand inhaltlich vollständig ausgetauscht und ein inhaltlich (neues) Verfahren zur Sachprüfung beginnt von vorn. Es gibt auch keine wesentliche inhaltliche Überschneidung mit dem bisherigen Streitstoff des Gerichtsverfahrens mehr, der gerade in der – nicht länger relevanten - Frage nach der Zulässigkeit des Widerspruchs und der Rechtmäßigkeit des früheren (nicht mehr existenten) Widerspruchsbescheides bestand. Insofern sind auch keine Synergieeffekte für die Beteiligten oder das Gericht zu erwarten.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
VI. Die Berufung gegen dieses Urteil ist für die Beteiligten jeweils bereits nach §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil der dafür notwendige Berufungsstreitwert von 750,00 EUR erreicht wird. Hinsichtlich des Berufungsstreitwertes ist für den Kläger zu 2) auf die Erstattungsforderung von 2.478,15 EUR abzustellen, während für den Beklagten die Verpflichtung zur Neubescheidung über den Widerspruch gegen die Festsetzungsentscheidung und die Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin zu 1) und ihrem D. maßgeblich ist, die 3.216,14 EUR beträgt.
Für die ohnehin kraft Gesetzes berufsfähige Entscheidung ist deshalb nicht noch ausdrücklich nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zusätzlich die Berufung zuzulassen, weil sich die Kammer in dieser Entscheidung in der Frage, ob bei einem als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch eine gerichtliche Entscheidung in der Sache erfolgt bzw. in der Folge eines Teilurteils das Gerichtsverfahren analog § 114 SGG bis zur Entscheidung über den Widerspruch auszusetzen ist, bewusst von einzelnen Entscheidungen des Bundes-sozialgerichts und des LSG Nordrhein-Westfalen abweicht (vgl. etwa: BSG, Urt. v. 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R, juris, Rn. 9; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 – L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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