L 7 SO 2245/18 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SO 1931/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2245/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Insbesondere ist die Beschwerde statthaft (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG), weil in der Hauptsache die Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig wäre, nachdem der Antragsteller Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit ab 13. April 2018 geltend gemacht hat.

1. Gegenstand des am 13. April 2018 von dem Antragsteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 16 SO 1931/18 ER) ist sein Begehren auf eine (vorläufige) Gewährung von laufenden Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für die Zeit ab Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs beim SG ("sofortige Bewilligung"), nachdem die Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab 1. April 2017 durch Bescheid vom 9. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2017 abgelehnt (vgl. Gerichtsbescheid des SG vom 18. Mai 2018 - S 16 SO 5736/17 -; Berufungsverfahren anhängig beim Senat unter dem Az. L 7 SO 2244/18) und ein einstweiliges Rechtsschutzgesuch, gerichtet auf die vorläufige Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII ab 21. September 2017, keinen Erfolg hatte (SG, Beschluss vom 9. Oktober 2017 - S 11 SO 5391/17 ER -; Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2017 - L 7 SO 4253/17 ER-B -). Das SG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Mai 2018 das einstweilige Rechtsschutzbegehren abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

2. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1, für Vornahmesachen in Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

3. Das von dem Antragsteller beim SG erneut angebrachte einstweilige Rechtsschutzgesuch ist bereits aufgrund der Rechtskraft des Beschlusses des Senats vom 22. Dezember 2017 (L 7 SO 4253/17 ER-B) unzulässig.

a. Beschlüsse in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwachsen in Ansehung der Vorschriften der §§ 172, 177 SGG in formelle Rechtskraft; darüber hinaus sind sie auch der materiellen Rechtskraft (entsprechend § 141 SGG) fähig (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 17. Dezember 2009 - L 7 SO 5021/09 ER -; vom 8. September 2010 - L 7 SO 3038/10 ER-B -, vom 11. Oktober 2010 - L 7 SO 3392/10 ER-B -; vom 4. Februar 2013 - L 7 SO 102/13 ER-B - (alle juris); vgl. ferner Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Aufl. 2017, Rdnrn. 40 ff.). Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, indem der wiederholte Streit der Beteiligten über dieselbe Streitsache mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verhindert wird (vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 13, 181; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 91, 256; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 141 Rdnr. 3). Ein derartiges Bedürfnis besteht auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung, denn dieser Rechtsbehelf hat nicht die bloß vorläufige Regelung eines endgültigen Zustands, sondern die endgültige Regelung eines vorläufigen Zustandes zum Gegenstand (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), BFHE 166, 114). Ein wiederholter, auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichteter Antrag ist deshalb in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls bei unveränderter Sach- und Rechtslage unzulässig (vgl. bspw. Senatsbeschluss vom 8. September 2010, a.a.O. m.w.N.). Eine derartige Identität des Streitgegenstandes ist gegeben, wenn das Rechtsschutzbegehren, das durch den erhobenen prozessualen Anspruch, d.h. den im Rahmen des gestellten Antrags dem Gericht zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird, gleichgeblieben ist und sich auch hinsichtlich der entscheidungserheblichen Normlage, d.h. vor allem bezüglich der der früheren Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften, keine Änderung ergeben hat.

b. Vorliegend steht dem erneuten Antrag des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz schon die Rechtskraft des Beschlusses des Senats vom 22. Dezember 2017 (L 7 SO 4253/17 ER-B) entgegen. Das jetzige einstweilige Rechtsschutzbegehren fußt auf demselben Lebenssachverhalt; neue, erst nach Abschluss der vorgenannten Verfahren eingetretene Tatsachen hat der Antragsteller ebenso wenig vorgebracht, wie sich die entscheidungserhebliche Normlage geändert hat. Der Antragsteller begehrt in dem vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Sache nach wie vor die vorläufige Gewährung laufender Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Gerade hinsichtlich dieses Begehrens hatte der Antragsteller schon in dem früheren Verfahren vor dem Senat (L 7 SO 4253/17 ER-B) einstweiligen Rechtsschutz erstrebt. Die dort zeitlich unbegrenzt ab 21. September 2017 begehrte vorläufige Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB XII hatte der Senat in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2017 mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Das Vorbringen des Antragstellers in seinem erneuten einstweiligen Rechtsschutzgesuch enthält keine neuen, erst nach Erlass des Beschlusses vom 22. Dezember 2017 entstandenen Tatsachen. Insbesondere ist weder seinem Vorbringen in dem neuerlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 16 SO 1931/18 ER) und im hiesigen Beschwerdeverfahren (L 7 SO 2245/18 ER-B) noch den übersandten Verwaltungsakten zu entnehmen, dass sich Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers ergeben haben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich sein ausländerrechtlicher Status verändert hat. Vielmehr hat der H. im Klageverfahren S 16 SO 5736/17 mit Schreiben vom 19. März 2018 mitgeteilt, dass der Antragsteller sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) befindet, die jeweils verlängert wurde bzw. im Rahmen von Fiktionsbescheinigungen fortbesteht und die mit folgender Nebenbestimmung erteilt bzw. verlängert wurde: "Wohnsitznahme nur im H. (ohne Stadt A.) gestattet." Der damalige Bevollmächtigte hatte im Beschwerdeverfahren L 7 SO 4253/17 ER-B eine vom H. am 23. Oktober 2017 ausgestellte, bis zum 22. Januar 2018 gültige Fiktionsbescheinigung vorgelegt, die eine gleichlautende Wohnsitzauflage enthält. Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdeschrift vom 22. Juni 2018 selbst eingeräumt, dass die Ausländerbehörde seinem Antrag auf Streichung der Wohnsitzauflage bisher nicht entsprochen hat. Damit liegen nach wie vor die Voraussetzungen der Leistungseinschränkung des § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB XII vor mit der Folge, dass nur die nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar gebotenen Leistungen, die regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat, umfassen (§ 23 Abs. 5 Satz 2 SGB XII), zu erbringen sind. Warum im Falle des Antragstellers kein Ausnahmefall vorliegt, hat der Senat in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2017 im Einzelnen dargelegt. Zwischenzeitlich entstandene Tatsachen, die der Senat in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2017 nicht berücksichtigt haben soll, hat der Antragsteller mithin nicht vorgebracht. Ebenso wenig wie sich der entscheidungserhebliche Lebenssachverhalt seit dem genannten Beschluss verändert hat, ist eine Änderung der entscheidungserheblichen Normlage eingetreten. Damit ist dem Senat eine erneute Sachprüfung verwehrt.

Der Antragsteller beschränkt sich in der Sache darauf, die Unrichtigkeit des rechtskräftigen und die Beteiligten daher bindenden Senatsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 geltend zu machen. Sein wiederholtes Vorbringen, u.a. er habe über einen Aufenthaltstitel ohne Wohnsitzauflage (bis zum 11. November 2016) verfügt, die zwischenzeitlich vom H. verfügte Wohnsitzauflage sei rechtswidrig und müsse gestrichen werden, ihm sei wegen seiner Erkrankungen ein Umzug in den H. nicht zumutbar, er habe durch die Antragsgegnerin seit Juli 2015 u.a. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII erhalten, es seien keine Änderungen eingetreten sowie er werde als Schwerbehinderter und Pflegebedürftiger durch die Ablehnung der Leistungen ab April 2017 seitens der Antragsgegnerin diskriminiert und benachteiligt und ihm seien deshalb erhebliche Schulden entstanden, geht daher ins Leere. Auch das Vorbingen, er sei im H. in den Jahren 2011, 2014 und 2015 Opfer erheblicher Straftaten geworden, beinhaltet keine zwischenzeitlich, d.h. nach Erlass des Senatsbeschlusses vom 22. Dezember 2017, eingetretenen Tatsachen. Das erneute einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers ist bei der vorliegend unveränderten Sach- und Rechtslage unzulässig. Im Übrigen ist der Antragsteller gehalten, sich in den ihm ausländerrechtlich zugewiesenen Aufenthaltsort (H. ohne Stadt A.) zu begeben (§ 12 Abs. 3 AufenthG). Es steht ihm frei, dort beim zuständigen Sozialhilfeträger um (nicht auf die unabweisbar gebotenen) Leistungen nach dem SGB XII nachzusuchen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

5. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist unter diesen Umständen mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

6. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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