L 8 SB 4244/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 3358/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4244/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Der 1949 geborene Kläger beantragte bei dem Versorgungsamt R. am 14.03.1989 (Blatt 2 VA) erstmals die Feststellung eines GdB.

Das Versorgungsamt zog den ärztlichen Entlassungsbericht der Reha Klinik B. W. vom 08.08.1988 (Blatt 10 VA) bei, zu dem Dr. K. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 04.06.1989 (Blatt 11 VA) erstattete und einen GdB von 20 empfahl. Gestützt hierauf stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 16.06.1989 (Blatt 13 VA) einen GdB von 20 seit dem 14.03.1989 unter Berücksichtigung einer Bewegungseinschränkung des linken Hüft-, Knie- und Sprunggelenkes bei Zustand nach Unterschenkelbruch fest.

Am 28.02.2012 beantragte der Kläger bei dem Landratsamt Reutlingen (LRA) die Neufeststellung des GdB (Blatt 17 VA).

Das LRA zog den Entlassungsbericht der K.-Klinik vom 17.02.2009 (Blatt 28 VA) bei und holte den Befundbescheid des Dr. Z. vom 01.06.2012 (Blatt 40 VA) ein, der weitere Befundberichte vorlegte (Blatt 29 ff. VA).

Dr. A.-F. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 01.07.2012 (Blatt 41 VA) und führte aus, dass für eine Depression ein Teil-GdB von 20 und für eine Wirbelsäulenverformung ein Teil-GdB von 20 zusätzlich berücksichtigt werden könne, sodass sich ein Gesamt-GdB von 30 rechtfertige. Nach Vorlage des Befundberichtes des Dr. B. vom 05.11.2012 (HNO, Blatt 45 VA) erstattete Dr. F. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 01.12.2012 (Blatt 46 VA) wonach für eine Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen ein weiterer Teil-GdB von 20 berücksichtigt werden könne, sich aber keine Änderung im Hinblick auf den Gesamt-GdB ergebe.

Mit Bescheid vom 20.12.2012 (Blatt 49) hob das Landratsamt den Bescheid vom 16.06.1989 auf und stellte einen GdB von 30 seit dem 28.02.2012 fest.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 10.01.2013 Widerspruch (Blatt 51 VA).

Das LRA holte den Befundschein des Dr. N. vom 18.06.2013 (Blatt 64 VA) ein, zu dem Dr. G. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 14.10.2013 (Blatt 67 VA) erstattete und keine stärker behindernde Störung sah, sodass die Einschätzung weiterhin sachgerecht sei.

Der Beklagte holte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 04.11.2013 (Blatt 70 VA) ein, der bei integrativer Beurteilung einen Gesamt-GdB von 40 für angemessen hielt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2013 (Blatt 73 VA) stellte der Beklagte einen GdB von 40 seit dem 28.02.2012 fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Am 05.12.2013 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) und machte geltend, die seelische Störung sei mit einem Teil-GdB von 20 zu niedrig bemessen, die Funktionseinschränkungen auf urologischem Fachgebiet seien bislang völlig unberücksichtigt geblieben.

Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. Z. vom 28.04.2014 (Allgemeinmedizin, Blatt 31/45 SG-Akte), des Dr. N. vom 17.04.2014 (Neurologie und Psychiatrie, Blatt 29/30 SG-Akte) und des Dr. L. vom 28.02.2014 (Urologie, Blatt 25/26 SG-Akte) ein.

Der Beklagte legte die Stellungnahme des Versorgungsarztes D. vom 03.12.2014 vor, der darlegte, dass die Häufigkeit von Arztbesuchen und die Intensität psychopharmakologischer Behandlung keine ausreichenden Rückschlüsse auf die Höhe des GdB erlaubten. Die mit körperlichen Beschwerden einhergehenden üblichen seelischen Begleiterscheinungen seien mit den jeweiligen GdB-Werten mitberücksichtigt.

Das SG holte das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des Dr. P. vom 23.03.2015 (Blatt 55/80 SG-Akte) ein, der Anpassungsstörungen mit leicht- bis mittelgradig depressiven Phasen vor dem Hintergrund einer Persönlichkeit mit selbstunsicheren, anankastischen und paranoiden Zügen sowie Somatisierungsstörungen feststellte und einen Teil-GdB von 30 sowie einen Gesamt-GdB von 50 empfahl.

Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 24.08.2015 (Blatt 93 SG-Akte) vor, der ausführte, dass ein GdB von 20 für die Funktionsbeeinträchtigung der unteren Gliedmaßen aufgrund der aktuellen Befunderhebung des Dr. B. zu hoch angesetzt sei. Es seien keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke, eine gute Beweglichkeit der Kniegelenke, keine wesentlichen Gelenkreizerscheinungen und unauffällige Knochenkonturen mit mobilem oberen und unteren Sprunggelenk beschrieben. Ein GdB von 20 für die Schwerhörigkeit könne nicht als gesichert angesehen werden, da die bisherige Feststellung nur auf einem Tonaudiogramm beruhten und das vorgelegte Sprachaudiogramm nicht auswertbar sei, da der Hörverlust für Zahlen nicht eingetragen sei. Dr. P. bewerte die seelische Störung mit einem Teil-GdB von 30, weise jedoch darauf hin, dass diese Bewertung wohlwollend sei, da den Alltagsanforderungen, wenn auch mit Mühe, nachgekommen werden könne.

Das SG holte die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. R. vom 10.11.2015 (HNO, Blatt 98/100 SG-Akte) ein, zu der Dr. K. (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 11.02.2016, Blatt 104 SG-Akte) ausführte, dass nur eine geringgradige Schwerhörigkeit beidseits bestehe, sodass kein höherer Teil-GdB als 20 vorliege und der Gesamt-GdB weiter mit 40 zu bemessen sei.

Das SG holte das orthopädische Sachverständigengutachten des Dr. B. vom 10.06.2016 (Blatt 117/135 VA) ein, der für das Wirbelsäulensyndrom einen Teil-GdB von 20 und für Schulterbeschwerden links ein Teil-GdB von 10 annahm, im Bereich der unteren Extremitäten handele es sich nur um geringe Funktionseinschränkungen, sodass sich kein höherer Gesamt-GdB als 40 ergebe.

Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 10.10.2016 ab, da unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen Dr. P. erhobenen Befunde ein Teil-GdB von 30 nur als knapp erreicht beurteilt werden könne. Dem Verweis des Dr. N. darauf, dass wegen der Intensität der Behandlungen einschließlich der pharmakologischen Behandlung ein Teil-GdB von 40 anzunehmen sei, könne nicht gefolgt werden, da es auf die Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers ankomme und nicht auf die Häufigkeit von Arztbesuchen und die Intensität der psychopharmakologischen Behandlung. Der von Dr. B. angenommene Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulensyndrom sei auf jeden Fall ausreichend, im Bereich der Schulter bestehe lediglich links eine leichte Einschränkung der Beweglichkeit. Die Feststellungen des Dr. B. zu den unteren Extremitäten rechtfertigten die Annahme eines höheren Teil-GdB als 10 nicht, dies sei durch den Orthopäden Dr. A. auch so bestätigt worden. Ein höherer, als der bereits festgestellte, Gesamt-GdB von 40 ergebe sich daher nicht.

Gegen den am 17.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.11.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg eingelegt. Er macht geltend, dass keine Auseinandersetzung mit den Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten Dr. P. erfolgt sei. Die behandelnden Ärzte seien der Auffassung, dass ein Gesamt-GdB von 50 vorliege, hiermit habe sich das SG nicht auseinandergesetzt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.10.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 ab dem 28.02.2012 festzustellen sowie gemäß § 109 SGG ein Sachverständigengutachten bei Dr. M. einzuholen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die nichtöffentliche Sitzung vom 08.05.2017 durchgeführt (Niederschrift Blatt 31 ff. Senatsakte), der Beklagte hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 29.11.2017 (Blatt 62 Senatsakte) vorgelegt.

Weiter hat der Senat das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten der Dr. M. vom 04.04.2018 (Blatt 79/99 Senatsakte) eingeholt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 05.06.2018 die Berufung auf den Berichterstatter übertragen.

Der Kläger hat mit am 27.06.2018 bei dem LSG eingegangenem Schriftsatz die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG bei Dr. M. beantragt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet gemäß § 153 Absatz 5 SGG durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter, nachdem das SG durch Gerichtsbescheid vom 10.10.2016 entschieden und der Senat mit Beschluss vom 05.06.2018 die Berufung auf den Berichterstatter übertragen hat. Gründe, die eine Rückübertragung auf den Senat und eine Entscheidung durch diesen erforderlich gemacht hätten, waren nicht festzustellen. Solche sind von den Beteiligten weder auf die Anhörung noch in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden. Die Ausführungen der Klägerbevollmächtigten dahingehend, dass mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG kein Einverständnis bestehe (Schriftsatz vom 22.05.2018, Blatt 103 Senatsakte), erweisen sich als nicht nachvollziehbar, nachdem eine Entscheidung des Landessozialgerichts durch Gerichtsbescheid nicht möglich ist.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der Kläger kann die Feststellung eines höheren GdB als 40 nicht beanspruchen, der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 20.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage für die von dem Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelne Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen - bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen - zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Nach diesen Maßstäben konnte der Senat gegenüber dem maßgebenden Bescheid vom 16.09.1989 keine weitergehende Veränderung, wie sie der Beklagte durch die Zuerkennung des GdB von 40 bereits berücksichtigt hat, feststellen.

Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet konnte der Senat gestützt auf die Sachverständigengutachten des Dr. P. und der Dr. M. keine Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einen höheren GdB als 20 bedingen.

Dem Sachverständigengutachten des Dr. P. entnimmt der Senat, dass die neurologische Untersuchung keine Auffälligkeiten an den Hirnnerven zeigte, die Nervenaustrittspunkte waren ohne Befund, die Muskeleigenreflexe prompt und seitengleich auslösbar, es zeigten sich keine pathologischen Reflexe, keine Sensibilitätsstörungen bei unauffälliger Koordination und keine Paresen. Zum psychischen Befund beschreibt der Sachverständige den Kläger als wach, klar, in allen Qualitäten orientiert, eine paranoide oder halluzinatorische Symptomatik im eigentlichen Sinne bestand nicht, ebenso kein psychotisches Geschehen. Die affektive Schwingungsfähigkeit wird als etwas eingeschränkt beschrieben, jedoch durchaus als punktuell und thematisch erhalten. Bei der Untersuchung zeigte sich eine Selbstwertproblematik mit leichter Kränkbarkeit und Verletzbarkeit sowie verminderter Fähigkeit, tatsächliche und vermeintliche Kränkungserlebnisse in ihrer Relevanz einzuordnen. Dennoch waren Aufmerksamkeit, Konzentration, Einstellung und Umstellung nicht beeinträchtigt, lebensgeschichtliche Daten konnten problemlos wiedergegeben werden.

Gestützt auf das Sachverständigengutachten Dr. M. konnte der Senat eine uneingeschränkte Kopfbeweglichkeit bei freien Nervenaustrittspunkten, fehlendem Meningismus und fehlender Klopf- oder Druckdolenz im Bereich der Kalotte feststellen. Es zeigten sich keine umschriebenen manifesten oder latente Paresen im Bereich der Extremitäten, Gang und Stand waren frei, keine umschriebenen Muskelatrophien. Tonus und Trophik waren unauffällig, die grobe Kraft ungestört, in den Vorhalteversuchen ergab sich keine Absinktendenz. Die Muskeleigenreflexe an Armen und Beinen beschreibt die Sachverständige als seitengleich mittellebhaft, der Strichgang, Romberg, Unterberger Steh- und Tretversuch waren unauffällig, Zeigeversuche zielsicher. Am Fußrücken rechts gab der Kläger eine Hypästhesie und Hypalgesie an. Elektrophysiologisch ergaben sich keine pathologischen Befunde, bezüglich der geklagten Schmerzzustände gibt die Sachverständige einen unauffälligen Neurostatus inklusive elektrophysiologischem Befund an und verneint eine Polyneuropathie sowie eine Radikulopathie.

Zum psychopathologischen Untersuchungsbefund teilt die Sachverständige mit, dass der Kläger bemüht gewesen ist, sämtliche Beschwerden und die gesamte Vorgeschichte darzulegen, wobei durchgängig Niederschriften benutzt wurden. Der Antrieb wird als unauffällig beschrieben, die Gestaltungsfähigkeit im Alltag als erhalten. Trotz subjektiver Schilderung von zeitweiliger Lust- und Freudlosigkeit, weist die Sachverständige darauf hin, dass der Kläger zu multiplen Aktivitäten, auch außer Haus im Rahmen von Urlauben, familiären Gegebenheiten, Hobbys und Kontakten, in der Lage ist. In der Untersuchungssituation war kein Grübeln gegeben, kognitiv zeigten sich keine Einschränkungen, die anamnestisch geschilderten Konzentrations- und Gedächtnisprobleme waren in der Untersuchungssituation nicht verifizierbar.

Zusammenfassend diagnostiziert die Sachverständige eine Angst und Depression gemischt und weist auf zeitweilige Stimmungsschwankungen, über Jahre hinweg rezidivierend auftretend, auch in Abhängigkeit von lebensgeschichtlichen Ereignissen mit großen zeitlichen Intervallen, hin. Die geschilderten Ängste konnten in der Untersuchungssituation nicht nachvollzogen werden, es zeigte sich kein Vermeidungsverhalten und eine gute Aktionsfähigkeit im Alltag. Insbesondere verweist die Sachverständige darauf, dass es dem Kläger möglich ist, Auto zu fahren, wobei es nicht darauf ankommt, ob nur noch innerorts gefahren wird oder auch längere Strecken. Die vom Kläger gegen das Gutachten vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung. Dass die im November 2017 begonnene Renovierung noch nicht abgeschlossen sein mag und er seine Spiegelreflexkamera mehr als 10 Jahre nicht mehr benutzt haben mag, ist ebenso wenig entscheidungsrelevant, wie der Umstand, dass er in den letzten Jahren kein Buch mehr gelesen haben mag.

Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.

Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Einzel-GdB für die Psyche mit 20 zu bewerten, da die erhobenen Befunde als leichtere psychische Störung ohne wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten und mit über die Jahre praktiziertem niedrigen Behandlungsumfang anzusehen sind, wie die Sachverständige Dr. M. überzeugend dargelegt hat. Entsprechendes entnimmt der Senat auch dem Sachverständigengutachten des Dr. P., der den von dem Beklagten angenommenen Einzel-GdB von 30 als wohlwollend bezeichnet. Für die Einschätzung des Einzel-GdB mit 20 spricht weiter, dass nach VG Teil A 2f bei Schwankungen im Gesundheitszustand ein Durchschnittswert zu Grunde zu legen ist. Diese Schwankungen werden zusätzlich belegt durch die Ausführungen des Klägers zu dem Sachverständigengutachten Dr. M., wenn er ausführt, dass er öfters ängstliche Vorahnungen habe, manchmal rastlos sei und öfter unter panikartigen Zuständigen leide.

Den abweichenden Einschätzungen des Dr. N. folgt der Senat nicht, da Dr. M. schlüssig dargelegt hat, dass die Angaben zur Behandlung, zum Verlauf und zur Symptomatologie weder einer manifesten depressiven rezidivierenden Episode entsprechen, noch einer massiven tatsächlichen Angststörung. Ergänzend nimmt die Sachverständige überzeugend Bezug auf die vorangegangenen Heilverfahren zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung, in deren Verlauf sich sogar noch ein niedrigerer Grad der depressiven Störungen im Sinne einer rezidivierenden Anpassungsstörung gezeigt haben. Ebenso überzeugend weist die Sachverständige darauf hin, dass der Verlauf und die Ergebnisse der teilstationären Behandlung an der Uni-Psychiatrie Tübingen im Vorjahr mitgeprägt gewesen sind durch die anzunehmende Tendenzhaltung im Rahmen des laufenden Klageverfahrens, wobei es sich auch um die erstmalige tagesklinische Behandlung handelte, die erfolgreich absolviert wurde.

Hinsichtlich des orthopädischen Fachgebietes konnte der Senat gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. B. ein Wirbelsäulensyndrom bei Wirbelsäulenverformung, Schulterbeschwerden links, eine Trochantertendinose des linken Hüftgelenkes bei freier Hüftgelenksbeweglichkeit, eine sekundäre Arthrose zwischen Kniescheibe und Oberschenkelrolle links, geringe Bewegungseinschränkungen im linken oberen Sprunggelenk sowie eine Außenknöchelfraktur rechts im Jahr 2010 feststellen.

Bei der Untersuchung waren Becken, Schultern und Schulterblätter im Gleichstand, die Wirbelsäule im Lot, die Taillendreiecke symmetrisch, eine Seitabweichung der Dornfortsatzreihe war nicht festzustellen, ein Lendenwulst oder Rippenbuckel nicht nachzuweisen, auch nicht in der Inklination. Die Inklination war frei, der Index nach Ott betrug 30/32cm und derjenige nach Schober 10/15 cm, der Finger-Boden-Abstand lag bei 0 cm. Auf Höhe der BWS fanden sich Muskelverspannungen und einige Blockierungen, im Bereich der LWS einige schmerzhafte Myogelosen, jedoch kein Hartspann. Die HWS war von normaler Haltung, die Nackenmuskulatur mäßig verspannt, ein Druckschmerz über den Facetten der HWS konnte in keinem Segment eindeutig nachgewiesen werden, bei der segmentalen Diagnostik bestand keine Blockierung und keine Hinweise auf radikuläre Symptome. Die Kopfbeweglichkeit wird mit 35-0-35° (Seitneigen re./li., normal 45-0-45°) und 60-0-60°(Rotation re./li., normal 70-0-70°) angegeben. Die endgradige Drehung des Kopfes war schmerzfrei.

Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z. B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist eine GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt, die jedoch beim Kläger nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht werden.

Ausgehend von diesen Maßstäben kommt unter Berücksichtigung der festzustellenden Befunde kein höherer Einzel-GdB als 20 in Betracht, was bereits mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt entspricht.

Die Armhebung (rückwärts/vorwärts) hat der Sachverständige mit 40-0-160° rechts und 40-0-150° links beschrieben, sodass eine Bewegungseinschränkung in der Armhebung nur bis 120°, was nach VG Teil B Nr. 18.13 einen Einzel-GdB von 10 bedingen würde, nicht besteht.

Ellenbogen- und Handgelenke waren normal beweglich (vgl. Seite 129 SG-Akte), an den Hüftgelenken zeigten sich Beweglichkeiten von 10-0-30° beidseits, was Normalwerten entspricht und damit keine wenigstens geringe Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke (ab 10-0-90°) nach VG Teil B Nr. 18.14 begründet.

Die Beweglichkeit der Kniegelenke lag beidseits bei 130-0-5° und damit ebenfalls im Normalbereich, sodass auch hier eine wenigstens geringe Bewegungseinschränkung (90-0-0°) nicht besteht. Ebenso besteht keine mittelgradige Einschränkung der Sprunggelenksbeweglichkeit (Heben-Senken 0-0-30°) nach VG Teil B Nr. 18.14, nachdem sich aus dem Sachverständigengutachten Beweglichkeiten von 30-0-50° rechts und 20-0-30° links ergeben.

Hinsichtlich der Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen ergibt sich hieraus kein Einzel-GdB für einen Tinnitus, da ein solcher nur dann relevant ist, wenn eine entsprechende psychische Begleitsymptomatik besteht (vgl. VG Teil B Nr. 5.3). Gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. P. konnte der Senat jedoch feststellen, dass eine solche Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen schon nicht objektiviert werden konnte und daher hierauf auch keine psychische Beeinträchtigung zurückgeführt werden kann. Vielmehr weist Dr. P. überzeugend darauf hin, dass die Tinnitus-Klagen hauptsächlich der psychischen Störung zuzurechnen sind, wobei er zusätzlich auf eine fehlende intensive HNO-ärztliche Behandlung mit verschiedenen Versuchsmöglichkeiten verweist (Blatt 72 SG-Akte). Die Sachverständige Dr. M. hat darüber hinaus beschrieben, dass das Fingerreiben beidseits bei liegenden Hörgeräten gehört worden ist (Blatt 88 Senatsakte).

Zu berücksichtigen ist jedoch, gestützt auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. R. vom 10.11.2015 (Blatt 38 SG-Akte), eine Innenohrschwerhörigkeit, hinsichtlich derer Dr. K. (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 11.02.2016, Blatt 104 SG-Akte) überzeugend dargelegt hat, dass diese mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten ist.

Auf urologischem Fachgebiet konnte der Senat gestützt auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. L. vom 28.02.2014 (Blatt 25 SG-Akte) das Bestehen eines benigen Prostatasyndroms mit Blasenentleerungsstörung und ein Testosterondefizit mit erektiler Dysfunktion feststellen, woraus sich jedoch kein Einzel-GdB ergibt, nachdem Dr. L. überzeugend dargelegt hat, dass unter medikamentöser Therapie keine wesentlichen Funktionseinschränkungen vorliegen.

Der Senat kann keine Gründe erkennen, weshalb sich das SG, wie der Kläger zur Berufungsbegründung geltend macht, hätte gedrängt fühlen müssen, sich eingehend mit den Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten Dr. P. auseinanderzusetzen. Abgesehen davon, dass diese erst fast eineinhalb Jahre (Übersendung ausweislich Blatt 81 am 30.03.2015, Eingang des Schriftsatzes vom 26.08.2016 am 29.08.2016) vorgebracht worden sind, und damit entgegen § 411 ZPO nicht unverzüglich, erweisen sich die Einwände für die Entscheidung als nicht relevant: Bei der Bezeichnung der beruflichen Zusatzqualifikation handelt es sich ersichtlich um einen Übertragungsfehler, der den Inhalt des Sachverständigengutachtens in keiner Weise tangiert, da es auf die berufliche Tätigkeit für die hier streitigen Fragen nicht ankommt. Es handelt sich damit um eine nicht relevante Anknüpfungstatsache, insbesondere, nachdem die berufliche Situation nach den VG (Teil A Nr.2b) für die Beurteilung unerheblich ist.

Welche Auswirkungen es haben sollte, dass der Sachverständige Dr. P. zu dem Ereignis 2008 festgehalten hat, dass der Kläger entsetzt gewesen, und nicht dass der Kläger geschockt gewesen ist, lässt sich ebensowenig erkennen, wie der Umstand, dass der Arbeitgeber ihm (wohl vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses 2010) geraten habe, eine Reha durchzuführen.

Nachdem der Sachverständige seine Einschätzung nicht auf eine fehlende Medikamenteneinnahme stützt, lässt sich nicht erkennen, welche Relevanz die Serumspiegelbestimmung haben sollte. Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. M. eine Serumspiegelbestimmung durchgeführt und festgestellt, dass der Serumspiegel im therapeutisch wirksamen Bereich gelegen hat.

Soweit der Kläger die GdB-Bewertung durch den Sachverständigen Dr. B. moniert, kommt es hierauf schon deshalb nicht an, da die GdB-Einschätzung selbst keine medizinische Frage ist, die der Beurteilung des Sachverständigen oder auch der behandelnden Ärzten obliegen würde, sondern eine rechtliche Wertung darstellt. Unabhängig davon ist es nicht sachfremd, zur Beurteilung des Gesamt-GdB einen Vergleich mit Funktionseinschränkungen vorzunehmen, für die feste GdB-Werte vorgegeben sind.

Die Einwände bezüglich der GdB-Bewertung des Dr. P. überzeugen schon deshalb nicht, da die angenommenen Einzel-GdB Werte nicht in Bindung erwachsen, daher einer Überprüfung zugänglich sind und bei der Einschätzung des Gesamt-GdB berücksichtigt werden müssen.

Ausgehend von den dargestellten Einzel-GdB Werten lässt sich höherer Gesamt-GdB als ihn der Beklagte mit 40 bereits festgestellt hat, nicht begründen.

Den Antrag nach § 109 SGG lehnt der Senat gemäß § 109 Absatz 2 SGG ab, da dieser nicht innerhalb angemessener Frist gestellt worden ist. § 109 Absatz 2 SGG bestimmt, dass das Gericht einen Antrag ablehnen kann, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Eine grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und nicht getan wird, was jedem einleuchten muss (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage § 109 RdNr. 11). Der Kläger ist mit Übersendung des Sachverständigengutachtens Dr. Milz am 10.04.2018 (Blatt 99 R Senatsakte) darauf hingewiesen worden, dass kein weiterer Ermittlungsbedarf gesehen wird, sodass ihm bekannt gewesen ist, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt werden. Dementsprechend hätte es ordnungsgemäßer Prozessführung entsprochen, den Antrag nach § 109 SGG binnen eines Monats zu stellen, was als angemessene Überlegungsfrist anzusehen ist (Keller, aaO., § 109 Rn.11). Der Kläger hat indessen erstmals auf die Anhörung zur Übertragung des Verfahrens auf den Berichterstatter (Verfügung vom 14.05.2018, zugestellt am 15.05.2018) mit am 22.05.2018 (und damit außerhalb der angemessenen Überlegungsfrist) eingegangenem Schriftsatz geltend gemacht, dass ein Antrag nach § 109 SGG geprüft werde. Nachdem mit der Verfügung auch ein konkret beabsichtigter Verhandlungstermin mitgeteilt worden ist, hätte es jedenfalls innerhalb der Anhörungsfrist einer Antragstellung nach § 109 SGG bedurft. Ein wirksamer Antrag nach § 109 SGG ist indessen erst am 27.06.2018 gestellt worden, nachdem erst mit dem Schriftsatz vom 27.06.2018 ein Arzt benannt worden ist, dessen gutachterliche Anhörung beantragt werden sollte. Der Antrag nach § 109 SGG muss nämlich auf die Anhörung eines bestimmten Arztes gehen, der namentlich zu bezeichnen ist (Keller, aaO., § 109 RdNr.4). Im Übrigen ist die Terminsladung bereits am 08.06.2018 zugestellt worden, sodass selbst nach der Terminsbestimmung noch fast drei Wochen zugewartet worden ist, bis der Antrag gestellt wurde. Nachdem die Einholung eines Sachverständigengutachtens bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.07.2018 nicht in Betracht kam, wäre durch die Zulassung auch eine Verzögerung des Verfahrens eingetreten.

Eine Frist zur Einzahlung eines Kostenvorschusses war somit nicht zu bestimmen, abgesehen davon, dass der Kläger durch die Verfügung des Senats vom 12.07.2017 (Blatt 39 Senatsakte) mit Hinweis auf die mögliche Antragstellung nach § 109 SGG (die der Kläger mit Schriftsatz vom 25.07.2017 abgelehnt hat, Blatt 40 Senatsakte) auch auf die Höhe des zu leistenden Kostenvorschusses und die Bankverbindung hingewiesen worden ist.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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