L 5 KR 1591/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 KR 6809/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1591/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch auf Unterstützungsleistungen durch die Krankenkassen bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen nach § 66 SGB V steht nach dem Wortlaut der Norm nur dem Versicherten zu. Dies folgt auch aus § 59 SGB I, wonach Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten erlöschen. Der Anspruch auf Unterstützungsleistungen geht auch nicht nach § 56 oder § 58 SGB I auf eine andere Person über.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 03.04.2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streitwert für das Klage- und das Berufungsverfahren wird jeweils endgültig auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Unterstützungsleistungen der Krankenkasse bei einem Verdacht auf ärztliche Behandlungsfehler im Rahmen der medizinischen Behandlung seiner 1934 geborenen und 2015 verstorbenen Ehefrau.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Ehefrau des Klägers (im Folgenden Versicherte), mit der der Kläger zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebte und deren Alleinerbe er ist, befand sich seit dem Jahr 2004 wiederholt in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum T. und in den S.-Kliniken N. und H ... Wegen eines von der Versicherten im Zusammenhang mit den Behandlungen im Jahr 2004 erfolgten vermuteten Behandlungsfehlers ist – auch gestützt auf eine von der Beklagten auf Antrag der Versicherten erfolgte Begutachtung – ein Schadensersatzprozess beim Landgericht H. anhängig.

Am 19.11.2009 wurde die Versicherte wegen eines geplatzten Blinddarms im S.-Klinikum H. operiert und am 07.12.2009 wieder entlassen. In der Folge befand sich die Versicherte fortlaufend in ärztlicher Behandlung. Am 17.07.2013 diagnostizierten die Ärzte im S.-Klinikum H. ein abdominelles Adenokarzinom. Im Anschluss daran erfolgten Untersuchungen der Versicherten in der Universitätsklinik T ... Von August bis Oktober 2013 erhielt die Versicherte vier Zyklen einer Chemotherapie und nach einer Behandlung in den S.-Kliniken vom 30.10. bis 07.11.2013 wegen eines Subileus und Erbrechens zwei weitere Zyklen Chemotherapie. Am 31.01.2014 wurde eine Explorativ-Laparotomie in der Universitätsklinik T. durchgeführt, die deutliche Verwachsungen des Dünn- und Dickdarms unter Einbezug der Tumorplatte der Bauchdecke sowie abdominal eine Tumoraussaat mit Beteiligung der Mesenterialwurzel ergab. Der Situs war nicht operabel. Im weiteren Verlauf des Jahres 2014 wurde die Versicherte in der Universitätsklinik H. in eine Studie einbezogen. Zwischen dem 12.02.2015 und 20.08.2015 befand sie sich tageweise stationär in Behandlung in der Universitätsklinik H., dem B. Krankenhaus H., im V.-Krankenhaus und in den S.-Kliniken H., wo sie am 20.08.2015 verstarb.

Bereits im Dezember 2013 wandte sich die Tochter der Versicherten unter Vorlage einer von der Versicherten erteilten Vollmacht an die Beklagte und bat um Unterstützung. Sie vermutete zunächst einen Behandlungsfehler der die Versicherte behandelnden Frauenärztin. Im weiteren Verlauf vertrat sie die Auffassung, die Appendixoperation hätte zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen müssen. Außerdem äußerte sie den Verdacht, dass die im Jahr 2013 bei der Versicherten diagnostizierte Krebserkrankung im Zusammenhang mit der verspäteten Appendixoperation stehe und darüber hinaus in der Behandlung der zu spät erkannten Tumorerkrankung weitere Behandlungsfehler unterlaufen seien, welche letztlich zum Tod der Versicherten geführt hätten. Nach dem Tod der Versicherten legte die Tochter der Beklagten am 13.11.2015 eine Vollmacht ihres Vaters und Witwers der Versicherten und die Eröffnungsniederschrift des Notariats H.-B. II vom 17.09.2015 vor, wonach der Witwer zum Alleinerben nach seiner Ehefrau eingesetzt wurde.

Die Beklagte forderte zunächst von der die Versicherte behandelnden Frauenärztin, der Radiologischen Praxis, den S.-Kliniken, den behandelnden Hausärzten und den Universitätskliniken T. und H. die Patientenunterlagen an und beauftragte im Anschluss daran den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit einer Begutachtung. Der MDK gab den Gutachtensauftrag an einen externen Gutachter ab. Erstattet wurde das Gutachten von der Fachärztin für Gynäkologie Dr. B. unter dem 23.02.2015, die im Gutachten die Auffassung vertrat, dass die Versicherte zusammenfassend von Februar 2013 bis Februar 2014 gemäß geltendem Fachstandard behandelt worden sei. Intern unterzog der MDK das Gutachten einem Reviewprozess. Im Anschluss daran erstattete Dr. H., MDK, ein weiteres Gutachten unter dem 24.03.2015 mit Blick darauf, ob die Operation am 31.01.2014 regelrecht erfolgt ist. Dr. H. fand in diesem Gutachten keine Hinweise auf einen Behandlungsfehler. Dies teilte die Beklagte der Tochter des Versicherten mit Schreiben vom 01.04.2015 mit. Mit diesem Ergebnis war diese nicht einverstanden, weshalb die Beklagte den MDK noch einmal mit einer Begutachtung beauftragte. Auch dieses Mal gab der MDK den Fall zur Begutachtung extern ab. Das fachärztlich internistisch-gastroenterologisch-onkologische Gutachten erstattete der Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie Prof. Dr. B. unter dem 27.08.2015. Er vertrat die Auffassung, ein Zusammenhang zwischen der Tumorbildung im Bereich der Operationsnarbe und der sekundären Wundheilung und perforierten Appendizitis sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abzuleiten. Eine Verletzung des medizinischen Standards und der ärztlichen Sorgfaltspflicht mit kausalem Schaden ergebe sich nicht. Auch dieses Gutachten unterzog der MDK einer Review. Das Gutachten wurde der Tochter der Versicherten von der Beklagten mit Schreiben vom 21.09.2015 übermittelt. Diese war damit nicht einverstanden. Die Beklagte teilte ihr hierauf unter dem 07.12.2015 zunächst mit, dass sie keine Möglichkeit für die Einholung eines weiteren Gutachtens durch den MDK sehe. Nach wiederholten weiteren Schreiben und Eingaben der Tochter der Versicherten bat die Beklagte unter dem 15.06.2016 den MDK erneut um eine Begutachtung. In seinem Gutachten vom 04.07.2016 teilte Dr. H., MDK, mit, dass der Sachverhalt ausführlich überprüft worden sei. Falls die Tochter der Versicherten auf anderen Gutachtern bestehen sollte, habe sie die Möglichkeit, die Gutachterkommission oder Privatgutachter einzuschalten. Letztendlich bestünde auch noch die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten und die entsprechenden Kliniken zu verklagen. Unter dem 21.07.2016 übermittelte die Beklagte der Tochter der Versicherten auch dieses Gutachten, die es wiederum beanstandete und vorrangig vortrug, dass ihre Schreiben nicht berücksichtigt worden seien. Nach weiterem umfangreichen Schriftverkehr zwischen den Beteiligten veranlasste schließlich das Behandlungsmanagement der Beklagten eine nochmalige Begutachtung. Das fachärztlich internistisch-onkologische Gutachten erstattete erneut Prof. Dr. B ... Der Gutachter verneinte in seinem Gutachten vom 27.03.2017 das Vorliegen eines kausal wirkenden Fehlers im Rahmen der Behandlung der Tumorerkrankung. Dieses Gutachten leitete die Beklagte der Tochter der Versicherten unter dem 04.05.2017 weiter. Mit Schreiben vom 18.05.2017 führte diese aus, dass es sich insoweit erneut um ein unfassbares Gutachten handele. Unverständlich sei für sie auch, weshalb Prof. Dr. B. mit der Gutachtenserstattung beauftragt worden sei. Sie bat um weitere Stellungnahmen der Beklagten und des Prof. Dr. B. zu verschiedenen von ihr aufgeworfenen Fragen.

Mit Bescheid vom 19.06.2017 beschied die Beklagte die Tochter der Versicherten dahingehend, dass eine weitere Unterstützung ihrerseits nun nicht mehr in Betracht komme. Sie, die Beklagte, habe die Versicherte über Jahre hinweg intensiv begleitet und beraten und vollumfänglich bei der Abklärung des von ihr vermuteten Behandlungsfehlers unterstützt. Es könnten noch bei der Landesärztekammer und einem Privatgutachter Gutachten in Auftrag gegeben werden.

Hiergegen erhob die Tochter der Versicherten am 20.07.2017 Widerspruch. Sie beanstandete die Gutachten inhaltlich. Mit dem Resultat sei sie sehr unzufrieden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie, die Beklagte, habe die Tochter der Versicherten in ihrem Bemühen, Fehler bei der Behandlung der Versicherten feststellen zu lassen, dahingehend unterstützt, als sie umfassend beraten, informiert und Gutachten durch den MDK eingeholt habe. In der Summe seien vier Gutachten und zwei ergänzende Stellungnahmen erstellt bzw. durchgeführt worden. Damit sei sie ihrer Verpflichtung zur Unterstützung in mehr als ausreichendem Umfang nachgekommen.

Die von der Tochter der Versicherten unter Vorlage einer Vollmacht des Klägers und der Eröffnungsniederschrift des Notariats H.-B. II vom 17.09.2015 dagegen am 10.11.2017 erhobene Klage zum Sozialgericht H., die das Sozialgericht H. mit Beschluss vom 04.12.2017 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart (SG) verwies, und in der die Tochter der Versicherten bekräftigte, dass die Gutachten inakzeptabel seien und sie Anspruch auf weitere Unterstützung durch die Beklagte in Form von fachlicher Überprüfung bzw. Neubegutachtung habe, wies das SG nach Durchführung eines Erörterungstermins mit der Tochter der Versicherten und der Beklagten am 07.03.2018 mit Gerichtsbescheid vom 03.04.2018 ab. Die Tochter der Versicherten, die als Klägerin geführt wurde, habe keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Unterstützungsleistungen, da die Beklagte ihrer Verpflichtung aus § 66 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bereits ausreichend nachgekommen sei. Nach § 66 Abs. 1 SGB V sollten die Krankenkassen die Versicherten zwar bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden seien und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergingen, unterstützen. Nach Änderung des § 66 Abs. 1 SGB V zum 26.02.2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 (BGBl. I S. 277) seien die Krankenkassen nach dem Willen des Gesetzgebers nun auch grundsätzlich zur Unterstützung verpflichtet, es sei denn, es sprächen besondere Gründe dagegen. Inhaltlich sei die Unterstützung im Sinne des § 66 SGB V jedoch nicht darauf gerichtet, dem Versicherten eine umfassende Hilfeleistung zur Klärung der Frage, ob ein Behandlungsfehler vorgelegen habe oder nicht, zu gewähren oder gar die Kosten der Rechtsverfolgung zu übernehmen. Unterstützung im Sinne des § 66 SGB V ziele darauf ab, dem Versicherten Leistungen zu gewähren, die ihm die Beweisführung erleichtern würden, also ihm die für eine Rechtsverfolgung essentiellen Informationen zugänglich zu machen. Durch den im Zuge des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) vom 04.04.2017 (BGBl. I S. 778) in § 66 SGB V angefügten Satz 2 habe der Gesetzgeber nunmehr die in Satz 1 genannte, inhaltlich aber nicht näher bestimmte Unterstützungsleistung konkretisiert. Die Unterstützung der Krankenkassen könne hiernach insbesondere die Prüfung der von den Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität, mit Einwilligung der Versicherten die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern, die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V sowie eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen umfassen. Dem habe die Beklagte vorliegend zur Genüge entsprochen und den MDK nach Beiziehung und Sichtung aller relevanten medizinischen Unterlagen durch die Hauptverwaltung insgesamt vier Gutachten und zwei ergänzende Stellungnahmen erstellen lassen und im Anschluss daran der Klägerin zur Verfügung gestellt. Allein, dass die Klägerin mit dem Ergebnis der Gutachten sowie der Auswahl des letzten Gutachters nicht einverstanden sei, verpflichte die Beklagte nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens.

Gegen den ihr am 05.04.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.04.2018 Berufung eingelegt. Seine Tochter setzt sich erneut mit den erstatteten Gutachten inhaltlich auseinander und beharrt darauf, dass die Beklagte ihre Pflicht bezüglich der Unterstützung nicht erfüllt habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 03.04.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 19.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm bei dem Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler bei der Behandlung der Versicherten E. Z. weitere Unterstützungsleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Befangenheitsanträge der Tochter des Klägers gegen die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht G.-B. hat der Senat mit Beschlüssen vom 24.07. und 31.07.2018 abgelehnt. Einen Verlegungsantrag der Tochter des Klägers hat die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht G.-B. mit Beschluss vom 31.07.2018 abgelehnt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die Prozessakten beider Rechtszüge, die Gegenstand der möglichen Verhandlung vom 08.08.2018 geworden sind, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) des Klägers, mit der er weitere Unterstützungsleistungen der Beklagten bei einem Verdacht auf ärztliche Behandlungsfehler bei der Behandlung der Versicherten begehrt, ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2017 mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf weitere Unterstützungsleistungen abgelehnt hat. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG; BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 36/14 R -, in juris).

Kläger ist - auch bereits im Klageverfahren - der Witwer der Versicherten. Dies folgt daraus, dass mit der Klageschrift vom 10.11.2017 die Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts H.-B. II vom 17.09.2015 vorgelegt wurde, wonach der Kläger nach dem Tod seiner Ehefrau, der Versicherten, zum Alleinerben eingesetzt wurde. Gleichzeitig hat die Tochter des Klägers, Frau A. D., eine Vollmacht des Klägers vorgelegt, wonach er sie in dieser Sache bevollmächtigt. Das Rubrum ist (nur) entsprechend zu berichtigen.

Der Kläger ist klagebefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG), weil die Möglichkeit besteht, dass ihm als Rechtsnachfolger der geltend gemachte Anspruch zusteht. Wegen fehlender Prozessführungsbefugnis ist eine Klage nur dann unzulässig, wenn der Kläger – anders als im vorliegenden Fall – ein Recht geltend macht, das nach seinem eigenen Vorbringen einem anderen zusteht, und kein Fall einer zulässigen Prozessstandschaft vorliegt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, Vor § 51 Rd. 15; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.12.2017, - L 8 SO 293/15 -, in juris). Die Frage, ob tatsächlich eine Rechtsnachfolge eingetreten ist, betrifft die Begründetheit der Klage (BSG, Urteil vom 13.07.2010, - B 8 SO 11/09 R -, in juris). In Betracht kommen sowohl eine Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) als auch eine Gesamtrechtsnachfolge durch Vererbung (§ 58 SGB I i.V.m. § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

2. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Unterstützungsleistungen durch die Beklagte. Ein Anspruch des Klägers scheitert daran, dass ihm als Witwer ein solcher Anspruch nicht zusteht (hierzu a). Abgesehen davon ist die Beklagte aber auch bereits ihrer Unterstützungsverpflichtung nachgekommen (hierzu b).

a) Nach § 66 SGB V sollen die Krankenkassen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 SGB X auf die Krankenkasse übergehen, unterstützen.

Der Anspruch steht dem Versicherten zu. Versicherter war die Ehefrau des Klägers. Der Anspruch bestand während der Lebzeit der Versicherten. Mit ihrem Tod 2015 erlosch der Anspruch auf Unterstützungsleistungen durch die Beklagte.

Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 66 SGB V, der nur von dem Versicherten spricht, und zum anderen aus § 59 SGB I. Danach erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten. Bei der Unterstützung der Versicherten durch die Krankenkassen bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die nach § 66 Satz 2 SGB V insbesondere die Prüfung der von dem Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität, mit Einwilligung der Versicherten die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern, die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V sowie eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen umfassen kann, handelt es sich entweder um eine Dienst- oder eine Sachleistung. Ob es sich im Einzelfall um eine Dienst- oder eine Sachleistung handelt, kann dahingestellt bleiben, da sich die Rechtsfolge nicht unterscheidet. Anders verhielte es sich nur dann, wenn es sich bei der Unterstützungsleistung um eine Geldleistung handeln würde. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nach § 59 Satz 2 SGB I nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Um eine Geldleistung handelt es sich bei der Unterstützung durch die Krankenkassen jedoch in keinem Fall. Erst durch den vom Versicherten - nachfolgend – angestrengten Schadensersatzprozess vor den ordentlichen Gerichten (oder das außergerichtliche Tätigwerden) wird ein materieller oder immaterieller Schadensersatz und damit eine Geldleistung geltend gemacht. Insoweit hat eine Trennung zu erfolgen.

Der Anspruch auf Unterstützungsleistungen durch die Beklagte ist auch weder durch sozialrechtliche Sondervorschriften noch durch Erbrecht auf den Kläger (oder eine andere Person) übergegangen.

Die Sonderrechtsnachfolge ist in § 56 SGB I geregelt. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf Geldleistungen nacheinander 1. dem Ehegatten, 1a. dem Lebenspartner, 2. den Kindern, 3. den Eltern und 4. dem Haushaltsführer zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Insoweit scheitert die Sonderrechtsnachfolge des Klägers nicht am fehlenden gemeinsamen Haushalt, die Eheleute haben bis zum Tod der Versicherten zusammengelebt und der Kläger war auch der Ehemann der Versicherten. Eine Sonderrechtsnachfolge kommt hier jedoch deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Unterstützungsleistungen nicht um einen fälligen Anspruch auf Geldleistungen handelt.

Eine Vererbung nach den Vorschriften des BGB findet nach § 58 SGB I statt, soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56, 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen. § 58 SGB I scheidet damit schon deshalb aus, weil es sich - wie ausgeführt - nicht um einen fälligen Anspruch auf Geldleistungen handelt, der hier geltend gemacht wird.

b) Nur ergänzend weist der Senat, insoweit auch bezugnehmend auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids (§ 153 Abs. 2 SGG), darauf hin, dass die Beklagte vorliegend ihrer Verpflichtung aus § 66 SGB V auch bereits nachgekommen ist.

Die Krankenkassen sollen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 SGB X auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen. Die Krankenkassen sind nach dem Willen des Gesetzgebers seit der Änderung des § 66 SGB V durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 (BGBl. I S. 277) mit Wirkung zum 26.02.2013 grundsätzlich zur Unterstützung verpflichtet, es sei denn, es sprechen besondere Gründe dagegen. Mit den Schadensersatzansprüchen im Sinne des § 66 SGB V sind privatrechtliche Schadensersatzansprüche der Versicherten gegen die behandelnde Person gemeint. Es kommt ein materieller und ein immaterieller Schadensersatz in Betracht. Unerheblich ist, ob die privatrechtlichen Schadensersatzansprüche auf vertraglicher oder gesetzlicher Haftung beruhen, und ob die Rechtsverfolgung gerichtlich oder außergerichtlich sein soll. Im Rahmen des § 66 SGB V verbleiben insbesondere Schmerzensgeldansprüche nach § 253 BGB und gegebenenfalls ein Verdienstausfall. Der Versicherte muss die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs plausibel machen.

Art und Umfang der möglichen Unterstützung durch die Krankenkassen ist in § 66 Satz 1 SGB V nicht genannt. Als Unterstützung kommt vor allem die Informierung des Versicherten über Kenntnisse und Erfahrungen der Krankenkasse in Frage, die ihm die Geltendmachung und Durchsetzung seiner Ansprüche erleichtern oder ermöglichen (z.B. Angabe der Diagnose und Therapie des behandelnden Arztes; Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen aus der Durchsetzung und Verfolgung der nach § 116 SGB X übergegangenen Ansprüche, die Anforderung ärztlicher Unterlagen und die Begutachtung durch den MDK nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V, wobei letzterem und seinen Gutachten bei der Beratung und Prüfung von vorgeworfenen ärztlichen Behandlungsfehlern eine zentrale Rolle zukommt). Die Krankenkasse ist aber nicht dazu verpflichtet, einen von ihrem Versicherten angestrengten Schadensersatzprozess in der Weise zu begleiten, dass sie zur Beantwortung medizinischer Nachfragen zur Verfügung steht, die im Verlaufe des Rechtsstreits entstehen. Die Krankenkasse ist auch nicht zu einem initiativen Recherchieren zu Gunsten des Versicherten verpflichtet. Aus haushaltsrechtlichen Gründen sind diesbezüglich Ausgaben seitens der Krankenkassen grundsätzlich ausgeschlossen. Die gesetzliche Krankenversicherung darf ihre Mittel nur zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben verwenden. Im Rahmen des § 66 SGB V handelt es sich aber um die Unterstützung privater Interessen. Die gesetzliche Krankenversicherung ist selbst an der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die nicht unter den Regelungsbereich des § 116 SGB X fallen, grundsätzlich wirtschaftlich nicht interessiert, sodass sie eventuelle damit verbundene Kosten gering zu halten hat. Einen gewissen Verwaltungsaufwand dürfen die Krankenkassen jedoch betreiben, bei entsprechenden Anfragen von Versicherten müssen sie diesen ggf. auch betreiben. Überdies ist insoweit zu bedenken, dass sie ggf. über den Versicherten Informationen zur Verfolgung eigener Regressansprüche erhalten. Es liegt im Ermessen der Krankenkasse, bei der Unterstützung zwischen verschiedenen Verwaltungsmaßnahmen unter Zweckmäßigkeitserwägungen auszuwählen. Die Gerichte üben hier lediglich eine Rechtskontrolle aus, d.h. sie prüfen nicht die Zweckmäßigkeit derartiger Verwaltungsakte (Koch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, aktualisiert am 24.04.2017, § 66 SGB V Rd. 4, 8-10).

Der durch das HHVG vom 04.04.2017 mit Wirkung vom 11.04.2017 angefügte Satz 2 des § 66 SGB V konkretisiert nunmehr die in Satz 1 genannte, inhaltlich aber nicht näher bestimmte Unterstützungsleistung. Exemplarisch und nicht abschließend ("insbesondere") sind vier Konkretisierungsfälle der Unterstützung genannt: 1. die Prüfung der von den Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität, 2. die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern, 3. die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V sowie 4. eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen. Die abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen wird gegebenenfalls unter Einbeziehung des Ergebnisses einer erfolgten Begutachtung durch den Medizinischen Dienst zu erfolgen haben. Die Gesamtbewertung muss nicht die Qualität eines juristischen Gutachtens haben.

Dem hat die Beklagte vorliegend entsprochen. Sie hat die relevanten medizinischen Unterlagen bei den die Versicherte behandelnden Ärzten und Kliniken eingeholt und durch den MDK fünf Gutachten erstellen lassen, wobei drei Gutachten sogar durch externe Gutachter bearbeitet wurden. Im Anschluss daran hat die Beklagte der Tochter der Versicherten/des Klägers die Unterlagen und Gutachten zur Verfügung gestellt. Die gerichtliche Überprüfung ist auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Die Einholung der Gutachten nach Beiziehung der Unterlagen ist insoweit keinesfalls zu beanstanden. Die eingeholten Gutachten sind auch fachlich korrekt. Es wurden die Unterlagen ausgewertet und auch von Fachärzten Gutachten erstattet. Die Tatsache, dass die Tochter der Versicherten mit dem Ergebnis der Gutachten, die im Übrigen übereinstimmend allesamt zum selben Ergebnis kamen, nicht einverstanden ist, verpflichtet nicht zur Einholung weiterer Gutachten und Stellungnahmen. Nicht zu beanstanden ist auch das Verhalten der Beklagten, den MDK mit der Begutachtung zu beauftragen. Der MDK hat teilweise selbst die Gutachten erstattet, teilweise hat er externe Gutachter beauftragt und abschließend ein Review durchgeführt. Der MDK ist zur Objektivität im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung verpflichtet, da dessen Ärzte bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und weisungsfrei sind (vgl. § 275 Abs. 5 SGB V). Der Versicherte hat keinen Anspruch darauf, dass ein bestimmter anderer Gutachter ein weiteres Gutachten erstattet. Zu beachten ist insoweit, dass durch die Einholung von Gutachten von Gutachtern, die nicht dem MDK angehören, zusätzliche Kosten anfallen können. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Krankenversicherung, wie ausgeführt, ihre Mittel nur zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben verwenden darf. Im Rahmen des § 66 SGBV handelt es sich aber, wie ausgeführt, um die Unterstützung privater Interessen, weshalb es keinesfalls zu beanstanden ist, dass die Beklagte "nur" den MDK mit der Begutachtung beauftragt hat und durch diesen sogar dreimal externe Gutachter beauftragt wurden.

3. Die Kostenentscheidung beruht sowohl für das Klage- als auch das Berufungsverfahren auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 197a SGG werden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 VwGO sind entsprechend anzuwenden. Gemäß § 183 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Die Voraussetzungen der Kostenfreiheit nach § 183 SGG lagen beim Kläger weder im Klageverfahren vor, noch sind sie für das Berufungsverfahren zu bejahen. Der Kläger selbst klagt bezüglich der Unterstützungsleistung weder als Versicherter (dies wäre seine verstorbene Frau gewesen) noch als Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderter Mensch oder Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I (siehe 2. a). Als der unterliegende Teil trägt er die Kosten des Verfahrens.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 GKG. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von 5.000 EUR.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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