L 37 SF 202/17 EK U

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
ÜG
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
L 37 SF 202/17 EK U
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Überlänge des vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) unter dem Aktenzeichen S 10 U 40/10 sowie vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg zuletzt unter dem Aktenzeichen L 21 U 181/12 geführten Verfahrens und die Zahlung einer Entschädigung wegen der überlangen Dauer dieses Verfahrens. Der Ablauf des abgeschlossenen Ausgangsverfahrens gestaltete sich wie folgt:

11.03.2010 Eingang der auf Übernahme der Kosten der operativen PTK- und LASIK-Eingriffe am rechten Auge der Klägerin durch den Unfallversicherungsträger unter Aufhebung dessen ablehnenden Bescheides vom 10. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Februar 2010 gerichteten Klage 17.03.2010 Registrierung unter dem Aktenzeichen S 10 U 40/10 sowie Bestätigung des Klageeingangs und Anforderung der Klagebegründung 20.04.2010 Eingang der Klagebegründung vom 19.04.2010 28.05.2010 Weiterleitung der Klagebegründung an die Beklagte zur Klageerwiderung binnen eines Monats 09.07.2010 Erinnerung an Übersendung der Erwiderung mit Frist von drei Wochen 15.09.2010 Eingang der Erwiderung mit einem Band Verwaltungsakten 17.09.2010 Weiterleitung an den Klägerbevollmächtigten zur Kenntnisnahme mit Fragebogen zur Person; Frist von vier Wochen 14.10.2010 Eingang der angeforderten Unterlagen 20.10.2010 Weiterleitung an die Beklagte zur Kenntnisnahme, Wiedervorlage vier Wochen (Ablauf: 17.11.2010) 12.05.2011 Beweisanordnung: Einholung eines augenärztlichen Gutachtens aufgrund einmaliger Untersuchung, Wiedervorlagefrist fünf Monate 16.05.2011 Eingang beim Gutachter 10.06.2011 Eingang eines klägerischen Schreibens vom 17.05.2011 nebst Arztbrief der behandelnden Augenärztin vom 29.07.2009: Geltendmachung einer Verschlechterung der Sehfähigkeit und Anregung, eine Stellungnahme des behandelnden Augenarztes einzuholen 16.06.2011 Weiterleitung an die Beklagte zur Kenntnisnahme und den Sachverständigen zur Berücksichtigung 16.06.2011 Eingang des Gutachtens vom 10.06.2011 17.06.2011 Weiterleitung an den Klägerbevollmächtigten zur Stellungnahme binnen sechs Wochen verbunden mit der Anregung, die Klage zurückzunehmen, sowie an die Beklagte zur Kenntnisnahme 12.08.2011 Erinnerung an die Stellungnahme zum Gutachten 17.08.2011 Eingang eines Schreibens des Klägerbevollmächtigten mit dem Antrag, nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von der behandelnden Augenärztin ein Gutachten einzuholen 24.08.2011 Weiterleitung an die Beklagte zur Kenntnisnahme; Anforderung eines Kostenvorschusses i.H.v. 250,00 EUR binnen vier Wochen 01.09.2011 Eingang Kostenvorschuss 20.10.2011 Beweisanordnung: Einholung eines augenärztlichen Gutachtens aufgrund einmaliger Untersuchung nach § 109 SGG, Wiedervorlagefrist fünf Monate 01.11.2011 Eingang der Akten bei der Sachverständigen 04.01.2012 Rücklauf der Akten mit Mitteilung der Sachverständigen, dass sie für ein Gutachten nicht zur Verfügung stehe 10.01.2012 Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnisnahme, an den Klägerbevollmächtigten zur Stellungnahme binnen vier Wochen mit Anfrage, ob ein anderer Sachverständiger benannt oder der Antrag zurückgenommen werde 25.01.2012 Eingang eines Schreibens des Bevollmächtigten vom 24.01.2012 mit anliegendem Schreiben an die Sachverständige vom selben Tag, mit dem an diese appelliert wird, das Gutachten doch zu erstellen oder zumindest einen anderen geeigneten Arzt zu benennen 26.01.2012 Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnisnahme 24.02.2012 Schreiben an den Bevollmächtigten der Klägerin mit Mitteilung, dass das Gericht beabsichtige, die Beweisanordnung aufzuheben. Hinweis auf § 109 Abs. 2 SGG sowie § 106a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGG; Frist von vier Wochen für Benennung eines anderen Sachverständigen bzw. Rücknahme des Antrags 21.03.2012 nochmalige Übersendung des Schreibens an den Bevollmächtigten gegen PZU 22.03.2012 Zustellung an Bevollmächtigten 19.04.2012 Eingang eines Schreibens des Bevollmächtigten vom selben Tag: eine Aufhebung der Beweisanordnung sei unzulässig, die Klägerin könne keinen anderen Sachverständigen benennen, die Ärztin könne die Gutachtenerstellung im Übrigen nicht ablehnen 23.04.2012 Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnisnahme, Wiedervorlage vier Wochen 24.05.2012 Beschluss: Aufhebung der Beweisanordnung; Übersendung an Beklagte zur Kenntnisnahme, an Klägerbevollmächtigten mit Frist von vier Wochen zur Benennung eines anderen Arztes 26.05.2012 Zustellung an Klägerbevollmächtigten 13.06.2012 Eingang eines Schreibens des Klägerbevollmächtigten vom selben Tag: Ankündigung, dass der Antrag auf Bestellung der behandelnden Augenärztin als Sachverständige nach § 109 SGG in der mündlichen Verhandlung wiederholt werde; Stellungnahme zum Beschluss vom 24.05.2012: Es liege im Einflussbereich des Gerichts selbst, die Beschleunigung des Verfahrens ( ) zu erwirken. 14.06.2012 Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnisnahme 28.06.2012 Absendung der Ladung zur auf den 20.07.2012 anberaumten mündlichen Verhandlung 20.07.2012 mündliche Verhandlung: klageabweisendes Urteil 02.08.2012 Zustellung des Urteils sowie des Sitzungsprotokolls an den Bevollmächtigten 03.09.2012 Eingang der Berufungsschrift der Klägerin vom selben Tag beim LSG mit Ankündigung eines Berufungsantrags sowie einer Berufungsbegründung 21.09.2012 Registrierung der Berufung unter dem Az. L 2 U 181/12; Bestätigung des Berufungseingangs mit Anforderung einer Begründung binnen eines Monats

24.10.2012 Eingang der Berufungsbegründung vom selben Tag verbunden mit Anregung, einen Befundbericht einzuholen sowie Antrag, das erstinstanzlich bereits beantragte Gutachten nach § 109 SGG zu veranlassen 30.10.2012 Weiterleitung an Beklagte zur Stellungnahme und Übersendung der Verwaltungsakten 09.11.2012 Eingang der Berufungserwiderung vom 07.11.2012 nebst drei Band Verwaltungsakten 13.12.2012 Eingang eines Schreibens der Beklagten vom 11.12.2012, mit welchem mitgeteilt wird, dass die Beklagte durch eine Rechtsanwältin vertreten werde 04.01.2013 Meldung der Bevollmächtigten der Beklagten 08.01.2013 Weiterleitung der Berufungserwiderung vom 07.11.2012 an den Klägerbevollmächtigten zur Kenntnisnahme mit Anregung, einen anderen Gutachter zu benennen; Frist: vier Wochen 06.03.2013 Eingang eines Schreibens des Klägerbevollmächtigten vom 05.03.2013, mit welchem mitgeteilt wird, dass ein anderer Arzt angefragt worden sei, eine Antwort aber noch ausstehe 15.03.2013 Weiterleitung an die Bevollmächtigte der Beklagten zur Kenntnisnahme 27.05.2013 (Fax) Schreiben an Bevollmächtigten der Klägerin mit letzter Nachfrist für die Benennung eines anderen Gutachters nach § 109 SGG von vier Wochen 24.06.2013 Eingang eines Schreibens des Klägerbevollmächtigten vom selben Tag, worin der Antrag auf Anhörung der behandelnden Augenärzten aufrecht erhalten wird; weiterhin Anregung, einen Befundbericht einzuholen 25.06.2013 Eingang eines Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten unter Bezugnahme auf einen Arztbericht vom 19.04.2013, der jedoch nicht beilag 17.07.2013 Weiterleitung an Bevollmächtigte der Beklagten, Einholung eines Befundberichtes, Frist: ein Monat 17.07.2013 Eingang des angekündigten Arztberichtes vom 19.04.2013 19.07.2013 Weiterleitung an Beklagtenvertreterin zur Stellungnahme 29.07.2013 Eingang eines Schriftsatzes der Vertreterin der Beklagten vom 23.07.2013 mit Hinweis auf gesetzliche Rechtsnachfolge auf Beklagtenseite sowie kurze Stellungnahme zum Arztbericht vom 19.04.2013 06.08.2013 Weiterleitung an Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Kenntnisnahme 13.08.2013 Eingang des Befundberichtes vom 07.08.2013 mit Anlagen 16.08.2013 Weiterleitung an den Bevollmächtigten der Klägerin zur Kenntnisnahme und an die Bevollmächtigte der Beklagten zur Stellungnahme binnen vier Wochen 06.09.2013 Eingang eines Schriftsatzes der Beklagtenvertreterin vom 04. September 2013 nebst beratungsärztlicher Stellungnahme vom 31.08.2013 08.10.2013 Weiterleitung an den Klägerbevollmächtigten zur Kenntnisnahme sowie Einholung einer ergänzenden Stellungnahme vom erstinstanzlichen Sachverständigen 28.10.2013 Eingang eines im Rahmen der von der Klägerin gegen die Beklagten geführten Verfahren S 10 U 68/08 und 70/08 erstellten augenärztlichen Gutachtens vom 09.03.2010, vom Klägerbevollmächtigten übersandt 28.10.2013 Eingang eines Schreibens des Klägerbevollmächtigten vom selben Tag, in dem sich dieser mit dem Befundbericht und dem Gutachten von 2010 auseinandersetzt 04.11.2013 Eingang der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen vom 31.10.2013 08.11.2013 Weiterleitung an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Kenntnisnahme, und an die Vertreterin der Beklagten zur Stellungnahme 18.11.2013 Eingang der Stellungnahme der Beklagten vom 14.11.2013 bis 05.05.2014 Verfristung im Hinblick auf im Parallelverfahren L 2 U 182/12 veranlasstes augenärztliches Gutachten 06.05.2014 Eingang des im Verfahren L 2 U 182/12 veranlassten augenärztlichen Gutachtens vom 29.04.2013

23.06.2014 nochmals Eingang des Gutachtens, übersandt vom Klägerbevollmächtigten; Anfrage durch Klägerbevollmächtigten, ob seitens der Beklagten anerkannt wird 06.08.2014 Eingang der Verzögerungsrüge der Klägerin vom selben Tag 14.08.2014 Weiterleitung des Gutachtens an die Beklagte zur Stellungnahme binnen vier Wochen 18.08.2014 Registrierung der Verzögerungsrüge 02.10.2014 erneute Aufforderung an Beklagte zur Stellungnahme, ob der geltend gemachte Anspruch im Hinblick auf das vorliegende Gutachten anerkannt wird, Frist zwei Wochen 10.10.2014 Eingang der Stellungnahme der Beklagten vom 06.10.2014 unter Beifügung einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11.06.2014 und eines Schriftsatzes vom 04.07.2014 zum Parallelverfahren L 2 U 182/12 mit Vergleichsvorschlag 16.10.2014 Beweisanordnung nach § 106 SGG, Wiedervorlage drei Monate 24.10.2014 Rücklauf der Akte, da der ernannte Sachverständige nicht mehr tätig ist 13.11.2014 Telefonat der Berichterstatterin mit C zur Abklärung, ob das Gutachten dort erstellt werden kann 13.11.2014 Änderung der Beweisanordnung: Ernennung eines anderen Sachverständigen; Frist drei Monate 26.11.2014 Rücklauf der Akten mit Schreiben der C vom 24.11.2014 und Bitte um Beauftragung eines anderen Sachverständigen wegen zu hohen Arbeitsanfalls 01.12.2014 Telefonat der Berichterstatterin mit S-Krankenhaus zur Abklärung, ob das Gutachten dort erstellt werden kann 05.12.2014 Änderung der Beweisanordnung: Ernennung eines anderen Sachverständigen; Frist: drei Monate 18.12.2014 Rücklauf der Akten mit Schreiben des benannten Sachverständigen vom 12.12.2014: Mitteilung, dass der Fall nicht in sein Spezialgebiet falle 22.12.2014 Änderung der Beweisanordnung: Ernennung eines anderen Sachverständigen: Frist drei Monate 02.01.2015 Absendung der Beweisanordnung 02.02.2015 verspäteter Eingang der Akten beim Sachverständigen, da dieser nunmehr an der S-Klinik tätig ist 23.04.2015 Erinnerung des Sachverständigen: Frist drei Wochen 17.06.2015 Erinnerung des Sachverständigen mit Androhung eines Ordnungsgeldes: Frist drei Wochen 09.07.2015 Eingang des Gutachtens vom 20.05.2015 29.07.2015 Weiterleitung an Bevollmächtigen der Klägerin zur Kenntnisnahme mit Hinweis darauf, dass weitere Beweiserhebung nicht beabsichtigt sei, und an Bevollmächtigte der Beklagten zur Stellungnahme binnen eines Monats 19.08.2015 Eingang der Stellungnahme des Klägerbevollmächtigten vom 13.08.2015 mit Mitteilung, dass die Klägerin sich auf Empfehlung des Sachverständigen einem Arzt wegen der Erprobung harter Kontaktlinsen vorstellen und anschließend eine Erklärung zum Gutachten sowie zur Fortführung der Berufung abgeben wolle 19.08.2015 Eingang der Stellungnahme der Beklagten vom selben Tag mit beratungsärztlicher Stellungnahem vom 15.08.2015 und Anregung, ein ergänzendes Sachverständigengutachten einzuholen 26.08.2015 Eingang eines klägerischen Schriftsatzes vom selben Tag mit beigefügtem Privatkostenvoranschlag zur Versorgung mit harten Kontaktlinsen und Bitte an die Beklagte, zunächst über die Kostenübernahme für eine Behandlung mit harten Kontaktlinsen zu entscheiden; bei Kostenübernahme werde beantragt, das Verfahren für drei Monate zum Ruhen zu bringen 31.08.2015 Weiterleitung der Schriftsätze vom 19.08.2015 an die jeweilige Gegenseite; Wiedervorlage zwei Monate 14.09.2015 Kostenübernahmeerklärung seitens der Beklagten vom 11.09.2014, außerdem Zustimmung zum Ruhen während der Behandlungsdauer 23.09.2015 Ruhensbeschluss 01.01.2016 Senatswechsel aufgrund Änderung der Geschäftsverteilung 18.01.2016 Mitteilung des geänderten Aktenzeichens L 21 U 181/12 an die Beteiligten 30.03.2016 Antrag der Klägerin auf Fortführung des Verfahrens, da der Augenfehler mittels Kontaktlinsen nicht zufriedenstellend korrigierbar sei; die Beklagte möge erklären, ob sie aufgrund der vorliegenden Gutachten nunmehr die Kosten einer Laserbehandlung übernehme 12.04.2016 Weiterleitung an die Beklagte zur Stellungnahme 09.05.2016 Eingang der Stellungnahme der Beklagten vom 06.05.2016 nebst beratungsärztlicher Stellungnahme vom 02.05.2016 und Bitte, ein weiteres Gutachten bzw. eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme einzuholen 18.05.2016 Weiterleitung an Klägerbevollmächtigten zur Kenntnisnahme 25.05.2016 Anfrage an den Klägerbevollmächtigten, bei welchem Arzt sich die Klägerin derzeit in augenärztlicher Behandlung befinde und ob eine schriftliche Stellungnahme über die probeweise Anpassung der Kontaktlinsen vorliege 21.07.2016 Erinnerung des Klägerbevollmächtigten, Frist: zwei Wochen 08.08.2016 Mitteilung der behandelnden Augenärztin mit Entbindungserklärung 25.08.2016 Einholung eines Befundberichtes 05.09.2016 Eingang des Befundberichtes 08.09.2016 Weiterleitung an die Beteiligten zur Kenntnisnahme 28.10.2016 Ladung der Beteiligten zum Erörterungstermin auf den 25.11.2016 04.11.2016 Eingang einer für die Beklagte erstellten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 28.10.2016 17.11.2016 Mitteilung vom 15.11.2016, dass die Beklagte nicht mehr rechtsanwaltlich vertreten werde 25.11.2016 Erörterungstermin: Abschluss eines verfahrensbeendenden Vergleichs, wonach sich die Beklagte verpflichtet, nach Vorlage einer erneuten Verordnung die Kosten der begehrten Laserbehandlung zu übernehmen

Am 24. April 2017 hat die Klägerin bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) eine auf Feststellung der Überlänge des vor dem LSG unter dem Aktenzeichen L 21 U 181/12 geführten und Gewährung einer Entschädigung für die überlange Dauer dieses Verfahrens i.H.v. mindestens 3.600,00 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz gerichtete Klage erhoben.

Durch Beschluss vom 09. August 2017 hat das OLG den Rechtsweg zum Brandenburgischen Oberlandesgericht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das LSG verwiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, eine Verzögerungsrüge müsse nicht ausdrücklich erhoben werden. Es sei hinreichend, dass sie neben der im Berufungsverfahren ausdrücklich erhobenen Verzögerungsrüge erstinstanzlich vor dem Sozialgericht eine Verzögerung angemahnt habe. Sowohl erst- als auch zweitinstanzlich sei es zu zahlreichen vermeidbaren Verzögerungen gekommen. Es sei schon nicht ersichtlich, weshalb das SG von der Klagebegründung bis zur Anordnung der Einholung eines augenärztlichen Gutachtens über ein Jahr habe verstreichen lassen. Die nächste Verzögerung hätten sowohl das SG als auch das LSG zu verantworten, indem sie den Gutachtenantrag der Klägerin nach § 109 SGG verschleppt hätten. Die Aufhebung des Beweisbeschlusses durch das SG sei unzulässig gewesen. Vor dem LSG sei die Zeit von Januar 2013 bis Juni 2014 mit der Einholung unnötiger Befundberichte verbracht worden. Dabei könne die Zeit von Dezember 2013 bis Juli 2014, in welcher das Gericht das Sachverständigengutachten im Parallelverfahren abgewartet habe, keinesfalls als Erkenntnisgewinnungszeit angesehen werden. Wenn keine Reaktion des gerichtlich bestellten Sachverständigen vorliege, könne im Übrigen erwartet werden, dass das Gericht selbstständig nachfrage und ggf. die Gutachtenerstellung nach spätestens einem Monat Zuwarten anmahne. Erst am 13. Oktober 2014 habe es schließlich einen Beweisbeschluss des LSG gegeben, welcher jedoch noch dreimal habe geändert werden müssen, weil das Gericht den falschen Sachverständigen benannt habe. Auch die Zeit nach Vorlage des letzten Sachverständigengutachtens hätte vermieden werden können, da der Sachverständige schon deutlich erklärt habe, dass die begehrte Operation medizinisch geboten sei. Dass das Gericht nach dem Fortführungsantrag nochmals acht Monate habe verstreichen lassen, bevor der Erörterungstermin anberaumt worden sei, stelle eine weitere unnötige Verzögerung dar.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1. festzustellen, dass die Verfahrensdauer in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) unter dem Aktenzeichen S 10 U 40/10 mit anschließendem Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen L 21 U 181/12 unangemessen lang war und 2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die unangemessen lange Verfahrensdauer eine angemessene Entschädigung i.H.v. mindestens 3.600,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zwar habe das Ausgangsverfahren mit mehr als vier Jahren lange gedauert, es sei jedoch nicht unangemessen lange im Sinne vom § 198 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Das Verfahren sei geprägt von einer umfangreichen und kontinuierlichen Ermittlungstätigkeit des Gerichts mit zwei Ausnahmen, die jedoch nicht einmal den Tatbestand einer Verzögerung erfüllten. Das im Zeitraum von Dezember 2013 bis Juli 2014 erfolgte Abwarten des medizinischen Sachverständigengutachtens im parallelen Gerichtsverfahren L 2 U 182/12 sei als Zeit der aktiven Bearbeitung anzusehen, da zu erwarten gewesen sei, dass aus dem Gutachten auch für das Ausgangsverfahren relevante Erkenntnisse gewonnen werden könnten. Der Zeitraum des auf Antrag der Klägerin erfolgten förmlichen Ruhens des Klageverfahrens von September 2015 bis März 2016 könne bereits aufgrund ihres Einverständnisses nicht entschädigungsbegründend berücksichtigt werden. Im Übrigen seien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Vorbereitungs- und Bedenkzeiten im Umfang von bis zu zwölf Monaten je Instanz regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden könnten. Angemessen bleibe die Gesamtverfahrensdauer regelmäßig zudem dann, wenn sie zwölf Monate überschreite, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruhe oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht werde, die das Gericht nicht zu vertreten habe. Soweit die Klägerin nunmehr auch Verzögerungen im erstinstanzlichen Ausgangsverfahren geltend machen wolle, sei zu berücksichtigen, dass der Klageerweiterung bereits § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG entgegenstehen dürfte. Im Übrigen sei erstinstanzlich keine Verzögerungsrüge erhoben worden.

Die Beteiligten haben unter dem 05. und 29. Januar 2018 jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 202 Satz 2, 124 Abs. 2 SGG).

A. Die auf Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer gerichtete Klage ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet.

I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG, jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Die Vorschriften der §§ 198 ff. GVG sind zwar erst nach Anhängigkeit des hier von der Klägerin als überlang gerügten Verfahrens in Kraft getreten. Die Vorschriften des GRüGV und damit auch die §§ 198 ff. GVG finden jedoch aufgrund der Übergangsregelung des Art. 23 Satz 1 GRüGV auch auf Verfahren Anwendung, die bei Inkrafttreten des GRüGV am 03. Dezember 2011 (vgl. Art. 24 GRüGV) bereits anhängig waren. Dies ist hier der Fall; das als überlang gerügte Verfahren war in der ersten Instanz seit dem 11. März 2010 anhängig.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist vorliegend eröffnet. § 202 Satz 2 SGG modifiziert die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.

II. Die Klage ist als Feststellungsklage (§ 198 Abs. 4 GVG i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft (vgl. zur Statthaftigkeit einer auf Feststellung der Überlänge gerichteten Klage: BSG, Urteil vom Urteil vom 15. Dezember 2015 – B 10 ÜG 1/15 R – juris Rn. 15). Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen.

III. Zweifel an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform bestehen nicht. Die Schriftform ist mit der am 24. Juli 2016 per Elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) zunächst beim Brandenburgischen OLG eingegangenen und mit einer qualifizierten Signatur versehenen Klageschrift gewahrt (§ 65a SGG i.V.m. der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg vom 14. Dezember 2006 (GVBl. II/06 S. 558), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Dezember 2017 (GVBl. 77/17)).

IV. An der Einhaltung der in § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG normierten Sechsmonatsfrist für eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer bestehen hinsichtlich des Berufungsverfahrens L 21 U 181/12 keine Zweifel. Nach Beendigung des Ausgangsverfahrens durch gerichtlichen Vergleich am 25. November 2016 bis zum Eingang der Entschädigungsklage am 24. April 2017 war die Frist von sechs Monaten noch nicht abgelaufen.

Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich des erstinstanzlichen Klageverfahrens S 10 U 40/10. Diesbezüglich ist die Feststellungsklage bereits wegen Versäumnis der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG unzulässig.

Nach §&8201;198 Abs.&8201;5 Satz&8201;2 GVG muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung oder nach anderweitiger Erledigung des Ausgangsverfahrens erhoben werden. Die Klagefrist ist als vorprozessuale, absolute Ausschlussfrist ausgestaltet. Eine Ausschlussfrist hat zur Folge, dass eine Handlung nur innerhalb der Frist vorgenommen werden kann; der Ablauf einer Ausschlussfrist begründet das Erlöschen des Rechts (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R – juris Rn. 12 m.w.N.; Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 1. A. 2012, Rn. 159).

Die Klägerin hat aber frühestens mit dem am 27. Oktober 2017 beim LSG eingegangenen Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 – und damit weit nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist - auch Ansprüche hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens S 10 U 40/10 geltend gemacht. Zwar ist Ausgangspunkt der Beurteilung der Überlänge in Entschädigungsverfahren die Dauer des gesamten Ausgangsverfahrens von seiner Einleitung bei Gericht bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 1. Halbsatz GVG). Allerdings hat es der Entschädigungskläger in der Hand, die Entschädigungsforderung (zunächst) nur teilweise durch Klage anhängig zu machen oder den Klagegegenstand – wie hier zunächst - auf einen abtrennbaren Teil des Gesamtverfahrens zu beschränken und damit den Prozessgegenstand zu bestimmen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. August 2017 – 5 A 2/17 D – juris Rn. 19). Hat die Klägerin also zunächst explizit nur eine Teilklage erhoben, handelt es sich bei der weiteren Forderung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer auch des erstinstanzlichen Verfahrens bzw. der Feststellung der Überlänge desselben Verfahrens um eine aufgrund der Fristversäumnis und mangels Zustimmung des Beklagten unzulässige Klageerweiterung (§ 99 Abs. 1 SGG). Wird die Klage nachträglich erweitert, tritt die Rechtshängigkeit des erst im Laufe des Verfahrens erhobenen Anspruchs nach §§ 202 Satz 2 SGG, 94 Satz 2 SGG erst mit der Zustellung des Schriftsatzes an den Beklagten ein. Liegt dieser Zeitpunkt nach Ablauf der Klagefrist, ist die Klage insoweit – d.h. hier in Bezug auf das erstinstanzliche Verfahren vor dem SG Frankfurt (Oder) S 10 U 40/10 - unzulässig (Marx a.a.O. Rn. 176: unbegründet; vgl. zur Zuordnung der Einhaltung der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zur Zulässigkeit: BSG, Urteil vom 07. September 2017 – B 10 ÜG 1/16 R – juris Rn. 25).

V. Zu Recht richtet sich die Klage gegen das hier passivlegitimierte Land Brandenburg. Denn nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land. Die Vertretung des Landes Brandenburg erfolgt nach Nr. 5 der Anordnung über die Vertretung des Landes Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz (Vertretungsordnung JM Brdbg, Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz) vom 09.06.1992 (JMBl. S. 78) in der Fassung der Änderung vom 21.11.2012 (JMBl. S. 116) durch die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (vgl. zur Zulässigkeit einer entsprechenden Übertragung durch eine Verwaltungsanordnung BFH, Urteil vom 17.04.2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 30 ff. für die Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).

VI. Die Klägerin hat bezüglich des Berufungsverfahrens L 2 bzw. 21 U 181/12 jedoch keinen Anspruch auf Feststellung der Überlänge, denn das Verfahren ist nicht als überlang zu bewerten.

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat (§ 198 Abs. 2 Satz 1 GVG). Gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG kann hierfür Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 ausreichend ist. Danach ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (§ 198 Abs. 4 Satz 1 GVG). Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus (Abs. 4 Satz 2). Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind (Abs. 4 Satz 3).

a) Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung bildet die - in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte - Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss, auch wenn – wie hier – nur die Feststellung der Überlänge eines Verfahrensabschnitts in Betracht kommt. Nicht von Bedeutung für das Entschädigungsverfahren ist hingegen die Dauer eines Widerspruchsverfahrens (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 25, 27). Das Klageverfahren vor dem SG wurde mit Erhebung der Klage am 11. März 2010 eingeleitet und endete mit der Zustellung der schriftlichen Gründe des Urteils vom 20. Juli 2012 an den Bevollmächtigten der Klägerin am 02. August 2012. Das anschließende Berufungsverfahren erstreckte sich vom 03. September 2012 (Eingang der Berufung der Klägerin beim LSG) bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs im Termin zur Erörterung der Sache am 25. November 2016. Das gesamte Verfahren hat sich mithin über rund 80 Monate – hiervon rund 29 Monate erstinstanzlich und rund 51 Monate zweitinstanzlich - hingezogen.

b) Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist - so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/3802, S. 18 f. zu § 198 Abs. 1) - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits, wobei nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang ist, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Diese Umstände sind in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen (vgl. dazu BSG, Urteile vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL -, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m.w.N.). Denn schon aus der Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit wird deutlich, dass es auf eine gewisse Schwere der Belastung ankommt. Ferner sind das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) sowie das Ziel, inhaltlich richtige Entscheidungen zu erhalten, zu berücksichtigen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist. Insgesamt reicht daher zur Annahme der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht jede Abweichung vom Optimum aus, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen (vgl. etwa BSG, Urteile vom 07. September 2017 – B 10 ÜG 1/16 R – juris Rn. 33 und vom 03. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris Rn. 33).

Letztlich kommt es gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG für die Beurteilung der Verfahrensdauer auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten sowie die Schwierigkeit, Komplexität und Bedeutung des Verfahrens an, wobei nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang ist, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit.

c) Beim streitgegenständlichen Ausgangsverfahren handelte es sich um ein als von überdurchschnittlicher Bedeutung anzusehendes Verfahren durchschnittlicher Schwierigkeit und Komplexität.

aa) Die für die Beurteilung der Verfahrensdauer maßgebliche Bedeutung des Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Zum anderen trägt zur Bedeutung der Sache im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers bzw. der Klägerin und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine/ihre weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/13, Rn. 29, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 31, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 35, B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 38, jeweils zitiert nach juris). Zur Überzeugung des Senats ist das streitgegenständliche Ausgangsverfahren, in dem die Klägerin die Übernahme der Kosten für einen refraktiv-chirurgischen Eingriff an ihrem unfallgeschädigten rechten Auge (anerkannter Arbeitsunfall vom 12. April 2005) i.H.v. rund 1.800,00 EUR anstrebte, sowohl unter dem Aspekt der Bedeutsamkeit der Sehfähigkeit als auch dem Aspekt der Höhe der Kosten als für die Klägerin von überdurchschnittlicher Bedeutung zu bewerten. Für die Allgemeinheit war das Verfahren, in dem es um eine reine Einzelfallbeurteilung ging, ohne jede Bedeutung.

bb) Die für die Verfahrensdauer bedeutsame Schwierigkeit des Verfahrens ist als durchschnittlich einzustufen, darüber hinaus stellte sich das Verfahren in der Bearbeitung – wie die meisten unfallversicherungsrechtlichen Verfahren - als relativ, jedoch nicht überdurchschnittlich komplex dar.

d) Mit Blick auf den Verfahrensablauf ist festzustellen, dass der Bevollmächtigte der Klägerin nicht immer zügig auf Anfragen reagiert hat. So teilte er im Gefolge seines Schreibens vom 24. Januar 2012 nicht selbstständig mit, ob und wie die benannte Sachverständige auf sein Anschreiben vom selben Tag geantwortet hatte, sondern musste unter dem 24. Februar 2012 und unter dem 21. März 2012 vom SG angeschrieben werden, bevor er sich dann im April 2012 äußerte. Im weiteren Verlauf äußerte er sich auf die Anregung des LSG vom 08. Januar 2013, einen anderen Gutachter zu benennen, nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist von vier Wochen, sondern erst im März 2013. Im Anschluss daran hielt er das LSG nicht zügig über den Fortgang seiner Bemühungen, einen anderen Sachverständigen zu finden, auf dem Laufenden. Vielmehr musste ihn das LSG nach seinem eigenen Schriftsatz vom 05. März 2013 im Mai 2013 erst erinnern, bevor er sich am 24. Juni 2013 wieder meldete.

Soweit das Ausgangsverfahren auf Antrag der Beteiligten vom 26. August / 14. September 2015 vom 23. September 2015 bis einschließlich März 2016 geruht hat, ist die dadurch eingetretene Hemmung im Fortgang des Verfahrens nicht dem Beklagten anzulasten. Gemäß § 202 SGG i. V. m. § 251 ZPO ist das Ruhen nur auf Antrag der Beteiligten möglich. Durch die notwendigen Anträge der Beteiligten wird klargestellt, dass der Stillstand des Verfahrens – im Gegensatz zum Falle des bloßen "Liegenlassens der Akten" durch das Gericht – vom Willen der Beteiligten getragen wird und eine Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens nicht dem Gericht anzulasten ist (vgl. das Senatsurteil vom 06. Dezember 2013 – L 37 SF 69/12 EK KA – juris Rn. 76; Lüdtke, Kommentar zum SGG, 5. A. 2012, Rn. 19 zu § 114).

Auch die Beklagte des Ausgangsverfahrens hat im Rahmen des Ausgangsverfahrens zum Teil nur schleppend auf gerichtliche Anfragen reagiert. An die am 28. Mai 2010 angeforderte Klageerwiderung musste sie im Juli 2010 erinnert werden. Die Erwiderung ging dann erst am 15. September 2010 ein. Im Berufungsverfahren musste sie zunächst erinnert werden, bevor ihre bereits am 14. August 2014 angeforderte Stellungnahme zu dem im Parallelverfahren L 2 U 182/12 eingeholten Gutachten schließlich am 10. Oktober 2014 eintraf.

Für eine Verletzung des Art. 6 EMRK durch den Beklagten kommt es - auch wenn dies in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG als Kriterium zur Bestimmung der Angemessenheit nicht ausdrücklich erwähnt wird – ferner wesentlich darauf an, ob ihm zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind dabei allein Verzögerungen, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 41). Vor diesem Hintergrund sind die während des Verfahrens aufgetretenen aktiven und inaktiven Zeiten der Bearbeitung konkret zu ermitteln. Kleinste relevante Zeiteinheit im Geltungsbereich des GRüGV ist dabei stets der Monat im Sinne des Kalendermonats (BSG, Urteile vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 3/16 R – Rn. 24 sowie vom 12.02.2015, B 10 ÜG 11/13 R, 2. Leitsatz und Rn. 34, zitiert jeweils nach juris).

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Entschädigungsverfahren keine weitere Instanz eröffnet, um das Handeln des Ausgangsgerichts einer rechtlichen Vollkontrolle zu unterziehen. Bei der Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts hat das Entschädigungsgericht vielmehr die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und –gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen. Zudem räumt die Prozessordnung dem Ausgangsgericht ein weites Ermessen bei seiner Entscheidung darüber ein, wie es das Verfahren gestaltet und leitet. Maßgebend für die Beurteilung der richterlichen Handlungen ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus einer Ex-ante-Sicht einschätzen durfte; es kommt nicht darauf an, wie sich der Verfahrensverlauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt (BSG, Urteil vom 07. September 2017 – B 10 ÜG 1/16 R – juris Rn. 47). Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin also die Auffassung vertritt, die Angemessenheit der Verfahrensdauer sei quasi ex-post danach zu beurteilen, wie sich das Gericht ausgerichtet an den Interessen der Klägerin optimal hätte verhalten sollen, ist dies gerade nicht maßgeblich.

Die richtige Ausübung des gerichtlichen Ermessens ist vom Entschädigungsgericht allein unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob das Ausgangsgericht bei seiner Prozessleitung Bedeutung und Tragweite des Menschenrechts aus Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG in der konkreten prozessualen Situation hinreichend beachtet und fehlerfrei gegen das Ziel einer möglichst richtigen Entscheidung abgewogen hat (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/13 R, Rn. 36, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 39, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 43, B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 42, jeweils zitiert nach juris). Denn ungeachtet richterlicher Unabhängigkeit besteht eine richterliche Grundpflicht zur stringenten und beschleunigten Verfahrensgestaltung (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 49). Dies bedeutet, dass die Gerichte bei ihrer Verfahrensleitung stets die Gesamtdauer des Verfahrens im Blick behalten müssen. Mit zunehmender Dauer des Verfahrens verdichtet sich die aus dem Justizgewährleistungsanspruch resultierende Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen. Jedenfalls für Verfahren von hinreichender Bedeutung verbietet sich ab einem gewissen Zeitpunkt (weitere) Untätigkeit oder eine zögerliche Verfahrensleitung. Richterliche Verhaltensweisen, die zu Beginn eines Verfahrens grundrechtlich gesehen noch unbedenklich, wenn auch möglicherweise verfahrensökonomisch nicht optimal erscheinen mögen, können bei zunehmender Verfahrensdauer in Konflikt mit dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit geraten. Das gilt etwa für die Setzung großzügiger Fristen zur Stellungnahme, den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen ohne richtungweisende Einflussnahme des Gerichts und ohnehin für so genannte Schiebeverfügungen (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/13 R, Rn. 37, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 40, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 44, zitiert jeweils nach juris).

Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, dass das SG nicht auf der Gutachtenerstellung durch die nach § 109 SGG von der Klägerin erstinstanzlich benannte Ärztin bestand (etwa durch Auferlegung von Zwangsmaßnahmen nach §§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, 411 Abs. 2 und 3 ZPO), sondern vielmehr die Beweisanordnung in der Folge durch Beschluss vom 24. Mai 2012 aufhob. Dieses Verfahren stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Ärztin sich schon im Verwaltungsverfahren positioniert hatte, nicht als willkürlich dar. Vielmehr darf das Gericht beim Einsatz von Zwangsmitteln Augenmaß walten lassen. Ein vorschneller Einsatz von Zwangsmaßnahmen lässt zumindest befürchten, ein Gutachten werde nicht in der gebotenen Gründlichkeit und somit Qualität erstattet (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2017 – B 10 ÜG 1/16 R – juris Rn. 42).

Auch die Monate März und Mai 2015, in denen das LSG auf das Gutachten des von Amts wegen zuletzt bestellten Sachverständigen wartete, sind nicht als Zeiten gerichtlicher Untätigkeit zu werten. Denn das Gericht hat den Sachverständigen, nachdem die Beweisanordnung diesem Anfang Februar 2015 endlich zugegangen war, bereits vor Ablauf der ihm gesetzten Frist von drei Monaten unter Setzung einer weiteren Frist von drei Wochen im April 2015 und dann erneut unter Fristsetzung sowie Androhung eines Ordnungsgeldes im Juni 2015 erinnert. Das LSG hat insoweit im Rahmen der Prozessordnung Maßnahmen zur Beschleunigung der Gutachtenerstellung unternommen (vgl. zur Frage, mit welchen Mitteln auf eine Gutachtenerstellung zu drängen ist: BSG, Urteil vom 07. September 2017 – B 10 ÜG 1/16 R – juris Rn. 42).

Soweit sich die Erstellung des Gutachtens letztlich bereits seit Oktober 2014 aufgrund der Schwierigkeit, einen Sachverständigen zu finden sowie einer falschen Adressierung hinzog, sind auch diese Monate (November 2014 bis Januar 2015) nicht als dem Beklagten zuzurechnende entschädigungspflichtige Verzögerungen zu werten. Nachdem die Akten vom ersten gerichtlich bestellten Sachverständigen aufgrund der Beendigung seiner Tätigkeit noch im Oktober 2014 zurückgelangt waren, nahm die Berichterstatterin im Vorfeld der folgenden zwei Änderungen der Sachverständigenbestellung jeweils telefonischen Kontakt mit den Kliniken auf, in denen die Sachverständigen tätig waren, um zu klären, ob eine Gutachtenerstellung möglich sei. Das Gericht hat damit alles ihm mögliche unternommen, um die Ausführung seiner Beweisanordnung zu ermöglichen. Dass die Sachverständigen 2 und 3 dennoch die Gutachtenaufträge zurückgaben, ist nicht dem Verantwortungsbereich des Beklagten zuzuordnen. Auch musste das Gericht nicht darauf drängen, dass die Sachverständigen die Gutachten dennoch (also trotz Überlastung bzw. anderen Spezialgebiets) erstellen, denn dies hätte weder eine zügige noch eine gründliche sowie qualitativ hochwertige Gutachtenerstellung gewährleistet. Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist auch kein Selbstzweck. Vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2017 – B 10 ÜG 1/16 R – juris Rn. 41). Dass das LSG vor der 3. Änderung der Beweisanordnung nicht überprüfte, ob die von dem Vorgutachter mitgeteilte Adresse noch zutraf, kann nicht dazu führen, den Monat Januar 2015 als gerichtliche Untätigkeit zu werten. Hier kann nicht ein optimales richterliches Verhalten nach ex-post-Gesichtspunkten maßgeblich sein.

Ob das LSG das im Parallelverfahren L 2 U 182/12 eingeholte augenärztliche Gutachten im Hinblick darauf, dass es sich auch für das hiesige Ausgangsverfahren einen Erkenntnisgewinn versprechen durfte, abwarten durfte, kann hier letztlich dahinstehen, da auch eine Einordnung dieser Zeit (Dezember 2013 bis April 2014) als gerichtliche Untätigkeit zu keiner entschädigungspflichtigen Verzögerung insgesamt führen würde.

Denn die Bestimmung der maximal zulässigen, noch angemessenen Verfahrenslaufzeit kann jeweils nur aufgrund einer abschließenden Gesamtbetrachtung und –würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls insbesondere mit Blick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien erfolgen. Die Feststellung längerer Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten führt noch nicht zwangsläufig zu einer unangemessenen Verfahrensdauer. Denn es ist zu beachten, dass einem Rechtsschutzsuchenden - je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels sowie abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits und von seinem eigenen Verhalten - gewisse Wartezeiten zuzumuten sind, da grundsätzlich jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 52). Allerdings muss die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte einerseits so beschaffen sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatswechseln etc.) andererseits so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf. älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht. Die systematische Verfehlung dieses Ziels ist der Hauptgrund dafür, dass die für die Ausstattung der Gerichte zuständigen Gebietskörperschaften Bund und Land mit den Kosten der Entschädigungszahlungen belastet werden, wenn Gerichtsverfahren eine angemessene Dauer überschreiten (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 53, B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 46, jeweils zitiert nach juris). Vor diesem Hintergrund sind - vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls - Vorbereitungs- und Bedenkzeiten im Umfang von bis zu zwölf Monaten je Instanz regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden können, und können in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Angemessen bleibt die Gesamtverfahrensdauer regelmäßig zudem dann, wenn sie zwölf Monate überschreitet, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, die das Gericht nicht zu vertreten hat (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 33, 54 f., B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 47 f., jeweils zitiert nach juris). Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 56). Letzteres aber ist hier zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Gründe, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht.

Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten können darüber hinaus in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/13, Rn. 43, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 43, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 51, B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 44, zitiert jeweils nach juris). Da Anknüpfungspunkt für die Angemessenheitsprüfung das Verfahren von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss insgesamt ist, bedeutet dies zur Überzeugung des Senats, dass insoweit auch eine instanzübergreifende Betrachtung zu erfolgen hat, zumal insbesondere in ermittlungsintensiveren Verfahren die Gründlichkeit der Bearbeitung in der ersten Instanz erhebliche Auswirkungen auf die Dauer des zweitinstanzlichen Verfahrens zumindest haben kann. Dies heißt, dass in einem erstinstanzlichen Verfahren aufgetretene Verzögerungen noch durch die zügige Bearbeitung im Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren zu kompensieren sind und umgekehrt im Falle einer sehr zügigen Bearbeitung einer Sache vor dem Sozialgericht das zweitinstanzliche Verfahren entsprechend länger dauern kann. Dabei können die dem jeweiligen Gericht für seinen Verfahrensabschnitt zur Verfügung stehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeiten zur Überzeugung des Senats vollumfänglich auf das Verfahren der jeweils anderen Instanz übertragen werden, soweit sie nicht "aufgebraucht" sind. Anlass, hier eine nur gleichsam anteilige Übertragung vorzunehmen, sieht der Senat bereits vor dem Hintergrund, dass Anknüpfungspunkt für die Verfahrensdauer das Verfahren insgesamt ist, nicht. Es wäre aus seiner Sicht auch nicht nachvollziehbar, warum ein Kläger, der ein Verfahren durch zwei Instanzen betreibt, in deren Verlauf es beispielsweise zu insgesamt 32 Inaktivitätsmonaten kommt, entschädigungsrechtlich in Abhängigkeit davon anders stehen sollte, in welchem Verfahrensstadium diese Verzögerungszeiten aufgetreten sind und auf welchen Verfahrensabschnitt er seinen Entschädigungsanspruch möglicherweise begrenzt. Ob es gar weitergehende Kompensationsmöglichkeiten unter Einbeziehung auch eines Verfahrens vor dem Bundessozialgericht geben kann, kann dabei hier dahinstehen.

Insgesamt bedeutet dies vorliegend, dass von der Klägerin ab Eingang der Klage im März 2010 bis zur Verfahrensbeendigung in der Berufungsinstanz im November 2016 24 Monate gerichtliche Vorbereitungs- und Bedenkzeiten (zwölf Monate je Instanz) entschädigungslos hinzunehmen sind. In diesem Umfang ist es im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren jedoch ganz offensichtlich nicht zu Verzögerungen, die dem Beklagten anzulasten wären, gekommen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze könnte es bei im Sinne des klägerischen Begehrens großzügigster Betrachtung allenfalls • im August 2010 (Monat zwischen Erinnerung an Klageerwiderung der Beklagten und Eingang derselben: ein Kalendermonat ), • im Zeitraum von November 2010 bis April 2011 (Monat nach Eingang der vom Klägerbevollmächtigten übersandten Unterlagen am 14. Oktober 2010 und der Beweisanordnung vom 12. Mai 2011: sechs Kalendermonate), • im Dezember 2012 (Monat zwischen dem Eingang der Berufungserwiderung und der Weiterleitung derselben an den Klägerbevollmächtigten: ein Kalendermonat), • im Zeitraum von Dezember 2013 bis April 2014 (Zeit nach Eingang der Stellungnahme der Beklagten vom 14. November 2013 bis zum Monat vor Eingang des Gutachtens aus dem Verfahren L 2 U 182/12: fünf Kalendermonate) sowie • im Zeitraum von Juni bis Juli 2014 (Monat nach Eingang des Gutachtens aus dem Parallelverfahren und Monat vor Weiterleitung dieses Gutachtens an die Beklagte des Ausgangsverfahren zur Stellungnahme: zwei Kalendermonate) zu dem Beklagten zuzurechnenden Zeiten der Inaktivität gekommen sein, die sich auf insgesamt 15 volle Kalendermonate (davon sieben Kalendermonate im Klageverfahren und acht im Berufungsverfahren) summieren.

Unter Abzug der oben genannten dem SG und dem LSG zustehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von jeweils zwölf Kalendermonaten verbleiben somit keine entschädigungsrelevanten Verzögerungen.

B. Vor diesem Hintergrund ist auch die auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer des Ausgangsverfahrens gerichtete und als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage (§ 54 Abs. 5 SGG), soweit sie überhaupt zulässig ist, unbegründet.

I. Zweifel an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform bestehen nicht (siehe hierzu unter A.III.). Soweit die Klägerin die auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klage auf die Zahlung einer Entschädigung auch für das erstinstanzliche Verfahren mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 erweitert hat, ist dies außerhalb der Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG erfolgt, weshalb die Klage – ebenso wie die Feststellungsklage – insoweit unzulässig ist. Die auf Zahlung einer Entschädigung für die geltend gemachte unangemessene Dauer des Berufungsverfahrens gerichtete Klage ist hingegen – wie auch die Feststellungsklage – zulässig (vgl. hierzu bereits unter A. II. und IV.).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung in Höhe von mindestens 3.600,00 EUR für das beim SG Frankfurt (Oder) am 11. März 2010 eingeleitete und am 25. November 2016 vor dem LSG beendete Verfahren. Sie rügt eine Verzögerung im Umfang von mindestens 36 Monaten und macht ausschließlich einen Nachteil geltend, der kein Vermögensnachteil ist. Die begehrte Entschädigung steht ihr aber nicht zu, da das Ausgangsverfahren – wie schon unter A. VI. d) ausführlich dargelegt – keine unangemessene Dauer aufwies.

Es ist daher auch ohne Belang, dass die Klägerin erstinstanzlich die Verzögerung nicht, wie nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 5 GVG erforderlich, gerügt hat, sondern nur in der zweiten Instanz (Schreiben vom 06. August 2014). Soweit der Klägerbevollmächtigte hier geltend macht, ausreichend sei, dass die Verzögerung vor dem SG "angemahnt" wurde, auch wenn der Begriff der Verzögerungsrüge nicht verwendet worden sei, so führt dies vorliegend nicht weiter. Denn ausweislich der Akten ist von der Klägerin erstinstanzlich niemals eine Verzögerung "angemahnt" worden.

Die Zahlung einer Entschädigung für eine behauptete Verzögerung des erstinstanzlichen Verfahrens kommt daher zum einen deswegen nicht in Betracht, weil die Klage insoweit unzulässig ist, und zum anderen auch deshalb nicht, weil es an der erforderlichen Rüge ebenso fehlt wie an einer tatsächlichen Überlänge. Ein Anspruch auf Entschädigung bezüglich des Berufungsverfahrens L 21 U 181/12 scheitert letztlich an der fehlenden Überlänge des Verfahrens.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

D. Anlass, die Revision nach §§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
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