L 6 U 2309/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 3111/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2309/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bewilligte die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum eine Verletztenrente, kann sie sich für die weitere Gewährung nicht mittels eines gerichtlichen Vergleiches zur Anwendung von § 48 SGB X wirksam verpflichten.
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind von der Beklagten im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zur Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2007 über Mai 2012 hinaus.

Der Kläger wurde 1970 geboren und ist türkischer Staatsangehöriger. Bei der N. GmbH arbeitete er als Teilezurichter im Bereich der mechanischen Fertigung. Die Ausbildung hierzu förderte die heutige Bundesagentur für Arbeit, nachdem er zuvor berufliche Tätigkeiten über Unternehmen der Personaldienstleistung ausübte.

Am 8. Mai 2007 gegen 14:45 Uhr war er damit beauftragt, an einer automatischen Kreissäge mit Minimalschmierung abgetrennte Teile, welche mit Hilfe einer Rutsche auf ein separates Förderband gelangten, in einer Gitterbox abzulegen. Die Säge, welche auslief, hatte sich verstellt, weshalb er mit einem Schutzhandschuh hineingriff, um sie neu zu justieren. Dabei wurde der Handschuh erfasst und in die Maschine gezogen. Hierdurch kam es zu einer subtotalen Amputation des rechten Zeigefingers, weshalb der Kläger bis 13. Juni 2007 in der Klinik für Handchirurgie, Mikrochirurgie und Rekonstruktive Brustchirurgie des M. S. stationär behandelt wurde. Es erfolgte eine Replantation, jeweils eine Naht des ulnaren Gefäßnervenbündels, des radialen Nervs, der Beugesehnen und der Strecksehne, eine Mittelgelenksarthrodese, eine Defektdeckung dorsal durch einen Reverse-cross-Fingerlappen sowie eine Vollhauttransplantation vom Unterarm.

Im Auftrag der Beklagten erstattete Priv.-Doz. Dr. G., Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des K. S., ein so genanntes "Erstes Rentengutachten". Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 4. Januar 2008 stellte er als wesentliche Unfallfolgen den Zustand nach einer Replantation des rechten Zeigefingers im Mittelgelenk mit einer Arthrodese im defektverletzten Mittelgelenk unter Verkürzung des Mittelgliedes, eine achsgerecht knöchern konsolidierte Arthrodese mit Drahtschlinge in situ, eine Verminderung der Beweglichkeit im Endgelenk, einen inkompletten Faustschluss und eine unvollständige Fingerstreckung rechts, eine Minderung des Mineralsalzgehaltes des Handskelettes rechts, ein Narbenareal bei dem Zustand nach einer Defektdeckung streckseitig mit Gefühlsstörungen, eine deutliche Verminderung der Sensibilität im Zeigefingermittel- und -endglied rechts, eine Verschmächtigung des Endgliedes, eine kosmetisch störende Narbe bei dem Zustand nach einer Vollhautentnahme am Unterarm, eine Kraftminderung, eine Kälteempfindlichkeit sowie eine Wetterfühligkeit fest. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete er bis zum Tag der Untersuchung und voraussichtlich bis 27. August 2008 mit 20 vom Hundert (v. H.). Anschließend werde sie voraussichtlich noch 10 v. H. betragen.

Prof. Dr. A., Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie des Klinikums L., erstattete schließlich auf Veranlassung der Beklagten ein so genanntes "Zweites Rentengutachten". Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 4. Dezember 2008 ging er als Unfallfolgen von einem deutlich verkürzten und im Wesentlichen funktionslosen rechten Zeigefinger mit knöchern konsolidierter Arthrodese in einer Beugestellung von 40° des Mittelgelenkes, einem inkompletten Faustschluss mit einer verminderten Kraft und einer reduzierten Feinmotorik, einer reizlosen, etwas hypertrophierten Narbe im Bereich des rechten proximalen Unterarmes sowie glaubhaften subjektiven Beschwerden wie einer Kälteempfindlichkeit, einer Wetterfühligkeit und einer psychischen Komponente aus. Die MdE bewertete er am Tag der Untersuchung und voraussichtlich auf Dauer mit 20 v. H. In seiner ergänzenden Stellungnahme von Januar 2009 führte Prof. Dr. A. aus, ihm sei bekannt, dass bei dem Verlust des kompletten Zeigefingers eine MdE von 10 v. H. verbleibe. Beim Kläger bestünde durch den funktionslosen Zeigefinger jedoch eher eine schlechtere Gesamtfunktion der Hand. Des Weiteren habe er die psychische Komponente bei der Feststellung der Gesamt-MdE bereits mitbewertet. Sollte auf psychologisch-psychiatrischer Ebene keine MdE verbleiben, sehe er eine Gesamt-MdE von 15 v. H. als angemessen an.

Im Auftrag der Beklagten erstellte Prof. Dr. E., Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Klinikums L., ebenfalls ein Gutachten. Nach den ambulanten Untersuchungen des Klägers am 24. und 27. November 2008 führte er aus, aktuell bestünde auf psychiatrischem Fachgebiet keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Die Auffassungsfähigkeit sei intakt gewesen, wohingegen die Konzentrationsfähigkeit leicht eingeschränkt gewesen sei. Der Affekt sei leicht gedrückt, die affektive Schwingungsfähigkeit mittelgradig reduziert und leicht zum negativen Pol verschoben sowie der Antrieb geringfügig reduziert gewesen. Die Psychomotorik sei unauffällig gewesen. Nach dem Unfall sei es zu einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10 F43.21) gekommen. Vom Unfallereignis an bis zum Zeitpunkt der Begutachtung habe eine dringende weitere Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Eine Arbeitsunfähigkeit habe sich zuletzt nicht mehr ergeben.

Prof. Dr. E. erstattete auf Veranlassung der Beklagten schließlich ein weiteres Gutachten. Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 5. Mai 2009 tat er kund, aufgrund der anhaltenden psychischen Beschwerden habe sich infolge der Anpassungsstörung nun eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1) entwickelt. Begründet werde diese durch das Vorhandensein folgender Symptome: eine deutlich gedrückte und teils verzweifelte Stimmungslage, ein reduzierter Antrieb, ein Vermeidungsverhalten, Konzentrationsschwierigkeiten, eine Interesselosigkeit, ein ausgeprägter sozialer Rückzug, Schlafstörungen mit Auftreten von Albträumen, ein Libidoverlust, vegetative Beschwerden in Form von Miktionsschwierigkeiten, Magendruck und Kopfschmerzen sowie Zukunftsängste und intermittierend auftretende Suizidgedanken, aber ohne konkrete suizidale Pläne. Nach den Schilderungen des Klägers könne er den Finger nicht gebrauchen, es fehle ihm ein Glied. Für ihn sei das furchtbar, er könne von diesem Gedanken nicht abschalten. Er habe das Gefühl, ihm fehle etwas, um glücklich sein zu können. Kompliziert werde die depressive Episode durch eine so genannte "körperdysmorphophobe Störung, weil beim Kläger eine beharrliche und übertriebene Beschäftigung mit einem nicht vorhandenen Mangel in der körperlichen Erscheinung gegeben sei und die Überzeugung bestehe, entstellt zu sein. Eine begleitende psychiatrische Behandlung nach dem Unfall sei ab April 2008 durch Dr. B. erfolgt. Diese werde seither regelmäßig vom Kläger wahrgenommen. Die Therapie umfasse Gespräche und eine medikamentöse Behandlung mit Cipralex und Opipramol. Die bislang durchgeführten Maßnahmen hätten nach den Angaben des Klägers nicht zu einer wesentlichen Änderung der Beschwerden geführt. Dr. B. habe bereits im Juli 2008 einen stationären Klinikaufenthalt für indiziert gehalten. Der Kläger habe aktuell im Bereich der Logistik in der Normalschicht von 6 Uhr bis 14 Uhr oder von 7 Uhr bis 15 Uhr im Rahmen einer regulären 35 Stunden-Woche gearbeitet. In diesem Jahr sei er bereits vier bis fünf Wochen wegen seiner schlechten psychischen Verfassung krankgeschrieben gewesen. In seiner Stimmung habe er gedrückt und verzweifelt gewirkt. Der Antrieb sei reduziert gewesen. Er habe Konzentrationsschwierigkeiten, einen Antriebsmangel, eine Interesselosigkeit, einen sozialen Rückzug, Schlafstörungen mit Auftreten von Albträumen, einen Libidoverlust sowie vegetative Beschwerden beklagt. Außerdem habe er Zukunftsängste im Hinblick auf die weitere berufliche Perspektive beschrieben. Suizidgedanken seien ab und zu vorhanden. Konkrete Suizidpläne habe er glaubhaft verneint. Die fünf Stunden dauernde Untersuchung, welche durch zwei Pausen unterbrochen gewesen sei, habe der Kläger gut durchgehalten. Er habe von Beginn an etwas übermüdet und angespannt gewirkt. Die sprachliche Kommunikation sei gut möglich gewesen, trotzdem sei eine genaue Exploration in Bezug auf die emotionale Situation und die Beschreibung spezifischer Symptome aufgrund der Sprachbarriere teilweise erschwert gewesen. Er wohne noch bei seinen Eltern und benötige morgens eine Stunde, um sich im Bad fertig zu machen. Seine Mutter packe ihm morgens das Pausenbrot für die Arbeit ein. Von dem ihn beschäftigenden Unternehmen wohne er etwa 9 km entfernt. Er fahre mit dem Auto dorthin. Nach der Arbeit kehre er nach Hause zurück und gehe mit seiner Mutter einkaufen. Hin und wieder lese er ein Buch. Am Wochenende unternehme er gelegentlich etwas mit seinen Glaubensbrüdern, den Aleviten. Wenn er Kontakt mit Menschen habe, die fröhlich seien, müsse er weggehen. Er könne dann nur noch an sich und sein Schicksal denken.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2007 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v. H. für die Zeit vom 25. August 2007 bis 31. August 2008. Als Unfallfolgen erkannte sie eine Versteifung des Mittelgelenkes des Zeigefingers unter Verkürzung des Mittelgliedes mit Drahtschlinge, eine Verminderung der Beweglichkeit im Endgelenk des Zeigefingers, eine Empfindungsstörung im Zeigefingermittel- und -endglied, eine Verschmächtigung des Endgliedes des Zeigefingers, einen unvollständigen Faustschluss, eine unvollständige Fingerstreckung sowie eine Minderung des Mineralsalzgehaltes des Handskelettes nach Replantation des Zeigefingers im Mittelgelenk mit Deckung eines dorsalen Weichteilschadens am Zeigefinger durch einen Fingerlappen vom Mittelfinger sowie eine Vollhauttransplantation vom Unterarm an. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Prof. Dr. H., Chefarzt der M.-Klinik, einer Fachklinik für Psychosomatik und Ganzheitsmedizin in K. im S., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt des Klägers vom 29. September bis 17. November 2009 eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1). Im Aufnahmegespräch sei er allseits orientiert und bewusstseinsklar gewesen. Im Erstkontakt habe er unruhig und angespannt gewirkt. Beim Beantworten der Fragen habe er gestottert sowie undeutlich und schnell geredet. Sein Verhalten sei noch situationsadäquat, allerdings etwas kindisch und parathym, also affektiv inadäquat, gewesen. Der Antrieb sei im Ausdruck normal gewesen. Er habe wenig Blickkontakt aufgenommen und beim Gespräch vermieden, über das Trauma zu sprechen. Die Auffassung sei beeinträchtigt gewesen. Er habe wenig konzentriert gewirkt. Im Erstkontakt habe er versucht, seine rechte Hand zu verdecken. Eine psychotische Symptomatik habe sich nicht gezeigt. Passive Todeswünsche seien vorhanden, der Kläger sei jedoch absprachefähig gewesen. Er sei als ältestes Kind von insgesamt drei Geschwistern in Deutschland geboren. Zwischen drei und sechs Jahren habe er mit seiner Mutter und seinem Bruder in der Türkei bei seinen Großeltern väterlicherseits gewohnt. Es sei eine schwierige Zeit gewesen. Sein Vater habe das so gewollt. Er sei ein Despot gewesen und habe kein Verständnis für seine Kinder gezeigt. Durch die psychotherapeutischen Gespräche habe eine gewisse Entlastung und Stimmungsaufhellung erreicht werden können. Der Kläger sei in einem stabileren psychischen Zustand entlassen worden. Das Trauma habe nur ansatzweise bearbeitet werden können und bedürfe einer langfristig angelegten ambulanten Psychotherapie. Die Medikation bei der Entlassung habe aus Opipramol, 100 mg (0-0-0-1) sowie im Bedarfsfall Atosil, 25 bis 50 Tropfen bei innerer Unruhe und Anspannung bestanden.

Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von Januar 2010 aus, wie aus sämtlichen Befundberichten deutlich werde, seien es die ganz persönlichen Bewältigungsmechanismen des Klägers, welche momentan einer weiteren Besserung entgegenstünden. Auch wenn Einzelsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung vorhanden seien, ergebe sich nicht das Gesamtbild dieser Krankheit.

Der Dipl.-Psychologe W. berichtete über das Erstgespräch mit dem Kläger am 25. Februar 2010, er habe eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1) und den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) diagnostiziert.

Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 5. März 2010 erkannte die Beklagte als weitere Unfallfolge eine Anpassungsstörung in Form längerer depressiver Reaktion mit Schlafstörung, erhöhter Reizbarkeit, Wutausbrüchen, Konzentrationsschwierigkeiten und übertriebener Beschäftigung mit den Unfallfolgen an. Dadurch entstandene Behandlungskosten würden übernommen. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein Recht auf Rente über August 2008 hinaus bestehe nicht.

Gegen die ablehnende Verwaltungsentscheidung erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), welche mit dem Aktenzeichen (Az.) S 9 U 1. geführt wurde. Das SG beauftragte Prof. Dr. E. mit der Erstattung eines Gutachtens. Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 10. Dezember 2010 äußerte dieser, er habe bei der aktuellen Begutachtung von Symptomen berichtet, die bereits in den Vorgutachten beschrieben worden seien, wie einem unruhigen Schlaf mit teilweise auftretenden Albträumen, einer Rückzugstendenz, einem Interessensverlust, Antriebs- und subjektiv empfundenen Konzentrationsstörungen sowie Stimmungsschwankungen mit teilweiser leichter Reizbarkeit, aber auch Traurigkeit. Die Albträume beinhalteten nach seinen Angaben seltener den Unfall selbst, auch tagsüber würde er die Bilder vom Ereignis geringer vor Augen haben. Als konkretes Beispiel habe er angeführt, dass er durch den Bohrer des Zahnarztes daran erinnert worden sei. Die vom Kläger am häufigsten genannte Beeinträchtigung, auf die er auch immer wieder im Verlaufe des Gespräches zurückgekommen sei, sei das Gefühl gewesen, durch seine Verletzung behindert zu sein. Er habe angeführt, ständig an seinen Finger denken zu müssen. Er meine, dass andere ihn anstarrten. Beinahe ebenso belastend habe er die Narbe am Unterarm empfunden, wobei er indirekt dem behandelnden Chirurgen unterstellt habe, dass dieser sie bei der Hauttransplantation absichtlich in Form eines Kreuzes gemacht habe. Er habe eine andere Stelle seines Körpers wählen können. In seinen Gedanken sei er auf diese Themen erheblich eingeengt gewesen. Eine Rückbildung der psychischen Beschwerden sei nicht festzustellen gewesen. Wegen der jetzt im Vordergrund stehenden ständigen und übertriebenen Beschäftigung mit seinem verletzten Finger und der Narbe am Unterarm sei zwischenzeitlich eine chronifizierte dysmorphophobe Störung mit depressiven Symptomen (ICD-10 F45.2) eingetreten. Die Störung des Affektes, der Interessensverlust und die Antriebslosigkeit seien eher als Begleitsymptome zu werten, sodass die Schwelle für die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode nicht erreicht gewesen sei. Trotz der geschilderten psychischen Symptome habe auf psychiatrischem Fachgebiet keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit bestanden. Der Kläger habe nach dem Unfallereignis längere Zeit weiter in seinem alten Betrieb arbeiten können. Erst auf Nachfragen habe er geschildert, dass ihn die Arbeit mehr angestrengt habe, ohne dass aber Überforderungsgefühle aufgetreten seien. Probleme am Arbeitsplatz resultierten eher aus zwischenmenschlichen Konflikten, weil er sich häufiger von Kollegen beleidigt oder sich von Vorgesetzten ungerecht behandelt gefühlt habe. Ein weiterer relevanter Aspekt sei gewesen, dass es in den Monaten seiner Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen fehlenden Tagesstrukturierung und Ablenkungsmöglichkeiten zu verstärkten Rückzugstendenzen, einer Antriebslosigkeit und einer eher vermehrten Beschäftigung mit dem Gefühl der körperlichen Versehrtheit gekommen sei. Bei weiter fortdauernder Beschäftigungslosigkeit sei daher von einer Verschlechterung der bestehenden psychischen Symptomatik auszugehen. Prof. Dr. E. führte in seiner ergänzenden Stellungnahme von Mai 2011 aus, der Grad der vom Kläger empfundenen Beeinträchtigung stehe im Widerspruch zu der eher als gering einzuschätzenden funktionellen Beeinträchtigung und der eher als kosmetisches Problem anzusehenden Narbe am Unterarm. Die von ihm berichteten depressiven Symptome wie Interessensverlust, Antriebsstörungen und Stimmungsschwankungen seien daher im Zusammenhang mit der gedanklichen Einengung auf die körperliche Versehrtheit anzusehen. In einer Arbeitstätigkeit sei eher ein stabilisierender Faktor zu sehen.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 2011 ab. Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein, welche mit dem Az. L 8 U 3. geführt wurde. In der nichtöffentlichen Sitzung am 1. Juni 2012 schlossen die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. vom 1. September 2008 bis 31. Mai 2012 zu gewähren. Ferner verpflichtete sie sich zu einer Nachuntersuchung auf psychiatrischem Fachgebiet, ob ab 1. Juni 2012 eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingetreten sei. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt. Von dem Widerrufsvorbehalt machte keiner der Beteiligten Gebrauch. Mit Schreiben vom 24. Juli 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, in Ausführung des gerichtlichen Vergleiches eine Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. September 2008 bis 31. Mai 2012 auf der Grundlage einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.

Dr. K., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, erstattete im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 16. Oktober 2012 führte sie aus, aktuell habe keine mittelgradige depressive Episode, also eine Depression, näher diagnostiziert werden können. Im Vordergrund habe nur noch die chronifizierte dysmorphophobe Störung (ICD-10 F45.2) mit depressiven Begleitsymptomen gestanden. Die Störung der Stimmung, sein Interessensverlust und seine Antriebslosigkeit müssten eher als Begleitsymptome dieser Krankheit bewertet werden. Von einer Depression sei nicht mehr zu sprechen. Dr. K. führte im November 2012 ergänzend aus, ab 1. Juni 2012 betrage die MdE auf psychiatrischem Fachgebiet 0 v. H.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. März 2013 ab, dem Kläger ein Recht auf Rente ab 1. Juni 2012 einzuräumen. Hiergegen erhob er Widerspruch, woraufhin Dr. F., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt wurde. Nach seiner ambulanten Untersuchung am 11. Dezember 2013 führte er aus, der von ihm erhobene psychische Befund lasse eine leichte depressive, klagsame und "dysmorphe" Haltung erkennen. Diese habe zu einem reduzierten Selbstwertgefühl und einer mangelnden Zukunftsperspektive aufgrund einer emotionalen Fixierung auf die erlittene Fingerverletzung geführt. Dabei kreisten die Gedanken ständig um den Unfallablauf, die erlittene körperliche Entstellung und eine chronische Funktionsstörung mit überwertiger Beachtung. Die unfallbedingte, fachbezogene MdE ab 1. Juni 2012 betrage 0 v. H. Daraufhin wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2014 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 28. Mai 2014 Klage beim SG erhoben. In der nichtöffentlichen Sitzung am 26. April 2017 ist er gehört worden. Er sei weiterhin bei Dr. B. in Behandlung. Psychopharmaka nehme er nicht mehr ein. Aus seiner Sicht sei sein Gesundheitszustand in den letzten Jahren gleichgeblieben. Derzeit übe er über ein Zeitarbeitsunternehmen eine Beschäftigung aus, welche aber voraussichtlich demnächst enden werde. Mit Einverständnis der Beteiligten hat das SG den Rechtsstreit durch Urteil vom 11. Mai 2017 ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2007 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab 1. Juni 2012 zu gewähren. Ein Abweichen von der durch Vergleich vom 1. Juni 2012 gewährten Verletztenrente nach einer MdE vom 20 v. H. für die Zeit nach dem 31. Mai 2012 sei nur möglich, wenn auf psychiatrischem Fachgebiet eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X eingetreten sei. Dies sei zwischen den Beteiligten vereinbart worden. Eine solche sei jedoch nicht nachgewiesen, was auch das Gutachten von Dr. F. bestätigt habe. Danach habe sich bei einem Vergleich mit der letzten maßgeblichen Begutachtung durch Prof. Dr. E. im Januar 2011 keine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers ergeben.

Gegen die der Beklagten am 24. Mai 2017 zugestellte Entscheidung hat diese am 13. Juni 2017 Berufung beim LSG eingelegt. In der nichtöffentlichen Sitzung am 15. November 2017 ist der Kläger ergänzend gehört worden. Er habe lange nicht gearbeitet. Zwischendurch sei er über ein Unternehmen der Personaldienstleistung eingesetzt gewesen. Seit Ende Oktober 2017 sei er über die S. Z. GmbH in W. bei der A. K. Vertriebs-GmbH in W. beschäftigt. Er arbeite im Zwei-Schichtsystem, also Früh- und Spätschicht. Diese Arbeit könne er eigentlich nicht ausführen. Er müsse mit der rechten Hand nicht nur bohren, sondern auch verschiedene andere Griffe anwenden. Er habe Schmerzen. Er gerate auch psychisch unter Druck und könne dann nicht weiterarbeiten. Er habe die Zeitarbeitsagentur darum gebeten, ihm eine andere Tätigkeit zu suchen. Er habe seltsame Träume. Als er bei der D. AG gearbeitet habe, habe er davon geträumt, noch bei der N. GmbH tätig zu sein und ständig gehetzt zu werden. Es gebe auch Träume, wo er einem Hund entgegenlaufe. Dann rette er sich auf einen Baum. Das Tier springe ihm jedoch hinterher und halte sich mit seinem Maul am rechten Zeigefinger fest. Er träume weiter davon, dass sein Bruder bei der N. GmbH arbeite und dieser selbst äußere, deswegen Angst zu haben. Dadurch sei er müde. Sein Schlaf sei gestört, er könne nicht durchschlafen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Dr. A., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Nach seiner ambulanten Untersuchung am 16. Februar 2018 hat er ausgeführt, bei ihm sei seit dem Unfall aus psychiatrischer Sicht eine MdE von 20 v. H. für eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge begründet. Nachdem Interferenzen mit organischen Aspekten der Unfallfolgen vorlägen, sei aus seiner fachärztlichen Sicht heraus, die Gesamt-MdE ebenfalls mit 20 v. H. zu bewerten. Er leide an einer Folgekrankheit einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), einer Persönlichkeitsänderung bei posttraumatischer Belastungsstörung (ICD-10 F62.0), einer anhaltend mittelschweren depressiven Krankheitsepisode (ICD-10 F32.1) und einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.41). Bei seiner Untersuchung hätten sich eine dysphorische Stimmungslage, eine Antriebsarmut und negative Denkeinengungen gefunden, welche im Sinne einer affektiven Störung im Rahmen einer mittelschweren depressiven Krankheitsepisode einzuordnen seien. Des Weiteren hätten sich umfangreiche typische Beschwerden einer posttraumatischen Belastungsstörung, insbesondere dissoziativ anmutende bildhafte und emotionale Wiedererlebnisweisen, erfolglos erfahrene diesbezügliche Vermeidungsbemühungen, entsprechende körperliche Reaktionen und eine erlebte Schreckhaftigkeit gefunden. Es habe ein weitreichender sozialer Rückzug, eine Unruhe, ein Nervositätserleben und eine leichte Reizbarkeit bestanden, welche diagnostisch als Persönlichkeitsänderung bei posttraumatischer Belastungsstörung einzustufen seien. Eine Schmerzverarbeitungsstörung sei ferner zu dokumentieren gewesen. Die vorliegende affektive Störung im Sinne einer depressiven Erkrankung und auch in gewissen Teilen die somatoforme Schmerzstörung im Sinne einer Verarbeitungsstörung seien jedoch dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Ein eindeutiger kausaler Zusammenhang sei zumindest hinsichtlich der affektiven Störung mit dem Unfallereignis nicht herstellbar. Allerdings sei über einen längeren Zeitraum eine vorhandene, ursächlich unfallbedingte posttraumatische Belastungsstörung beim Kläger nicht erkannt worden. Eine ausführliche Beschreibung des diesbezüglich spezifischen Beschwerdekomplexes im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung in der M.-B.-Klinik habe keine weiterführenden Konsequenzen gehabt. Dies habe dazu geführt, dass die posttraumatische Belastungsstörung zwischenzeitlich als chronifizierte Störung einzuschätzen sei, in deren Zusammenhang es mittlerweile unfallbedingt zu einer Persönlichkeitsänderung gekommen sei. Diese beiden Erkrankungen bestünden seit etwa fünf Wochen nach dem Unfallereignis mit nur geringfügigen Schwankungen bis zum aktuellen Untersuchungszeitpunkt. Angesichts dieser Umstände sei davon auszugehen, dass beim Kläger seit damals aus psychiatrischer Sicht eine MdE in Höhe von 20 v. H. bis aktuell vorliege. Der Kläger sei derzeit noch bei dem Hausarzt Dr. S. und dem Psychiater Dr. B. in Behandlung gewesen. Die aktuelle Medikation habe aus Laif, 900 mg (1-0-0) bestanden. Die früher eingenommenen Psychopharmaka habe er mangels Verträglichkeit nicht mehr eingenommen. Bei starken Kopfschmerzen greife er bedarfsweise auf Ibuprofen, 400 mg zurück. Nachts habe der Kläger Albträume von der Arbeit, von den Kollegen, ferner, dass ihm der ganze Arm oder die ganze Hand fehle. Er erwache hierunter von Angst erfüllt. Seinen Vater habe der Kläger als streng beschrieben. Im Nachhinein müsse er sagen, er habe damit recht gehabt. Er sei ein guter Vater gewesen, er vermisse ihn. Nach der Hauptschule habe er eine zweijährige Ausbildung zum Teilezurichter absolviert. Bei der D. AG habe er eine Ausbildung zum Gießereimechaniker begonnen, sie im dritten Lehrjahr jedoch abgebrochen. Zuletzt habe er am 27. Dezember 2017 gearbeitet. Aktuell sei er arbeitsuchend. Er habe derzeit keine feste tägliche Aufgabe. Er wache in der Regel morgens früh auf und liege noch bis 9 Uhr im Bett, manchmal auch bis 10 Uhr. Er wohne bei seiner Mutter, sein Vater sei mittlerweile verstorben. Diese bereite ihm das Mittagessen zu. Seine Aufgabe im Haushalt bestehe darin, Wasserkisten in die Wohnung zu tragen. Die Narbe an seinem Unterarm erinnere ihn an den Unfall, ferner an einen Schultag in der Kindheit. Er sei damals in einer Kirche gewesen und habe das Bild von Jesus am Kreuz gesehen, mit dem herunterlaufenden Blut. Wenn er Ähnliches wie bei dem Unfall erlebe, rege es ihn auf. Dann kämen die inneren Bilder wieder hoch. Er habe aktuell keine sozialen Kontakte mehr. Er habe nur noch welchen zu seiner Mutter, selten zu seinem Bruder und seiner Schwester. Letztere habe er zuletzt vor vier Jahren gesehen. Er zwinge sich, Fitness zu betreiben, empfinde dabei aber anders als früher keinerlei Freude. Zum Sport zwinge er sich. Er könne nur noch in der Früh- oder Tagesschicht arbeiten. Eine Spätschicht sei für ihn schwierig, der Unfall sei ja in diesem Abschnitt geschehen, also als er damit angefangen habe. Er habe eine Psychotherapie versucht. Die Erinnerungen seien vermehrt in den Vordergrund getreten, was für ihn schlimm gewesen sei. Nach der siebten Sitzung habe er sie abgebrochen. Bei Dr. B. sei er zuletzt vor sechs Wochen in Behandlung gewesen. Der Kläger habe bei der Untersuchung ein gepflegte Äußeres gezeigt. Bei der Reflexion und Wiedergabe von Erinnerungen hinsichtlich des Unfallereignisses habe er deutlich gequält gewirkt. Es seien immer wieder Gesprächspausen entstanden. Ihm sei es nicht möglich gewesen, einen roten Gesprächsfaden aus eigener Initiative heraus aufrechtzuerhalten. Die Stimmungslage sei eher dysphorisch und der Antrieb reduziert gewesen. Albträume vom Unfall seien angegeben worden. Tagsüber müsse er häufig an das Trauma denken. Unvermittelt kämen die Erinnerungen an das Geschehen hoch. Trigger seien etwa der Geruch von Medikamenten oder Essen. Dann müsse er sofort an das Krankenhaus denken. Automatisch stellten sich dann die Bilder vom Unfall wieder ein.

Die Beklagte trägt, im Wesentlichen gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, von April 2018, vor, das Gesamtbild einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht dokumentiert. Es fehlten in Bezug auf die Diagnosekriterien psychopathologische Befundbeschreibungen einer solchen Erkrankung. Die zeitlich eng definierten Kriterien mit Symptombeginn des Vollbildes seien nicht erwiesen. Eine Persönlichkeitsänderung sei ebenfalls nicht belegt. Eine solche Diagnose sei bei einer kurzzeitigen Lebensbedrohung wie einem Autounfall nicht zu stellen. Eine objektive Lebensbedrohung oder gar ein derartiges Geschehen habe beim Kläger nicht einmal stattgefunden. Die Beschreibung seines Vaters habe der Kläger in der M.-B.-Klinik und bei Dr. A. unterschiedlich vorgenommen. Bei seinem stationären Aufenthalt habe er von einer Gewalterfahrung in der Kindheit durch den Großvater und Onkel berichtet. Der Vater sei ein Despot gewesen. Er habe Schulprobleme gehabt. Er habe Hassgefühle gegenüber seinem Vater geschildert, der ihn mit seiner Mutter in die Türkei geschickt habe. Nach der Aktenlage bestünden eindeutige Hinweise auf eine Störung der kindlichen Entwicklung samt Schulproblemen und sozial zurückgezogenem Leben bei der Mutter als ängstlich-nervöses Kind samt fehlender Verheiratung und der Verpflichtung, die Angelegenheiten der Eltern bis zum Unfall zu regeln. Die massive Inkongruenz sei von Dr. A. nicht aufgegriffen worden. Eine anhaltende mittelschwere depressive Episode, wie sie der Sachverständige erhoben habe, sei von den Vorgutachtern als abgeklungen geschildert worden. Ohnehin habe Dr. A. ein unfallbedingtes Krankheitsbild angenommen, welches bei etwa 20 % der Bevölkerung vorkomme. Es liege fern, dass ein einziges Ereignis wie die Amputation eines Fingers mit Replantation geeignet sei, eine anhaltende Depression auszulösen. Die vom Kläger in der M.-B.-Klinik erhobene Anamnese enthalte vielerlei Hinweise auf eine multifaktorielle Genese einer Depression wie eine Gewalterfahrung in der Kindheit, die Enttäuschung über den Vater als Despot, eine Passivität der Mutter, eine fehlende Verheiratung und Schulprobleme. Eine Schmerzstörung sei erstmals von Dr. A. angeführt worden. Nach Aktenlage fehle es insoweit an Brückensymptomen. Mit keinem Wort sei er auf die negative Therapiemotivation eingegangen. Die Diagnosen würden von ihm "gefühlt" gestellt, ohne die Voraussetzungen darzulegen und die psychopathologischen Symptome zu belegen. Eine MdE auf psychiatrischem Fachgebiet sei nicht untermauert. Mit ihrem Ausführungsbescheid vom 24. Juli 2012 habe sie dem Kläger Rente für einen zurückliegenden Zeitraum gewährt. Hierbei handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, sodass es nicht auf die Voraussetzungen von § 48 SGB X ankomme. Mit dem gerichtlichen Vergleich habe sie sich insoweit nicht binden können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Stuttgart vom 11. Mai 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise von Amts wegen ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet einzuholen.

Er trägt im Wesentlichen vor, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei nicht eingetreten, weshalb ihm vor dem Hintergrund des geschlossenen gerichtlichen Vergleiches bereits deswegen über Mai 2012 hinaus eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. zu bewilligen sei. Davon unabhängig habe der Sachverständige Dr. A. untermauert, dass die unfallbedingten Funktionsstörungen eine MdE in dieser Höhe rechtfertigten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten (2 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden, im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), sowie begründet.

Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 11. Mai 2017, mit dem die Beklagte aufgrund der als kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) erhobenen Klage unter Aufhebung des Bescheides vom 26. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2014 (§ 95 SGG) verurteilt wurde, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2007 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. über den 31. Mai 2012 hinaus zu gewähren. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 19. Juli 2018 stattfand.

Der Kläger hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2007 ab 1. Juni 2012 keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Das SG hätte der Klage daher nicht stattgeben dürfen, sondern sie abweisen müssen.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls in Form des Wegeunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII).

Der Anwendungsbereich von § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 73 Abs. 1 SGB VII ist demgegenüber nicht eröffnet. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, dieser mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). § 48 SGB X wird für Renten der gesetzlichen Unfallversicherung durch § 73 SGB VII spezifisch ergänzt. Bei der in Folge der Verpflichtung aufgrund des Vergleiches beim LSG im Verfahren L 8 U 3. mit Schreiben vom 24. Juli 2012 – konstitutiv – getroffenen behördlichen Feststellung des Rechts auf Rente nach einer MdE von 20 v. H. vom 1. September 2008 bis 31. Mai 2012 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2007 handelt es sich um keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da hierdurch in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt der Bekanntgabe hinaus keine Wirkung erzeugt wurde (vgl. BSG, Urteile vom 30. Januar 1985 - 1 RJ 2. -, BSGE 58, 27 (28) und vom 20. Juni 2001 - B 11 AL 1. R -, BSGE 88, 172 (174); Schütze, in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rz. 63). Demgegenüber wurde ein abgeschlossener Zeitraum in der Vergangenheit geregelt.

Zur Anwendung von § 48 SGB X als Norm des materiellen Rechts konnte sich die Beklagte auch nicht mittels des in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG am 1. Juni 2012 zu Protokoll geschlossenen gerichtlichen Vergleiches (§ 101 Abs. 1 Satz 1 SGG) wirksam verpflichten. Zwar kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde (§ 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X). § 53 Abs. 2 SGB X, wonach ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen nur geschlossen werden kann, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht, stünde vorliegend zwar nicht entgegen. Denn die Vorschrift gilt nicht beim Abschluss von Vergleichsverträgen, da bei diesem Vertragstyp der Schutzzweck der Norm nicht eingreift (Engelmann, a. a. O., § 53 Rz. 24). Die Behörde muss sich hierbei jedoch innerhalb des Rahmens halten, welcher ihr durch materielles Recht oder Verwaltungsverfahrensrecht gesteckt wird (Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, a. a. O., Rz. 23). Bei dem geschlossenen Vergleichsvertrag, bei dem eine bei verständiger Würdigung des Sachverhaltes bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wurde, handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X (§ 54 Abs. 1 SGB X), welcher auch Prozesshandlung ist und damit eine Doppelnatur hat (vgl. Engelmann, a. a. O., Rz. 18). Mit der von beiden Beteiligten so gewollten und verstandenen Verpflichtung zu einer Rentenbewilligung über Mai 2012 hinaus unter dem rechtlichen Aspekt, ob eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 SGB X eingetreten ist, hat sie ihre Kompetenz überschritten. Sie konnte sich insoweit nicht wirksam verpflichten, da sie sich nicht im Rahmen des materiellen Rechts hielt, sondern dieses demgegenüber modifizieren würde.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5. R -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 1. R -, BSGE 93, 63 (65)).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der jeweilige Arbeitsunfall bei der Klägerin eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden.

Die unfallversicherungsrechtliche Zurechnung setzt erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio sine qua non"). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-) Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht ("ex post") nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9. R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie auch zur MdE reichen, derentwegen das SGB VII mit der Rente ein Leistungsrecht vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Erstschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfall-versicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungs-rechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstat-bestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 1. R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9. R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. Ein solcher ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden, die infolge ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9. R -, juris, Rz. 39).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 2. R -, juris, Rz. 16 und 31. Januar 2012 - B 2 U 2. R -, juris, Rz. 17).

Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen (z. B. ICD-10, DSM-IV) konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1. R -, BSGE 96, 196 (203) und vom 15. Mai 2012 - B 2 U 3. R -, juris, Rz. 18; Urteile des Senats vom 26. November 2015 - L 6 U 5. -, juris, Rz. 48 m. w. N. und vom 17. März 2016 - L 6 U 4. -, juris, Rz. 37), wobei von einem normativ-funktionalen Krankheitsbegriff auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 1. R -, juris, Rz. 22 m. w. N.), die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5. R -, juris, Rz. 17 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben hat der mit Bescheid vom 13. Februar 2008 bindend (§ 77 SGG) anerkannte streitgegenständliche Versicherungsfall ab 1. Juni 2012 nicht zu einer Funktions-beeinträchtigung geführt, welche eine MdE von wenigstens 20 v. H. stützt, wie es im Falle des Klägers mangels Stützrententatbestand (§ 56 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4 SGB VII) für die begehrte Leistungsgewährung erforderlich ist.

Die ebenfalls mit dieser Verwaltungsentscheidung bindend festgestellte Versteifung des Mittelgelenkes des Zeigefingers unter Verkürzung des Mittelgliedes mit Drahtschlinge, welche aufgrund des im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung - ZPO) verwerteten schlüssigen Gutachtens von Prof. Dr. A. Ende 2008 mit einer Verminderung der Beweglichkeit im Endgelenk des Zeigefingers, einer Empfindungsstörung im Zeigefingermittel- und -endglied, einer Verschmächtigung des Endgliedes des Zeigefingers, einem unvollständigen Faustschluss, einer unvollständigen Fingerstreckung sowie einer Minderung des Mineralsalzgehaltes des Handskelettes nach Replantation des Zeigefingers im Mittelgelenk mit Deckung eines dorsalen Weichteilschadens am Zeigefinger durch einen Fingerlappen vom Mittelfinger sowie einer Vollhauttransplantation vom Unterarm einherging, hat unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentins, a. a. O., S. 581 und 604 ff.) keine höhere MdE als 15 v. H. zur Folge, wie er sie aus medizinischer Sicht schlüssig hergeleitet hat. Zuletzt dürfte es sogar zu einer weiteren Besserung des Gesundheitszustandes und der Funktionsbehinderungen gekommen sein, was der Senat dem ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Protokoll über die nichtöffentliche Sitzung beim LSG Mitte November 2017 entnimmt. Der Kläger musste bei seiner damaligen Beschäftigung bei der Alfred Kärcher Vertriebs-GmbH nicht nur bohren, sondern auch verschiedene andere Griffe anwenden, was jedenfalls nicht auf eine Verschlechterung hindeutet.

Die mit Bescheid vom 5. März 2010 bindend anerkannte Anpassungsstörung in Form einer längeren depressiven Reaktion, welche zu jener Zeit mit einer Schlafstörung, einer erhöhten Reizbarkeit, Wutausbrüchen, Konzentrationsschwierigkeiten und einer übertriebenen Beschäftigung mit den Unfallfolgen einherging, führte nach Mai 2012 nicht mehr zu einer Funktionsstörung, welche eine MdE im messbaren Bereich stützt. Trotz der vom Kläger geschilderten psychischen Symptome erhob Prof. Dr. E. in seinem als Sachverständigenbeweis gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 411a ZPO verwerteten nachvollziehbaren Gutachten im Verfahren S 9 U 1. beim SG auf die ambulante Untersuchung bereits Ende 2010 hin auf psychiatrischem Fachgebiet keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit mehr. Damit in Einklang stehen die jeweils im Wege des Urkundenbeweises verwerteten überzeugenden Expertisen von Dr. K. und Dr. F ... Bei der Begutachtung durch Erstere im Oktober 2012 stand nur noch eine nicht unfallbedingte chronifizierte dysmorphophobe Störung (ICD-10-GM-2018 F45.2) mit depressiven Begleitsymptomen im Vordergrund. Die Störung der Stimmung des Klägers, sein Interessensverlust und seine Antriebslosigkeit waren lediglich als Begleitsymptome dieser Krankheit zu werten. Eine Depression lag nicht mehr vor. Letzterer erhob als psychischen Befund Ende 2013 eine leichte depressive, klagsame und dysmorphophobe Haltung. Die unfallbedingte, fachbezogene MdE ab Juni 2012 bewertete er aus medizinischer Sicht ebenfalls schlüssig mit 0 v. H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 169 ff.).

Die von dem Sachverständigen Dr. A. und zuvor von Prof. Dr. H. diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10-GM-2018 F43.1) liegt bereits nicht im Vollbeweis vor. Diese Krankheit, welche nach der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in ihrer aktuellen und international gültigen Ausgabe ICD-10, Version 2018 (ICD-10-GM-2018) als "F43.1" kodiert wird, bezeichnet eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (ICD-10-GM-2018 F62.0) über. Kriterien für die Diagnosestellung sind (vgl. Schnyder, MedSach 2003, S. 142 (143 f.)) ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde (A-Kriterium), Wiedererleben: Erinnerungen tagsüber, Träume, Flashbacks, Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen (B-Kriterium), Vermeidung von Umständen, welche der Belastung ähneln (C-Kriterium), Amnesie oder erhöhte Sensitivität und Erregung: mindestens zwei der folgenden Merkmale: Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz, erhöhte Schreckhaftigkeit (D-Kriterium) sowie das Auftreten in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis (E-Kriterium). Nach diesem Diagnosesystem orientiert sich die vertragsärztliche Behandlung (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4. -, juris, Rz. 36). Es ist daher in erster Linie auch von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie den Sachverständigen anzuwenden, da es die nachvollziehbare Feststellung einer konkreten psychischen Gesundheitsstörung unter Verwendung eines üblichen Diagnosesystems sowie des dortigen Schlüssels und der Bezeichnungen ermöglicht. Zur Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung herangezogen wird auch das von der American Psychiatric Association in den Vereinigten Staaten von Amerika herausgegebene Diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen, seit 1996 auch auf Deutsch; die Textrevision der vierten Auflage wurde 2000 veröffentlicht (DSM-IV-TR). Nach DSM-IV-TR 309.81 ist das so genannte "Traumakriterium", das A-Kriterium, eingängiger gefasst. Danach ist Hauptmerkmal der posttraumatischen Belastungsstörung die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (A1-Kriterium). Es muss ein extremes, lebensbedrohliches Ereignis tatsächlich stattgefunden haben (Foerster/Leonhardt, MedSach 2003, S. 146 (147)). Bezüglich des Erlebnisses ist eine Reaktion von Angst, Hilflosigkeit oder Grauen zu verlangen (A2-Kriterium). Weitere Kriterien sind (vgl. Schnyder, a. a. O.) ständiges Wiedererleben des traumatischen Ereignisses (B-Kriterium), anhaltendes Vermeiden spezifischer Stimuli, welche an das Trauma erinnern (C-Kriterium), Angst oder erhöhtes Erregungsniveau (D-Kriterium), Dauer mindestens ein Monat (E-Kriterium) sowie erhebliches Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Bereichen (F-Kriterium). Die seit Mai 2013 dem DSM-IV-TR folgende, nunmehr in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage des Diagnostischen und statistischen Manuals (DSM-5) steht dem an sich nicht entgegen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4. -, a. a. O., Rz. 40; Widder/Dreßing/Gonschorek/Tegenthoff/Drechsel-Schlund, MedSach 2016, S. 156 ff.). Unter das A-Kriterium wird nunmehr allerdings auch die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Ereignissen (z. B. Ersthelfer, die menschliche Leichenteile aufsammeln, oder Polizisten, die wiederholt mit schockierenden Details von Kindesmissbrauch konfrontiert werden) gefasst. Damit löst sich, ohne dies deutlich zu machen, die DSM-5 deutlich von der historischen Entwicklung der Erfassung seelischer Folgen schwerer Traumatisierung in den psychiatrischen Klassifikationsschemata, welche nicht zuletzt unter dem Druck der Veteranen des 1955 begonnenen Vietnamkrieges erfolgte, denen ganz unzweifelhaft permanente lebensbedrohliche Ereignisse widerfuhren und die Gräueltaten mit anblicken mussten (vgl. Hirschmüller, MedSach 2003, S. 137 (140)). Hiervon unterscheidet sich der Fall des Klägers gravierend. An dem Diagnosesystem DSM-5 wird im fachmedizinischen Schrifttum zudem die fehlende Validität bemängelt (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4. -, a. a. O., Rz. 41). Da die exakte psychische Diagnose es nachvollziehbar machen muss, warum und in welchem Ausmaß eine Person psychisch krank ist, ist das DSM-5 besonders bei der posttraumatischen Belastungsstörung nicht geeignet, diese Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4. -, a. a. O., Rz. 42).

Nach beiden Diagnosesystemen, also nach ICD-10-GM-2017 und DSM-IV-TR, fehlt es vorliegend an den Voraussetzungen für eine Diagnosestellung (vgl. hierzu auch Urteile des Senats vom 26. Juni 2014 - L 6 VU 2. ZVW -, vom 23. Juni 2016 - L 6 VH 4. -, und vom 28. Juli 2016 - L 6 U 1. -, jeweils juris), zumal das Gutachten von Dr. A. ohnehin insoweit psychopathologische Befundbeschreibungen vermissen lässt, worauf Dr. M. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von April 2018, welche rechtlich als qualifiziertes Vorbringen der Beklagten zu werten ist (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - B 5 R 45/16 B -, juris, Rz. 19), nachvollziehbar hingewiesen hat. Von den Diagnosekriterien liegt bereits das A-Kriterium, welches der Senat ohne gesonderte medizinische Sachkunde bewerten kann, nicht vor. Die erlebte subtotale Amputation des rechten Zeigefingers ist weder ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem Mensch eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, noch war der Kläger dabei mit einem extrem traumatischen Ereignis konfrontiert.

Eine Persönlichkeitsänderung bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10-GM-2018 F62.0), wie sie Dr. A. feststellte, war daher ebenso wenig erwiesen. Eine objektive Lebensbedrohung bestand mit Dr. M. nicht. Die von dem Sachverständigen angenommene anhaltend mittelschwere depressive Krankheitsepisode (ICD-10-GM-2018 F32.1) wurde von den Fachärztinnen und Fachärzten, welche den Kläger zuvor begutachteten, als abgeklungen beschrieben. Ohnehin liegt es fern anzunehmen, dass ein einziges Ereignis wie die subtotale Amputation eines Fingers mit Replantation geeignet ist, eine anhaltende Depression auszulösen, wie Dr. M. überzeugend hervorhob. Davon abgesehen enthält bereits die in der M.-Klinik im Herbst 2009 erhobene Anamnese vielerlei Hinweise auf eine multifaktorielle Genese einer Depression wie eine Gewalterfahrung in der Kindheit, die Enttäuschung über den Vater als Despot, eine Passivität der Mutter, eine fehlende Verheiratung und Schulprobleme. Im Gegensatz zur Exploration bei Dr. A. berichtete der Kläger während des stationären Aufenthaltes zur Heilbehandlung in der M.-Klinik und unabhängig eines gerichtlichen Verfahrens, mit dem ein Leistungsbegehren verfolgt wurde, von einer Gewalterfahrung in der Kindheit durch den Großvater und Onkel. Der Vater war ein Despot. Er selbst hatte Schulprobleme. Gegenüber seinem Vater schilderte er Hassgefühle, welcher ihn mit seiner Mutter in die Türkei schickte. Nach der Aktenlage bestehen Hinweise auf eine Störung der kindlichen Entwicklung samt Schulproblemen und sozial zurückgezogenem Leben bei der Mutter als ängstlich-nervöses Kind samt fehlender Verheiratung und der Verpflichtung, die Angelegenheiten der Eltern bis zum Unfall zu regeln, wie Dr. M. hervorhob. Diese massive Inkongruenz wurde von Dr. A. nicht aufgegriffen. Für die von ihm erstmals Anfang 2018, also mehr als zehn Jahre nach dem stattgehabten Unfallereignis, befürwortete, hierauf zurückzuführende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10-GM-2018 F45.41) fehlt es nach der schlüssigen Auswertung der Aktenlage durch Dr. M. an Brückensymptomen. Dass beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet keine MdE im relevanten Ausmaß begründet ist, wird dadurch unterstrichen, dass er zwar bei Dr. B. in Behandlung ist, allerdings nicht auf Psychopharmaka zurückgreifen muss, sondern mittels Laif, 900 mg mit einem Trockenextrakt aus Johanniskraut auskommt, und bis zuletzt einer Vollzeittätigkeit im Zwei-Schichtsystem nachging, mag er die berufliche Betätigung selbst auch als beschwerlich empfinden. Längere krankheitsbedingte Ausfallzeiten sind insoweit nicht belegt.

Auch sonst hat der Arbeitsunfall vom 8. Mai 2007 keine Folge hinterlassen, die ab Juni 2012 eine MdE untermauert, weshalb der Senat der medizinischen Einschätzung durch Dr. A. nicht folgte. Eine höhere MdE als 15 v. H. ist nicht erreicht. Der Senat hatte keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG). Soweit der Kläger hilfsweise beantragte, von Amts wegen ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet einzuholen, wurde diesem Begehren nicht entsprochen und der Hilfsantrag abgelehnt. Denn es handelt sich nicht um einen Beweisantrag in prozessordnungsgerechter Weise. Dieser muss sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit auch wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 160 Rz. 18a m. w. N). Diesen Anforderungen wird der genannte Antrag nicht gerecht. Es ist weder ein konkretes Beweisthema angegeben noch umrissen worden, was die Beweisaufnahme ergeben soll. Es handelt sich demgegenüber um einen unzulässigen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, nachdem die Gutachten von K. und Dr. F. unfallbedingte Funktionsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet nunmehr ausschlossen sowie Dr. A. solche mit seiner Expertise nicht untermauern konnte. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang mangelnde medizinische Sachaufklärung geltend machte, verkennt er, dass sich der Beweisantrag im Rahmen eines Verfahrens in Bezug auf die Gewährung einer Verletztenrente möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VII) befassen muss. Je mehr Aussagen von Sachverständigen oder sachverständigen Zeuginnen und Zeugen zum Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss er auf mögliche Unterschiede und Differenzierungen eingehen (Fichte, SGb 2000, S. 653 (656)). Liegen bereits mehrere Gutachten zum Gesundheitszustand und daraus herleitend zum noch vorhandenen Leistungsvermögen vor und hat sich dadurch schon ein gewisses Leistungsbild manifestiert, bedarf es besonderer Angaben, weshalb die Erhebung eines weiteren Sachverständigenbeweises oder die Durchführung einer sonstigen Beweisaufnahme erforderlich ist (vgl. BSG, Beschluss vom 28. November 2017 - B 5 R 4. B -, juris, Rz. 8), was der Hilfsantrag vermissen lässt. Der Senat als Tatsachengericht ist nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken oder im Rahmen von Beweisanträgen sonstige Formulierungshilfen zu geben (vgl. BSG, Beschluss vom 23. März 2017 - B 9 V 5. B -, juris, Rz. 5).

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung des SG auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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