S 49 AS 1689/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Potsdam (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
49
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 49 AS 1689/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1) Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 19. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2015 gegenüber dem Kläger zu 1) für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011 wird aufgehoben. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 19. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2015 für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011 wird teilweise aufgehoben, soweit die Klägerin zu 3) betroffen ist; im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2) Der Beklagte hat 61 von Hundert der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen Rücknahme- und Erstattungsbescheide des Beklagten in Höhe von insgesamt 7.490,72 Euro für den Zeitraum Juli 2010 bis Juni 2011.

Die Bedarfsgemeinschaft der Kläger stand im Leistungsbezug auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. Die Klägerin zu 3) ist 1998 geboren. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) standen in Beschäftigungsverhältnissen, der Kläger zu 1) bei der Firma T Trocken- und Innenausbau GmbH N (vgl. Arbeitsvertrag in der Gerichtsakte) und die Klägerin zu 2) als Altenpflegerin bei der Firma G Gesellschaft mbH in B auf (Arbeitsvertrag Blatt 477 ff Verwaltungsakte).

Für den Weiterbewilligungszeitraum ab Juli 2010 bewilligte der Beklagte Leistungen mit Bescheiden vom 18. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juni 2010 (Blatt 723, 743) in Höhe von monatlich 555,25 Euro für den Monat Juli 2010, 655,25 für den Monat August 2010 und von 555,25 Euro für September 2010 bis Dezember 2010, die sich wie folgt verteilten: Kläger zu 1) und Klägerin zu 2) jeweils 221,39 Euro und Klägerin zu 3) 112,48 Euro zuzüglich 100 Euro im August 2010 für Teilhabeleistungen für Schüler. Ferner bewilligte der Beklagte Leistungen mit Bescheiden vom 18. Mai 2010 in der Fassung des letzten Änderungsbescheides vom 3. Mai 2011 (Blatt 724, ) in Höhe von monatlich 651,99 Euro für den Monat Januar 2011 bis März 2011, die sich wie folgt verteilten: Kläger zu 1) 260,45 Euro, Klägerin zu 2) 260,47 Euro und Klägerin zu 3) 131,07 Euro und in Höhe von 649,75 Euro für April und Juni 2011 und im Mai 2011 803,75 Euro, die sich wie folgt verteilten: Kläger zu 1) 259,56 Euro, Klägerin zu 2) 259,57 Euro und Klägerin zu 3) 130,62 Euro zuzüglich 154 Euro Leistungen zur Klassenfahrt im Mai 2011.

Dabei lagen den Anspruchsberechnungen Einkommensbescheinigungen der Kläger vom Monat Januar 2010 zugrunde, die einen Nettoverdienst der Klägerin zu 2) von 601,53 Euro und des Klägers zu 1) von 1196,62 Euro bescheinigten (Bl. 661f).

Anfang 2014 wurde aufgrund eines automatisierten Datenabgleichs bekannt, dass die Klägerin zu 2) seit dem 1. September 2013 eine beitragspflichtige Beschäftigung bei der W GmbH aufgenommen hatte und diese Änderung nicht angezeigt hatte (Blatt 971). Gleichzeitig hatte sie eine Einkommensbescheinigung für den Monat Januar 2014 der Firma G vorgelegt. Diese Firma stellte daraufhin Strafanzeige gegen die Klägerin zu 2), weil diese seit September 2013 nicht mehr bei ihr beschäftigt gewesen sei und die Bescheinigung nicht durch die Firma ausgestellt worden sei. Im Rahmen der Strafanzeige räumte die Klägerin zu 2) ein, über mehrere Jahre ihre Lohnbescheinigungen und die ihres Mannes gefälscht zu haben, um Leistungen nach dem SGB II zu beziehen.

Im November 2014 reichte der Arbeitgeber des Klägers zu 1), die T GmbH, Einkommensbescheinigungen und Entgeltabrechnungen des Klägers seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses ab 6. Oktober 2008 bis einschließlich April 2014 auf Anforderung des Beklagten ein (Bl. 1156 – 1289). Im Dezember 2014 reichte der ehemalige Arbeitgeber der Klägerin zu 2), die G mbH, Einkommensbescheinigungen und Entgeltabrechnungen für den Zeitraum der Beschäftigung der Klägerin vom 1. November 2008 bis zum 30. September 2013 im Dezember 2014 auf Anforderung des Beklagten ein (Bl. 1360 – 1486).

Daraufhin hob der Beklagte ohne vorherige Anhörung mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 19. Januar 2015 (Blatt 1640) gegenüber der Klägerin zu 2) und in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin der Klägerin zu 3) diesen gegenüber die Leistungen aus den Bewilligungsbescheiden ab 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011 ganz auf und stellte insgesamt für die Klägerin zu 2) einen Betrag von 2.888,46 Euro und für dir Klägerin zu 3) in Höhe von 1.713,95 Euro zur Erstattung. Zur Begründung führte er aus, das Einkommen der Klägerin und ihres Ehemannes sei tatsächlich höher gewesen, als von der Klägerin zu 2) angegeben und belegt. Hilfebedürftigkeit liege mit dem tatsächlich erzielten Einkommen nicht vor. Die Entscheidung sei wegen arglistiger Täuschung, Drohung bzw. Bestechung zurückzunehmen. Als Rechtsgrundlage gab er § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III iVm § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB X an. Die Erstattung stützte er auf § 50 SGB X. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid einschließlich der Berechnungsbögen ab Blatt 1640 bis 1665 der Verwaltungsakte verwiesen. Mit weiterem Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 19. Januar 2015 (Blatt 1666) hob der Beklagte ohne vorherige Anhörung gegenüber dem Kläger zu 1) die Leistungen aus den Bewilligungsbescheiden ab 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011 ganz auf und stellte insgesamt einen Betrag von 2.888,31 Euro zur Erstattung. Die Begründung war identisch mit der im Bescheid gegenüber der Klägerin zu 2).

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2015 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger als unbegründet zurück (Blatt 1827-1863). In der Widerspruchsbegründung führte der Beklagte das tatsächliche Erwerbseinkommen der Kläger zu 1) und 2) tabellarisch auf und legte die Einkommensbereinigung offen. Ferner führte er ohne weitere Begründung aus, die Kläger hätten durch arglistige Täuschung die Ansprüche auf Erstattung veranlasst.

Die Klägerin zu 2) wurde 2016 nach geständiger Einlassung rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe wegen gewerbsmäßigen Betruges und Urkundenfälschung verurteilt, wobei der Schaden (Überzahlung von Leistungen nach dem SGB II der gesamten Bedarfsgemeinschaft) im Zeitraum 2010 bis 2014 auf insgesamt 28.039,22 Euro beziffert war. Taten vor März 2010 unterlagen bereits der Verjährung. Zum 1. Mai 2014 meldete sich die Bedarfsgemeinschaft vom Leistungsbezug ab und erhielt seitdem keine Leistungen mehr.

Die Kläger haben am 12. Oktober 2015 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben. Nach Trennung der Verfahren vom Verfahren S 49 AS 2014/15 erhielt die Klage das hiesige Aktenzeichen.

Die Kläger sind der Ansicht, die Klägerin zu 3) hafte nach dem Eintritt der Volljährigkeit nur mit ihrem Vermögen, welches nicht vorhanden sei. Sie habe erstmals im Oktober 2016 also nach Eintritt der Volljährigkeit (2016) ein Konto eröffnet. Der Kläger zu 1) habe auf den Bestand der von Anfang an rechtswidrig begünstigten Bewilligungsbescheide vertrauen dürfen und die Leistung vollständig verbraucht. Sie tragen vor, der Kläger zu 1) habe von den unrichtigen Einkommensbescheinigungen keine Kenntnis gehabt. Darüber hinaus sind sie der Ansicht, die einkommensmindernden Werbungskosten seien nicht vollständig angesetzt worden, da die Kläger in dem gesamten Zeitraum 2008 bis 2014 Werbungskosten in Höhe von 40.674 Euro gehabt hätten, so dass ein Leistungsanspruch der Kläger verbliebe. Sie verweisen auf eine Aufschlüsselung der Werbungskosten laut Einkommensteuerbescheide der Jahre 2009 bis 2013 des L Union e.V. (Gerichtsakte). Zum Nachweis der Höhe der monatlichen Auslöse verweisen sie auf die beigefügten Lohnbescheinigungen des Klägers zu 1) (Gerichtsakte). Der Arbeitgeber des Klägers zu 1) zahle für den als Trockenbaumonteur beschäftigten Kläger eine Auslöse von kalendertäglich 34,50 Euro zur Abgeltung von Übernachtungs- und Verpflegungskosten auf den Montagebaustellen (Gerichtsakte).

Die Kläger beantragen,

die Rücknahme- und Erstattungsbescheide vom 19. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2015 (AZ: W 3908-00411/15 und 413/15) für den Zeitraum Juli 2010 bis Juni 2011 gegenüber den Klägern aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden und den Verwaltungsvorgang unter Hinweis auf die geständige Einlassung der Klägerin zu 2) im strafrechtlichen Verfahren.

Mit Schreiben vom 4. März 2016 hat das Amtsgericht Luckenwalde dem Beklagten mitteteilt, dass die Klägerin zu 2) als Auflage, den Schaden wiedergutzumachen, verpflichtet wurde, beginnend ab 1. März 2016 monatlich 50 Euro auf die zu erwartende Rückforderung des Jobcenters an dieses zu zahlen (Gerichtsakte).

Die Kammervorsitzende hat die Kläger mit Schreiben vom 24. April 2018 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 106 a Abs. 2 Nr. 1 SGG aufgefordert, u.a. die vertragliche bzw. betriebliche Grundlage für die Auslösezahlung des Arbeitgebers, sofern es diese gibt bzw. Negativmitteilung, soweit es sich um eine freiwillige Zahlung handelt, bis zum 15. Mai 2018 einzureichen. Daraufhin hat der Klägerbevollmächtigte die Bescheinigung des Arbeitgebers erneut vorgelegt (Bl. 87f der Gerichtsakte). Im Termin der mündlichen Verhandlung hat der Klägerbevollmächtigte angegeben, dass es eine Betriebsvereinbarung hierzu gäbe, die eingereicht werden könne. Er hat ferner Entgeltbescheinigungen des Klägers für den streitgegenständlichen Zeitraum eingereicht (Gerichtsakte). Aus diesen ergeben sich Auslösezahlungen in folgenden Monaten: Juli 2010: keine, August 2010: 2 Tage, September 2010: 10 Tage, November 2010: 2 Tage, Dezember 2010: 7 Tage, Januar 2011, 17 Tage, Februar 2011: 16 Tage, März 2011: 19 Tage, April 2011: 21 Tage, Mai 2011: 20 Tage, Juni 2011: 17 Tage.

Der Beklagte hat auf Nachfrage des Gerichts die Nachholungen der Anhörung gegenüber dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 3) vom 3. August 2017, jeweils an diese persönlich zugestellt, übersandt (Blatt 89 ff der Gerichtsakte). Inhaltlich führte er zur Begründung in den Anhörungen an beide aus, dass das Verhalten der Klägerin zu 2) (als Ehefrau bzw. gesetzliche Vertreterin der Klägerin zu 3)), vorsätzlich falsche Angaben gemacht zu haben, zuzurechnen sei. Zudem hätten die Kläger zu 1) und 3) erkennen können, dass Leistungen in dieser Höhe nicht zugestanden hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2018, sowie der beigezogenen Verwaltungsakten (sieben Bände - Band III bis IX) zu Aktenzeichen: BG ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Anfechtungsklage bezüglich des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 3) hat Erfolg. Die angegriffenen Rücknahme- und Erstattungsbescheide vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2015 sind rechtswidrig und die Kläger beschwert, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Im Übrigen hat die Klage der Klägerin zu 2) keinen Erfolg und ist der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2015 rechtmäßig.

1) a) Der angefochtene Rücknahmebescheid gegenüber dem Kläger zu 1) ist rechtswidrig und war aufzuheben, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Entscheidung ist § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III iVm § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB X und nicht § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB X. Gem. § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1-3 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Für eine Arglist des Klägers zu 1) (Nr. 1) fehlen konkrete Anhaltspunkte. Ausweislich des durchgeführten Strafverfahrens (nur gegen die Klägerin zu 2)) handelte die Klägerin zu 2) allein und in Unkenntnis des Klägers zu 1).

Der Rücknahmebescheid ist formell rechtswidrig, weil die Anhörung unterblieben ist.

Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann davon unter bestimmten - hier jedoch nicht einschlägigen - Ausnahmen abgesehen werden. Der Beklagte hat den Kläger zu 1) vor der Erlass der Rücknahmeentscheidung nicht ordnungsgemäß angehört und die fehlende Anhörung auch nicht nachgeholt (§ 41 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 SGB X).

Entscheidungserheblich sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, d.h. die Tatsachen, auf die sich die Verwaltung im maßgeblichen Fall tatsächlich auch gestützt hat bzw. stützen will (vgl. bspw. Schmidt-de Caluwe in Eichenhofer/Wenner, SGB I, IV, X, 2012, § 24 SGB X Rdnr. 14 ff.; Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 24 Rdnr. 13). Dabei kommt es auf die Rechtsansicht der Behörde an, was sie als entscheidungserheblich ansieht, auch wenn ihre Ansicht ggf. materiell-rechtlich unzutreffend ist (z.B. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 - juris Rdnr. 21; Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R - juris Rdnr. 12; Urteil vom 10. August 2010 - B 13 R 140/10 B - juris Rdnr. 8; Urteil vom 26. September 1991 - 4 RK 4/91 - BSGE 69, 247 - juris Rdnr. 28 ff.). Das Gericht ist in jedem Stand des Verfahrens verpflichtet zu prüfen, ob die anhörungspflichtige Behörde dem Anhörungsgebot entsprochen hat (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2002 - B 4 RA 15/01 R - juris Rdnr. 24). Der Aufhebungsanspruch wegen einer unterbliebenen Anhörung steht einem sachlich-rechtlichen Fehler gleich und begründet damit eine uneingeschränkte Pflicht zur Aufhebung (vgl. § 42 Satz 2 SGB X) (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26. März 2015 – L 7 AS 4295/13 –, Rn. 24, juris). Die Darlegungs- und objektive Beweislast für die erfolgte Anhörung trägt der Beklagte (z.B. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2002 - B 4 RA 15/01 R - juris Rdnr. 33).

Ein während des Gerichtsverfahrens zu diesem Zweck durchzuführendes förmliches Verwaltungsverfahren liegt vor, wenn die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und sie danach zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass - ggf nach freigestellter Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs 2 Satz 2 SGG - die Behörde den Kläger in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" alle Haupttatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will und sie ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert (BSG, Urteil vom 09. November 2010 – B 4 AS 37/09 R –, SozR 4-1300 § 41 Nr 2, Rn. 15).

Eine Anhörung des Klägers zu 1) zu den subjektiven Voraussetzungen der Rücknahmeentscheidung, gestützt auf § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB X, im Widerspruchsverfahren gem. § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 – 3 SGB X (ohne konkrete Benennung der einschlägigen Ziffer) ist weder im Verwaltungsverfahren erfolgt, noch ist sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung wirksam nachgeholt worden.

Eine Heilung des Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren scheidet aus, da der Beklagte im Bescheid vom 19. Januar 2015 nicht alle Tatsachen benannt hat (insbesondere des subjektiven Vorwurfs), die zur Aufhebung der Leistungen des Klägers zu 1) geführt haben sollen. Ein Verfahrensfehler liegt dann vor, wenn die Behörde auf Grundlage der eigenen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung das Verfahrensrecht nicht folgerichtig angewendet, also trotz selbst als entscheidungserheblich interpretierter Tatsache eine Anhörung unterlassen hat (v. Wulffen/Schütze/Siefert SGB X § 24 Rn. 3-17, beck-online). In dem Rücknahmebescheid des Beklagten führt dieser aus, dass die Einkommen des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) tatsächlich höher waren als von ihnen angegeben wurden. Die fehlerhafte Bewilligung habe der Kläger durch arglistige Täuschung erwirkt.

Es fehlen jedoch gänzlich Aussagen dazu, welche entscheidungserheblichen Tatsachen, die einer arglistigen Täuschung für eine Aufhebung nach Ziffer 1 zugrunde liegen, bei dem Kläger zu 1) vorgelegen haben sollen. Es wird nicht deutlich, dass sich der subjektive Vorwurf, fehlerhafte Angaben gemacht zu haben, auch auf den Kläger zu 1) bezieht. Der Vorwurf, anderes Einkommen erzielt zu haben, als angegeben zu haben, könnte den Tatbestand des § 45 Abs. 2 S. 3 Ziffer 2 SGB X entsprechen, der jedoch nicht als Rechtsgrundlage benannt ist. Überdies fehlt es auch hier an dem subjektiven Vorwurf, nämlich bewusst unrichtige Angaben gemacht zu haben.

Es ist indes keine Frage einer ordnungsgemäßen Anhörung, ob die Entscheidung, die in Betracht gezogen wird oder ergeht, materiell rechtmäßig ist (vgl. KassKomm/Mutschler SGB X § 24 Rn. 11-15, beck-online). Vielmehr kommt es für die Bewertung der Anhörung darauf an, von welcher Rechtsgrundlage die Behörde ausgegangen ist (vgl. BSG, Urteil v. 29. 11. 2012, AZ: B 14 AS 6/12 R, Rd. 21 in NJOZ 2013, 1665, beck-online).

Soweit der Beklagte mit der Nennung auch des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X in der Widerspruchsentscheidung seine Entscheidung auf eine weitere Rechtsgrundlage stützen wollte, fehlt es ebenfalls an der vorherigen Anhörung und konnte eine Heilung im Widerspruchsverfahren nicht eintreten. Denn diese Vorschriften werden erstmals im Widerspruchsverfahren erwähnt. Will die Behörde nämlich im Widerspruchsverfahren die Entscheidung auf neue Tatsachen stützen, hat sie den Beteiligten erneut anzuhören (vergl. KassKomm/Mutschler SGB X § 24 Rn. 11-15, beck-online).

Die Heilung des Anhörungsmangels durch deren Nachholung in einem ordnungsgemäßen förmlichen Verfahren scheitert jedenfalls daran, dass der Beklagte sich nach Klageerhebung mit dem Schreiben vom 3. August 2017 nicht an den bereits im Widerspruchsverfahren beauftragten Prozessbevollmächtigten des Klägers, sondern direkt an den Kläger zu 1) gewandt hat. Denn nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X, der hier für die Nachholung des formalisierten Anhörungsverfahrens Anwendung findet, muss sich eine Behörde an den für das Verfahren bestellten Bevollmächtigten wenden; dies steht nicht in ihrem Ermessen (Mutschler in Kasseler Kommentar, § 13 SGB X RdNr 14, Stand September 2013). Diese "Kommunikationsverpflichtung" bezweckt neben einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung den Schutz des Verfahrensbeteiligten, der durch die Bevollmächtigung zu erkennen gegeben hat, dass dieser das Verfahren für ihn betreiben soll (BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 47/15 R –, BSGE 122, 25-34, SozR 4-1500 § 114 Nr 2, Rn. 21 mit Verweis auf Pitz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand 5.1.2016, § 13 RdNr 13).

Auf Grund der erteilten Prozessvollmacht konnte der Kläger darauf vertrauen, dass alle prozessrelevanten Erklärungen und Verfügungen an seinen Bevollmächtigten gerichtet werden und von ihm keine Kenntnis bzw. Reaktion erwartet werden konnte.

§ 13 Abs. 3 S 2 SGB X findet keine Anwendung, wonach sich die Behörde im Falle einer Mitwirkungsverpflichtung eines Beteiligten an diesen selbst wenden kann. Ebenso scheidet § 37 SGB X mangels Verwaltungsaktqualität des Anhörungsschreibens vom 03. August 2017 aus (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016, Rn. 22, ebd.). Im Übrigen hat sich der Beklagte auch nach (seiner Meinung nach durchgeführter) Anhörung im Gerichtsverfahren nicht zum Ergebnis der Überprüfung geäußert.

b) Der Erstattungsbescheid ist rechtswidrig, weil es nach Aufhebung des Rücknahmebescheides an einer Grundlage fehlt. Gem. § 50 Abs. 1 S. 1 sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

2) a) Der angefochtene Rücknahmebescheid vom 19. Januar 2015 bezüglich der Klägerin zu 3) ist ebenfalls wegen Verstoßes gegen die Anhörungspflicht nach § 24 SGB X rechtswidrig. Die Klägerin zu 3) war zum Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens minderjährig. Der Bescheid ging an die Klägerin zu 2) als gesetzliche Vertreterin für die Klägerin zu 3). In dem Bescheid wird auch auf Seite 1 ausgeführt, dass der Bescheid an die Klägerin zu 2) auch als gesetzliche Vertreterin der Klägerin zu 3) gerichtet ist.

Eine Heilung des Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren scheidet aus, da der Beklagte die entscheidungserheblichen Tatsachen bezüglich der Klägerin zu 3), die laut Begründung des Bescheides keinen eigenen Tatbestand verwirklicht hat, nicht mitgeteilt hat. Eine Nachholung im Klageverfahren der inzwischen volljährigen Klägerin zu 3) ist ebenfalls nicht wirksam erfolgt. Der Beklagte hat sich nach Klageerhebung mit dem Schreiben vom 3. August 2017 nicht an den bereits im Widerspruchsverfahren beauftragten Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 3), sondern direkt an die Klägerin zu 3) gewandt (vgl. Ausführungen unter a)).

Im Übrigen hat sich der Beklagte auch nach (seiner Meinung nach durchgeführter) Anhörung im Gerichtsverfahren nicht zum Ergebnis der Überprüfung geäußert.

b) Der Erstattungsbescheid ist rechtswidrig, weil es nach Aufhebung des Rücknahmebescheides an einer Grundlage fehlt. Gem. § 50 Abs. 1 S. 1 sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

3) a) Hinsichtlich der Klage der Klägerin zu 2) hat die Kammer bereits Bedenken an dem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Die Klägerin ist rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe wegen gewerbsmäßigen Betruges u.a. verurteilt worden und hat als Auflage des Gerichts zur Wiedergutmachung des Schadens auferlegt bekommen, monatlich in Raten von 50 Euro ab 1. März 2016 auf den Schaden des Beklagten zu leisten. Nach diesem Schreiben des Amtsgerichts wurde der Beklagte aufgefordert, dem Gericht umgehend mitzuteilen, wenn die Klägerin zu 2) im Falle einer Säumnis binnen vier Wochen nach Mahnung nicht weiterzahle. Fraglich erscheint hier insbesondere das Verhältnis einer Bewährungsauflage zur Wiedergutmachung eines Schadens mit einer fortwährenden Pflicht zur Zahlung an den Beklagten zur Frage der (formellen und materiellen) Rechtmäßigkeit der Rücknahme- und Erstattungsbescheide, die aufgrund des entstandenen und eingeräumten Schadens ergangen sind.

b) Jedenfalls ist die Klage auch unbegründet. Es liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme der Leistungen der Klägerin zu 2) aus den Bewilligungsbescheiden vom 1. Oktober 2008 in der letzten Fassung des Änderungsbescheides vom 7. April 2009, vom 7. Januar 2009 in der letzten Fassung des Änderungsbescheides vom 7. April 2009, vom 2. Juni 2009 in der Fassung des letzten Änderungsbescheides vom 3. September 2009, vom 8. Dezember 2009 in der Fassung des letzten Änderungsbescheides vom 3. März 2010, vor.

Der Bescheid vom 19. Januar 2015 ist hinsichtlich der Rücknahme der Leistungen gegenüber der Klägerin zu 2) rechtmäßig. Er ist auch formell rechtmäßig. Die vor Erlass des Bescheides unterbliebene Anhörung gem. § 24 Abs. 1 SGB X ist im Widerspruchsverfahren geheilt worden, § 41 Abs. 1 Ziffer 3 SGB X.

Die Klägerin ist zu den entscheidungserheblichen Tatsachen im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden. Sie hatte Gelegenheit, aufgrund des Bescheides vom 19. Januar 2015 im anschließenden Widerspruchsverfahren Stellung zu nehmen. Dem Bescheid war die zutreffende Rechtsgrundlage zu entnehmen und auch, aus welchen Gründen der Beklagte hier einen Ausschluss des Vertrauensschutzes annahm und damit die Möglichkeit der Rücknahme für die Vergangenheit. Die Klägerin hatte somit im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. April 2017 – L 8 R 1083/14 –, Rn. 46, juris). Von dem Recht der Stellungnahme hat die durch den Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin keinen Gebrauch gemacht, bevor der Widerspruchsbescheid ergangen ist.

In dem Rücknahmebescheid des Beklagten führt dieser aus, dass die Einkommen des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) tatsächlich höher waren als von ihnen angegeben wurden. Die fehlerhafte Bewilligung hätten die Kläger durch arglistige Täuschung erwirkt. Zwar führt auch hier der Beklagte nicht aus, was genau sich hinter dem Vorwurf der arglistigen Täuschung als Tatsachen verbirgt. Jedoch handelt es sich im Falle der Klägerin zu 2) um die Person, die die Anträge bei dem Beklagten gestellt hatte und gegen die aufgrund eingestandener gefälschter Einkommensbescheinigungen ein Strafverfahren und Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet war. Durch die ausdrückliche Verankerung des Rechts auf Anhörung vor Erlass eines in seine Rechte eingreifenden VA soll das Vertrauen der Versicherten bzw. Leistungsbezieher in eine unvoreingenommene, unparteiliche sowie ergebnisoffene und sorgfältige Verfahrensleitung der Sozialverwaltung gesichert und die Stellung der Betroffenen insbesondere durch den Schutz vor Überraschungsentscheidungen gestärkt werden (v. Wulffen/Schütze/Siefert SGB X § 24 Rn. 2-2a, beck-online). Dieser Schutzzweck wird im Falle der Klägerin trotz der kurzen Ausführungen zu den entscheidungsrelevanten Tatsachen gewahrt.

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, sofern das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig ist, weil der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat.

Die Klägerin hat bewusst ihre Einkommensbescheinigungen und die ihres Ehemannes, des Klägers zu 1), in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu ihren Gunsten verändert und anschließend bei dem Beklagten eingereicht, mit dem Ziel, Leistungen für ihre Bedarfsgemeinschaft zu erhalten. Sie hat damit über die tatsächlichen Einkommensverhältnisse der Bedarfsgemeinschaft getäuscht. Eine Täuschung ist jede Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen, mit dem Ziel eine Fehlvorstellung über Tatsachen hervorzurufen. Die Klägerin hat durch ihre falschen Angaben bei dem Beklagten eine fehlerhafte Vorstellung vom Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft hervorgerufen. Dieser hat in dem streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund dieser Fehlvorstellungen Leistungen nach dem SGB II gewährt. Das Verhalten der Klägerin zu 2) war auch arglistig, weil vorsätzlich. Die rechtskräftige Verurteilung der Klägerin unter anderem wegen Betruges und ihre geständige Einlassung bestätigen die fehlende Schutzwürdigkeit der Klägerin zu 2).

Die Höhe der aufgehobenen Beträge entspricht den zuvor bewilligten Leistungsbeträgen an die Klägerin zu 2) aus den Bewilligungsentscheidungen.

Es ergibt sich unter Anrechnung des Einkommens kein Leistungsanspruch der Klägerin zu 2). Die von den Klägern geltend gemachte Nichtanrechnung der gezahlten Auslöse des Arbeitgebers des Klägers zu 1) bzw. des Abzugs weiterer Werbungskosten für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungen greifen nicht. Gem. § 11 lit a) Abs. 3 SGB II in der seit 1. April 2011 geltenden Fassung sieht vor, dass nur zweckbestimmte Einnahmen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage als Einnahmen unberücksichtigt bleiben unter den weiteren Voraussetzungen. Seit dem 1. April 2011 gibt es eine Privilegierung von zweckbestimmten privaten Einnahmen nicht mehr, sondern gelten diese generell als Einkommen.

Aus der Klassifizierung als Einnahmen folgt, dass tatsächliche und notwendige Verpflegungsmehraufwendungen sowie von Übernachtungskosten bei der Einkommensbereinigung zu berücksichtigen wären. Als Nachweis von erhöhten Aufwendungen haben die Kläger eine Gesamtauflistung von Werbungkosten in den Jahren 2009 bis 2013 getrennt nach Klägern vorgenommen. Hiernach entstanden im gesamten Jahr 2010 bei dem Kläger zu 1) für Reisekosten/Auswärtstätigkeit 2.983 Euro, im Jahr 2011 1.704 Euro. Verpflegungsmehraufwendungen sind erst ab dem Jahr 2012 ausgewiesen. Eine genaue Aufschlüsselung dieser Kosten erfolgte nicht, auch nicht nach dem Hinweis in der nichtöffentlichen Verhandlung vom 28. Juni 2017. Dort wies die Kammervorsitzende auch darauf hin, dass – sofern eine spezielle Zweckbestimmung nicht nachgewiesen wird – die tatsächlichen Aufwendungen für die auswärtige Tätigkeit nachzuweisen wären, wobei aufgrund einer sogenannten Indizwirkung auch einzelne Monate bei relativ gleichbleibenden monatlichen Aufwendungen ausreichend sein dürften.

Nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 3 ALG II-VO werden pauschal 6 Euro bei einer Abwesenheit von mindestens 12 Stunden im Rahmen der Werbungskosten als Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt. Dies hat der Beklagte nicht in seiner Entscheidung berücksichtigt. Aus den Einkommensbescheinigungen des Arbeitgebers des Klägers ergab sich auch nicht die Anzahl der tageweisen Abwesenheit des Klägers zu 1). Ob die Regelung verfassungskonform auszulegen ist (Öffnungsklausel, vgl. BSG vom 11.12.2012, ebd.) bis zur Höhe der Sätze des Bundesreisekostengesetzes kann dahinstehen mangels tatsächlicher Nachweise, die über den Pauschbetrag von 6 Euro hinausgehen. Es ergibt sich aus der Jahresaufstellung der Werbungskosten der Kläger nicht, ob in der Kostenposition Reisekosten/Auswärtstätigkeit auch Verpflegungsmehraufwand enthalten ist. Dagegen spricht, dass diese Kostenposition ausdrücklich ab 2012 eigenständig aufgeführt wird.

Ausgehend von 6 Euro pro Tag ergeben sich nach dem Gerichtsverfahren eingereichten Entgeltbescheinigungen des Klägers zu 1) in folgenden Monaten weitere Absetzbeträge: im August 2010 12 Euro für 2 Tage, im September 2010 60 Euro für 10 Tage, im November 2010: 12 Euro für 2 Tage, im Dezember 2010 42 Euro für 7 Tage, im Januar 2011 102 Euro für 17 Tage, im Februar 2011 96 Euro für 16 Tage, im März 2011 114 Euro für 19 Tage, im April 2011 126 Euro 21 Tage, im Mai 2011 120 Euro für 20 Tage und im Juni 2011 102 Euro für 17 Tage. Unter Berücksichtigung dieser weiteren Freibeträge ergibt sich weiterhin kein Anspruch auf Leistungen aufgrund übersteigenden Einkommens. Bei einem Gesamtbedarf von 1.489,27 Euro der Bedarfsgemeinschaft ab August 2010 steht dem nunmehr anzurechnendes Gesamteinkommen im August 2010 von 1.803,24 Euro gegenüber, im September 2010 ein Gesamteinkommen von 1.978,66 Euro, im November 2010 von 1.840,60 Euro, im Dezember 2010 1.740,22 Euro, bei einem Gesamtbedarf von 1.498,88 Euro ab Januar 2011 im Januar 2011 ein Gesamteinkommen von 2.558,15 Euro, im Februar 2011 von 2.552,10 Euro, im März 2011 von 2.232,33 Euro, im April 2011 von 2.139,99 Euro, im Mai 2011 von 2.821,25 Euro und im Juni 2011 von 2.717,12 Euro gegenüber.

Welche konkreten Reisekosten über die einbezogenen Freibeträge noch in der Aufschlüsselung der Werbekosten durch die Kläger enthalten sind, haben die Kläger nicht konkretisiert und konnten nicht berücksichtigt werden.

c) Der Erstattungsbescheid ist rechtmäßig und folgt aus § 50 SGB X. Eine Reduzierung der Erstattungssumme hinsichtlich der Kosten der Unterkunft im Rahmen von § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II (a. F. bis 31.12.2015) war wegen der einschlägigen Norm des § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB X gem. Satz 2 ausgeschlossen.

4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Anteil des Obsiegens der Kläger.

Rechtsmittelbelehrung:

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Försterweg 2-6 14482 Potsdam,

schriftlich, in elektronischer Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem

Sozialgericht Potsdam Rubensstraße 8 14467 Potsdam,

schriftlich, in elektronischer Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Auf Antrag kann vom Landessozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats, nach Zustellung des Gerichtsbescheides bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Lehnt das Landessozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.

Tichy
Die Vorsitzende der 49. Kammer
Rechtskraft
Aus
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