Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 3633/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 in der Gestalt der vier Widerspruchsbescheide vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014 werden aufgehoben, soweit die Kläger ihre Klage nicht zurückgenommen haben. Der Beklage trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 in der Gestalt von vier Widerspruchsbescheiden vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheiden vom 25.08.2014. Betroffen ist der Zeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2012 (nachdem die zunächst auch für den Monat 6/2012 ausgesprochene Aufhebung und Erstattung mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 25.08.2014 wieder aufgehoben wurde). Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kläger sodann die Klage insoweit zurückgenommen, als die Aufhebung und Erstattung für den Monat Mai 2012 betroffen ist (jeweils 27,85 EUR für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2)).
Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) beziehen als Bedarfsgemeinschaft seit 2010 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).
Im November 2011 reichte der Kläger zu 2) einen Arbeitsvertrag mit der Firma K Transporte ein, nach dem er dort seit dem 01.12.2010 beschäftigt sei. Gleichfalls im November 2011 reichte der Kläger zu 2) eine Erklärung seines Arbeitsgebers ein, nach der er Krankengeld beziehe. Trotz Aufforderung des Beklagten legte der Kläger zu 2) keine Nachweise über das erzielte Krankengeld vor; er legte jedoch zwei Verdienstbescheinigungen für Dezember 2010 und Februar 2011 vor. Mit Schreiben vom 23.03.2011 teilte die Krankenkasse sodann die abstrakt für die jeweiligen Zeiträume bewilligten Krankengeldbezüge mit.
Mit zwei Bescheiden vom 18.06.2012 hob der Beklagte zunächst für die Zeit von Dezember 2010 bis April 2012 die Bewilligung auf und forderte einen Betrag in Höhe von 8.916,54 EUR (Klägerin zu 1) bzw. 8.936,31 EUR (Kläger zu 2) zurück. Der Kläger zu 2) habe während dieses Zeitraums Krankengeld erzielt, was erst verspätet habe berücksichtigt werden können.
Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch.
Der Kläger zu 2) legte trotz mehrfacher Aufforderungen des Beklagten keine Nachweise über das von ihm erzielte Krankengeld bzw. Gehalt vor. Nachdem der Kläger zu 2) die angeforderten Nachweise trotz mehrfacher Aufforderungen mit Fristsetzungen gleichwohl nicht vorlegte, forderte der Beklagte die Nachweise bei der Krankenkasse und dem Arbeitgeber an. Die Krankenkasse übersandte dann im März 2014 die Zahlungsnachweise. Der Arbeitgeber übersandte im April 2014 die Verdienstbescheinigung für Januar 2011 und erklärte, dass die Gehälter jeweils noch im laufenden Monat ausgezahlt worden seien.
Mit Abhilfebescheiden vom 10.04.2014 und 23.04.2014 hob der Beklagte die Bescheide vom 18.06.2012 auf (wörtlich zwar nur gerichtet an die Klägerin zu 1), inhaltlich betroffen ist - unstreitig - aber auch der Kläger zu 2)).
Am 13.05.2014 erließ der Beklagte nach Anhörung insgesamt sechs neue Aufhebungs- und Erstattungsbescheide für die Zeit vom 01.12.2010 bis 30.06.2012:
Klägerin zu 1) 12/2010 – 2/2011 1.185,07 EUR Einkommen des Klägers zu 2) bei Transport K Kläger zu 2) 12/2010 – 2/2011 1.193,81 EUR Einkommen des Klägers zu 2) Transport K
Klägerin zu 1) 3/2011 – 5/2011 1.465,37EUR Krankengeld des Kläger zu 2) Kläger zu 2) 3/2011 – 5/2011 1.478,45 EUR Krankengeld des Klägers zu 2)
Klägerin zu 1) 6/2011 bis 6/2012 5.368,37EUR (höheres) Krankengeld des Klägers zu 2) (Aufhebung und Erstattung für 6/2012 durch Widerspruchsbescheid aufgehoben: 162,95 EUR) Kläger zu 2) 6/2011 bis 6/2012 5.398,92 EUR höheres Krankengeld des Klägers zu 2) (Aufhebung und Erstattung für 6/2012 durch Widerspruchsbescheid aufgehoben: 162,94 EUR)
Gegen die sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide erhoben die Kläger Widerspruch.
Die Widersprüche wurden mit vier Widerspruchsbescheiden (WB) vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheiden vom 25.08.2014 - alle eingegangen am 26.08.2014 - (teilweise) zurückgewiesen.
WB 21.08.2014 Klägerin zu 1) 12/2010 bis 2/2011 Einkommen des Klägers zu 2) bei Transport K WB 21.08.2014 Kläger zu 2) 12/2010 bis 2/2011 Einkommen des Klägers zu 2) bei Transport K
WB 21.08.2014 Klägerin zu 1) 3/2011 bis 5/2011 Krankengeld des Klägers zu 2) WB 21.08.2014 Kläger zu 2) 3/2011 bis 5/2011 Krankengeld des Klägers zu 2)
WB 25.08.2014 Klägerin zu 1) 5/2011 bis 6 bzw. 5/2012 (höheres) Krankengeld des Klägers zu 2) WB 25.08.2014 Kläger zu 2) 5/2011 bis 6 bzw. 5/2012 (höheres) Krankengeld des Klägers zu 2)
Die Kläger haben am 25.09.2014 Klage erhoben.
Sie meinen, die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit § 48 Abs. 4 S. 1 SGB X sei nicht gewahrt. Die Jahresfrist beginne in jedem Fall schon dann, wenn die Behörde der Ansicht sei, dass die ihr vorliegenden Tatsachen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung genügen würden. Dies sei hier mit Erlass der ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 18.06.2012 der Fall gewesen. Die Frist habe also am 18.06.2013 geendet, die angefochtenen Bescheide seien jedoch erst am 13.05.2014 und damit nach Fristablauf erlassen worden.
Die Kläger haben im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage insoweit zurückgenommen, als die Aufhebung und Erstattung für den Monat Mai 2012 betroffen ist. Dieser Monat war von den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 18.06.2012 nicht betroffen, so dass die Kläger die Jahresfrist insoweit als gewahrt ansehen.
Die Kläger beantragen sodann,
die sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 in der Gestalt der vier Widerspruchsbescheide vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014 aufzuheben, soweit die Kläger die Klage nicht zurückgenommen haben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Jahresfrist sei gewahrt. Die gesamten, für die Aufhebung relevanten Tatsachen seien erst im März 2014 bzw. April 2014 bekannt gewesen. Die Jahresfrist hänge nicht von subjektiven Voraussetzungen oder voreiligen Verwaltungsakten ab, sondern allein von der objektiven Rechtslage und Kenntnis der objektiv erforderlichen Tatsachen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Die sechs Aufhebungs- Erstattungsbescheide des Beklagten vom 13.05.2014 in der Gestalt der vier Widerspruchsbescheide vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014 sind - soweit die Kläger die Klage nicht zurückgenommen haben (Monat Mai 2012) - rechtswidrig und beschweren die Kläger in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Aufhebung dieser Bescheide, soweit sie ihre Klage nicht zurückgenommen haben.
Die sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 in der Gestalt der vier Widerspruchsbescheide vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014 sind an den gesetzlichen Vorgaben der §§ 45, 48 SGB X in Verbindung mit §§ 330 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III), § 40 Abs. SGB II zu messen. Dabei kann für die Entscheidung dahin stehen, welche dieser Normen (§ 45 oder (auch) § 48 SGB X) – ggf. für welchen Bewilligungszeitraum – anwendbar sind. Unabhängig davon sind die Bescheide deshalb rechtswidrig, weil die Frist aus § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X, der auch bei Anwendung des § 48 SGB X als Ermächtigungsgrundlage nach § 48 Abs. 4 S. 1 SGB X zur Anwendung gelangt, nicht gewahrt ist.
Nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X muss die Behörde, wenn sie einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknimmt bzw. aufhebt, dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme bzw. Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind für den bezeichneten Zeitraum nicht erfüllt.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG Urteil vom 06.04.2006 – B 7a AL 64/05 R, juris mit weiteren Nachweisen) beginnt der Einjahreszeitraum in jedem Falle schon dann, wenn die Behörde der Ansicht ist, dass die ihr vorliegenden Tatsachen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung genügen. Dies war spätestens am 18.06.2012 der Fall, weil der Beklagte die Bewilligung bereits mit Bescheid vom 18.06.2012 für den (nach teilweiser Klagerücknahme) noch streitgegenständlichen Zeitraum 12/2010 bis 4/2012 erstmals aufgehoben hatte. Dass sich diese Bescheide durch den Erlass der Abhilfebescheide aus April 2014 erledigt haben, ändert nichts daran, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die Jahresfrist verstrichen war. Der Beklagte hätte vielmehr, wenn er der Ansicht war, seine früheren Bescheide seien rechtswidrig und müssten deshalb zurückgenommen oder ersetzt werden, einen neuen Bescheid bzw. neue Bescheide innerhalb der Jahresfrist erlassen müssen. Dies gebietet der Sinn der Jahresfrist, die nicht dem Vertrauensschutz, sondern der Rechtssicherheit dient. Die nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X erforderliche Kenntnis ist somit jedenfalls dann gegeben, wenn die Behörde - auch irrtümlich (wie hier) - subjektiv überzeugt ist, dass die ihr vorliegenden Tatsachen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung genügen (v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 83). Das Fristerfordernis erschöpft sich somit nicht darin, die Verwaltung zu einer (ersten) Entscheidung über die Rücknahme zu veranlassen, sondern begrenzt in zeitlicher Hinsicht zugleich auch den Erlass weiterer, den Erstbescheid ersetzender Entscheidungen. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten kommt es bei der Bestimmung des Fristbeginns also auf die subjektiven Voraussetzungen sehr wohl an.
Vor diesem Hintergrund war die Jahresfrist ein Jahr nach Erlass der ersten Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 18.06.2012 am 18.06.2013 bereits abgelaufen. Die sechs (neuen) Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 wahren die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X damit nicht. Sie waren daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 Abs. 1 S. 1, 193 SGG. Die Kläger haben die Klage insoweit zurückgenommen, als die Aufhebung und Erstattung für den Monat Mai 2012 betroffen war. Insoweit wären sie – im Falle der Antragstellung – voraussichtlich unterlegen, da die Voraussetzungen für die Aufhebung- und Erstattung im Hinblick auf das erzielte Einkommen des Klägers zu 2) in Form von Arbeitslohn bzw. Krankengeld im Übrigen voraussichtlich vorgelegen haben und insoweit auch die Jahresfrist gewahrt war. Denn der Monat Mai 2012 war von den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 18.06.2012 nicht betroffen. Im Hinblick auf das etwaige, nur geringfügige Unterliegen der Kläger bezogen auf das ursprüngliche Klagebegehren war nach Ansicht der Kammer eine Kostenquote nicht zu bilden. Denn der Monat Mai 2012 betrifft nur jeweils 27,85 EUR für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2). Diese Summe fällt im Hinblick auf die verbleibende Aufhebung und Erstattungsforderung in Höhe von über 15.000 EUR nicht ins Gewicht.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 in der Gestalt von vier Widerspruchsbescheiden vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheiden vom 25.08.2014. Betroffen ist der Zeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2012 (nachdem die zunächst auch für den Monat 6/2012 ausgesprochene Aufhebung und Erstattung mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 25.08.2014 wieder aufgehoben wurde). Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kläger sodann die Klage insoweit zurückgenommen, als die Aufhebung und Erstattung für den Monat Mai 2012 betroffen ist (jeweils 27,85 EUR für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2)).
Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) beziehen als Bedarfsgemeinschaft seit 2010 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).
Im November 2011 reichte der Kläger zu 2) einen Arbeitsvertrag mit der Firma K Transporte ein, nach dem er dort seit dem 01.12.2010 beschäftigt sei. Gleichfalls im November 2011 reichte der Kläger zu 2) eine Erklärung seines Arbeitsgebers ein, nach der er Krankengeld beziehe. Trotz Aufforderung des Beklagten legte der Kläger zu 2) keine Nachweise über das erzielte Krankengeld vor; er legte jedoch zwei Verdienstbescheinigungen für Dezember 2010 und Februar 2011 vor. Mit Schreiben vom 23.03.2011 teilte die Krankenkasse sodann die abstrakt für die jeweiligen Zeiträume bewilligten Krankengeldbezüge mit.
Mit zwei Bescheiden vom 18.06.2012 hob der Beklagte zunächst für die Zeit von Dezember 2010 bis April 2012 die Bewilligung auf und forderte einen Betrag in Höhe von 8.916,54 EUR (Klägerin zu 1) bzw. 8.936,31 EUR (Kläger zu 2) zurück. Der Kläger zu 2) habe während dieses Zeitraums Krankengeld erzielt, was erst verspätet habe berücksichtigt werden können.
Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch.
Der Kläger zu 2) legte trotz mehrfacher Aufforderungen des Beklagten keine Nachweise über das von ihm erzielte Krankengeld bzw. Gehalt vor. Nachdem der Kläger zu 2) die angeforderten Nachweise trotz mehrfacher Aufforderungen mit Fristsetzungen gleichwohl nicht vorlegte, forderte der Beklagte die Nachweise bei der Krankenkasse und dem Arbeitgeber an. Die Krankenkasse übersandte dann im März 2014 die Zahlungsnachweise. Der Arbeitgeber übersandte im April 2014 die Verdienstbescheinigung für Januar 2011 und erklärte, dass die Gehälter jeweils noch im laufenden Monat ausgezahlt worden seien.
Mit Abhilfebescheiden vom 10.04.2014 und 23.04.2014 hob der Beklagte die Bescheide vom 18.06.2012 auf (wörtlich zwar nur gerichtet an die Klägerin zu 1), inhaltlich betroffen ist - unstreitig - aber auch der Kläger zu 2)).
Am 13.05.2014 erließ der Beklagte nach Anhörung insgesamt sechs neue Aufhebungs- und Erstattungsbescheide für die Zeit vom 01.12.2010 bis 30.06.2012:
Klägerin zu 1) 12/2010 – 2/2011 1.185,07 EUR Einkommen des Klägers zu 2) bei Transport K Kläger zu 2) 12/2010 – 2/2011 1.193,81 EUR Einkommen des Klägers zu 2) Transport K
Klägerin zu 1) 3/2011 – 5/2011 1.465,37EUR Krankengeld des Kläger zu 2) Kläger zu 2) 3/2011 – 5/2011 1.478,45 EUR Krankengeld des Klägers zu 2)
Klägerin zu 1) 6/2011 bis 6/2012 5.368,37EUR (höheres) Krankengeld des Klägers zu 2) (Aufhebung und Erstattung für 6/2012 durch Widerspruchsbescheid aufgehoben: 162,95 EUR) Kläger zu 2) 6/2011 bis 6/2012 5.398,92 EUR höheres Krankengeld des Klägers zu 2) (Aufhebung und Erstattung für 6/2012 durch Widerspruchsbescheid aufgehoben: 162,94 EUR)
Gegen die sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide erhoben die Kläger Widerspruch.
Die Widersprüche wurden mit vier Widerspruchsbescheiden (WB) vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheiden vom 25.08.2014 - alle eingegangen am 26.08.2014 - (teilweise) zurückgewiesen.
WB 21.08.2014 Klägerin zu 1) 12/2010 bis 2/2011 Einkommen des Klägers zu 2) bei Transport K WB 21.08.2014 Kläger zu 2) 12/2010 bis 2/2011 Einkommen des Klägers zu 2) bei Transport K
WB 21.08.2014 Klägerin zu 1) 3/2011 bis 5/2011 Krankengeld des Klägers zu 2) WB 21.08.2014 Kläger zu 2) 3/2011 bis 5/2011 Krankengeld des Klägers zu 2)
WB 25.08.2014 Klägerin zu 1) 5/2011 bis 6 bzw. 5/2012 (höheres) Krankengeld des Klägers zu 2) WB 25.08.2014 Kläger zu 2) 5/2011 bis 6 bzw. 5/2012 (höheres) Krankengeld des Klägers zu 2)
Die Kläger haben am 25.09.2014 Klage erhoben.
Sie meinen, die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit § 48 Abs. 4 S. 1 SGB X sei nicht gewahrt. Die Jahresfrist beginne in jedem Fall schon dann, wenn die Behörde der Ansicht sei, dass die ihr vorliegenden Tatsachen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung genügen würden. Dies sei hier mit Erlass der ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 18.06.2012 der Fall gewesen. Die Frist habe also am 18.06.2013 geendet, die angefochtenen Bescheide seien jedoch erst am 13.05.2014 und damit nach Fristablauf erlassen worden.
Die Kläger haben im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage insoweit zurückgenommen, als die Aufhebung und Erstattung für den Monat Mai 2012 betroffen ist. Dieser Monat war von den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 18.06.2012 nicht betroffen, so dass die Kläger die Jahresfrist insoweit als gewahrt ansehen.
Die Kläger beantragen sodann,
die sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 in der Gestalt der vier Widerspruchsbescheide vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014 aufzuheben, soweit die Kläger die Klage nicht zurückgenommen haben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Jahresfrist sei gewahrt. Die gesamten, für die Aufhebung relevanten Tatsachen seien erst im März 2014 bzw. April 2014 bekannt gewesen. Die Jahresfrist hänge nicht von subjektiven Voraussetzungen oder voreiligen Verwaltungsakten ab, sondern allein von der objektiven Rechtslage und Kenntnis der objektiv erforderlichen Tatsachen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Die sechs Aufhebungs- Erstattungsbescheide des Beklagten vom 13.05.2014 in der Gestalt der vier Widerspruchsbescheide vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014 sind - soweit die Kläger die Klage nicht zurückgenommen haben (Monat Mai 2012) - rechtswidrig und beschweren die Kläger in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Aufhebung dieser Bescheide, soweit sie ihre Klage nicht zurückgenommen haben.
Die sechs Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 in der Gestalt der vier Widerspruchsbescheide vom 21.08.2014 und zwei Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014 sind an den gesetzlichen Vorgaben der §§ 45, 48 SGB X in Verbindung mit §§ 330 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III), § 40 Abs. SGB II zu messen. Dabei kann für die Entscheidung dahin stehen, welche dieser Normen (§ 45 oder (auch) § 48 SGB X) – ggf. für welchen Bewilligungszeitraum – anwendbar sind. Unabhängig davon sind die Bescheide deshalb rechtswidrig, weil die Frist aus § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X, der auch bei Anwendung des § 48 SGB X als Ermächtigungsgrundlage nach § 48 Abs. 4 S. 1 SGB X zur Anwendung gelangt, nicht gewahrt ist.
Nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X muss die Behörde, wenn sie einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknimmt bzw. aufhebt, dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme bzw. Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind für den bezeichneten Zeitraum nicht erfüllt.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG Urteil vom 06.04.2006 – B 7a AL 64/05 R, juris mit weiteren Nachweisen) beginnt der Einjahreszeitraum in jedem Falle schon dann, wenn die Behörde der Ansicht ist, dass die ihr vorliegenden Tatsachen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung genügen. Dies war spätestens am 18.06.2012 der Fall, weil der Beklagte die Bewilligung bereits mit Bescheid vom 18.06.2012 für den (nach teilweiser Klagerücknahme) noch streitgegenständlichen Zeitraum 12/2010 bis 4/2012 erstmals aufgehoben hatte. Dass sich diese Bescheide durch den Erlass der Abhilfebescheide aus April 2014 erledigt haben, ändert nichts daran, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die Jahresfrist verstrichen war. Der Beklagte hätte vielmehr, wenn er der Ansicht war, seine früheren Bescheide seien rechtswidrig und müssten deshalb zurückgenommen oder ersetzt werden, einen neuen Bescheid bzw. neue Bescheide innerhalb der Jahresfrist erlassen müssen. Dies gebietet der Sinn der Jahresfrist, die nicht dem Vertrauensschutz, sondern der Rechtssicherheit dient. Die nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X erforderliche Kenntnis ist somit jedenfalls dann gegeben, wenn die Behörde - auch irrtümlich (wie hier) - subjektiv überzeugt ist, dass die ihr vorliegenden Tatsachen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung genügen (v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 83). Das Fristerfordernis erschöpft sich somit nicht darin, die Verwaltung zu einer (ersten) Entscheidung über die Rücknahme zu veranlassen, sondern begrenzt in zeitlicher Hinsicht zugleich auch den Erlass weiterer, den Erstbescheid ersetzender Entscheidungen. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten kommt es bei der Bestimmung des Fristbeginns also auf die subjektiven Voraussetzungen sehr wohl an.
Vor diesem Hintergrund war die Jahresfrist ein Jahr nach Erlass der ersten Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 18.06.2012 am 18.06.2013 bereits abgelaufen. Die sechs (neuen) Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13.05.2014 wahren die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X damit nicht. Sie waren daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 Abs. 1 S. 1, 193 SGG. Die Kläger haben die Klage insoweit zurückgenommen, als die Aufhebung und Erstattung für den Monat Mai 2012 betroffen war. Insoweit wären sie – im Falle der Antragstellung – voraussichtlich unterlegen, da die Voraussetzungen für die Aufhebung- und Erstattung im Hinblick auf das erzielte Einkommen des Klägers zu 2) in Form von Arbeitslohn bzw. Krankengeld im Übrigen voraussichtlich vorgelegen haben und insoweit auch die Jahresfrist gewahrt war. Denn der Monat Mai 2012 war von den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 18.06.2012 nicht betroffen. Im Hinblick auf das etwaige, nur geringfügige Unterliegen der Kläger bezogen auf das ursprüngliche Klagebegehren war nach Ansicht der Kammer eine Kostenquote nicht zu bilden. Denn der Monat Mai 2012 betrifft nur jeweils 27,85 EUR für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2). Diese Summe fällt im Hinblick auf die verbleibende Aufhebung und Erstattungsforderung in Höhe von über 15.000 EUR nicht ins Gewicht.
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