L 7 SF 2517/18 AB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SF 2517/18 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht B. wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin hat keinen Erfolg.

Für die Ablehnung von Gerichtspersonen gilt über die Bestimmung des § 60 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Vorschrift des § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Das am 18. Juni 2018 eingegangene Ablehnungsgesuch richten sich gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht B., wie es die Klägerin in ihrem Schreiben ausdrücklich formuliert hat. Das Ablehnungsgesuch ist jedenfalls unbegründet.

Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur vor, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der den am Verfahren Beteiligten auch von seinem Standpunkt befürchten lassen muss, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich "befangen" ist; entscheidend ist vielmehr ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei verständiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 73, 330, 335; Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1500 § 60 Nr. 1). Die rein subjektive Besorgnis, für die bei objektiv feststellbaren Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (vgl. BSG SozR 1500 § 60 Nr. 3; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 50, 36, 39). Unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen oder Tatsachenwürdigungen eines Richters sind nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2010 - B 4 AS 97/10 B (juris Rdnr. 6); BVerwG Buchholz 303 § 43 ZPO Nr. 1). Es müssen vielmehr objektive Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass eine mögliche Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten beruht oder willkürlich im Sinne einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 4 (Rdnr. 13)). Ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann kein Ablehnungsgesuch begründen (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 4 (Rdnr. 13)). Die Richterablehnung dient nicht dazu, für unliebsam gehaltene Richter auszuschalten. Denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Stattgabe des Ablehnungsgesuchs ein anderer als der gesetzlich vorgesehene Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) ohne oder sogar gegen den Willen der anderen Beteiligten zur Entscheidung berufen wird. Ein Ablehnungsgesuch, das allein den Zweck verfolgt, eine abgelehnte Terminverlegung zu erzwingen, ist grundsätzlich rechtsmissbräuchlich (BSG, Beschluss vom 7. Dezember 2017 - B 5 R 208/17 B - juris Rdnr. 14; Beschluss vom 22. Juni 2015 - B 9 SB 72/14 B - juris Rdnr. 12; Beschluss vom 26. Mai 2014 - B 12 KR 67/13 B - juris Rdnr. 9).

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine Anhaltspunkte, die bei vernünftiger Betrachtung auf eine Parteilichkeit des abgelehnten Richters hindeuten könnten. Insbesondere ihr Vorbringen, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht B. sei befangen, weil er ihr mitgeteilt habe, dass der auf den 18. Juli 2018 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung trotz der von ihr vorgelegten "medizinischen Atteste" nicht verlegt werde, sie in einem Telefongespräch mit dem abgelehnten Richter das Gefühl bekommen habe, dieser wolle sie schnell abfertigen und dafür bestrafen, dass das Verfahren verzögert worden sei, über ihren Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden worden sei, er im Sinne einer Klageabweisung voreingenommen sei und die mündliche Verhandlung nur pro forma durchführen wolle, gibt bei verständiger Würdigung aller Umstände aus Sicht eines am Verfahren Beteiligten keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu zweifeln.

Zunächst ist die Verfahrensweise des Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht B. nicht zu beanstanden. Aus den Akten ergibt sich, dass der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht B. - nachdem der Termin zur mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2018 auf Antrag der Klägerin verlegt worden ist - durch Verfügung vom 8. Juni 2018 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. Juli 2018 bestimmt und es der Klägerin freigestellt hat, zu der Verhandlung zu erscheinen oder sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen. Die Ladung ist der Klägerin am 13. Juni 2018 zugestellt worden. Am 22. Juni 2018 hat die Klägerin telefonisch mitgeteilt, dass sie "krankgeschrieben" sei und es ihr schlecht gehe (Aktenvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 22. Juni 2018). Sie ist darum gebeten worden, einen Antrag auf Terminsaufhebung schriftlich einzureichen. Mit Schreiben vom 26. Juni 2018 hat Vorsitzender Richter am Landessozialgericht B. darauf hingewiesen, dass eine Aufhebung des Termins erfolgen könne, wenn die Klägerin ein amtsärztliches Attest vorlege, in welchem bescheinigt werde, dass sie an der Verhandlung am 19. Juli 2018 aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen können. Nachdem das Gesundheitsamt des Landratsamtes K. sich nicht in der Lage gesehen hatte, eine entsprechende Stellungnahme rechtzeitig vor dem anberaumten Termin zu erstellen (vgl. Schreiben vom 4. Juli 2018), hat der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht B. den Auftrag zu einer amtsärztlichen Begutachtung durch das Gesundheitsamt aufgehoben. Er hat mit Schreiben vom 9. Juli 2018 die Klägerin für den Fall der Aufrechterhaltung ihres Terminverlegungsantrages aufgefordert, unverzüglich eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, aus der sich ergibt, wann die Klägerin zuletzt behandelt worden ist, welche Befunde erhoben und welche Diagnosen gestellt worden sind und wie sich diese auf ihre Fähigkeiten, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, auswirken. Am 13. Juli 2017 hat die Klägerin sodann eine "Ärztliche Stellungnahme" der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. vom 4. Juli 2018, eine "Ärztliche Bescheinigung" des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie v.d.L. vom 5. Juli 2018, ein "Ärztliches Attest" des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 22. Mai 2018 sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Dr. L. vom 22. Juni 2018 (Arbeitsunfähigkeit bis 31. Juli 2018), jedoch allesamt ohne Angaben zu den Daten der Untersuchung und der dabei erhobenen Befunde, eingereicht. Am 16. Juli 2018 hat ihr der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht B. telefonisch mitgeteilt, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2018 aufrechterhalten bleibt. Ausweislich des Aktenvermerks der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 16. Juli 2018 über ein Telefonat mit der Klägerin hat diese auf den Hinweis, dass bis jetzt der Termin nicht aufgehoben worden sei, einen Befangenheitsantrag angekündigt. Auf Anfrage des Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht B. (Schreiben vom 16. Juli 2018) hat der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie v.d.L. weitere Auskünfte ohne Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung abgelehnt (Schreiben vom 16. Juli 2018). Daraufhin hat der Vorsitzende Richter mit Schreiben vom 17. Juli 2018 der Klägerin mitgeteilt, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung an 19. Juli 2018 aufrechterhalten bleibt, und sie darauf hingewiesen, dass die vorgelegten ärztlichen Unterlagen - entgegen der Verfügung vom 9. Juli 2018 - keine Befunde enthalten. Aus diesem Verfahrensablauf ist ersichtlich, dass die Verfahrensweise des abgelehnten Richters dazu gedient hat, den von der Klägerin geltend gemachten Verhinderungsgrund zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass ein Termin zur mündlichen Verhandlung gem. § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO lediglich bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden kann bzw. ggf. muss, selbst wenn das persönliche Erscheinen des Klägers - wie vorliegend - nicht angeordnet worden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Juli 2005 - B 11a/11 AL 261/04 B - juris Rdnr. 10; Beschluss vom 13. November 2008 - B 13 R 277/08 B - juris Rdnr. 15).

Außerdem zeigt der Verfahrensablauf sowie das Verhalten der Klägerin, dass sie mit ihrem Ablehnungsgesuch in erster Linie den Zweck verfolgt, die abgelehnte Terminverlegung zu erzwingen. Nachdem ihr am 16. Juli 2018 telefonisch mitgeteilt worden war, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2018 aufrechterhalten bleibt, hat sie als Reaktion einen Befangenheitsantrag angekündigt. Mit ihrem Befangenheitsgesuch vom 18. Juli 2018 stellt sie entscheidend darauf ab, dass ihrem Antrag auf Terminverlegung bisher nicht stattgegeben wurde. Weiterhin kündigt sie an, diesen "zurückzuziehen", wenn der auf den 19. Juli 2018 anberaumte Termin aufgehoben werde. Daraus ergibt sich, dass sie das Ablehnungsgesuch zweckwidrig dazu einsetzt, um die von ihr gewünschte Terminverlegung doch noch zu erreichen, anstatt die unmissverständlich angeforderten medizinischen Unterlagen vorzulegen, die dem Senat die Prüfung ermöglichen, ob die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, an der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2018 teilzunehmen. Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung des Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht B. ergeben sich mithin weder aus dem soeben dargestellten Geschehensablauf und erst recht nicht aus dem Vorbringen der Klägerin.

Auch das übrigen Vorbringen der Klägerin ist nicht dazu geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu begründen. Den ersten Antrag auf Prozesskostenhilfe hat der Senat durch Beschluss vom 9. Januar 2018, den zweiten Antrag durch Beschluss vom 16. Juli 2018 abgelehnt. Allein der Umstand, dass der abgelehnte Richter an diesen Beschlüssen mitgewirkt hat, rechtfertigt bei vernünftiger Betrachtung nicht die Annahme, dieser stünde der Sache der Klägerin nicht unparteiisch gegenüber. Im Hinblick auf das seit Januar 2017 anhängige Berufungsverfahren, das im Übrigen in der Sache einen Versagungsbescheid betreffend existenzsichernde Leistungen für die Zeit ab Oktober 2015 betrifft, und die Verpflichtung der Gerichte zu einem zeitnahen Rechtsschutz geht der Vorwurf einer "Überbeschleunigung" ins Leere.

Bei vernünftiger objektiver Betrachtung sind somit keinerlei Anhaltspunkte für die Befürchtung der Klägerin ersichtlich, der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht B. stünde ihr im Berufungsverfahren L 7 AS 82/17 nicht unvoreingenommen gegenüber.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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