Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 6269/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 1166/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Auskunftsverlangen eines Jobcenters gegenüber einem Unterhaltspflichtigen kann nur auf der Gundlage von § 60 Abs. 2 SGB II i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X geltend gemacht werden (Anschluss an BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R –).
2. Zur Frage, ob das Auskunftsverlangen gegenüber einem Unterhaltspflichtigen eine Entstehungsvoraussetzung ist oder ob die Auskunftspflicht ab Antragstellung kraft Gesetzes besteht, jedoch erst mit dem Auskunftsverlangen fällig wird.
2. Zur Frage, ob das Auskunftsverlangen gegenüber einem Unterhaltspflichtigen eine Entstehungsvoraussetzung ist oder ob die Auskunftspflicht ab Antragstellung kraft Gesetzes besteht, jedoch erst mit dem Auskunftsverlangen fällig wird.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21. September 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2013 aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen ein Auskunftsverlangen des Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Der am 1986 geborene Kläger ist Vater der am 2011 geborenen Y ..., deren Mutter, X ..., am 1980 geboren und mit dem Kläger nicht verheiratet ist.
Im gerichtlichen Verfahren der Kindesmutter gegen den Beklagten vor dem Sozialgericht Dresden (Az.: S 20 AS 1118/13 ER) trug die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 5. März 2013 vor, dass der Vater von Y ... bis zum Ende des Studiums 225,00 EUR Unterhalt gezahlt habe, da er selbst Unterhalt von seiner Mutter erhalten habe und davon den genannten Betrag habe weiterleiten könnten. Seit das Studium beendet sei, zahle er nur 133,00 EUR.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2013, zugestellte am 28. Juni 2013, teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Träger der Grundsicherung seiner Tochter und der Kindesmutter laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gewähren würden. Es bestehe möglicherweise ein Anspruch auf Kindesunterhalt gemäß § 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und für die betreuende Mutter auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB, welcher gegenüber den Sozialleistungen vorrangig sei. Dieser Unterhaltsanspruch gehe nach § 33 SGB II kraft Gesetzes bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Leistungsträger über. Daher könnten ohne Zustimmung der Leistungsträger Unterhaltszahlungen nicht mehr mit befreiender Wirkung an die unterhaltsberechtigten Personen erbracht werden. Ausgenommen sei die bisherige regelmäßig geleistete Unterhaltszahlung in Höhe von 133,00 EUR. Diese Zahlung entspreche jedoch nicht dem Mindestunterhalt. Zudem werde die Leistungsfähigkeit auf Betreuungsunterhalt geprüft. Um die Prüfung vornehmen zu können, sei seine Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen notwendig. Dies beinhalte gegebenenfalls auch eine Verpflichtung zur Angabe der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehepartners/Lebenspartners. Sollte einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen werden, bestehe die Verpflichtung, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der letzten 12 Monate durch Verdienstbescheinigungen und Steuerbescheide nachzuweisen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung ergebe sich aus § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II i. V. m. § 1605 BGB. Sofern der Auskunftspflicht nicht nachgekommen werde, werde zur Erteilung der Auskunft vor dem Familiengericht zu klagen sein. Das Auskunftsverlangen werde auch auf die öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht gemäß § 60 SGB II gestützt. Werde dieser nicht nachgekommen, könne ein Zwangsgeld festgesetzt und ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden.
Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte der Beklagte der Kindesmutter den Übergang der Unterhaltsansprüche mit.
Mit Widerspruch vom 18. Juli 2013 machte der Kläger geltend, dass ein Unterhaltsanspruch mangels Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Für den Betreuungsunterhalt seien die Einkommensverhältnisse der letzten 12 Monate vor der Geburt maßgebend. In diesem Zeitraum sei er Student gewesen. Erst nach Abschluss des Studiums zum 1. März 2013 habe er in ein Beschäftigungsverhältnis treten können und sei Leistungsfähigkeit eingetreten.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2013 zurück, da ein öffentlich-rechtlicher Auskunftsanspruch gemäß § 60 Abs. 2 SGB II bestehe. Für das Auskunftsersuchen komme es lediglich darauf an, dass ein Unterhaltsanspruch überhaupt in Betracht komme. Nach gängiger Rechtsprechung sei der Unterhaltsberechnung das Einkommen der letzten 12 Monate, ausgehend vom Zeitpunkt der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs, zugrunde zu legen.
Der Kläger hat am 19. September 2013 Klage erhoben. Dem Unterhaltsanspruch seiner Tochter komme er regelmäßig nach. Der Unterhaltsanspruch der Kindesmutter sei verjährt. Das Auskunftsverlangen sei zudem rechtswidrig, da es sich auf den Ehegatten des Klägers erstrecke.
Der Beklagte und die Kindesmutter haben am 15. April 2014 die Rückübertragung der ab dem 1. Mai 2013 bis zur Rechtshängigkeit des Antrages übergegangene beziehungsweise noch übergehende Unterhaltsansprüche der Y ... zur gerichtlichen Geltendmachung (vgl. § 33 Abs. 4 SGB II) vereinbart.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. November 2014 erklärt, dass die Rückübertragung des übergegangenen Anspruchs gemäß § 33 Abs. 4 SGB II vollumfänglich sei und somit an dem streitgegenständlichen Auskunftsverlangen nicht festgehalten werde. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014 hat er klarstellend darauf hingewiesen, dass nur die per Gesetz auf die Leistungsträger übergegangenen Unterhaltsansprüche des unterhaltsberechtigten Kindes für die Zeit ab 1. Mai 2013 auf die leistungsberechtigte Person zurückübertragen worden seien, nicht jedoch die nach dem SGB II übergangenen Unterhaltsansprüche der Kindesmutter auf Betreuungsunterhalt. Das Auskunftsverlangen gemäß § 60 SGB II gegenüber dem Kläger bestehe weiterhin hinsichtlich des gegenüber den Sozialleistungen vorrangigen Anspruchs auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB.
Die Prozessbevollmächtige der Kindesmutter hat am 29. Juni 2015 gegenüber dem Beklagten die Gehaltsabrechnung des Klägers für Juni 2012 (0,00 EUR), die Nachweise über den Bezug von Arbeitslosengeld II durch den Kläger im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2012 und Januar bis März 2013, die Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge des Klägers für Mai 2013 (2.630,00 EUR - Eintritt 1. April 2013) und den im Verfahren wegen Unterhalt abgeschlossenen Vergleich zur Akte gereicht.
Der Beklagte hat gegenüber der Kindesmutter den für die Monate Mai 2013 bis Februar 2015 übergegangenen Unterhaltsanspruch mit Schreiben vom 30. Juni 2015 beziffert und die Erstattung geltend gemacht.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21. September 2015 die Klage abgewiesen. Der mögliche Unterhaltsanspruch der Mutter sei von der Rückübertragung nicht betroffen. Da die Kindesmutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen sei und von ihr wegen der Pflege und Erziehung der Tochter nicht habe erwartet werden können, habe bei Erlass des angefochtenen Bescheides am 27. Juni 2013 der Unterhaltsanspruch bestanden. Für eine Verjährung des Auskunftsanspruchs bestünden keine Anhaltspunkte. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Formulierung den Ehegatten betreffend überhaupt rechtswidrig wäre, da der Kläger unverheiratet sei und die Verpflichtung ihn damit erkennbar nicht getroffen habe.
Der Kläger hat gegen das ihm am 20. Oktober 2015 zugestellte Urteil am 30. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Ein Unterhaltsanspruch der Kindesmutter aus Anlass der Geburt könne offenkundig nicht über den Zeitraum von mehr als acht Wochen nach der Geburt hinausgehen, da die weiteren Voraussetzungen für einen längeren Anspruch erkennbar nicht vorliegen würden. Aber auch insofern sei ein Unterhaltsanspruch ausgeschlossen, da das Einkommen des Klägers ein Jahr vor Entbindung maßgebend sei und er in diesem Zeitraum keinerlei unterhaltsrelevante Einkünfte erzielt habe. Er sei bis zum 30. September 2012 an der Technischen Universität A ... immatrikuliert gewesen und habe sich in der Diplomarbeitsphase befunden. Eine irgendwie geartete berufliche Nebentätigkeit, welche Leistungsfähigkeit gemäß § 1615 BGB auch nur wahrscheinlich werden lasse, habe er daher keinesfalls ausüben können. Dem entgegenstehende Behauptungen oder gar Beweisangebote der Beklagten würden nicht vorliegen. Datenerhebung und -sammlung verstoße gegen sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Es müsse wenigstens glaubhaft gemacht sein, dass überhaupt ein Unterhaltsanspruch bestehen könne. Der Auskunftsverpflichtung sei er bereits im Rahmen des Widerspruchverfahrens nachgekommen. Bei Zweifeln hätte Stufenklage erhoben werden müssen. Unbekannt sei auch, ob die Beklagte überhaupt Leistungen an die Kindesmutter erbracht habe. Trotz mehrfacher Hinweise fehle jedweder Vortrag. Innerhalb der Schutzfristen müsse die Kindesmutter Mutterschaftsgeld bezogen haben, so dass sie keine Leistungen nach dem SGB II erhalten haben dürfte und ein Auskunftsanspruch nicht gegeben sei. Auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgericht vom 18. August 2016 (Az. L 7 AS 566/13) werde verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 21. September 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Rechtsbewertung, ob Unterhalt geschuldet werde, stehe allein dem Beklagten zu. Zudem würden Leistungen neben dem Mutterschutzgesetz durch das SGB II erbracht. Die Kindesmutter habe durchgängig im Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 5. März 2014 im Leistungsbezug gestanden. Soweit darauf hingewiesen werde, dass eine Stufenklage auf dem Zivilrechtsweg angestrebt werden müsse, werde die Auffassung vertreten, dass die Hemmung auch durch die Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs eintrete. Würde nur der Zivilrechtsweg der hemmungsauslösende Schritt sein, wäre die Rechtsvorschrift des Auskunftsanspruchs nach dem SGB II sinnlos. Es gelte jedenfalls § 203 BGB.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21. September 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2013 sind aufzuheben.
1. Der Kläger hat zutreffend eine reine Anfechtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) erhoben. Einer Beiladung der Kindesmutter nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG bedurfte es nicht, weil im Auskunftsrechtsstreit zwischen dem Beklagten und dem unterhaltsverpflichteten Kläger keine Entscheidung getroffen wird, die auch gegenüber dem Unterhaltsberechtigten nur einheitlich ergehen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R – SozR 4-4200 § 60 Nr. 4 = juris Rdnr.8).
2. Die Berufung ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Ob die materiell rechtlich Voraussetzungen für den Anspruch auf Auskunftserteilung ursprünglich vorgelegen, der Auskunftsanspruch durch Erfüllung erloschen ist, durch die Erlangung der notwendigen Informationen erledigt ist oder jedenfalls seit dem 31. Dezember 2017 verjährt ist, bedarf vorliegend nicht der Klärung.
Da ein rechtswirksames Auskunftsverlangen die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (vgl. § 39 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) voraussetzt, hält die vorliegend vom Kläger angegriffene Verwaltungsentscheidung der rechtlichen Überprüfung nicht Stand.
a) Als Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen des Beklagten gegenüber dem Kläger als Unterhaltsschuldner kommt vorliegend allein § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 SGB II i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) in Betracht, auf die der Beklagte auch seinen Bescheid gestützt hat.
Die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs, der nach § 33 Abs. 1 Satz 4 SGB II im Zusammenhang mit einem etwaigen weitergehenden zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch der Kindesmutter gegen den Kläger auf den Beklagten übergegangen sein könnte, war nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids und könnte auch nicht Rechtsgrundlage für einen mittels Verwaltungsakt geltend gemachten Auskunftsanspruch sein. Denn er verändert durch die Legalzession seinen zivilrechtlichen Charakter nicht und ist daher auch nur zivilprozessual durchsetzbar (vgl. § 33 Abs. 4 Satz 3 SGB II). Entsprechend wies der Beklagte ausdrücklich im Bescheid vom 27. Juni 2013 nur darauf hin, dass eine Pflicht zur Auskunft auch aus § 33 SGB II i. V. m. § 1605 BGB folgt und er gehalten sei, diesen Auskunftsanspruch bei Nichterteilung der Auskunft vor dem Familiengericht geltend zu machen.
Auch ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung wurde ausdrücklich nur das öffentlich-rechtliche Auskunftsverlangen geltend gemacht.
b) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Erlass des Widerspruchsbescheids am 30. August 2013 (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, a. a. O., Rdnr. 10 bis 13).
c) Voraussetzung für eine Auskunftspflicht ist das "Verlangen" der zuständigen Behörde. Ob das Verlangen eine Entstehungsvoraussetzung (so z. B. Stachnow-Meyerhoff/ G. Becker, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 60 Rdnr. 31; Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. II/2018, Mai 2018], § 60 Rdnr. 16) ist oder ob die Auskunftspflicht ab Antragstellung kraft Gesetzes besteht, jedoch erst mit dem Auskunftsverlangen fällig wird (so z. B. Blüggel, in: Eicher, SGB II [4. Aufl., 2017], § 60 Rdnr. 11; Steinmeyer, in: Gagel, SGB II/SGB III [69. Erg.-Lfg., März 2018], § 60 SGB II Rdnr. 23), ist streitig (vgl. hierzu bereits Sächs. LSG, Urteil vom 8. Mai 2014 – L 3 AS 518/12 – FEVS 66, 228 ff. = juris Rdnr. 30, m. w. N.). Jedenfalls trifft den zur Auskunft verpflichteten Dritten, hier den Kläger, keine eigene Mitwirkungspflicht, insbesondere nicht die Pflicht, von sich aus an den Leistungsträger herantreten zu müssen.
Dabei ist es ausreichend, dass eine Unterhaltsverpflichtung möglicherweise besteht. Sie muss noch nicht feststehen, da die Auskunft bei Ungewissheit einer Unterhaltsverpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung gerade beitragen soll (vgl. Blüggel, a. a. O., Rdnr 20, m. w. N.; Stachnow-Meyerhoff/G. Becker, a. a. O., Rdnr. 49).
Die Beendigung des Leistungsverhältnisses und die Erfüllung des Auskunftsanspruchs führen zum Erlöschen der Auskunftspflicht (vgl. § 362 BGB analog). Ausdrücklich besteht die Auskunftspflicht zudem nur dann (und solange) wie eine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung tatsächlich besteht. Die Auskunftspflicht erlischt daher, sobald der Anspruch des Leistungsempfängers gegen den Dritten auf Unterhalt rechtlich nicht mehr besteht oder dauerhaft nicht mehr durchsetzbar ist (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 SGB II). Die vollständige Beendigung des Leistungsverhältnisses zwischen dem SGB II Leistungsträger und dem Leistungsempfänger führt ebenfalls zum Erlöschen (vgl. Blüggel, a. a. O., Rdnr 19).
d) In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist geklärt, dass für das Auskunftsverlangen selbst nicht allein auf § 60 Abs. 2 SGB II abzustellen ist. Vielmehr kann dieses erst in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R – SozR 4-4200 § 60 Nr. 4 = NJW 2017, 590 ff. = juris, jeweils Rdnr. 13). Es handelt sich "insgesamt" um eine Ermessensentscheidung der Behörde (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 22. März 2018 – L 3 AS 719/16 – [n. v.]; Blüggel, a. a. O., Rdnr. 18). Denn § 60 Abs. 2 SGB II regelt lediglich die Auskunftspflicht der von der Behörde in Anspruch genommenen Personen und ermöglicht den Eingriff in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Berechtigung zur Einholung von Auskünften folgt für die Behörde dagegen aus § 60 Abs. 2 SGB II i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X. Nach letztgenannter Vorschrift bedient sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Sie kann insbesondere Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
e) Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung erfordert nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass die Behörde ihr Ermessen entsprechend des Zwecks der Ermächtigung ausübt und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat dementsprechend einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Ein Ermessensnichtgebrauch ist gegeben, wenn überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden und so gehandelt wird, als ob eine gebundene Entscheidung zu treffen ist. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist. Ein Ermessensfehlgebrauch zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sachfremde Erwägungen angestellt werden. Sachfremde Erwägungen sind unter anderem dann gegeben, wenn Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die den Zweck der Norm nicht beachten. Nur in diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung, wie sich aus § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergibt, der richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – SozR 4-4200 § 31a Nr. 1 = juris, Rdnr. 36 und 37).
f) Vorliegend hat der Beklagte kein Ermessen ausgeübt. Dies führt zur Rechtswidrigkeit des streitbefangenen Auskunftsersuchens. Denn Gründe für eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null sind nicht gegeben.
Die verfahrensgegenständlichen Bescheide lassen keine Ermessenserwägungen erkennen. Es liegt Ermessensnichtgebrauch vor. Der Beklagte erkannte bei seiner Entscheidung, die er noch vor dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 23. Juni 2016 getroffen hatte, schon nicht, dass er sein Handeln nicht allein auf § 60 Abs. 2 SGB II sondern nur auf diese Vorschrift in Verbindung mit § 21 SGB X stützen kann. Daher konnte sich ihm das Erfordernis der Ausübung von Ermessen von vornherein nicht erschließen. Der Begriff "Ermessen" wird in den Begründungen der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen auch nicht benutzt und es finden sich in ihnen keine Abwägungen, die auf eine Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Benutzung des Beweismittels "Auskunftsverlangen" schließen lassen.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 23. Juni 2016 (a. a. O., Rdnr. 29, m. w. N.) ausgeführt: "Zweck der Auskunftsverpflichtung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt 1 SGB II ist die Sicherung des Nachrangs. Sie steht verfahrensrechtlich im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgrundsatz nach § 20 Abs. 1 SGB X und dient der Prüfung von Leistungsverpflichtungen, um entweder auf die Durchsetzung von Ansprüchen im Wege der Selbsthilfe zu verweisen oder einen Erstattungsanspruch nach § 33 SGB II geltend zu machen":
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nicht ersichtlich, dass nur eine Entscheidung rechtmäßig hätte ergehen können, somit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und die Verwaltungsentscheidung trotz des Ermessensnichtgebrauchs rechtmäßig wäre.
Vielmehr hätte vorliegend ersichtlich im Rahmen der Ermessensentscheidung gewertet werden müssen, dass die Kindesmutter allein die Unterhaltsansprüche des Kindes geltend machte, was nachträglich auch zur Anrechnung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs und entsprechenden Zahlungen an den Beklagten führte.
Eigene Ansprüche auf Betreuungsunterhalt hatte die Kindesmutter demgegenüber unter Hinweis auf die fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers nicht verfolgt. Zudem stand der Anspruchsübergang nach § 33 SGB II erst ab dem Zeitpunkt der Rechtswahrungsanzeige (Geltendmachung des Auskunftsanspruchs - mit der Wirkung des Verzuges) gegenüber dem Kläger im Raum (vgl. § 33 Abs. 3 SGB II). Zu diesem Zeitpunkt bestand ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt hinsichtlich des bereits am 8. September 2011 geborenen Kindes nur noch unter den besonderen Voraussetzungen des § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB. Jedenfalls hätten zunächst dahingehende Feststellungen getroffen werden müssen, ob von der im Leistungsbezug stehenden Kindesmutter wegen der Pflege und Erziehung des Kindes tatsächlich eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden konnte und damit ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt überhaupt hätte bestehen können.
Der Mangel in der Ermessensbetätigung kann nach der Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichtes auch nicht auf der Grundlage von § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X im Gerichtsverfahren nachgeholt werden (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2011 – B 7 AL 2/120 R – juris Rdnr. 14, m. w. N.).
Dies führt vorliegend nicht allein zur Aufhebung der Bescheide und Rückverweisung zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, da kein Antrag des Klägers oder eines Dritten zu verbescheiden verbleibt.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
III. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen ein Auskunftsverlangen des Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Der am 1986 geborene Kläger ist Vater der am 2011 geborenen Y ..., deren Mutter, X ..., am 1980 geboren und mit dem Kläger nicht verheiratet ist.
Im gerichtlichen Verfahren der Kindesmutter gegen den Beklagten vor dem Sozialgericht Dresden (Az.: S 20 AS 1118/13 ER) trug die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 5. März 2013 vor, dass der Vater von Y ... bis zum Ende des Studiums 225,00 EUR Unterhalt gezahlt habe, da er selbst Unterhalt von seiner Mutter erhalten habe und davon den genannten Betrag habe weiterleiten könnten. Seit das Studium beendet sei, zahle er nur 133,00 EUR.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2013, zugestellte am 28. Juni 2013, teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Träger der Grundsicherung seiner Tochter und der Kindesmutter laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gewähren würden. Es bestehe möglicherweise ein Anspruch auf Kindesunterhalt gemäß § 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und für die betreuende Mutter auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB, welcher gegenüber den Sozialleistungen vorrangig sei. Dieser Unterhaltsanspruch gehe nach § 33 SGB II kraft Gesetzes bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Leistungsträger über. Daher könnten ohne Zustimmung der Leistungsträger Unterhaltszahlungen nicht mehr mit befreiender Wirkung an die unterhaltsberechtigten Personen erbracht werden. Ausgenommen sei die bisherige regelmäßig geleistete Unterhaltszahlung in Höhe von 133,00 EUR. Diese Zahlung entspreche jedoch nicht dem Mindestunterhalt. Zudem werde die Leistungsfähigkeit auf Betreuungsunterhalt geprüft. Um die Prüfung vornehmen zu können, sei seine Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen notwendig. Dies beinhalte gegebenenfalls auch eine Verpflichtung zur Angabe der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehepartners/Lebenspartners. Sollte einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen werden, bestehe die Verpflichtung, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der letzten 12 Monate durch Verdienstbescheinigungen und Steuerbescheide nachzuweisen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung ergebe sich aus § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II i. V. m. § 1605 BGB. Sofern der Auskunftspflicht nicht nachgekommen werde, werde zur Erteilung der Auskunft vor dem Familiengericht zu klagen sein. Das Auskunftsverlangen werde auch auf die öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht gemäß § 60 SGB II gestützt. Werde dieser nicht nachgekommen, könne ein Zwangsgeld festgesetzt und ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden.
Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte der Beklagte der Kindesmutter den Übergang der Unterhaltsansprüche mit.
Mit Widerspruch vom 18. Juli 2013 machte der Kläger geltend, dass ein Unterhaltsanspruch mangels Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Für den Betreuungsunterhalt seien die Einkommensverhältnisse der letzten 12 Monate vor der Geburt maßgebend. In diesem Zeitraum sei er Student gewesen. Erst nach Abschluss des Studiums zum 1. März 2013 habe er in ein Beschäftigungsverhältnis treten können und sei Leistungsfähigkeit eingetreten.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2013 zurück, da ein öffentlich-rechtlicher Auskunftsanspruch gemäß § 60 Abs. 2 SGB II bestehe. Für das Auskunftsersuchen komme es lediglich darauf an, dass ein Unterhaltsanspruch überhaupt in Betracht komme. Nach gängiger Rechtsprechung sei der Unterhaltsberechnung das Einkommen der letzten 12 Monate, ausgehend vom Zeitpunkt der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs, zugrunde zu legen.
Der Kläger hat am 19. September 2013 Klage erhoben. Dem Unterhaltsanspruch seiner Tochter komme er regelmäßig nach. Der Unterhaltsanspruch der Kindesmutter sei verjährt. Das Auskunftsverlangen sei zudem rechtswidrig, da es sich auf den Ehegatten des Klägers erstrecke.
Der Beklagte und die Kindesmutter haben am 15. April 2014 die Rückübertragung der ab dem 1. Mai 2013 bis zur Rechtshängigkeit des Antrages übergegangene beziehungsweise noch übergehende Unterhaltsansprüche der Y ... zur gerichtlichen Geltendmachung (vgl. § 33 Abs. 4 SGB II) vereinbart.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. November 2014 erklärt, dass die Rückübertragung des übergegangenen Anspruchs gemäß § 33 Abs. 4 SGB II vollumfänglich sei und somit an dem streitgegenständlichen Auskunftsverlangen nicht festgehalten werde. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014 hat er klarstellend darauf hingewiesen, dass nur die per Gesetz auf die Leistungsträger übergegangenen Unterhaltsansprüche des unterhaltsberechtigten Kindes für die Zeit ab 1. Mai 2013 auf die leistungsberechtigte Person zurückübertragen worden seien, nicht jedoch die nach dem SGB II übergangenen Unterhaltsansprüche der Kindesmutter auf Betreuungsunterhalt. Das Auskunftsverlangen gemäß § 60 SGB II gegenüber dem Kläger bestehe weiterhin hinsichtlich des gegenüber den Sozialleistungen vorrangigen Anspruchs auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB.
Die Prozessbevollmächtige der Kindesmutter hat am 29. Juni 2015 gegenüber dem Beklagten die Gehaltsabrechnung des Klägers für Juni 2012 (0,00 EUR), die Nachweise über den Bezug von Arbeitslosengeld II durch den Kläger im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2012 und Januar bis März 2013, die Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge des Klägers für Mai 2013 (2.630,00 EUR - Eintritt 1. April 2013) und den im Verfahren wegen Unterhalt abgeschlossenen Vergleich zur Akte gereicht.
Der Beklagte hat gegenüber der Kindesmutter den für die Monate Mai 2013 bis Februar 2015 übergegangenen Unterhaltsanspruch mit Schreiben vom 30. Juni 2015 beziffert und die Erstattung geltend gemacht.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21. September 2015 die Klage abgewiesen. Der mögliche Unterhaltsanspruch der Mutter sei von der Rückübertragung nicht betroffen. Da die Kindesmutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen sei und von ihr wegen der Pflege und Erziehung der Tochter nicht habe erwartet werden können, habe bei Erlass des angefochtenen Bescheides am 27. Juni 2013 der Unterhaltsanspruch bestanden. Für eine Verjährung des Auskunftsanspruchs bestünden keine Anhaltspunkte. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Formulierung den Ehegatten betreffend überhaupt rechtswidrig wäre, da der Kläger unverheiratet sei und die Verpflichtung ihn damit erkennbar nicht getroffen habe.
Der Kläger hat gegen das ihm am 20. Oktober 2015 zugestellte Urteil am 30. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Ein Unterhaltsanspruch der Kindesmutter aus Anlass der Geburt könne offenkundig nicht über den Zeitraum von mehr als acht Wochen nach der Geburt hinausgehen, da die weiteren Voraussetzungen für einen längeren Anspruch erkennbar nicht vorliegen würden. Aber auch insofern sei ein Unterhaltsanspruch ausgeschlossen, da das Einkommen des Klägers ein Jahr vor Entbindung maßgebend sei und er in diesem Zeitraum keinerlei unterhaltsrelevante Einkünfte erzielt habe. Er sei bis zum 30. September 2012 an der Technischen Universität A ... immatrikuliert gewesen und habe sich in der Diplomarbeitsphase befunden. Eine irgendwie geartete berufliche Nebentätigkeit, welche Leistungsfähigkeit gemäß § 1615 BGB auch nur wahrscheinlich werden lasse, habe er daher keinesfalls ausüben können. Dem entgegenstehende Behauptungen oder gar Beweisangebote der Beklagten würden nicht vorliegen. Datenerhebung und -sammlung verstoße gegen sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Es müsse wenigstens glaubhaft gemacht sein, dass überhaupt ein Unterhaltsanspruch bestehen könne. Der Auskunftsverpflichtung sei er bereits im Rahmen des Widerspruchverfahrens nachgekommen. Bei Zweifeln hätte Stufenklage erhoben werden müssen. Unbekannt sei auch, ob die Beklagte überhaupt Leistungen an die Kindesmutter erbracht habe. Trotz mehrfacher Hinweise fehle jedweder Vortrag. Innerhalb der Schutzfristen müsse die Kindesmutter Mutterschaftsgeld bezogen haben, so dass sie keine Leistungen nach dem SGB II erhalten haben dürfte und ein Auskunftsanspruch nicht gegeben sei. Auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgericht vom 18. August 2016 (Az. L 7 AS 566/13) werde verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 21. September 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Rechtsbewertung, ob Unterhalt geschuldet werde, stehe allein dem Beklagten zu. Zudem würden Leistungen neben dem Mutterschutzgesetz durch das SGB II erbracht. Die Kindesmutter habe durchgängig im Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 5. März 2014 im Leistungsbezug gestanden. Soweit darauf hingewiesen werde, dass eine Stufenklage auf dem Zivilrechtsweg angestrebt werden müsse, werde die Auffassung vertreten, dass die Hemmung auch durch die Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs eintrete. Würde nur der Zivilrechtsweg der hemmungsauslösende Schritt sein, wäre die Rechtsvorschrift des Auskunftsanspruchs nach dem SGB II sinnlos. Es gelte jedenfalls § 203 BGB.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21. September 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2013 sind aufzuheben.
1. Der Kläger hat zutreffend eine reine Anfechtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) erhoben. Einer Beiladung der Kindesmutter nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG bedurfte es nicht, weil im Auskunftsrechtsstreit zwischen dem Beklagten und dem unterhaltsverpflichteten Kläger keine Entscheidung getroffen wird, die auch gegenüber dem Unterhaltsberechtigten nur einheitlich ergehen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R – SozR 4-4200 § 60 Nr. 4 = juris Rdnr.8).
2. Die Berufung ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Ob die materiell rechtlich Voraussetzungen für den Anspruch auf Auskunftserteilung ursprünglich vorgelegen, der Auskunftsanspruch durch Erfüllung erloschen ist, durch die Erlangung der notwendigen Informationen erledigt ist oder jedenfalls seit dem 31. Dezember 2017 verjährt ist, bedarf vorliegend nicht der Klärung.
Da ein rechtswirksames Auskunftsverlangen die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (vgl. § 39 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) voraussetzt, hält die vorliegend vom Kläger angegriffene Verwaltungsentscheidung der rechtlichen Überprüfung nicht Stand.
a) Als Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen des Beklagten gegenüber dem Kläger als Unterhaltsschuldner kommt vorliegend allein § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 SGB II i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) in Betracht, auf die der Beklagte auch seinen Bescheid gestützt hat.
Die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs, der nach § 33 Abs. 1 Satz 4 SGB II im Zusammenhang mit einem etwaigen weitergehenden zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch der Kindesmutter gegen den Kläger auf den Beklagten übergegangen sein könnte, war nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids und könnte auch nicht Rechtsgrundlage für einen mittels Verwaltungsakt geltend gemachten Auskunftsanspruch sein. Denn er verändert durch die Legalzession seinen zivilrechtlichen Charakter nicht und ist daher auch nur zivilprozessual durchsetzbar (vgl. § 33 Abs. 4 Satz 3 SGB II). Entsprechend wies der Beklagte ausdrücklich im Bescheid vom 27. Juni 2013 nur darauf hin, dass eine Pflicht zur Auskunft auch aus § 33 SGB II i. V. m. § 1605 BGB folgt und er gehalten sei, diesen Auskunftsanspruch bei Nichterteilung der Auskunft vor dem Familiengericht geltend zu machen.
Auch ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung wurde ausdrücklich nur das öffentlich-rechtliche Auskunftsverlangen geltend gemacht.
b) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Erlass des Widerspruchsbescheids am 30. August 2013 (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, a. a. O., Rdnr. 10 bis 13).
c) Voraussetzung für eine Auskunftspflicht ist das "Verlangen" der zuständigen Behörde. Ob das Verlangen eine Entstehungsvoraussetzung (so z. B. Stachnow-Meyerhoff/ G. Becker, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 60 Rdnr. 31; Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. II/2018, Mai 2018], § 60 Rdnr. 16) ist oder ob die Auskunftspflicht ab Antragstellung kraft Gesetzes besteht, jedoch erst mit dem Auskunftsverlangen fällig wird (so z. B. Blüggel, in: Eicher, SGB II [4. Aufl., 2017], § 60 Rdnr. 11; Steinmeyer, in: Gagel, SGB II/SGB III [69. Erg.-Lfg., März 2018], § 60 SGB II Rdnr. 23), ist streitig (vgl. hierzu bereits Sächs. LSG, Urteil vom 8. Mai 2014 – L 3 AS 518/12 – FEVS 66, 228 ff. = juris Rdnr. 30, m. w. N.). Jedenfalls trifft den zur Auskunft verpflichteten Dritten, hier den Kläger, keine eigene Mitwirkungspflicht, insbesondere nicht die Pflicht, von sich aus an den Leistungsträger herantreten zu müssen.
Dabei ist es ausreichend, dass eine Unterhaltsverpflichtung möglicherweise besteht. Sie muss noch nicht feststehen, da die Auskunft bei Ungewissheit einer Unterhaltsverpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung gerade beitragen soll (vgl. Blüggel, a. a. O., Rdnr 20, m. w. N.; Stachnow-Meyerhoff/G. Becker, a. a. O., Rdnr. 49).
Die Beendigung des Leistungsverhältnisses und die Erfüllung des Auskunftsanspruchs führen zum Erlöschen der Auskunftspflicht (vgl. § 362 BGB analog). Ausdrücklich besteht die Auskunftspflicht zudem nur dann (und solange) wie eine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung tatsächlich besteht. Die Auskunftspflicht erlischt daher, sobald der Anspruch des Leistungsempfängers gegen den Dritten auf Unterhalt rechtlich nicht mehr besteht oder dauerhaft nicht mehr durchsetzbar ist (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 SGB II). Die vollständige Beendigung des Leistungsverhältnisses zwischen dem SGB II Leistungsträger und dem Leistungsempfänger führt ebenfalls zum Erlöschen (vgl. Blüggel, a. a. O., Rdnr 19).
d) In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist geklärt, dass für das Auskunftsverlangen selbst nicht allein auf § 60 Abs. 2 SGB II abzustellen ist. Vielmehr kann dieses erst in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R – SozR 4-4200 § 60 Nr. 4 = NJW 2017, 590 ff. = juris, jeweils Rdnr. 13). Es handelt sich "insgesamt" um eine Ermessensentscheidung der Behörde (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 22. März 2018 – L 3 AS 719/16 – [n. v.]; Blüggel, a. a. O., Rdnr. 18). Denn § 60 Abs. 2 SGB II regelt lediglich die Auskunftspflicht der von der Behörde in Anspruch genommenen Personen und ermöglicht den Eingriff in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Berechtigung zur Einholung von Auskünften folgt für die Behörde dagegen aus § 60 Abs. 2 SGB II i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X. Nach letztgenannter Vorschrift bedient sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Sie kann insbesondere Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
e) Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung erfordert nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass die Behörde ihr Ermessen entsprechend des Zwecks der Ermächtigung ausübt und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat dementsprechend einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Ein Ermessensnichtgebrauch ist gegeben, wenn überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden und so gehandelt wird, als ob eine gebundene Entscheidung zu treffen ist. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist. Ein Ermessensfehlgebrauch zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sachfremde Erwägungen angestellt werden. Sachfremde Erwägungen sind unter anderem dann gegeben, wenn Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die den Zweck der Norm nicht beachten. Nur in diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung, wie sich aus § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergibt, der richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – SozR 4-4200 § 31a Nr. 1 = juris, Rdnr. 36 und 37).
f) Vorliegend hat der Beklagte kein Ermessen ausgeübt. Dies führt zur Rechtswidrigkeit des streitbefangenen Auskunftsersuchens. Denn Gründe für eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null sind nicht gegeben.
Die verfahrensgegenständlichen Bescheide lassen keine Ermessenserwägungen erkennen. Es liegt Ermessensnichtgebrauch vor. Der Beklagte erkannte bei seiner Entscheidung, die er noch vor dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 23. Juni 2016 getroffen hatte, schon nicht, dass er sein Handeln nicht allein auf § 60 Abs. 2 SGB II sondern nur auf diese Vorschrift in Verbindung mit § 21 SGB X stützen kann. Daher konnte sich ihm das Erfordernis der Ausübung von Ermessen von vornherein nicht erschließen. Der Begriff "Ermessen" wird in den Begründungen der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen auch nicht benutzt und es finden sich in ihnen keine Abwägungen, die auf eine Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Benutzung des Beweismittels "Auskunftsverlangen" schließen lassen.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 23. Juni 2016 (a. a. O., Rdnr. 29, m. w. N.) ausgeführt: "Zweck der Auskunftsverpflichtung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt 1 SGB II ist die Sicherung des Nachrangs. Sie steht verfahrensrechtlich im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgrundsatz nach § 20 Abs. 1 SGB X und dient der Prüfung von Leistungsverpflichtungen, um entweder auf die Durchsetzung von Ansprüchen im Wege der Selbsthilfe zu verweisen oder einen Erstattungsanspruch nach § 33 SGB II geltend zu machen":
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nicht ersichtlich, dass nur eine Entscheidung rechtmäßig hätte ergehen können, somit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und die Verwaltungsentscheidung trotz des Ermessensnichtgebrauchs rechtmäßig wäre.
Vielmehr hätte vorliegend ersichtlich im Rahmen der Ermessensentscheidung gewertet werden müssen, dass die Kindesmutter allein die Unterhaltsansprüche des Kindes geltend machte, was nachträglich auch zur Anrechnung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs und entsprechenden Zahlungen an den Beklagten führte.
Eigene Ansprüche auf Betreuungsunterhalt hatte die Kindesmutter demgegenüber unter Hinweis auf die fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers nicht verfolgt. Zudem stand der Anspruchsübergang nach § 33 SGB II erst ab dem Zeitpunkt der Rechtswahrungsanzeige (Geltendmachung des Auskunftsanspruchs - mit der Wirkung des Verzuges) gegenüber dem Kläger im Raum (vgl. § 33 Abs. 3 SGB II). Zu diesem Zeitpunkt bestand ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt hinsichtlich des bereits am 8. September 2011 geborenen Kindes nur noch unter den besonderen Voraussetzungen des § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB. Jedenfalls hätten zunächst dahingehende Feststellungen getroffen werden müssen, ob von der im Leistungsbezug stehenden Kindesmutter wegen der Pflege und Erziehung des Kindes tatsächlich eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden konnte und damit ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt überhaupt hätte bestehen können.
Der Mangel in der Ermessensbetätigung kann nach der Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichtes auch nicht auf der Grundlage von § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X im Gerichtsverfahren nachgeholt werden (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2011 – B 7 AL 2/120 R – juris Rdnr. 14, m. w. N.).
Dies führt vorliegend nicht allein zur Aufhebung der Bescheide und Rückverweisung zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, da kein Antrag des Klägers oder eines Dritten zu verbescheiden verbleibt.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
III. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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